© Getty Images/iStockphoto

Diagnostik und Therapie

Chronische Prostatitis/chronischer Beckenbodenschmerz: eine harte Nuss?!

Eine vielfältige Symptomatik, eine unklare Ätiopathogenese gepaart mit der Frage, welches die optimale, der individuellen Symptomzusammensetzung und den Lebensumständen des Patienten angepasste Therapieoption ist: Für Patienten wie für Ärzte stellt die chronische Prostatitis/der chronische Beckenbodenschmerz (CP/CPPS) eine besondere Herausforderung dar. Als Ausschlussdiagnose ist eine manifeste Diagnosestellung oft schwierig und die aufwendige Abgrenzung von einer Vielzahl an verwechselbaren Erkrankungen bedeutet für die Patienten häufig eine weitere Belastung.

Keypoints

  • CP/CPPS nimmt enormen Einfluss auf die Lebensqualität betroffener Patienten.

  • Eine ungeklärte Ätiopathogenese und eine variable Symptomatik machen CP/CPPS zu einer Ausschlussdiagnose.

  • Eine Klassifizierung nach UPOINTS erleichtert das Finden einer individuellen, den Lebensumständen angepassten Therapie.

Die Prostata als gut durchblutetes Organ mit direkter Verbindung zu Blase und Harnröhre kann von vielfältigen sowohl akuten, chronisch-bakteriellen oder -abakteriellen Erkrankungen betroffen sein. Das National Institute of Health (NIH) unterteilt das sogenannte Prostatitissyndrom in vier Kategorien:

  • Typ I, akute bakterielle Prostatitis

  • Typ II, chronische bakterielle Prostatitis

  • Typ III, chronische Prostatitis/chronisches Beckenschmerzsyndrom und

  • Typ 4, asymptomatische Prostatitis

CP/CPPS betrifft dabei mit einer jährlichen Inzidenz von 3,8 pro 1000 Männer im Alter von 18–74 Jahren1 und einer dementsprechenden Lebenszeitinzidenz von ca. 15%2 etwa 90–95% der Patienten mit Prostatitissymptomatik. Anders als viele weitere Erkrankungen der Prostata tritt CP/CPPS etwas häufiger bei Patienten <50 Jahren auf als bei älteren Patienten.

Variable Symptomatik, unklare Ätio-pathogenese – es könnte vieles sein!

Eine Schwierigkeit bei der Diagnostik von CP/CPPS ist darin begründet, dass die Symptome extrem variabel, regelmäßig wiederkehrend und in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität auftreten können. Neben Schmerzen, die im Bereich des Perineums, Skrotums, Hodens, der Lenden- oder Lumbosakralgegend oder im suprapubischen Gebiet/Blase lokalisiert sein können, leiden viele Patienten auch unter irritativen und/oder obstruktiven Symptomen, Pollakisurie und Drangsymptomatik. Auch Schmerzen während oder nach der Ejakulation bis hin zu erektiler Dysfunktion zählen zur Symptomatik von CP/CPPS.

Genaue Ursachen bzw. Auslöser sind bis heute noch weitestgehend unklar. Neben infektiös-mikrobiellen, autoimmunen, neurologischen oder endokrinologischen Ursachen wird auch eine psychologische Genese diskutiert. Wechselspiele und ein multifaktorielles Zusammenwirken mehrerer Faktoren sind anzunehmen.

Aufgrund dieser breit gefächerten Symptomatik, gepaart mit der unklaren Ätiopathogenese, ist eine manifeste Diagnose in den meisten Fällen sehr schwer zu stellen und kann nur durch Ausschluss verwechselbarer Erkrankungen erfolgen. Neben malignen Veränderungen wie Prostata-, Harnblasen-, Harnröhren-, Hoden- oder Kolorektalkarzinom können auch viele entzündlich-infektiöse Erkrankungen wie Harnwegsinfekte, Reizdarmsyndrom, Prostatatuberkulose oder eine chronische bakterielle Prostatitis vergleichbare Symptome verursachen. Zudem müssen neurologische und funktionell-organische Erkrankungen wie Harnröhrenstriktur, Blasenhalsstenose, überaktive Blase, Dysfunktion des Beckenbodens, interstitielle Zystitis oder benignes Prostatasyndrom sicher ausgeschlossen werden. Aufgrund all dieser Faktoren gilt CP/CPPS als Ausschlussdiagnose.

Aufwendige Diagnostik – aber dringend indiziert

Basisdiagnostik

Während einer ausführlichen Anamnese werden die aktuellen Symptome, Begleiterscheinungen, das Vorliegen vorübergehender und chronischer Erkrankungen, stattgehabte Operationen und soziale oder psychische Belastungen erfragt. Ergänzend bieten sich standardisierte Fragebögen wie der NIH-CPSI (National Institute of Health - Chronic Prostatitis Symptom Index), der IPSS (International Prostate Symptom Score) oder der IIEF-5 (International Index of Erectile Function) an. Der UPOINTS-Algorithmus (Tab. 1) bietet eine zusätzliche Möglichkeit, die Symptomatik der Patienten zu definieren, und dient aufgrund seiner nachgewiesenen Korrelation mit der NIH-CPSI-Gesamtpunktzahl3 als weitere Basis zur Findung einer individuellen Therapie. Eine folgende körperliche Untersuchung von Abdomen, äußerem Genitale inklusive einer digitorektalen Untersuchung (DRU) der Prostata zur Beurteilung von Beschaffenheit und Größe sollte durch eine Beurteilung der Beckenbodenfunktionalität und Bestimmung von schmerzhaften Triggerpunkten ergänzt werden. Zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes, einer Hämaturie oder einer bakteriellen chronischen Prostatitis folgt auch eine Urinuntersuchung. Zur Unterscheidung von entzündlicher (IIIa) und nicht entzündlicher Form (IIIb) von CP/CPPS bietet sich in diesem Zusammenhang die 4-Gläser(Meares-Stamey)- oder 2-Gläser-Probe an. Trotz nachgewiesenen nachteiligen Einflusses von CP/CPPS auf die Spermien wird der diagnostische Wert einer zusätzlichen Ejakulatuntersuchung eher kritisch betrachtet, auch eine Bestimmung des PSA-Wertes scheint nicht zwingend und in jedem Fall erforderlich.

Tab. 1: Der UPOINTS-Algorithmus ermöglicht es, die Symptomatik der Patienten zu definieren, und dient als weitere Basis zum Finden einer individuellen Therapie

Erweiterte Diagnostik

Besteht ein begründeter Verdacht auf maligne oder morphologisch-funktionelle Veränderungen im Bereich des unteren Harntraktes werden weitere indikationsbezogene diagnostische Schritte notwendig. Um einen Prostataabszess, Prostatasteine oder -zysten oder eine benigne Prostatavergrößerung auszuschließen, erfolgt ein transrektaler Ultraschall, bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom zudem eine Prostatabiopsie. Bei nachgewiesener Hämaturie oder auffälliger Zytologie wird eine Zystoskopie durchgeführt. Auch eine Harnröhrenstriktur oder eine Blasenhalsstenose können im Rahmen einer solchen Untersuchung ausgeschlossen werden. Stehen Blasenspeicher- und/oder -entleerungsstörungen im Raum, können diese im Rahmen einer urodynamischen Untersuchung identifiziert und bewertet werden. Bei depressiv-ängstlicher Symptomatik, die wesentlich zur Chronifizierung von CP/CPPS beitragen kann, ist zudem eine psychologische Untersuchung angeraten.

Therapie – kein Standard, sondern individuell

Einen standardisierten Therapieplan zur Behandlung von CP/CPPS gibt es nicht. Die Tatsache der ungeklärten Ätiopathogenese und die Variabilität der Symptomatik bedingen, dass jede Behandlung individuell, symptombezogen und den Lebensumständen des Patienten angepasst gewählt werden muss.

Konservative Verfahren

Konservative Therapieansätze haben geringe bis keine Nebenwirkungen und sind oft leicht in den Alltag zu integrieren. So sorgen eine Anpassung des Lebensstils, z.B. in Bezug auf sexuelle Gewohnheiten, regelmäßige körperliche Aktivität, aber auch der Einbau von Entspannungsphasen und Anpassungen der Ernährung häufig schon für eine erste Linderung der Symptomatik.

Einige Studien konnten positive Resultate von Akupunktur insbesondere in Bezug auf die Miktion, den Schmerz und die Lebensqualität nachweisen.4 Auch zur Effektivität osteopathischer Behandlungen der CP/CPPS-Symptomatik gibt es erste Hinweise. Für diese Behandlungen, ebenso wie für eine Prostatamassage, Biofeedback oder eine transurethrale Mikrowellen-Thermo-Therapie, gibt es aber noch zu wenige Studienergebnisse, eine abschließende Bewertung ist nicht möglich. Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) scheint eine sichere und wirksame Therapie für CPPS-Patienten über kürzere Zeiträume zu sein;5 Angaben zur Langzeiteffektivität sind dagegen widersprüchlich. Begleitend bzw. in Kombination mit anderen Therapieoptionen sollte aufgrund der belastenden Situation wegen einer chronischen Erkrankung auch eine psychologische/psychiatrische Betreuung in Erwägung gezogen werden.

Medikamentöse Therapien

Alphablocker und 5-Alpha-Reduktasehemmer sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente bei CP/CPPS. Insbesondere bei obstruktiver Symptomatik oder gleichzeitig nachgewiesener Prostatavergrößerung konnte die Wirksamkeit gegenüber Placebo in den Bereichen Miktion, Schmerz und Lebensqualität nachgewiesen werden.6,7 Die Langzeiteffekte sind jedoch umstritten, und insbesondere Patienten mit multiplen Vorbehandlungen scheinen keine Vorteile zu haben. Bei Verdacht auf eine zugrundeliegende Infektion können auch Antibiotika verordnet werden. Aufgrund hervorragender Fähigkeit der Penetration in die Prostata, günstiger Pharmakokinetik, guter Bioverfügbarkeit und guter Aktivität gegen grampositive und -negative Bakterien sind Fluorchinolone Tetracyclinen, Makroliden oder Aminoglykosiden bei der Behandlung von CP/CPPS überlegen. Da aber auch hier teilweise widersprüchliche Studienergebnisse zugrundeliegen, sollte bei Nichtansprechen auf die Behandlung die Therapie nach 2–4 Wochen abgebrochen werden. Bei Patienten mit vorrangig bedeutsamer Schmerzsymptomatik bieten sich auch nichtsteroidale bzw. antiinflammatorische Medikamente an.

In den letzten Jahren hat sich der Fokus immer mehr auf den Einsatz pflanzlicher Extrakte (Phytopharmaka) gerichtet. Eine gute Verträglichkeit und eine oft auch mit vielen chemisch definierten Medikamenten vergleichbare Wirksamkeit haben sie zu einer gut tolerierten Alternative gemacht. Neben einer antioxidativen Beschaffenheit und antimikrobiellen Aktivität in Gräserpollen sind auch die antimikrobielle Aktivität und die Reduktion der Expression proinflammatorischer Zytokine durch Bioflavonoide vorteilhaft und sorgen für eine signifikante symptomatische Besserung bei Männern mit CP/CPPS.

Interventionelle/operative Therapien

Aufgrund der pharmakologischen Wirkung stellt die intraprostatische Injektion von Botulinumtoxin A (BoNT-A) einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von CP/CPPS dar. Insbesondere bei Patienten mit kleiner Prostata und kurzer Dauer der Symptomatik konnte in mehreren Studien eine wirksame und sichere Linderung der Symptome aufgezeigt werden.8 Auch die Neuromodulation bzw. Nervenstimulation kann eine wirksame Behandlung für refraktäre CP/CPPS sein. Aussagen über eine langfristige Wirksamkeit sind für diese Behandlungsoption jedoch noch nicht möglich. Als Ultima Ratio gelten Eingriffe wie die transurethrale Prostataresektion (TUR-P) oder die Prostatektomie. Die Studienlage dazu ist aber gering und Wirkung und Effektivität bei CP/CPPS sind noch unzureichend untersucht. Diese Interventionen sollten daher nur nach sorgfältiger Abwägung bei therapieresistenten Patienten eingesetzt werden.

Fazit

CP/CPPS als chronisches Schmerzsyndrom nimmt enormen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Aufgrund einer noch nicht abschließend geklärten, vielfältigen Ätiopathogenese ist die Diagnostik häufig aufwendig und nur durch Ausschluss verwechselbarer Krankheiten möglich. So vielfältig die möglichen Auslöser sind, so angepasst muss die individuelle symptombezogene Therapie gewählt werden. Den Patienten stehen neben einer Vielzahl an konservativen Therapieoptionen auch medikamentöse und interventionelle/operative Therapieoptionen zur Verfügung. Die UPOINTS-Klassifizierung unterstützt das Finden der passenden Therapieansätze, die häufig multimodal und auf die Symptomatik in mehreren Domänen bezogen sind.

1 Mehik A et al.: Epidemiology of prostatitis in Finnish men: a population-based cross-sectional study. BJU Int 2000; 86: 443-8 2 Krieger JN et al.: Epidemiology of prostatitis: new evidence for a world-wide problem. World J Urol 2003; 21: 70-4 3 Magri V et al.: Use of the UPOINT chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome classification in European patient cohorts: sexual function domain improves correlations. J Urol 2010; 184: 2339-45 4 Qin Z et al.: Long-term effects of acupuncture for chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome: systematic review and single-arm meta-analyses. Ann Transl Med 2019; 7: 113 5 Guu SJ et al.: The 12-month follow-up of the low-intensity extracorporeal shockwave therapy in the treatment of patients with chronic pelvic pain syndrome refractory to 3-As medications. Aging Male 2020; 23(5): 793-800 6 Nickel JC et al.: Alpha-blockers for the treatment of chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome: an update on current clinical evidence. Rev Urol 2012; 14: 56-64 7 Rees J et al.: Diagnosis and treatment of chronic bacterial prostatitis and chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome: a consensus guideline. BJU Int 2015; 116: 509-25 8 Chen CH et al.: Promise and the pharmacological mechanism of botulinum toxin A in chronic prostatitis syndrome. Toxins 2019; 11(10): 586

Back to top