Die Rolle der MRT in der Primärdiagnose und aktiven Überwachung von Prostatakrebspatienten
Autoren:
Dr. Pawel Rajwa
Dr. Maximilian Pallauf
Dr. Stephan Korn
Dr. Nicolai Hübner
Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: pawel.rajwa@meduniwien.ac.at
In den letzten zehn Jahren hat die multiparametrische Magnetresonanztomografie der Prostata (mpMRT) die Primärdiagnostik und das Management von Patienten mit Prostatakrebs (PCa) entscheidend verändert. Dass die Prostata-MRT so rasch Einzug in den klinischen Alltag halten konnte, liegt an der kontinuierlichen Verbesserung und der Standardisierung von Untersuchungsprotokollen und Auswertung. Dennoch ist die Prostata-MRT als eigenständige alleinige Untersuchungsmethode nicht dazu geeignet, ein klinisch signifikantes PCa zu erkennen. So bedarf es der gemeinsamen Betrachtung von Bildgebung und klinischen und pathologischen Parametern, um ein personalisiertes Vorgehen bzw. eine Therapieentscheidung zu ermöglichen.
Keypoints
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Die multiparametrische Prostata-Magnetresonanztomografie (mpMRT) hat die Diagnostik des Prostatakarzinoms revolutioniert.
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Die mpMRT detektiert tumorsuspekte Areale der Prostata und ermöglicht es so, diese gezielt zu biopsieren.
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Die Klassifikation der Ergebnisse mittels des Prostate Imaging Reporting & Data System (PI-RADS) stratifiziert die Patienten anhand der Wahrscheinlichkeit für ein signifikantes PCa.
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Dies hilft, nicht notwendige Therapien und psychische Belastung für den Patienten zu vermeiden.
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Prostata-mpMRT stellt eine Er-gänzung zu Biomarkern und klinischen Parametern dar, kann diese jedoch nicht ersetzen.
Prostatakrebs (PCa) ist weltweit eine der häufigsten bösartigen Neubildungen bei Männern.1 Bis zuletzt waren die digitale rektale Untersuchung (DRU), die Kontrolle des prostataspezifischen Antigens (PSA) sowie die Erhebung einer Anamnese im Hinblick auf familiäre Häufung und Ethnie die einzigen anerkannten Untersuchungen zur Detektion und Risikostratifizierung.1 Wurde aufgrund einer abnormalen DRU und/oder einer Erhöhung des PSA-Wertes in Zusammenschau mit klinischen Faktoren der Verdacht auf ein PCa gestellt, so wurde eine systematische Biopsie (12 Proben) oder eine Template-Biopsie (18–24 Proben) durchgeführt. Dabei kam es in bis zu 50% der Fällen zu falschen Ergebnissen.2,3 Diese Ungenauigkeit führte zu einem hohen Maß an Unsicherheit in der Interpretation der Befunde und warf Fragen nach dem tatsächlichen Stadium und der Aggressivität des Tumors auf. Des Weiteren resultierte die Ungenauigkeit der Untersuchungen in zahlreichen überflüssigen (Re-)Biopsien, mit den für den Patienten damit verbundenen negativen Konsequenzen.
Dies änderte sich mit der Implementierung der multiparametischen Prostata-Magnetresonanztomografie (mpMRT) und der mpMRT-gezielten Biopsie in den diagnostischen Algorithmus, deren Auswirkungen einer Revolution gleichkommen.4
mpMRT fester Bestandteil in der Erstdiagnose
Zu Beginn der Prostata-mpMRT-Ära war die Untersuchung Patienten mit einer vorangegangenen negativen systematischen Prostatabiopsie vorbehalten. Heute ist sie ein fester Bestandteil des diagnostischen Algorithmus eines jeden Patienten mit klinischem Verdacht auf ein PCa.1 Die mpMRT der Prostata detektiert tumorsuspekte Areale der Prostata (Region of Interest; ROI).Dadurch können diese Areale gezielt biopsiert werden,4 die mit einer rein systematischen, aber ungezielten Biopsie übersehen worden wären.
Die PRECISION-Studie, eine prospektive, randomisierte, multizentrische Studie,5 stellte den klinischen Nutzen der mpMRT-gezielten Biopsie klar unter Beweis (Evidenzgrad 1). So war die Detektionsrate für klinisch signifikante PCa (ISUP-Grad ≥2) im Arm der mpMRT-gezielten Prostatabiopsie deutlich höher als im Arm der systematischen Biopsie. Gleichzeitig konnte eine Reduktion in der Detektion von klinisch indolenten PCa (ISUP-Grad 1) festgestellt werden. Dennoch wird für Patienten ohne vorangegangene negative systematische Biopsie eine Kombination aus mpMRT-gezielter und systematischer Biopsie empfohlen, um möglichst auch all jene Karzinome zu detektieren, die in der mpMRT-Untersuchung nicht sichtbar sind. Dieses Vorgehen erhöht zwar die Detektionsrate an klinisch signifikanten PCa, führt aber ebenfalls zu einer Steigerung der Diagnosen von klinisch indolenten Karzinomen. Letzteres birgt das Risiko für eine überflüssige Therapie oder im Falle der aktiven Überwachung (AS) einer vermeidbaren psychischen Belastung für den Patienten.
Prostate Imaging Reporting & Data System (PI-RADS)
Das vor sechs Jahren eingeführte Prostate Imaging Reporting & Data System (PI-RADS), ein standardisiertes Beurteilungsschema für die Prostata-MRT, detektiert klinisch signifikante PCa (ISUP-Grad ≥2) sowohl bei der Primär- als auch bei der Folgebiopsie mit hoher Zuverlässigkeit.4 Dies ist von besonderer Bedeutung, da es gilt, jede überflüssige Prostatabiopsie und damit Schmerzen, Kosten und das Risiko für Komplikationen zu vermeiden. Die mpMRT der Prostata, die mittels PI-RADS Klassifikation bewertet wird, ist somit mehr als ein Ausschluss- als ein Einschlusstest zu verstehen.
So weisen über 80% der Patienten mit negativem mpMRT-Befund kein signifikantes PCa bei der Biopsie auf.6 Dennoch stratifiziert die PI-RADS-Klassifikation die Patienten anhand der Wahrscheinlichkeit für ein signifikantes PCa. So zeigte eine rezente Metaanalyse von Park et al., dass die Rate der Entdeckung von signifikanten PCa mit zunehmendem PI-RADS-Grad steigt. Die Entdeckungsrate lag bei 17% für PI-RADS-3-, bei 46% für PI-RADS-4- und bei 75% für PI-RADS-5-klassifizierte Tumoren.7 Die Risikostratifizierung von Patienten mit positivem mpMRT-Befund kann durch die Hinzunahme zusätzlicher Tests, wie der Bestimmung der PSA-Dichte (PSAD) oder der Auswertung genomischer Assays, noch weiter verfeinert werden.8 So sagt eine PSAD ≥0,15 mit ähnlicher Genauigkeit die Detektion eines signifikanten PCa bei Biopsie voraus wie ein tumorsuspekter Prostata-mpMRT-Befund.9,10 Auch weist die Prostata-mpMRT Mängel im lokalen Staging auf. So kann die Prostata-MRT die extrakapsuläre Ausdehnung und die Infiltration der Samenblasen vor radikaler Prostatektomie nur mit nur unzufriedenstellender Genauigkeit vorhersagen,11–13 weshalb die DRU auch weiterhin für das lokale Staging unablässig ist. Trotz erheblicher Verbesserungen in der Durchführung und Beurteilung der Prostata-mpMRT ist diese nur eine Ergänzung und nicht der Ersatz für eine klinische Untersuchung. Eine zusätzliche Risikostratifizierung mit klinischen Befunden und Biomarkern, in Zukunft womöglich auch der Einsatz von Programmen künstlicher Intelligenz (KI), sind für die optimale personalisierte Betreuung unabdingbar.
Die Rolle der MRT bei der aktiven Überwachung (AS)
Mit Verbesserung der Tumordetektion und dem damit zunehmenden Vertrauen in die Risikostratifizierung von Patienten hat die aktive Überwachung (AS) Einzug in die aktive Therapie des PCa gehalten. Diese besteht bei Patienten mit niedrigem Risiko aus einer regelmäßigen Beurteilung des Tumorstatus mittels PSA-Kontrolle, DRU, Prostatabiopsie und neuerdings auch mittels Prostata-mpMRT. Damit erreichen Patienten mit niedrigem Risiko in 99,9% bzw. 99,4% ein tumorspezifisches und metastasenfreies Überleben über einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren.14
Der Stellenwert der mpMRT in der AS liegt dabei in der Optimierung der Auswahl der Patienten und einer Reduktion der notwendigen Folgebiopsien.15,16 In der ASSIST-Studie haben Klotz et al. gezeigt, dass die Einbeziehung der Prostata-mpMRT in die Planung der Bestätigungsbiopsie über einen Zeitraum von zwei Jahren zu einer 50%igen Reduktion an AS-Ausfällen und Patienten mit Tumorprogression führt.16
Unsere kürzlich durchgeführte Metaanalyse zeigte jedoch, dass die serielle Prostata-mpMRT nicht allein zur Überwachung von AS-Patienten verwendet werden kann.15 Für einen Progress im seriellen Prostata-mpMRT lag der gepoolte positive Vorhersagewert bei 37–50%, für eine stabile/regressive mpMRT lag der negative Vorhersagewert bei 81–88%. Die Genauigkeit der Untersuchung betrug 73%. Dies bedeutet, dass bei einer allein auf die mpMRT-Untersuchung gestützten AS bei 683 von 1000 Patienten eine Folgebiopsie vermieden werden könnte, jedoch bei 124 von 1000 Patienten ein Voranschreiten des PCa übersehen werden würde. Bemerkenswerterweise haben wir auch festgestellt, dass die kürzlich präsentierten PRECISE-Empfehlungen, eine Leitlinie zur Befundung der Prostata-mpMRT von Patienten unter AS, sich als nicht wesentlich verlässlicher herausgestellt haben als die Kriterien der einzelnen Expertenzentren. Somit schlussfolgern wir, dass auch in der AS die Prostata-mpMRT nur eine Ergänzung zu Biomarkern und klinischen Parametern darstellt und diese nicht ersetzen kann. Nur in ihrer gemeinsamen Anwendung können Folgebiopsien zuverlässig vermieden werden und kann das AS-Follow-up Intervall verlängert werden.
Die optimale Fusionsbiopsie
Trotz dieser klaren Empfehlungen der Prostata-MRT bleiben noch einige Fragen offen. Allen voran die der „besten“ Fusionsbiopsietechnik. Gibt es doch unterschiedliche Möglichkeiten, wie die ROI, also das in der Prostata-MRT als suspekt gewertete Areal, biopsiert werden kann. Hierzu stehen zur Auswahl die kognitiv fusionierte, die technisch fusionierte und die MRT-gezielte In-Bore-Biopsie der Prostata. Die jeweiligen Methoden weisen große Unterschiede in der Durchführung auf, allen voran in der Dauer und dem logistischen Aufwand. Bis dato konnte aber keine der Methoden eine überlegene Detektionsrate an klinisch relevanten PCa zeigen.17,18
Auch mangelt es an Studien, die die Reproduzierbarkeit der einzelnen Methoden sowie den Einfluss der „Real time“-Fusionierung auf diese untersuchen. Setzen doch alle Techniken ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen des Untersuchers voraus und sind mit einer langwierigen Lernkurve verbunden. Angesichts dieser fehlenden Informationen gewinnen andere Gesichtspunkte an Relevanz, wenn es darum geht, sich für eine der Methoden zu entscheiden.
Seit dem Update der EAU-Guidelines 2021 wird, unabhängig von der Technik der Fusionierung, primär ein transperinealer Zugang empfohlen, um das Risiko für eine Biopsie-assoziierte Infektion zu reduzieren.1 Ein weiterer Vorteil der transperinealen Prostatabiopsie liegt zudem in der besseren Zugänglichkeit von suspekten Läsionen, welche in der Prostata apikal und anterior gelegenen sind.19 Trotz dieser Vorteile wurde die transperineale Fusionsbiopsie bis dato nicht flächendeckend angewandt. Dies begründet sich vor allem dadurch, dass diese meist nur in Allgemeinnarkose durchgeführt wurde. Mittlerweile wurden jedoch zahlreiche Techniken für die transperineale Prostatabiopsie in Lokalanästhesie publiziert.20 Wenngleich noch kein Goldstandard defeniert werden konnte, werden diese maßgeblich zu einer flächendeckende Anwendung der transperinealen Prostatabiopsie beitragen.
Zuletzt ist auch die ideale Anzahl an entnommenen Proben noch nicht restlos geklärt. Retrospektive Daten zeigen, dass zwischen 2 und 4 Proben aus den tumorsuspekten Arealen (ROI) entnommen werden sollten sowie 10–14 systematische Proben, wenn eine systematische Biopsie durchgeführt wird.1
Literatur:
1 Mottet N et al.: EAU-EANM-ESTRO-ESUR-SIOG Guidelines on Prostate Cancer-2020 Update. Part 1: Screening, Diagnosis, and Local Treatment with Curative Intent. Eur Urol 2021; 79(2): 243-62 2 Epstein JI et al.: Upgrading and downgrading of prostate cancer from biopsy to radical prostatectomy: incidence and predictive factors using the modified Gleason grading system and factoring in tertiary grades. Eur Urol 2012; 61(5): 1019-24 3 Naughton CK et al.: A prospective randomized trial comparing 6 versus 12 prostate biopsy cores: impact on cancer detection. J Urol 2000; 164(2): 388-92 4 Weinreb JC et al.: PI-RADS Prostate Imaging - Reporting and Data System: 2015, Version 2. Eur Urol 2016; 69(1): 16-40 5 Kasivisvanathan V et al.: MRI-targeted or standard biopsy for prostate-cancer diagnosis. N Engl J Med 2018; 378(19): 1767-77 6 Padhani AR et al.: Prostate Imaging-Reporting and Data System Steering Committee: PI-RADS v2 status update and future directions. European Urology 2019; 75(3): 385-96 7 Park KJ et al.: Risk stratification of prostate cancer according to PI-RADS(R) Version 2 Categories: Meta-analysis for prospective studies. J Urol 2020; 204(6): 1141-9 8 Rajwa P et al.: How should radiologists incorporate non-imaging prostate cancer biomarkers into daily practice? Abdom Radiol (NY) 2020; 45(12): 4031-9 9 Ahdoot M et al.: Using prostate imaging-reporting and data system (PI-RADS) scores to select an optimal prostate biopsy method: a secondary analysis of the Trio study. Eur Urol Oncol 2021; 10 Kotb AF et al.: The role of mpMRI and PSA density in patients with an initial negative prostatic biopsy. World J Urol 2018; 36(12): 2021-5 11 Matsuoka Y et al.: Impact of the prostate imaging reporting and data system, version 2, on MRI diagnosis for extracapsular extension of prostate cancer. AJR Am J Roentgenol 2017; 209(2): W76-w84 12 Kizilay F et al.: Correlation of Prostate-Imaging Reporting and Data Scoring System scoring on multiparametric prostate magnetic resonance imaging with histopathological factors in radical prostatectomy material in Turkish prostate cancer patients: a multicenter study of the Urooncology Association. Prostate Int 2020; 8(1): 10-5 13 Padhani AR et al.: Prostate Imaging-Reporting and Data System Steering Committee: PI-RADS v2 status update and future directions. Eur Urol 2019; 75(3): 385-96 14 Tosoian JJ et al.: Intermediate and longer-term outcomes from a prospective active-surveillance program for favorable-risk prostate cancer. J Clin Oncol 2015; 33(30): 3379-85 15 Rajwa P et al.: Reliability of serial prostate magnetic resonance imaging to detect prostate cancer progression during active surveillance: a systematic review and meta-analysis. Eur Urol 2021; 80(5): 549-63 16 Klotz L et al.: Randomized study of systematic biopsy versus magnetic resonance imaging and targeted and systematic biopsy in men on active surveillance (asist): 2-year postbiopsy follow-up. Eur Urol 2020; 77(3): 311-7 17 Wegelin O et al.: Comparing three different techniques for magnetic resonanceimaging-targeted prostate biopsies: a systematic review ofin-bore versus magnetic resonance imaging-transrectalultrasound fusion versus cognitive registration. Is there a preferred technique? Eur Urol 2017; 71(4): 517-31. ISSN 1873-7560. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27568655 18 Wegelin O et al.: The FUTURE trial: a multicenter randomised controlled trial on target biopsy techniques based on magnetic resonance imaging in the diagnosis of prostate cancer in patients with prior negative biopsies. Eur Urol 2019: 75(4): 582-90; ISSN 1873-7560. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30522912 19 Bittner N et al.: Incidence and pathological features of prostate cancer detected on transperineal template guided mapping biopsy after negative transrectal ultrasound guided biopsy. J Urol 2013; 190(2); 509-14 ISSN 1527-3792. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23416641 20 Basourakos et al.: Local anaesthetic techniques for performing transperineal prostate biopsy. Nat Rev Urol 2021; 18: 315-17
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