Entzündliche Hauterkrankungen: auf dem Weg zur Präzision
Bericht:
Martha-Luise Storre
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Aktuell findet ein «shift» von der traditionellen Medizin hin zu stratifizierten Ansätzen und Präzisionsmedizin statt. Was in der Onkologie bereits im klinischen Alltag angekommen ist, bleibt für inflammatorische und immunologische Hauterkrankungen jedoch noch Zukunftsmusik. Ein Update.
Keypoints
-
Hauterkrankungen können entsprechend ihrer Signatur und den verbundenen Leitzytokinen kategorisiert werden.
-
Individuelle Immunreaktionsmuster liefern Hinweise auf mögliche therapeutische Ansätze bei seltenen Hauterkrankungen.
-
Selbst bei einer überlappenden Immunantwort scheint es eine dominante Signatur zu geben.
Vor rund 150 Jahren hat sich die Dermatologie als eigenes Fachgebiet aus der inneren Medizin heraus entwickelt, rief Prof. Dr. med. Kilian Eyerich, Ärztlicher Direktor der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Freiburg, in Erinnerung. Damals wurde es in der Wissenschaft populär, verschiedene Kategorien von Krankheiten entsprechend ihrem Phänotyp zu klassifizieren. «Unsere Ontologie und unser heutiges Verständnis von entzündlichen Hautkrankheiten sind zwar gut, aber wir haben weiterhin täglich Herausforderungen auf diesem Gebiet zu bewältigen», so Prof. Eyerich.
Ein Beispiel, wie technologische Fortschritte eine stratifizierte Medizin ermöglichen, findet sich in der Rheumatologie:1 Der Übergang von einer organbasierten zu einer molekularbasierten Klassifizierung wurde durch die Erkenntnisse über assoziierte genetische Mutationen und Polymorphismen wichtiger Immunwege und die Entwicklung monoklonaler Antikörper eingeleitet, die auf charakteristische Zytokin-Hubs bei immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen (IMIDs) abzielen. Im Vergleich zu einer organbasierten Klassifizierung berücksichtigt die molekulare Variante stärker pathophysiologische Gemeinsamkeiten zwischen IMIDs, die verschiedene Organe betreffen, aber auch wesentliche mechanistische Unterschiede zwischen IMIDs beim selben Organ. «Es kommt bei diesem Ansatz nicht mehr darauf an, welches Organ beteiligt ist, sondern welches Zytokin die Erkrankung massgeblich vorantreibt», erläuterte der Experte. Dadurch können Krankheiten entsprechend therapeutischen Entscheidungen gruppiert werden. Dies lässt sich auch auf entzündliche Hauterkrankungen übertragen.
Stratifizierte Medizin bei entzündlichen Hauterkrankungen
«Aus meiner Sicht entstehen chronisch-entzündliche Hauterkrankungen entweder als autoinflammatorische bzw. monogenetische Erkrankungen oder durch Autoimmunreaktionen, die durch T- oder B-Zellen getriggert werden», so Prof. Eyerich. Trotz der Vielzahl der Zellen im Körper weise das Immunsystem lediglich einige wenige Reaktionsmuster auf, erklärte der Experte. Diese an sich physiologisch bedeutsamen Muster (Patterns) können zur Pathogenese beitragen, wenn ein entsprechendes Antigen durch das Immunsystem identifiziert wird. Es kommt zu lichenoiden, blasigen, ekzematösen, psoriatischen, granulomatösen oder fibrosierenden Reaktionen. Sie alle gehen im Grunde auf das Zusammenspiel zwischen adaptivem Immunsystem und residenten Zellen wie beispielsweise Keratinozyten zurück. Wie lässt sich diese Erkenntnis therapeutisch nutzen? Zwar gebe es nur wenige Zulassungen für dermatologische Hauptindikationen, jedoch biete das Verständnis spezifischer Signalwege und individueller Immunreaktionsmuster einen möglichen therapeutischen Ansatz bei selteneren Krankheiten mit einer ähnlichen molekularen Signatur.
Abb. 1: Klinisches Bild eines nummulären Ekzems
So zeige sich beispielsweise bei generalisierter pustulöser Psoriasis ein gutes Ansprechen auf Interleukin(IL)-17-Antikörper. Hier liegt jedoch noch keine Zulassung vor. Als weiteres Beispiel nannte Prof. Eyerich das bullöse Pemphigoid, bei dem die Typ-2-Immunantwort eine entscheidende Rolle spielt. Hier konnten gute Erfolge mit einer IL-4/IL-13-Rezeptor-Blockade mit Dupilumab erzielt werden. Die entsprechende Zulassung wird für 2025 erwartet.
In Kategorien denken
«Durch die sehr spezifischen Therapien können jedoch auch neue Erkrankungen ausgelöst werden», berichtete Prof. Eyerich. Er stellte den Fall eines 40-jährigen Patienten mit seit Jahren bestehender atopischer Dermatitis vor. Nach einer Umstellung auf eine spezifische Therapie gegen die Typ-2-Immunachse mit Dupilumab kam es zum Neuauftreten von scharf abgegrenzten Läsionen. Histologisch bestätigte sich eine Psoriasis. Das abrupte Absetzen einer nicht leitliniengerechten oralen Steroidtherapie zund die Blockade des Th2-Signalwegs durch Dupilumab waren vermutlich die relevanten Auslösefaktoren für die neu entwickelte Psoriasis bei diesem Patienten.2 Ebenso können Psoriasispatient:innen, die mit IL-17-Antiköpern behandelt werden, neu auftretende Läsionen entwickeln, die wie eine atopische Dermatitis aussehen.
Es sei hilfreich, bei diesen Erkrankungen in Kategorien zu denken, erläuterte Prof. Eyerich. Im Zentrum steht die Signatur, verbunden mit den jeweiligen Leitzytokinen und den Surrogaten (Tab.1).3 Einige dieser Leitzytokine lassen sich gezielt inhibieren. Daher wäre es für eine Therapieentscheidung interessant, diese Zytokine zu messen und dadurch zu erfahren, welche inflammatorische Response bei der individuellen Person führend ist. Jedoch liegen diese Zytokine zumeist in sehr geringer Menge vor und sind nur schwer zu erheben. Etwas einfacher ist die Messung von Surrogatparametern wie Chemokinen. Daraus ergibt sich im Idealfall die entsprechende gezielte Therapie.
Tab. 1: Kategorisierung entzündlicher Hauterkrankungen (modifiziert nach Garzorz-Stark N et al.)3
Molekulare Diagnostik
«Die Frage ist, wo wir in diesem Schema die individuellen Patient:innen verorten», so Prof. Eyerich. Eine bereits 2014 publizierte Arbeit4 der Forschungsgruppe um Eyerich untersuchte den Unterschied zwischen Typ-2- und Typ-3-Immunität – Ekzem versus Psoriasis: Bei Patient:innen, die gleichzeitig an Psoriasis und nichtatopischem oder atopischem Ekzem erkrankt waren (n=24), wurden durch einen intraindividuellen Vergleich der molekularen Signaturen von Psoriasis und Ekzem Gene und Signalwege identifiziert, die gemeinsam und exklusiv für jede Krankheit reguliert werden. Es konnte ein aus NOS2 («nitric oxide synthase 2») und CCL27 («CC-chemokine ligand 27») bestehender Krankheitsklassifikator erstellt werden.
In einer unabhängigen Kohorte von Ekzem- (n=28) bzw. Psoriasispatient:innen (n=25) diagnostizierte dieser Klassifikator alle Betroffenen korrekt und identifizierte auch anfänglich fehldiagnostizierte oder klinisch undifferenzierte Patient:innen. Doch ist diese molekulare Diagnostik dem klinischen Blick überlegen bzw. kann es diesen ersetzen? «Das nummuläre Ekzem liegt aus klinischer und histologischer Perspektive in gewisser Weise zwischen Psoriasis und atopischer Dermatitis, eine gute und treffende Definition ist nicht leicht», berichtete der Experte. Der »overlap» lasse sich oftmals auch molekular beobachten. Der Klassifikator aus NOS2 und CCL27 zeige beim nummulären Ekzem mit über 95% eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Typ-2-Immunantwort, also einer atopischen Dermatitis. «Wir wissen aus mehreren Fallberichten, dass der auf die Typ-2-Immunität zielende Antikörper Dupilumab bei nummulärem Ekzem wirksam ist», so Prof.Eyerich. Selbst bei überlappender Immunantwort scheint es eine treibende, dominante Signatur zu geben.
Der nächste Schritt wäre nun nicht nur die Unterscheidung zwischen Typ2 und Typ3, sondern aller verschiedener Patterns und molekularer Phänotypen inflammatorischer Hauterkrankungen voneinander. «Wenn sich diese stratifizierte Medizin in der klinischen Routine etablieren lässt, dann wird das nächste grosse Ziel die Präzisionsmedizin sein», lautete Eyerichs Ausblick. Hier gelte es dann jedoch der grossen Herausforderung zu begegnen, dass die Ontologie der Dermatologie 150 Jahre alt ist. «Wir sollten uns von traditionellen Diagnosen lösen und eine tiefe Phänotypisierung für jede entzündliche Hauterkrankung durchführen», meinte der Experte.
Quelle:
«Transcriptional profiling and diagnostics», Vortrag von Prof. Kilian Eyerich im Rahmen des SGDV-Jahreskongresses am 20. September 2024 in Basel
Literatur:
1 Schett G et al.: Reframing immune-mediated inflammatory diseases through signature cytokine hubs. N Engl J Med 2021; 385(7): 628-39 2 Senner S et al.: Psoriasis bei Dupilumab-behandeltem atopischem Ekzem. Hautarzt 2020; 71(5): 383-6 3 Garzorz-Stark N et al.: Ärzteblatt; in Revision 4 Quaranta M et al.: Intraindividual genome expression analysis reveals a specific molecular signature of psoriasis and eczema. Sci Transl Med 2014; 6(244): 244ra90
Das könnte Sie auch interessieren:
The use of ultrasonography to guide aesthetic filler injections
The use of aesthetic filler injections has been steadily increasing in recent years. Correspondingly, there has also been an increase in reported complications. Among these, vascular ...
«Low-level light»-Therapie bei Akne mit kombiniertem Rot- und Blaulicht
Bei vielen Patienten rufen die konventionellen Aknetherapeutika entweder starke Nebenwirkungen hervor oder die Wirkergebnisse sind nicht zufriedenstellend. Gerade Frauen mit Akne tarda ...
Die menschliche Haut in der modernen Kunst
Dr. Ralph Ubl, Professor für neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel, stellte sich der schwierigen Herausforderung, einem Raum voller erwartungsvoller Dermatologen das Organ Haut ...