Entwicklungen und Updates in der Dermatologie
Bericht:
Dr. Therese Schwender
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Der Jahreskongress 2022 der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) bot unter dem Titel «New Horizons – Developments and Updates in Dermatology» ein abwechslungsreiches klinisch-wissenschaftliches Programm, das verschiedenste Bereiche der Dermatologie aufgriff.
Prof. Dr. med. Alexander Stratigos (Athen) sprach in seiner Keynote Lecture unter anderem über die Do’s und Don’ts im Management von Patientinnen und Patienten mit Plattenepithelkarzinomen. «Zusammen mit den Basalzellkarzinomen stellen Plattenepithelkarzinome die beiden häufigsten epithelialen Hauttumoren dar», erklärte er einleitend und ergänzte, dass kutane Plattenepithelkarzinome (CSCC) trotz eines 5-Jahres-Überlebens von 90% für 20% der Hauttumor-bedingten Todesfälle verantwortlich sind.
Klassifikation der CSCC
Wie Prof. Stratigos ausführte, wird in der Klassifikation des CSCC zwischen einem primären und einem metastasierten CSCC unterschieden (Abb. 1).1 «Unter den primären CSCC finden wir die gewöhnlichen primären CSCC und die lokal fortgeschrittenen. Lokal fortgeschritten ist dabei definiert als ein nicht durch eine kurative Operation oder eine kurative Strahlentherapie behandelbarer Tumor», sagte er. Unter den gewöhnlichen primären CSCC sollte die Aufmerksamkeit insbesondere auf den Hochrisikotumoren liegen, definiert als invasive CSCC mit Merkmalen eines erhöhten Risikos für ein lokoregionales Rezidiv, Lymphknoten- oder Fernmetastasen oder krankheitsspezifischen Tod.1 «Sie stellen den Hauptpool der kutanen SCC dar, aus denen sich fortgeschrittene Tumoren entwickeln», betonte Prof. Stratigos.
Abb. 1: Klassifikation der kutanen Plattenepithelkarzinome (CSCC)1
Zu den Elementen, die zu einem hohen Risiko beitragen, gehören unter anderem die Lokalisation, der Durchmesser (>2cm), die Tumordicke (>6mm), eine Ausbreitung über das subkutane Fettgewebe hinaus, eine schlechte Differenzierung, der histologische Typ (z.B. desmoplastisch), eine perineurale Invasion sowie das Vorliegen von Knochenerosionen. «Zu den Do’s beim CSCC gehört daher eine detaillierte histopathologische Untersuchung, falls Sie klinisch den Verdacht auf einen invasiven Tumor haben», so der Redner. «Destruktive oder lokale Therapiemodalitäten wie Laser oder Kryotherapie sollten bei invasiven CSCC nicht eingesetzt werden, da sie keine histopathologische Untersuchung erlauben.»
Empfehlungen zur Diagnostik
Prof. Stratigos ging im Weiteren auf die Rolle der Bildgebung beim CSCC ein. «Wir verfügen mittlerweile über viele tolle bildgebende Techniken, die wir heute auch viel häufiger einsetzen als früher», sagte er. Studien haben gezeigt, dass die Bildgebung dazu beiträgt, eine subklinische Erkrankung zu erfassen, und dass ihr Einsatz in 33% der Fälle das Staging und Management von Hochrisiko-CSCC verändert.2,3 Gemäss Guidelines sollte eine Bildgebung bei einem CSCC in drei Fällen eingesetzt werden (Tab. 1).4 «Eine Biopsie der Sentinellymphknoten dagegen wird aufgrund ihres unklaren Nutzens von den meisten Guidelines aktuell nicht empfohlen, ausser im Kontext einer klinischen Studie», ergänzte Prof. Stratigos.
Tab. 1: Einsatzbereiche einer Bildgebung beim kutanen Plattenepithelkarzinom4
Therapeutische Do’s und Don’ts
Im nächsten Teil seines Vortrags ging Prof. Stratigos auf Do’s und Don’ts im Zusammenhang mit der Therapie des CSCC ein. Hinsichtlich Radiotherapie bei einem gewöhnlichen primären CSCC erklärte er: «Eine postoperative Radiotherapie wird dann empfohlen, wenn keine vollständige chirurgische Exzision stattgefunden hat und es keine Möglichkeit einer Reoperation gibt.» Ob eine adjuvante Radiotherapie nach einer R0-Exzision einen Nutzen habe, sei bisher nicht klar. Guidelines empfehlen, sie bei Tumoren mit multiplen Hochrisiko-Charakteristiken und bei einer ausgedehnten perineuralen Beteiligung in Betracht zu ziehen.5
«Das Management von Patientinnen und Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten CSCC gehört nicht in die Hand eines einzelnen Fachgebiets, sondern benötigt die Beteiligung multipler Fachbereiche», sagte er weiter und betonte damit die Bedeutung eines multidisziplinären Tumorboards. Eine wichtige Neuerung in der Behandlung dieser Tumoren stellt die Einführung der systemischen Therapie mit Anti-PD-1-Antikörpern dar. Der Anti-PD-1-Antikörper Cemiplimab erreichte in den Studien objektive Ansprechraten zwischen 44% und 50%.6 Vor Kurzem wurden auch die Resultate einer Phase-II-Studie zum neoadjuvanten Einsatz von Cemiplimab (350mg alle 3 Wochen für bis zu 4 Dosen) bei 79 Patientinnen und Patienten mit einem resezierbaren CSSC (Stadium II–IV, M0) publiziert.7 Präoperativ zeigte sich bei 68% der Studienteilnehmenden in der Bildgebung ein objektives Ansprechen und in 51% der Fälle ein komplettes pathologisches Ansprechen. «Die Studie wies nur ein kurzes Follow-up auf, aber wenn sich diese Resultate weiter bewahrheiten, dann bietet sich uns damit vielleicht auch die Möglichkeit, ein längeres krankheitsfreies Überleben zu erreichen», schloss Prof. Stratigos.
Neues aus der klinischen Dermatologie
«What’s new in clinical dermatology?» So der Titel des Vortrags von Dr. med. Emmanuel Laffitte (Genf). Als Einstieg präsentierte er den Fall eines 75-jährigen Mannes mit wiederholten Fieberepisoden, einer neutrophilen Dermatose, Polyarthralgie und Pneumopathie sowie Vakuolen im Plasma der myeloiden und erythroiden Vorläuferzellen und der Diagnose eines myelodysplastischen Syndroms. «Bei Patienten mit dieser Klinik sollte man auch an das VEXAS-Syndrom, eine neu identifizierte autoinflammatorische Systemerkrankung, denken», erklärte er. Das Akronym VEXAS steht dabei für Vacuoles, E1 enzyme, X-linked, Autoinflammatory, Somatic.8 Der Erkrankung liegt eine somatische Mutation des UBA1-Gens zugrunde. Dieses codiert für das E1-Enzym, welches für die Ubiquitinierung von Proteinen verantwortlich ist. Aufgrund der fehlerhaften Ubiquitinierung kommt es zu einer Überregulierung von proinflammatorischen Zytokinen.9 Da das UBA1-Gen auf dem X-Chromosom liegt, sind von der Erkrankung fast nur Männer betroffen. Sie können eine Vielzahl von inflammatorischen klinischen Symptomen aufweisen, häufig mit Überlappungen von hämatologischen, dermatologischen und rheumatologischen Krankheitsbildern. Eine gross angelegte Analyse einer multizentrischen Fallserie von 116 französischen Patienten ergab, dass das mediane Alter der Betroffenen bei Symptombeginn bei 67 und bei Diagnose bei 71 Jahren lag.10 «Die Prognose der Betroffenen variierte in der Studie, abhängig vom klinischen Phänotyp und der Art der UBA1-Mutation. Die 5-Jahres-Mortalität lag zwischen 15 und 50%», so Dr. Laffitte. VEXAS-Patienten sprechen auf eine Behandlung mit Steroiden, selbst in hohen Dosen, meist nur vorübergehend an. Andere Ansätze (Azacitidin oder JAK-Inhibitoren) zeigten in Studien erste positive Resultate bei ausgewählten Patienten.11,12
«Eine neutrophile Dermatose, vor allem am Handrücken, kann aber auch noch auf das Vorliegen anderer ernsthafter Erkrankungen hinweisen», berichtete Dr. Laffitte weiter. So hat eine vor Kurzem publizierte retrospektive Fallanalyse gezeigt, dass von 27 Patientinnen und Patienten mit einer neutrophilen Dermatose 44% ein hämatologisches Malignom, 19% einen soliden Tumor und 26% eine aktive autoimmune oder rheumatologische Erkrankung aufwiesen.13 «Wir müssen also bei Erkrankten mit charakteristischen neutrophilen Dermatosen am Handrücken nach solchen Pathologien suchen», betonte Dr. Laffitte.
Tumor-infiltrierende Lymphozyten beim Melanom
Prof. Dr. med. Reinhard Dummer (Zürich) berichtete unter anderem über die Resultate der Behandlung von Melanomerkrankten mit Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL). In einer multizentrischen, offenen Phase-III-Studie wurden Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 75 Jahren mit inoperablem Melanom im Stadium III-C oder IV entweder zur einer Behandlung mit TIL oder Ipilimumab randomisiert (n=84 in beiden Gruppen).14 Die Mehrheit der Teilnehmenden (86%) waren refraktär gegenüber einer Anti-PD-1-Behandlung. Die TIL wurden aus exzidierten Melanomläsionen gewonnen und in vitro vermehrt. Vor der Infusion der TIL (≥5x109) erhielten die Teilnehmenden eine nicht myeloablative, Lymphozyten-depletierende Chemotherapie. Nach einem medianen Follow-up von 33 Monaten betrug das mediane progressionsfreie Überleben in der mit TIL behandelten Gruppe 7,2 Monate und unter Behandlung mit Ipilimumab 3,1 Monate (HR: 0,50; 95% CI: 0,35–0,72; p<0,001). Die Gesamtansprechrate betrug 49% (TIL) bzw. 21% (Ipilimumab).
Neues zur systemischen Mastozytose
Prof. Dr. med. Karin Hartmann (Basel) sprach über News in der Dermato-Allergologie, dabei unter anderem auch über neue Therapieoptionen bei der systemischen Mastozytose. «Patientinnen und Patienten mit Mastozytose tragen aktivierende KIT-Mutationen, die meisten von ihnen eine D816V-Mutation im Exon 17. Glücklicherweise stehen uns aber mittlerweile Tyrosinkinasehemmer zur Verfügung, die spezifisch gegen diese Mutation gerichtet sind», erklärte sie. So hemmt Midostaurin die D816V-mutierte KIT-Kinase, was zu einer Interferenz mit dem anormalen KIT-Signalweg führt und die Mastzellproliferation, das Überleben der Mastzellen, sowie die Histaminfreisetzung hemmt.15 Auch Avapritinib hemmt selektiv KIT D816V. Ein Vergleich der Daten aus den Phase-I- und -II-Studien zu Avapritinib mit der besten verfügbaren Therapie (BAT) bei Erkrankten mit fortgeschrittener systemischer Mastozytose zeigte für die Avapritinib-Kohorte ein signifikant längeres Überleben (HR: 0,48; 95% CI: 0,29–0,79; p=0,004) und eine signifikant längere Therapiedauer (HR: 0,36; 95% CI: 0,26–0,51; p<0,001) im Vergleich zur BAT-Kohorte. Darüber hinaus war der mittlere Unterschied in der prozentualen maximalen Reduktion der Serumtryptasewerte in der Avapritinib-Kohorte um 60,3% grösser (p<0,001).16 Aktuell wird zudem in der placebokontrollierten Phase-II-Studie SUMMIT mit Bezuclastinib ein weiterer KIT-D816V-Inhibitor bei Patientinnen und Patienten mit nicht fortgeschrittener systemischer Mastozytose untersucht.17
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV), 9. bis 11. November 2022, Bern
Literatur:
1 Dessinioti C et al.: Epidemiology of advanced cutaneous squamous cell carcinoma. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 39-50 2 Maher JM et al.: Detection of subclinical disease with baseline and surveillance imaging in high-risk cutaneous squamous cell carcinomas. J Am Acad Dermatol 2020; 82: 920-6 3 Ruiz ES et al.: The positive impact of radiologic imaging on high-stage cutaneous squamous cell carcinoma management. J Am Acad Dermatol 2017; 76: 217-25 4 Stratigos AJ et al.: European interdisciplinary guideline on invasive squamous cell carcinoma of the skin: Part 1. epidemiology, diagnostics and prevention. Eur J Cancer 2020; 128: 60-82 5 Keohane SG et al.: British Association of Dermatologists guidelines for the management of people with cutaneous squamous cell carcinoma 2020. BJD 2020; 184: 401-14 6 Fachinformation Libtayo® (Cemiplimab). www.swissmedicinfo.ch , Stand April 2022 7 Gross ND et al.: Neoadjuvant cemiplimab for stage II to IV cutaneous squamous-cell carcinoma. N Engl J Med 2022; 387: 1557-68 8 Grayson PC et al.: VEXAS syndrome. Blood 2021; 137: 3591-4 9 Krusche M.: Das VEXAS Syndrom. Arthritis und Rheuma 2022; 42: 247-50 10 Georgin-Lavialle G et al.: Further characterization of clinical and laboratory features in VEXAS syndrome: large-scale analysis of a multicentre case series of 116 French patients. Br J Dermatol 2022; 186(3): 564-574 11 Comont T et al.: Azacitidine for patients with Vacuoles, E1 Enzyme, X-linked, Autoinflammatory, Somatic syndrome (VEXAS) and myelodysplastic syndrome: data from the French VEXAS registry. Br J Haematol 2022; 196: 969-74 12 Heibling M et al.: Ruxolitinib is more effective than other JAK inhibitors to treat VEXAS syndrome: a retrospective multicenter study. Blood 2022; 140: 927-31 13 King BJ et al.: Neutrophilic dermatosis of the dorsal hands is commonly associated with underlying hematologic malignancy and pulmonary disease: A single-center retrospective case series study. J Am Acad Dermatol 2022; 23: S0190-9622(22)00879-9 [online ahead of print]. 14 Haanen JB et al.: Treatment with tumor-infiltrating lymphocytes (TIL) versus ipilimumab for advanced melanoma: Results from a multicenter, randomized phase III trial. ESMO 2022, LBA3 15 Fachinformation Rydapt® (Midostaurin). www.swissmedicinfo.ch , Stand April 2022 16 Reiter A et al.: Efficacy of avapritinib versus best available therapy in the treatment of advanced systemic mastocytosis. Leukemia 2022; 36(8): 2108-20 17 ClinicalTrials.gov, NCT05186753
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