
Ästhetische Medizin – praxisnah und grenzübergreifend
Bericht:
Hanna Gabriel, MSc
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Statt „Steffl“ und Riesenrad bildeten in diesem Jahr die bunten Fassaden am Inn und der Blick auf die Nordkette die Kulisse zum Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologische Kosmetik und Altersforschung (ÖGDKA). Unter dem Motto „Ästhetische Medizin goes West“ wurden speziell Kolleg*innen aus Deutschland, der Schweiz und Südtirol eingeladen, sich am Diskurs zu beteiligen – mit vollem Erfolg.
In diesem Jahr wurde für die Jahrestagung der ÖDGKA nach Innsbruck geladen. Ziel war es, auch Kolleg*innen aus dem Westen eine Teilnahme ohne lange Anreise zu ermöglichen. Ein Angebot, dem viele prompt folgten, sodass der Kongress eine bunte Mischung von Vortragenden und Teilnehmern aus dem deutschsprachigen Raum mit allerlei Gelegenheit zu grenzüberspannendem Austausch bot.
Den Fokus legten die Veranstalter insbesondere auf die Wissenschaftlichkeit der ästhetischen Medizin und den Wert evidenzbasierten Arbeitens. Das spiegelte sich auch in den Sessions wider, die eine vielfältige Auswahl mit besonderem Augenmerk auf praxisnahe und -relevante Inhalte boten. So fanden sich zwischen Themen wie Lasermedizin, vernarbender Alopezie und Hidradenitis suppurativa auch der Einsatz von Hylase oder Mikro-Needling sowie Tipps & Tricks für die Dermatochirurgie. In der Keynote Lecture klärte Prof. Dr. Uwe Gieler über körperdysmorphe Störungen auf und darüber, bei welchen Anzeichen in der ästhetisch-dermatologischen Praxis Alarmglocken läuten sollten. Ergänzt wurde das Angebot durch Hands-on- Kurse zu ästhetischen Behandlungen unter der Leitung von Prof. Dr. Berthold Rzany, Dr. Robert Pilacek und Univ.-Prof. Dr. Daisy Kopera, MBA.
Ebenso breitgefächert wie das Tagungsprogramm möchten wir Ihnen an dieser Stelle von der Veranstaltung berichten und haben daher im Folgenden thematisch wie auch regional verschiedene Vorträge für Sie selektiert. Viel Freude bei der Lektüre!
Aus der Schweiz:Vernarbende Alopezien
Prof. Dr. Ralph Trüeb aus Zürich-Wallisellen ist für seine Expertise rund um das Haar bekannt. Er führte in seinem Vortrag in die Gruppe der vernarbenden Alopezien ein und betonte insbesondere die Relevanz der Klassifikation. Gemeinsam ist den vielen unterschiedlichen Störungen, die in der Gruppe der vernarbenden Alopezien zusammengefasst werden, dass sie allesamt zum Untergang der Haarfollikel und somit zu einem irreversiblen Haarverlust führen. Obgleich sie nur etwa 5% der Alopezien umfassen, sind sie aufgrund der Irreversibilität besonders herausfordernd.
Die genaue Ätiologie der meisten Krankheitsbilder ist nicht geklärt. Zudem wird die Diagnose in der Praxis nicht unwesentlich durch eine uneinheitliche Terminologie erschwert, in der teils mehrere Begriffe ein und dieselbe Entität bezeichnen. „Bewahren Sie daher eine klare nosologische Klassifikation der vernarbenden Alopezien!“, rät Trüeb. Unterschieden werden primäre und sekundäre vernarbende Alopezien. Bei Letzteren geht die Zerstörung des Haarfollikels auf eine spezifische dermatologische Erkrankung zurück, wie etwa Lupus erythematodes, Angiosarkom, Pemphigoid oder temporale Arteriitis. Die Ursachen der primären vernarbenden Alopezien sind weit weniger gut geklärt. Sie werden anhand ihrer Histopathologie in die lymphozytäre, die neutrophile und die gemischtzellige Gruppe unterteilt. Je nach Histologie und spezifischen anderen Veränderungen lässt sich eine klare Diagnose von Lichen planopilaris, Folliculititis decalvans, Tinea capitis & Co stellen.
Endstadium vieler vernarbender Alopezien ist der sogenannte „état pseudopéladique“ nach Degos. Er zeigt sich z.B. als Pseudo-Pelade Brocq, die vermutlich eine Variante des Lichen planopilaris darstellt. Die sogenannte „central centrifugal scarring alopecia“ stellt Trüeb zufolge die „amerikanische“ Variante dieser Entität dar, die vorrangig bei Afrikanern bzw. Afroamerikanern auftritt. Bei Kindern ist besonders die Alopecia parvimaculata nach Dreuw hervorzuheben.
Die Behandlung einer vernarbenden Alopezie sollte sich nach der akkuraten nosologischen Klassifikation richten und immer auch eine mikrobiologische Untersuchung und Kopfhautbiopsie inkludieren. Mit dem Dermatoskop allein lassen sich diese Krankheitsbilder Trüeb zufolge jedenfalls nicht beurteilen. Wichtig ist in allen Fällen, früh zu intervenieren. Beim chronischen kutanen Lupus erythematodes kann eine rechtzeitige und korrekte Behandlung sogar zur Erholung der Haarfollikel führen.
Aus Deutschland: Wissenschaftliche Grundlagen zur Anwendung von Hylase
Hyaluronidase kappt bekanntermaßen die Quervernetzungen von Hyaluronsäure-(HA)-Fillern und kann deshalb zu deren Abbau injiziert werden. Welche Aspekte bei der Anwendung zu beachten sind und welche wissenschaftliche Evidenz dafür spricht, stellte Prof. Dr. Peter Arne Gerber aus Düsseldorf in einem seiner Vorträge vor.
Eine besondere Gefahr bei der Verwendung von HA-Fillern stellt der Gefäßverschluss nach einer Injektion dar. In diesem Fall ist besonders rasches Handeln geboten, wie eine Arbeit von Li et al. verdeutlicht. Darin erzielte die Verabreichung von Hyaluronidase im Tiermodell nur innerhalb der ersten 4h nach Gefäßverschluss einen signifikant reduzierenden Effekt hinsichtlich der nekrotisierten Gewebefläche.1 Eine andere Frage, die sich in der praktischen Anwendung von Hyaluronidase stellt, ist die geeignete Lokalisation für eine Applikation. Interessanterweise zeigte sich im Tiermodell, dass eine subkutane, flächige Applikation im Versorgungsareal der direkten Applikation in ein Gefäß überlegen ist.2 Ebenfalls beschrieben werden in der Literatur die Vorteile von gepulsten Verabreichungsschemata sowie die positiven Effekte von Hyaluronidase auf die Wundheilung.3,4 So konnte Gerbers Forschungsgruppe etwa zeigen, dass sich die Fibroblastenteilung durch Hyaluronidase (wie auch Hyaluronsäure) beschleunigt.4 Auch die Frage, welche HA-Filler-Produkte in welchem Ausmaß auf Hyaluronsäure reagieren, ist Gegenstand aktueller Forschung.5
Auf diesen Grundlagen empfiehlt der Experte, Hyaluronidase frühzeitig und hoch dosiert zu verabreichen – nach dem Motto „time is skin!“. Bei vaskulären Komplikationen ist möglichst innerhalb von 4h eine unmittelbare und großflächige Infiltration größerer Hyaluronidase-Volumina angezeigt. Ein letzter Tipp, den Gerber für die Praxis mitgibt: Bei Überkorrekturen kann durchaus ein entsprechend geringeres Hyaluronidase-Volumen verabreicht werden, um den Filler nicht gänzlich aufzulösen, sondern das eigentlich gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Aus Österreich: Update zu Hidradenitis suppurativa
Die Inzidenz der Hidradenitis suppurativa (HS) ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Das ist besonders besorgniserregend, zumal HS unter den entzündlichen dermatologischen Erkrankungen die Lebensqualität am gravierendsten verschlechtert. PD Mag. Dr. Barbara Böckle, Medizinische Universität Innsbruck, sieht auch bei der Diagnosestellung Schwierigkeiten. „Im Durchschnitt dauert es 7 Jahre von der Erstmanifestation bis zur Diagnose der HS“, so die Expertin.
HS ist als „Acne inversa“ eine Sonderform der Akne, die mit fistulierenden Läsionen vor allem die großen Beugen des Körpers betrifft. Durch den chronisch-entzündlichen Verlauf bedeutet sie für die Betroffenen eine Minderung der Lebensqualität. Zwar ist die Pathogenese der HS unklar, allerdings ist man sich einig, dass kein einzelner Faktor entscheidend ist, sondern ein Zusammenspiel aus Genetik, Immunologie, Hormonen und Umweltfaktoren. Vor allem bei Raucher*innen und adipösen Patient*innen tritt die HS gehäuft auf.
In der Initialphase der Erkrankung sind vergleichsweise wenige Entzündungsmediatoren hochreguliert, die dann im Verlauf der Erkrankung allerdings ansteigen. Ihr Spektrum ähnelt dem der Psoriasis oder des Lupus. Außerdem wird vermutet, dass Androgene als Begleitfaktoren wirken, da die Erkrankung meist in der Pubertät und selten nach der Menopause auftritt. Auch die Auslösung von Schüben während der Menstruation deutet in diese Richtung.
Im klinischen Alltag hat sich bei der Klassifikation der HS der sogenannte Hurley Score durchgesetzt. Dieser statische Score wird zunehmend durch die dynamischeren HiSCR (ähnlich dem PASI 50) und IHS4 ergänzt. Hinsichtlich der Behandlung rät Böckle, die 2019 erschienene Leitlinie aus dem nordamerikanischen Raum6 zu beherzigen. „Einerseits aufgrund ihrer Aktualität und andererseits, weil hier wirklich umfassend versucht wurde, alle vorhandenen Therapiekonzepte zu bewerten.“
Als topische Therapeutika kommen Clindamycin 1% (2-mal tgl., cave: Resistenzen), Triamcinolon-Injektionen und Resorcin 15% infrage.7 Bei antibiotischen Systemtherapien rät die Expertin auf Basis der HS International Alliance Guideline8 dazu, nur ein Antibiotikum derselben Klasse für 12 Wochen zu verwenden. Eine Kombinationstherapie von Clindamycin und Rifampicin ist Böckle zufolge nicht anzustreben, zumal Letzteres den Nachteil mit sich bringt, Cytochrom P450 zu induzieren. Wenn die antibiotische Therapie versagt, gibt es für Patienten ab dem 12. Lebensjahr nur Adalimumab als einzig zugelassene Therapieoption. Allerdings ist das Therapieansprechen mit einem HiSCR von 40–60% noch ausbaufähig. „Es gibt noch viel Luft nach oben“, sagt die Expertin abschließend. Derzeit laufende Studien, insbesondere zu Biologicals, sollen diesen Bedarf künftig decken.9 Ob sie aber die gewünschten Ergebnisse erreichen können, muss die Zukunft zeigen.
Verleihung des Gustav-Niebauer-Gedächtnispreises
Zu Ehren ihres Gründers Gustav Niebauer verlieh die ÖGDKA den gleichnamigen Preis im Rahmen der Jahrestagung an DDr. Paul Gressenberger, Dr. Aurelija E. Aukstikalnyte und Eva Cibien, BSc. In ihren prämierten Arbeiten konnten die jungen Wissenschaftler*innen zeigen, wie wichtig es ist, ästhetische Behandlungen auf ein evidenzbasiertes Fundament zu stellen – und ineffektive Anwendungen zu thematisieren. Wir gratulieren den Preisträger*innen zu ihrer wertvollen Arbeit!
Einreichungen für das kommende Jahr werden schon jetzt unter sekretariat@oegdka.at entgegengenommen. Die Deadline ist am 31. Mai 2023.
Quelle:
ÖGDKA Jahrestagung „Ästhetische Medizin goes West“, 16.–17. September 2022, Innsbruck
Literatur:
1 Li J et al.: Aesthetic Plast Surg 2019; 43(5): 1362-70 2 Wang M et al.: Dermatol Surg 2017; 43(2): 246-54 3 Rauso R et al.: Dermatol Surg 2021; 47(3): 370-2 4 Buhren BA et al.: Eur J Med Res 2020; 25(1): 60 5 Buhren BA et al.: Eur J Med Res 2018; 23(1): 37 6 Alikhan A et al.: J Am Acad Dermatol 2019; 81(1): 76-101 7 Amat-Samaranch V et al.: Ther Adv Chronic Dis 2021; 12: 20406223211055920 8 Zouboulis CC et al.: J Eur Acad Dermatol Venereol 2019 9 Čagalj AM: Int J Mol Sci 2022; 23(7): 3753
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