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Die Entzündung der Sehnenansätze ist ein Frühzeichen
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher
2. Medizinische Abteilung mit Rheumatologie und Osteologie, SMZ Süd, Wien<br>E-Mail: ludwig.erlacher@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
24.05.2018
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<p class="article-intro">Enthesitiden werden durch mechanischen Stress getriggert und zählen zu den sehr frühen Symptomen einer Psoriasisarthritis. Mithilfe der Sonografie und der Kernspintomografie kann bereits die frühe entzündliche Phase diagnostiziert werden. </p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Eine häufige Manifestation entzündlicher muskuloskelettaler Erkrankungen ist die Enthesitis, eine Entzündung im Ansatzbereich von Sehnen und Bändern am Knochen. Die Enthesitis ist außerdem ein klinisches Hinweiszeichen für die Diagnose der Psoriasisarthritis (PsA) und der Spondyloarthritis (SpA). So zählen zu den „nicht artikulären muskuloskelettalen Manifestationen einer PsA“ die Enthesitis, axiale Symptome und Daktylitis. <br />Für eine effiziente Kraftübertragung vom Muskel auf den Knochen sind die Verankerungen von Bändern und Sehnen verantwortlich. Der spezielle Aufbau der Enthese sorgt dabei für die nötige Stabilität und soll gleichzeitig eine reibungslose Übertragung der ständig wechselnden Kräfte gewährleisten.</p> <h2>Pathophysiologie</h2> <p>Als wichtiger Trigger der Entzündung bei einer Enthesitis wird mechanischer Stress diskutiert. Dafür spricht z.B., dass die unteren Extremitäten häufiger betroffen sind als die oberen. Enthesitiden im Rahmen einer PsA oder SpA betreffen meist mehrere Enthesen und neigen dazu, einen chronischen Verlauf zu nehmen. Es wird angenommen, dass bei diesen beiden Systemerkrankungen die Schwelle für die Triggerreize sehr niedrig ist. Deshalb ist die Entwicklung der Enthesitis bereits bei geringer mechanischer Krafteinwirkung möglich. Bei adipösen Patienten wird neben der Gewichtsbelastung die erhöhte inflammatorische Aktivität durch das höhere Entzündungspotenzial im Fettgewebe unterstützt. <br />Die Überbelastung der Sehne hat deutliche Veränderungen der Zellaktivität in katabole Reaktionsmuster und Aktivierung von Metalloproteasen zur Folge, welche das Gewebegefüge der Sehne nachhaltig verändern. Bei Patienten mit PsA oder SpA ist die entzündliche Reaktion im Knochenmark in der MRT-Bildgebung als Osteitis zu erkennen. <br />IL-23 spielt bei der Entstehung einer Enthesitis eine wesentliche Rolle: Es kann den Ablauf einer Enthesitis massiv triggern und so den postulierten mechanischen Trigger gleichsam umgehen. IL-17 wiederum fördert die Migration und Aktivierung von Neutrophilen. Die IL-17-Produktion ist ein weiterer Schritt zur Verstärkung der entzündlichen Reaktion. Sobald die Inflammation ihren Höhepunkt erreicht hat, kommt es zur proliferativen Gewebsreaktion. Im Rahmen des Umbauvorgangs an den Enthesen findet eine Neubildung von Knochensubstanz statt. Dabei kann häufig eine exzessive lokale Apposition von periostalem Knochen auftreten, die sog. „Enthesiophyten“. <br />An der Wirbelsäule kann aufgrund der Ausbildung von Syndesmophyten in der Folge eine Ankylose entstehen. Auf dieselbe Weise können auf der Plantarfaszie ein Fersensporn oder eine Knochenneubildung an den Enthesen der Handgelenke ausgebildet werden. Dabei erinnert dieser Vorgang stark an die Reparatur nach einer Knochenfraktur, bei der es zunächst zu einer entzündlichen Reaktion und in der Folge zu einer ausgeprägten Gewebsantwort kommt.</p> <h2>Häufigkeit</h2> <p>Im Rahmen einer rein klinisch-palpatorischen Untersuchung war die Enthesitis bei Patienten mit PsA in 35 % der Fälle zu finden, wobei die Ansätze der Achillessehne, der Plantarfaszie und der lateralen Epikondylen als Prädilektionsstellen hervortraten. Entsprechend der Pathophysiologie zählt die Enthesitis zu den sehr frühen Symptomen der PsA bzw. der SpA. Mit dem Auftreten der Enthesitis sind zudem ein höherer BMI, aktive Prozesse in den Gelenken und jüngeres Alter assoziiert. <br />Wird die Enthesitis klinisch als Schmerz­wahrnehmung an definierten Stellen diagnostiziert, so liegt die Prävalenz im Allgemeinen bei bis zu 50 % . Werden adäquate bildgebende Verfahren zur Diagnose herangezogen, so können Enthesitiden bei bis zu 70 % der Patienten gefunden werden. Demnach wird die Prävalenz der Enthesitiden in klinischen Untersuchungen generell unterschätzt.</p> <h2>Diagnostische Methoden</h2> <p>Die einzige Möglichkeit der klinischen Diagnose stellt die palpatorische Untersuchung auf Druckschmerzhaftigkeit dar. Dabei wird an den enthesialen Stellen Druck mit dem Daumen ausgeübt, bis die Daumenspitze erblasst. Allerdings kann mit dieser Methode zwischen entzündlichem Schmerz und Hyperalgesie anderer Ursache nicht unterschieden werden. Ein negativer Befund schließt zudem das Vorliegen der Enthesitis nicht komplett aus. <br />Für die Erfassung der Enthesitis bei PsA hat sich der Leeds Enthesitis Index (LEI) etabliert. Dabei werden zweimal 3 Enthesen erfasst: die am lateralen distalen Humerus, die medialen Femurkondylen und die Achillessehnen. Die Bewertung erfolgt mit einer 2-Punkte-Skala (ja/nein). <br />In bildgebenden Verfahren kann die Enthesitis spezifischer dargestellt werden als in der klinischen Erfassung der Schmerzsymptomatik. Dabei werden typische Parameter der entzündlichen Phase oder der Gewebsantwort mit unterschiedlichen Methoden sichtbar gemacht. So kann die frühe entzündliche Phase mit Hyperämie und Vasodilatation mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) diagnostiziert werden. Dieses Verfahren ist vor allem zur Darstellung der perienthesialen Ostitis geeignet. Ostitis ist ein typisches Merkmal der Entzündung in axialen Gelenken wie etwa den Sakroiliakalgelenken oder in den Wirbelkörpern von Patienten mit axialer SpA oder ankylosierender Spondylitis. Teilweise extensive „Ödeme“ können bei der peripheren Enthesitis auftreten. <br />Mittels MRI konnten bei PsA-Patienten die Beziehungen zwischen distalen Interphalangealgelenken, Nägeln und Enthese nachgewiesen werden. In Ganzkörpertomografien konnten perienthesiale Entzündungen bei Patienten mit PsA und SpA gleichzeitig axial und peripher nachgewiesen werden. So gesehen unterstützen MRI-Befunde die Hypothese, dass Enthesen und das perienthesiale Knochenmark eine funktionelle Einheit darstellen. Dies bestätigen auch Ultraschalluntersuchungen, die einen erhöhten Blutfluss im Bereich der Verbindung von Knochen und Enthese zeigen konnten. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass die Enthesitis ein früher Befund bei der PsA ist, aber bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nicht nachweisbar war. An Enthesen von Patienten mit Psoriasis ohne klinische Symptome einer PsA konnten, ebenfalls im Ultraschall, Zeichen einer Entzündung gezeigt werden, im Kontrollkollektiv war dies hingegen nicht möglich. Außerdem waren Psoriasispatienten mit Nagelbettbeteiligung häufiger davon betroffen. <br />Eine quantitative Erfassung von Knochenneubildungen bei PsA ist mittels „high resolution peripheral quantitative CT“ (HR-pQCT) möglich. Demnach können auch die enthesialen Knochenneubildungen bereits als Frühzeichen einer muskuloskelettalen Beteiligung bei Psoriasis eingestuft werden.</p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Laut aktuellen Empfehlungen zur Therapie der PsA (Ann Rheum Dis 2017) soll das Therapieziel die klinische Remission bzw. ein inaktiver Zustand aller muskuloskelettalen und extraartikulären Manifestationen sein, wobei die Enthesitis eigens erwähnt wird. Jedoch ist das belegte Wissen zur Therapie der Enthesitis relativ begrenzt – es gibt bis dato keine publizierten Studien, in denen die Enthesitis als primärer Parameter untersucht wurde. <br />Die Erfahrung zeigt, dass Enthesitis und Osteitis häufig gut auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ansprechen, die im Verlauf der PsA bzw. SpA verschrieben werden. In Ultraschallstudien konnte die Wirkung der NSAR auf die Entzündung und Vasodilatation im Bereich der Enthese bestätigt werden. Beim chronischen Krankheitsverlauf werden jedoch zusätzliche Medikamente zur Kontrolle der Erkrankung notwendig. <br />Weder Methotrexat noch andere konventionelle DMARDs („disease-modifying antirheumatic drugs“) haben eine positive Wirkung auf die entzündlichen Prozesse der Enthesen. Wirksamkeit hinsichtlich der Enthesitis zeigt von den oral verfügbaren Medikamenten der Phosphodiesterase-4-Hemmer Apremilast, der für die Therapie der PsA zugelassen ist. Wirksamkeit in Bezug auf die Enthesitis zeigt des Weiteren die TNF-Hemmung, auch bei peripheren Enthesitiden wie z.B. im Fersenbereich. Dazu liegt Evidenz für Infliximab, Adalimumab, Etanercept, Golimumab und Certolizumab vor. <br />Rezente Daten sprechen für ein klinisches Ansprechen bei Enthesitiden unter Blockade der IL-23- und IL-17-Aktivierungen. So zeigt Ustekinumab nach sechs Monaten eine effektive Wirkung bei Enthesitis bei mehr als 50 % der PsA-Patienten, wobei die Wirkung auch anhält. Ähnliche Daten gibt es auch zu den IL-17-Hemmern Ixekizumab und Secukinumab. <br />Differenzialtherapeutische Überlegungen sollten – wie es die Experten der internationalen Task-Force im Update 2017 (Ann Rheum Dis 2017) empfehlen – Komorbiditäten wie z.B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen einschließen, da diese bei PsA-Patienten häufiger auftreten als in der Allgemeinbevölkerung. Genauso wichtig sind die Sicherheits- und Nebenwirkungsprofile der unterschiedlichen Substanzen im Hinblick auf die jeweiligen Risiken der einzelnen Patienten. Als Entscheidungshilfe in Bezug auf die Wirkprofile der Medikamente kann auch die unterschiedlich starke Ausprägung der Haut- und Gelenksbeschwerden herangezogen werden.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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