Aktuelles zu den Affenpocken
Bericht:
Dr. med. Norbert Hasenöhrl
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Der derzeitige Ausbruch von Affenpocken unterscheidet sich in mancher Hinsicht von der klassischen Manifestation, wie sie vor allem in Afrika auftritt – unter anderem durch den Übertragungsweg.
«Das Affenpockenvirus ist ein Orthopoxvirus und gehört zum selben Genus wie die Variola(Pocken)- und Vacciniaviren. Nach der Ausrottung der Pocken wurde das Affenpockenvirus das am stärksten humanpathogene Orthopoxvirus», erklärte Dr. med. Alba Català, Barcelona, Spanien.
Epidemiologie und Ausbruch 2022
Das Virus wurde erstmals Anfang der Siebzigerjahre im Kongo als Humanpathogen identifiziert. Mehrere Fälle von Affenpocken wurden in den 1980er-Jahren diagnostiziert. Dabei stellte sich heraus, dass die Pockenimpfung einen ca. 85-prozentigen Schutz gegen Affenpocken bietet.1 Seither waren Affenpocken in Zentral- und Westafrika endemisch, wobei zwei Kladen identifiziert wurden, die Kongobecken-Klade (Klade 1), die schwerere Verläufe verursacht, und die westafrikanische Klade (Klade 2). Seit 2016 stieg die Zahl der Fälle in Afrika (Kongo, Nigeria, Zentralafrika, Liberia, Sierra Leone) deutlich an. 2003 gab es auch einen zoonotischen Ausbruch in den USA. «Damals wurde keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung dokumentiert», bemerkte Català. 2022 kam es zu einem globalen Ausbruch von Affenpocken, der in Europa erstmals im Mai 2022 berichtet wurde. Es folgte eine rasche Ausbreitung. Per 6. September gab es in 29 europäischen Ländern insgesamt 18 844 bestätigte Fälle.
Übertragung und klassische Klinik
Die Eintrittspforten für das Virus sind Hautläsionen, der Respirationstrakt und die Schleimhäute. Die Übertragung von Mensch zu Mensch kann über direkten Kontakt mit infektiösen Läsionen oder Körperflüssigkeiten, respiratorische Sekrete bzw. Tröpfchen oder auch über kontaminierte Oberflächen erfolgen. Eine vertikale, transplazentare Übertragung ist möglich. «Historisch waren zumeist Kinder betroffen», so die Wissenschaftlerin. Die Inkubationszeit betrug 4–21 Tage. Grundsätzlich sind lokale und systemische Verlaufsformen möglich. Die klassische klinische Manifestation ist eine systemische Erkrankung mit Fieber, Schüttelfrost und Myalgie sowie einem charakteristischen Exanthem.
Die Erkrankung lässt sich in zwei Phasen einteilen: die invasive und die Exanthemphase. In endemischen Gebieten mit vorwiegend respiratorischem Übertragungsmodus dauert die invasive Phase zwischen 0 und 5 Tagen. Systemische Symptome wie Fieber, intensive Kopfschmerzen, Lymphadenopathie, Myalgie oder Halsschmerzen können vor oder kurz nach Auftreten des Exanthems vorhanden sein. Betroffen sind Gesicht, Beine, Stamm, Arme, Handflächen, Genitalien und Fusssohlen. Es können hunderte Läsionen pro Patient auftreten. Die typische Läsionsentwicklung ist: makulär – papulär – vesikulär – pustulär, wobei die Läsionen sich in der Regel simultan von einem Stadium zum nächsten entwickeln. Im Gegensatz zu Varizellen entwickelt sich der Affenpocken-Ausschlag zentrifugal.2
Schwere Fälle können bei Kindern – abhängig vom Ausmass der Virusexposition, dem vorherigen Gesundheitsstatus und der Art der Komplikationen – sowie bei immunkompromittierten Patienten vorkommen (z.B. auch bei unkontrollierter, fortgeschrittener HIV-Infektion). Beim Ausbruch, der 2003 in den USA stattfand, war eine vorhergegangene Pockenimpfung nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung oder mit Hospitalisierung assoziiert.3
Ähnlich wie bei Pocken sind die häufigsten Folgen von Affenpocken Narben, weiters Schmerzen und sekundäre bakterielle Infektionen. Seltener kommt es zu Bronchopneumonie, Keratitis und Hornhautulzeration (was zu Erblindung führen kann), Sepsis, Enzephalitis und Tod. Die historische Case Fatality Ratio in Afrika betrug 1–10%, in rezenterer Zeit 3–6%. Beim US-Ausbruch 2003 gab es hingegen keine Todesfälle.
Klinik 2022
«Nachdem der Ausbruch im Mai 2022 begonnen hatte, erwarteten wir, ein Exanthem ähnlich wie bei Pocken oder Varizellen zu sehen. Und wir dachten auch, dass die Patienten Fieber und Prodromi haben würden, bevor das Exanthem erscheint. In Wirklichkeit war das aber anders», so Català. Zunächst präsentierten sich alle Patienten mit mukokutanen Manifestationen. Die Primärläsionen in den Inokulationsgebieten waren Pseudopusteln (eigentlich Papeln, die Pusteln imitieren). Die Läsionen konnten einzeln oder multipel auftreten – es waren aber deutlich weniger als bei historischen Fällen. Die Läsionen waren schmerzhaft und brauchten Wochen, um abzuheilen. Sie waren häufig von Ödemen umgeben und oft mit einer regionalen Lymphadenopathie verbunden. Die Läsionen traten oft im Anogenital- oder Oralbereich sowie an den Fingern auf. Einige Tage später konnten sekundäre Eruptionen auftreten, die sich über Maculae und Vesikel zu Pusteln und schliesslich Krusten entwickelten. Diese Läsionen juckten und heilten nach einigen Tagen wieder ab. Im Gegensatz zur historischen Manifestation waren die Läsionen bei diesen Patienten häufig nicht alle im selben Entwicklungsstadium.4 Alle Patienten hatten extrakutane Symptome. Abgesehen von der Lymphadenopathie waren dies oft Fieber, Asthenie, Myalgie, Kopf- und Halsschmerzen.4 «Dabei begannen die extrakutanen Symptome zur gleichen Zeit wie die kutanen», betonte Català. «Nur 36% hatten Prodrome.»
Für die meisten Patienten sind Affenpocken eine selbstlimitierende Erkrankung, die nach zwei bis vier Wochen abheilt. Komplikationen und auch Todesfälle sind jedoch möglich. Bisher wurden weltweit nur vier Todesfälle bestätigt. Derzeit sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, betroffen, die Übertragung erfolgte in fast allen Fällen durch sexuellen bzw. Hautkontakt. «Man muss aber bedenken, dass das Virus keine Präferenz für eine sexuelle Orientierung hat und sich mit der weiteren Ausbreitung auch der Übertragungsweg ändern kann», warnte Català abschliessend.
Quelle:
Català A: Breaking News Lecture: Monkeypox Outbreak. EADV 2022, presentation ID D2T01.3G
Literatur:
1 Callis Duffin K et al.: JAMA Dermatol 2018; 154(10): 1137-44 2 Perez-Chada LM et al.: J Rheumatol 2021; published online
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