
Bedeutung der Hausstaubmilbenallergie in der atopischen Dermatitis
Autorin:
Dr. med. Nadine Mothes-Luksch
Fachärztin für Hautkrankheiten, Allergologie und Ästhetische Dermatologie, Wien
E-Mail: hautimzentrum@gmail.com
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Kann ich mit Milben-Encasing bei Patienten mit atopischer Dermatitis Ekzemen vorbeugen? Ist es sinnvoll, bei diesen Patienten eine allergenspezifische Immuntherapie durchzuführen? Die Antworten finden Sie hier.
Keypoints
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Encasing bei Kindern mit moderater bis schwerer AD, um mögliche Sensibilisierungen mit Milbenallergenen oder anderen Allergenen über die gestörte Hautbarriere zu reduzieren
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Encasing bei Erwachsnenen und Kindern, die eine klinisch relevante Milbenallergie mit allergischer Rhinokonjunktivitis und/oder allergischem Asthma zeigen
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Allergenspezifische Immuntherapie (SLIT, SCIT) bei Patienten mit atopischem Ekzem und klinisch relevanter Milbenallergie im Sinne einer allergischen Rhinokonjunktivitis und/oder allergischem Asthma bronchiale
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Erwägung einer allergenspezifischen Immuntherapie bei Patienten mit einer Milbensensibilsierung, therapierefraktärem atopischem Ekzem bzw. Schüben nach Milbenexposition und positivem «Atopy Patch Test»
Die atopische Dermatitis (AD), früher als Neurodermitis bekannt, ist eine chronische Erkrankung der Haut mit Ekzemschüben, ausgeprägtem Juckreiz und altersabhängig unterschiedlicher Lokalisation. Sie beginnt meist im frühen Kindesalter, kann dann im Volksschulalter wieder verschwinden oder bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Zu den Risikofaktoren gehören eine positive Familienanamnese hinsichtlich einer atopischen Erkrankung (allergische Rhinokonjunktivitis, allergisches Asthma bronchiale, atopisches Ekzem), eine gestörte Hautbarriere, ein verändertes Mikrobiom der Haut sowie eine Neigung zu einer allergischen Polysensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene und Inhalationsallergene wie Pollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben. Abhängig vom Vorhandensein von spezifischen IgE-Antikörpern sprechen wir von extrinsischer oder intrinsischer Form der atopischen Dermatitis.1
Fragen über Fragen
Da eine Milbensensibilisierung bei vielen Jugendlichen und Erwachsenen mit atopischer Dermatitis festgestellt wird, stellen sich mehrere Fragen. Besteht eine klinisch relevante Typ-I-Allergie gegen Hausstaubmilbenallergene mit Symptomen wie allergischer Rhinokonjunktivitis und/oder allergischem Asthma bronchiale? Ist die bestehende Milbensensibilisierung (Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen Milbenallergene) klinisch-dermatologisch relevant, d.h., führt sie in der Folge zu einer Verschlechterung oder Aufrechterhaltung des atopischen Ekzems? Wenn ja, welche Massnahmen gibt es hier, präventiv oder therapeutisch vorzugehen? Und sind diese sinnvoll und effizient?
Hausstaubmilbenallergie
Es ist bekannt, dass Nahrungsmittelallergene eher im Kleinkindesalter eine Rolle spielen, während inhalative Allergene wie Pollen-, Tierhaar- und/oder Milbenallergene im Jugendlichen- und Erwachsenenalter dominieren. Mittlerweile konnten zahlreiche Milbenallergene isoliert und molekularbiologisch charakterisiert werden. Allergene der Gruppe 1 (Derp1, Derf1) und der Gruppe 2 (Derp2, Derf2) sind die Hauptallergene und werden von den meisten Milbenallergikern erkannt. Derp23, ein höhermolekulares Allergen, wird aufgrund seiner IgE-Reaktivität mittlerweile ebenso als Majorallergen bezeichnet. Milbenallergene anderer Gruppen gehören zu den Nebenallergenen und lassen sich weit weniger häufig in Seren von sensibilisierten Patienten nachweisen. Unter ihnen auch Derp10, ein Tropomyosin, welches als kreuzreaktives Allergen bei klinischen Reaktionen nach Verzehr von Meeresfrüchten eine Rolle spielt.
Abb.: Inhalative Allergene wie die der Hausstaubmilbe sind vor allem im Jugend- und Erwachsenenalter problematisch
Mithilfe der rekombinanten Allergene wurde es möglich, molekularbiologische Profile zu erstellen und Sensibilisierungsmuster zu detektieren. Es konnte gezeigt werden, dass die Hauptallergene Derp1, Derp2 und Derp23 eher von Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis und allergischem Asthma bronchiale erkannt werden,2,3 wohingegen IgE-Reaktivität gegen Derp11 und Derp18 bei Patienten mit atopischer Dermatitis beobachtet werden konnte.4,5 Des Weiteren zeigten AD-Patienten häufiger eine zusätzliche Sensibilisierung gegen mikrobielle Allergene wie Malasezzia spp., S. aureus und E. coli sowie gegen Autoallergene.6 Dies könnte daran liegen, dass der Sensibilisierungsweg bei Patienten mit atopischem Ekzem ein anderer ist als bei einer respiratorischen Allergie. Man konnte zeigen, dass Milbenallergene aufgrund ihrer enzymatischen Aktivität die Hautbarriere schwächen7 und so das Eindringen und eine Sensibilisierung gegen andere Allergene fördern können.8
Encasing: Reduktion der Milbenlast
Obwohl Effekt und Nutzen von Encasingmassnahmen (Milbenschutzbezüge für das Bettzeug) bei Patienten mit einem atopischen Ekzem durch Studien nicht klar belegt sind, wird in diversen Leitlinien festgehalten, dass die Reduzierung der Milbenlast (d.h. die Reduktion der Menge an Milbenallergenen) in der häuslichen Umgebung von Milbenallergikern mit AD sinnvoll sein kann. Unterstützt wird diese Empfehlung von einer Studie, die zeigt, dass Kinder, die in einer «milbenfreien» Umgebung aufwachsen, ein geringeres Risiko haben, eine Hausstaubmilbenallergie zu entwickeln. Die Autoren ziehen den Schluss, dass ein Encasing bei Kindern mit atopischer Dermatitis nützlich sein kann, um eine mögliche Sensibilisierung zu verhindern.9
Andere Studien weisen auf eine deutliche Reduktion der Milbenallergene durch isolierte oder kombinierte Encasingmassnahmen hin, signifikante Effekte hinsichtlich einer gleichzeitigen oder konsekutiven Reduktion der Schwere des atopischen Ekzems bleiben jedoch aus oder können nur in Einzelparametern gezeigt werden.10 In einer kontrollierten schwedischen Studie wurden signifikante Effekte von Encasing auf den Ekzemzustand gemessen, allerdings auch bei nicht sensibilisierten Patienten und bei geringer Milbenexposition. Die Autoren diskutierten, dass durch die Hausstaubmilbenreduktion (Encasing) wahrscheinlich auch andere Provokationsfaktoren des Ekzems reduziert werden können.11 All diese Erkenntnisse würden den Schluss zulassen, dass ein Encasing bei Kindern mit AD sinnvoll ist und bei Erwachsenen mit therapierefraktärer AD und klinisch relevanter Milbenallergie nützlich sein kann.
Spezifische Immuntherapie
Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) zeigt bei Patienten mit atopischer Dermatitis und allergischer Rhinokonjunktivitis sowie mildem Asthma bronchiale Wirkung und kann sogar zu einer Verbesserung des atopischen Ekzems führen.12–14 Eine Metaanalyse von 2012 konnte einen Benefit der milbenspezifischen Immuntherapie bei erwachsenen Patienten mit atopischer Dermatitis zeigen.15 Bei Kindern mit atopischem Ekzem sind die Ergebnisse teilweise sehr heterogen und oft sind die Fallzahlen zu klein. Des Weiteren konnte in einer 18-monatigen Milben-SLIT-Studie (SLIT: sublinguale Immuntherapie) eine deutliche Reduktion des SCORAD (klinisches Bewertungssystem für den Schweregrad des atopischen Ekzems) gezeigt werden, allerdings nur in der Gruppe von Patienten mit leichter bis moderater AD.16 Andere pädiatrische Studien zeigten keine klinische Verbesserung.17,18 Relevant für die Entscheidung, eine milbenspezifische Immuntherapie bei Patienten mit atopischer Dermatitis durchzuführen, sind klinisch relevante Beschwerden im Sinne einer Typ-I-Allergie, allergenspezfisches IgE gegen die Hauptallergene und ein positiver Pricktest. Falls lediglich eine Milbensensibilisierung (Hauptallergene notwendig, da die allergenspezifischen Immuntherapien auf diese standardisiert sind) und ein atopisches Ekzem bestehen und dieses sich äusserst therapierefraktär verhält oder Ekzemschübe nach Milbenexposition beobachtet werden, wäre ein positiver «Atopy Patch Test» (APT) mit Milbenextrakt ein Indikator für eine allergenspezifische Immuntherapie. Mehr Studien sind notwendig, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen und hieraus klare Empfehlungen abzuleiten.
Literatur:
1 Tokura Y: Extrinsic and intrinsic types of atopic dermatitis. J Dermatol Sci 2010; 58: 1-7 2 Resch Y et al.: Different IgE recognition of mite allergen components in asthmatic and nonasthmatic children. J Allergy Clin Immunol 2015; 136: 1083-91 3 Becker S et al.: Real-life study for the diagnosis of house dust mite allergy the value of recombinant allergen based IgE serology. Int Arch Allergy Immunol 2016; 170: 132-7 4 Banerjee S et al.: Der p 11 is a major allergen for house dust mite allergic patients suffering from atopic dermatitis. J Invest Dermatol 2015; 135: 102-9 5 Resch Y et al.: Molecular, structural and immunological characterization of Der p 18, a Chitinase like house dust mite allergen. PLoS One 2016; 11: e0160641 6 Mittermann I et al.: IgE sensitization profiles differ between adult patients with severe and moderate atopic dermatitis. PLoS One 2016; 11: e0156077 7 Nakamura T et al.: Reduction of skin barrier function by proteolytic activity of a recombinant house dust mite major allergen Der f 1. J Invest Dermatol 2006; 126: 2719-23 8 Willumsen N et al.: The complexity of allergic patients’ IgE repertoire correlates with serum concentration of allergen specific IgE. Clin Exp Allergy 2012; 42: 1227-36 9 Posa D et al.: Evolution and predictive value of IgE responses toward a comprehensive panel of house dust mite allergens during the first 2 decades of life. J Allergy Clin Immunol 2017; 139: 541-9, e8 10 Gutgesell C et al.: Double-blind placebo-controlled house dust mite control measures in adult patients with atopic dermatitis. Br J Dermatol 2001; 145: 70-4 11 Holm L et al.: Effectiveness of occlusive bedding in the treatment of atopic dermatitis - a placebo-controlled trial of 12 months’ duration. Allergy 2001; 56: 152-8 12 Bussmann C et al.: Does allergen specific immunotherapy represent a therapeutic option for patients with atopic dermatitis? J Allergy Clin Immunol 2006; 118: 1292-8 13 Darsow U et al.: Allergen specific immunotherapy in atopic eczema. Curr Allergy Asthma Rep 2011; 11: 277-83 14 Ruzicka T et al.: Usefulness of specific immunotherapy in patients with atopic dermatitis and allergic sensitization to house dust mites: A multi-centre, randomized, dose response study. Allergy 2006; 61: 202-5, Immunol 2012; 130: 925-31.e4 15 Bae JM et al.: Efficacy of allergen specific immunotherapy for atopic dermatitis: A systematic review and meta analysis of randomized controlled trials. J Allergy Clin Immunol 2013; 132: 110-7 16 Pajno GB et al.: Sublingual immunotherapy in mite sensitized children with atopic dermatitis: A randomized, double blind, placebo controlled study. J Allergy Clin Immunol 2007; 120: 164-70 17 Akdis CA et al.: Immunological mechanisms of sublingual immunotherapy. Allergy 2006; 61 (Suppl 81): S11-4 18 Glover MT, Atherton DJ: A double blind controlled trial of hyposensitization to Dermatophagoides pteronyssinus in children with atopic eczema. Clin Exp Allergy 1992; 22: 440-6
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