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Blasenbildende Dermatosen im Kindesalter

<p class="article-intro">In diesem Artikel soll die diagnostische Herangehensweise bei neu aufgetretener Blasenbildung aufgezeigt und die häufigsten blasenbildenden Erkrankungen sollen je nach verschiedener Altersgruppe vorgestellt werden. Eine Vollständigkeit der vorgestellten Dermatosen wird angesichts der grossen Zahl nicht angestrebt.</p> <hr /> <p class="article-content"><div id="&quot;keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Vesikel oder Blasen sind Zeichen eines intraepidermalen Adh&auml;sionsverlusts.</li> <li>Die grosse Zahl potenzieller Ausl&ouml;ser reicht von genetischen Ver&auml;nderungen bis hin zu externen Traumata.</li> <li>Eine gute Anamnese sowie die genaue Betrachtung der Morphologie der Effloreszenzen und ihrer Anordnung helfen meist, die Zahl der Differenzialdiagnosen einzuengen.</li> </ul> </div> <p>Blasen sind Teil vieler unterschiedlicher Dermatosen. Sie sind, unabh&auml;ngig von ihrer Ursache, Zeichen eines Defekts der desmosomalen oder hemidesmosomalen Strukturen mit daraus resultierendem Adh&auml;sionsdefekt. Als zugrunde liegende Mechanismen k&ouml;nnen angeborene, genetische Erkrankungen von erworbenen Erkrankungen wie z. B. Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Traumata unterschieden werden.</p> <h2>Herangehensweise</h2> <p>Stellt sich ein Kind mit einer blasenbildenden Dermatose vor, gilt es, verschiedene Aspekte zu ber&uuml;cksichtigen. Eine gute Anamnese und eine erste Absch&auml;tzung des Allgemeinzustandes sind elementar:</p> <ul> <li>Erscheint das Kind krank, besteht Fieber oder eine Reduktion des Allgemeinzustands?</li> <li>Wann sind erstmalig Blasen aufgetreten, gab es einen Ausl&ouml;ser?</li> <li>Liegt eine positive Eigen- oder Familienanamnese f&uuml;r blasenbildende Erkrankungen vor?</li> <li>Besteht eine Mitbeteiligung der Schleimh&auml;ute von Augen, Mund und oder Gastrointestinal- bzw. Urogenitaltrakt?</li> <li>Wurden k&uuml;rzlich neu rezeptierte Medikamente eingenommen?</li> <li>Wichtig ist auch, ob die Anamnese plausibel erscheint, da Blasen auch h&auml;ufig bei einer Dermatitis artefacta auftreten k&ouml;nnen.</li> </ul> <p>Die Morphologie der Blasen sowie deren Anordnung und Lokalisation helfen, die Liste m&ouml;glicher Erkrankungen einzuengen. So stellen sich oberfl&auml;chliche Blasen eher schlaff, bereits er&ouml;ffnet bzw. erosiv dar. Tiefer intraepidermal bzw. hoch junktional gelegene Blasen sind hingegen meist intakt und zeigen eine prallere F&uuml;llung. Auch die Gr&ouml;sse der Effloreszenzen &ndash; liegen Vesikel oder Blasen vor &ndash; unterscheidet sich je nach Ursache. Bei l&auml;nger bestehenden Erkrankungen finden sich zudem Assoziationen wie z. B. Milien, Narben, Pigmentierungsst&ouml;rungen sowie Nageloder Haaranomalien.<br /> Um die Wahrscheinlichkeit verschiedener Diagnosen abzusch&auml;tzen, muss das Alter des Patienten ber&uuml;cksichtigt werden. Insbesondere Blasen bei Neonaten oder kleinen S&auml;uglingen lassen an genetische Ursachen wie eine Epidermolysis bullosa oder eine epidermolytische Ichthyose denken, aber auch Infektionen kommen in dieser Altersgruppe sehr h&auml;ufig vor. Bei &auml;lteren S&auml;uglingen und kleinen Kindern &uuml;berwiegen die Infektionskrankheiten und bull&ouml;se Iktusreaktionen, aber bei ihnen k&ouml;nnen auch noch sp&auml;ter auftretende Genodermatosen und auch seltene Autoimmunerkrankungen wie das bull&ouml;se Pemphigoid oder die lineare IgA-Dermatose vorkommen. Bei &auml;lteren Kindern und Jugendlichen spielen dann neben den Infektionen zunehmend allergische und exogene Faktoren eine Rolle, so kommen hier vermehrt auch photo-/ phytotoxische Dermatosen oder eine Dermatitis artefacta infrage. Letztere k&ouml;nnen Ausdruck einer psychischen Erkrankung sein, sind aber h&auml;ufig auch Folge spielerischer Selbstversuche i. S. einer Teilnahme an durch die sozialen Medien verbreiteten &laquo;challenges&raquo;.</p> <h2>H&auml;ufige oder typische Ursachen von Blasenbildung</h2> <p><strong>Kleine S&auml;uglinge, Neugeborene</strong></p> <p>Epidermolysis bullosa (EB)<br /> Bei den kleinen S&auml;uglingen muss man bei kongenitalem/perinatalem Auftreten von Blasen oder Erosionen an eine Epidermolysis bullosa denken. Insbesondere wenn zus&auml;tzlich eine akrale Aplasia cutis vorliegt.<br /> Die Epidermolysis bullosa beschreibt eine Gruppe von seltenen genetisch determinierten blasenbildenden Dermatosen. Sie kann autosomal dominant oder rezessiv vererbt werden. In den meisten F&auml;llen liegt ein durch genetische Mutationen hervorgerufener Defekt eines Ankerproteins vor, durch den die Funktion der Desmosomen oder der Hemidesmosomen beeintr&auml;chtigt ist, was zu einer reduzierten Stabilit&auml;t des Zellverbands der Haut gegen&uuml;ber mechanischer Belastung f&uuml;hrt. Insbesondere bei Scherkr&auml;ften kommt es zu einem Auseinanderstreben der Zellen mit sekund&auml;rer Blasenbildung. Je nach anatomischer Lage der Spaltbildung werden unterschiedliche klassische Formen der EB &ndash; die EB simplex, junctionalis und dystrophica sowie die Kindler-EB &ndash; definiert (Abb. 1).</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s21_abb1_schwieger.jpg" alt="" width="2157" height="1194" /></p> <p>&nbsp;</p> <p>Diagnose der EB<br /> Die Diagnose einer EB wird meist klinisch gestellt. F&uuml;r die prognostisch sehr bedeutsame Bestimmung des genauen Subtyps wird dann ein Immunfluoreszenzmapping (IFM) einer aus dem Rand einer Blase entnommenen Hautbiopsie erstellt. Bei dieser Untersuchung werden die f&uuml;r die EB relevanten Ankerproteine in der Hautprobe angef&auml;rbt, um neben ihrer Farbintensit&auml;t auch die Lage der Blase zu den verschiedenen Proteinen zu bestimmen. Da die genaue Prognose der Erkrankung aber letztlich sehr von dem betroffenen Gen und der genauen Mutation abh&auml;ngt, ist m&ouml;glichst rasch eine Mutationsanalyse anzustreben.<br /> Patienten mit dringendem Verdacht auf eine EB sollten an spezialisierte Zentren &uuml;berwiesen werden, in der Schweiz sind diese Teil der dermatologischen Abteilungen des Inselspitals Bern und des Kinderspitals Z&uuml;rich, zudem werden erwachsene Patienten auch am Unispital Basel behandelt.</p> <p>H&auml;ufigste Differenzialdiagnosen der EB im Neugeborenenalter<br /> Bei Neonaten werden vor allem zwei Diagnosen relativ h&auml;ufig mit einer EB verwechselt. Zum einen ist dies die neonatale bull&ouml;se Impetigo, zum anderen die weitaus seltenere epidermolytische Ichthyose.<br /> Die neonatale bull&ouml;se Impetigo wird durch eine Infektion mit Koagulase-positivem <em>Staphylococcus aureus</em> (meist Phagentyp 2) ausgel&ouml;st, welcher &ouml;rtliche epidermolytische Toxine bildet. Diese f&uuml;hren durch eine Aufspaltung von Desmoglein 1 zu hohen intraepidermalen Spalten und damit zu schlaffen Blasen und rundlichen Erosionen (Abb. 2). Der Allgemeinzustand der Kinder ist gut. Die Diagnose ist klinisch zu stellen, im Zweifel kann man einen Abstrich aus dem Blasengrund f&uuml;r eine Gramf&auml;rbung und Kultur entnehmen. Bei sehr begrenztem Befund kann eine topische Therapie mit antiseptischen Externa erfolgreich sein, bei ausgedehnterem Befund hingegen ist eine systemische antibiotische Therapie mit z. B. Amoxicillin/Clavulans&auml;ure &uuml;ber 7&ndash;10 Tage indiziert. Bei Neonaten ist aufgrund der schlechten Resorption oraler Antibiotika in aller Regel eine initiale intraven&ouml;se Therapie notwendig, um eine Ausbreitung zu vermeiden. Ein geringer Teil der unbehandelten Kinder mit einer bull&ouml;sen Impetigo entwickelt im weiteren Verlauf ein Erysipel.<br /> Die bull&ouml;se Impetigo ist von einem &laquo;staphylococcal scalded skin syndrome&raquo; (SSSS) zu unterscheiden. Dies ist ebenfalls eine Toxin-vermittelte Erkrankung, welche aber im Gegensatz zur bull&ouml;sen Impetigo durch h&auml;matogene Streuung generalisiert auftritt. Das SSSS betrifft S&auml;uglinge und Vorschulkinder gleichermassen, seltener sind auch &auml;ltere Kinder noch betroffen. Beim SSSS kommt es bei reduziertem Allgemeinzustand zu einer ausgesprochenen Schmerzhaftigkeit der Haut. Den dann auftretenden erythemat&ouml;sen Maculae gehen oberfl&auml;chliche Erosionen voraus. Typisch ist zudem das perorale und zum Teil periorbikulare Ekzem mit feinen radi&auml;ren Hautrissen, welches manchmal das erste Zeichen der Erkrankung sein kann. Beim SSSS sind eine intraven&ouml;se Therapie und eine grossz&uuml;gige Rehydratation zum Ausschwemmen des Toxins indiziert. Zus&auml;tzlich wird meist eine gute Analgesie und nach Besserung des Hautbefundes eine vorsichtige Wundtherapie ben&ouml;tigt.<br /> Bei der epidermolytischen Ichthyose liegt eine meist autosomal dominant vererbte Mutation in KRT1 oder KRT10, nur selten in KRT2, vor. Bei der Geburt zeigen die betroffenen Kinder eine verdickte, mazerierte Epidermis, bei welcher sich grossfl&auml;chige Blasen und Erosionen finden (Abb. 3). Nach der S&auml;uglingsperiode nimmt die Hautfragilit&auml;t zugunsten des typischen ichthyosiformen Hautbilds ab, wobei eine gewisse Hautfragilit&auml;t die Patienten dennoch &uuml;ber ihre Kindheit hinweg begleiten kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s22_abb2_schwieger.jpg" alt="" width="1417" height="774" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s23_abb3_schwieger.jpg" alt="" width="350" height="309" /></p> <p><strong>&Auml;ltere S&auml;uglinge und Kleinkinder</strong><br /> Bei &auml;lteren S&auml;uglingen ist vor allem bei wiederholter Blasenbildung an gleicher Lokalisation an eine kutane Mastozytose zu denken (Abb. 4). Der kutanen Mastozytose liegen meist Mutationen im c-Kit-Proto-Onkogen zugrunde. Sie kommt bei kleinen Kindern vor allem in 3 Formen vor: in Form einzelner oder weniger Mastozytome, etwas seltener als makulopapul&ouml;se Form (ehemals Urticaria pigmentosa) und sehr selten als diffuse kutane Mastozytose. Eine systemische Mastozytose ist eine Rarit&auml;t.<br /> Die kutane Mastozytose entwickelt sich meist in den ersten Lebensmonaten, kann aber auch in der Kindheit neu entstehen. Die Neigung zu Blasenbildung geht in aller Regel innerhalb der ersten 3 Lebensjahre deutlich zur&uuml;ck.<br /> Die Diagnose der Mastozytose ist klinisch, kann aber gegebenenfalls durch einen positiven Darier-Test best&auml;tigt werden. Hier wird das betroffene Areal vorsichtig gerieben und so werden durch Aussch&uuml;ttung von Histamin aus den Mastzellen eine Schwellung und eine R&ouml;tung provoziert. Man sollte aber gerade bei isolierten Mastozytomen vorsichtig vorgehen, da bei allzu beherztem Reiben bei den S&auml;uglingen ein generalisierter Flush mit zum Teil auch Kreislaufschw&auml;che ausgel&ouml;st werden kann. Nur selten ist f&uuml;r die Diagnose eine Biopsie notwendig.<br /> Die Therapie der Mastozytose ist im Wesentlichen symptomatisch. Die betroffenen Kinder sollten speziell bei ausgedehnterem Befund gut &uuml;ber Histamin-freisetzende Trigger (Medikamente, mechanische Stimuli, Insektenstiche etc.) informiert werden. Patienten mit ausgedehnterem Befund bekommen ein Notfallset bestehend aus einem Systemsteroid (z. B. Prednisolon oder Betamethason), einem Antihistaminikum und f&uuml;r ausgew&auml;hlte F&auml;lle einem Adrenalinpen.<br /> Eine andere relativ h&auml;ufige Ursache f&uuml;r vorwiegend akrale Blasen sind bull&ouml;se Stichreaktionen. Hier kommt es durch entz&uuml;ndliche und allergische &uuml;berm&auml;ssige Reaktionen zu meist prallen Blasen im Bereich unbekleideter Hautareale.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s23_abb4_schwieger.jpg" alt="" width="350" height="377" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><strong>Schulkinder/Jugendliche</strong><br /> In der Altersgruppe der Schulkinder sind die h&auml;ufigeren Ursachen von Blasen allergischer oder exogener Genese. So werden bull&ouml;se Hand- und Fussekzeme (Cheiro/Podopompholyx) vermehrt gesehen. Auch bull&ouml;se Formen der polymorphen Lichtdermatose, insbesondere der sogenannten &laquo;juvenile spring eruption&raquo; mit Vesikeln und Blasen auf der Ohrhelix, kommen vermehrt vor.<br /> In dieser Altersgruppe, in der Kinder zunehmend autonom werden und alleine zum Spielen aus dem Haus gehen, sieht man gerade in den Sommermonaten F&auml;lle von phytotoxischen (z. B. durch Wolfsmilchgew&auml;chse) und phytophototoxischen (&laquo;Wiesengr&auml;serdermatitis&raquo;) Dermatosen. Typisch ist hier die meist ungew&ouml;hnliche oder lineare Verteilung mit Vesikel- oder Blasenbildung einige Stunden bis Tage nach Pflanzenkontakt (Abb. 5).<br /> Ein neueres Ph&auml;nomen sind diverse &laquo;challenges&raquo;, welche &uuml;ber die sozialen Medien verbreitet werden, wie z. B. die Eisw&uuml;rfel- Salz-Challenge, bei der ein Eisw&uuml;rfel auf einem Salzbett oder auch das lange Spr&uuml;hen mit Spraydosen auf der Haut zu einer lokalen Erfrierung mit Blasenbildung f&uuml;hrt. H&auml;ufig ist es den Kindern/Jugendlichen peinlich, dass sie die Ver&auml;nderungen selbst herbeigef&uuml;hrt haben, und sie vermeiden daher eine detaillierte Darstellung der Genese. Daher sind die genaue Betrachtung der Morphologie und genaues Nachfragen von grosser Bedeutung.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s23_abb5_schwieger.jpg" alt="" width="350" height="299" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <ul> <li>Fine JD et al.: Inherited epidermolysis bullosa: updated recommendations on diagnosis and classification. J Am Acad Dermatol 2014; 70(6): 1103-26</li> <li>Shwayder T et al.: Epidermolytic Ichthyosis. In: Longitudinal Observation of Pediatric Dermatology Patients. Cham: Springer, 2019. pp19-21 ∙ Schwieger-Briel A, Has C: Blasen im Kindesalter &ndash; mit einem Algorithmus zur richtigen Diagnose. p&auml;diatrie: Kinderund Jugendmedizin hautnah 2015; 27(Suppl 7): 10-15</li> </ul> </div> </p>
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