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In Zeiten des Aufbruchs
Jatros
30
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14.03.2019
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<p class="article-intro">Am 1. September 2018 übernahm Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Peter Weninger offiziell die Professur für Dermatologie und Venerologie an der MUW sowie die Leitung der Universitätsklinik für Dermatologie am AKH Wien. Weninger absolvierte seine medizinische Ausbildung in Wien, bevor er zunächst in die USA und anschließend nach Australien ging, wo er den Bereich akademische Dermatologie an der Sydney Medical School sowie den klinischen Bereich Dermatologie am Royal Prince Alfred Hospital, Sydney, leitete. Restrukturieren mit Effizienz, Güte und Verstand wird nun in Wien seine Aufgabe sein.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Weninger, bitte skizzieren Sie kurz Ihren Werdegang.<br />W. P. Weninger:</strong> Ich habe die Ausbildung an der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien in den 1990er-Jahren absolviert und bin danach als wissenschaftlicher Postdoc für vier Jahre nach Boston gegangen. Das gefiel mir so gut, dass ich noch weitere vier Jahre in Philadelphia als Assistenzprofessor angehängt habe. 2007 wurde ich nach Sydney berufen und habe den Lehrstuhl für Dermatologie an der Universität Sydney und gleichzeitig die Leitung einer klinischen Abteilung an einem der Ausbildungskrankenhäuser in Sydney übernommen. Im September 2018 wurde ich an die MUW berufen, um die Dermatologie hier zu übernehmen, und ich bin seit Oktober in Wien.</p> <p><strong>Als Schüler von Prof. Georg Stingl galt Ihr Forschungsinteresse der Immunologie. Welches sind Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte?<br />W. P. Weninger:</strong> Richtig, mein wissenschaftliches Interesse gilt speziell der Immunologie, und zwar der Entzündungsforschung im Tiermodell, darüber hinaus habe ich mich mit der intravitalen Multiphotonen-Mikroskopie (MPIVM) beschäftigt. Die MP-IVM ist eine großartige bildgebende Methode, mit der es gelingt, Immunzellen in ihrer nativen Umgebung zu visualisieren, um sie direkt in der Haut und auch anderen Organen verfolgen zu können. Damit kann man ganz spezifische Zelltypen verfolgen. In unseren Studien haben wir neue Immunzellen entdeckt und deren Funktion in Hauterkrankungen. Zum Beispiel waren wir die Ersten, die kutane „innate lymphoid cells“, sogenannte ILC, beschrieben haben. Wir haben dann gezeigt, dass ILC in der allergischen Reaktion eine Rolle spielen. Weiters haben wir eine T-Zell-Population in der Haut entdeckt und gefunden, dass diese Zellen die Immunantwort gegen bakterielle Infektionen regulieren.</p> <p><strong>Nach 18 Jahren Auslandsaufenthalt erwartet Sie eine große Aufgabe in Wien. Wie wollen Sie den neuen Herausforderungen begegnen?<br />W. P. Weninger:</strong> Die Herausforderungen, die hier auf mich warten, sind groß, aber zu bewältigen. Bereits Anfang des Jahres 2018 hat der interimistische Leiter Prof. Peter Petzelbauer die zwei klinischen Abteilungen (vormals Profs. Stingl und Pehamberger) zusammengeführt, früher existierten mit der unter Prof. Hönigsmann sogar drei klinische Abteilungen. Eine einzige Abteilung hat natürlich große organisatorische Vorteile. Eine straffe Restrukturierung ist wichtig für die Ausbildung und Patientenbetreuung. Mein Ziel ist es, das Gesamtfach, so wie es im neuen Curriculum festgelegt ist, an unserer Abteilung anzubieten. Da die Breite der Dermatologie oft unterschätzt wird, ist das gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Die österreichische Dermatologie spannt den Bogen von HIV-Infektion, Dermatoonkologie, Immundermatologie, operativer Dermatologie über STD und Phlebologie bis zur Allergologie etc. Die dermatologische Abteilung am AKH Wien ist möglicherweise die letzte, die noch alles anbieten können wird. Patienten mit HIV-Infektion werden historisch in Österreich und Deutschland – und das ist ein gewisses Spezifikum – von Dermatologen betreut, in anderen Ländern sind es oft Infektiologen.<br />Eine weitere Herausforderung wird der Ausbau der modernen konservativen Dermatologie sein, wobei es in erster Linie um die Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen wie etwa Psoriasis, Hidratenitis suppurativa und atopischer Dermatitis geht. Weiters wurde in den letzten Jahren die Therapie des Melanoms revolutioniert; in der Tat erzielt man hier mit „targeted therapies“ und Immuntherapien spektakuläre Erfolge. Um international mithalten zu können, müssen wir diese Bereiche weiter durch die Schaffung von Kompetenzzentren verstärken. Aber auch im Bereich der operativen Dermatologie möchten wir zur Spitze in Europa zählen.<br />Ein dritter Aspekt ist die wissenschaftliche Seite: Die Wiener Dermatologische Schule war traditionell eine der führenden Kliniken weltweit. Ganz zurückgehend an die Anfänge, denken Sie an Namen wie Ferdinand von Hebra, Moritz Kaposi bis in die 1990er-Jahre mit Prof. Klaus Wolff und zuletzt Prof. Georg Stingl. Darauf aufbauend möchte ich die Wiener Dermatologie wissenschaftlich noch prominenter machen, als sie es jetzt schon ist.</p> <p><strong>Welchen Stellenwert hat für Sie die klinische Patientenversorgung an einer Universitätsklinik?<br />W. P. Weninger:</strong> Wir haben einen klaren Versorgungsauftrag und die klinische Exzellenz hat für mich einen großen Stellenwert. Der klinische Bereich muss straffer geführt werden, gewisse Redundanzen sind zu vermeiden bzw. zu beheben und auch Kommunikationsschwächen müssen beseitigt werden. Jeder Bereich wird seinen Abteilungsleiter als Ansprechpartner haben. Nach kleineren Justierungen plane ich, dass das neue Organisationssystem im Februar/ März 2019 implementiert wird.</p> <p><strong>Wie wollen Sie die Zusammenarbeit mit dem Allgemeinmediziner und den niedergelassenen Dermatologen verbessern?<br />W. P. Weninger:</strong> Es ist für mich ganz wichtig, die Allgemeinmediziner zu erreichen. Wir sehen uns dazu verpflichtet – auch weil die Dermatologie im neuen Curriculum der Ausbildung zum Allgemeinmediziner nur mehr als Wahlpflichtfach gelehrt wird –, dem Allgemeinmediziner bestimmte dermatologische Inhalte und Botschaften zu vermitteln.<br />Wir wollen aber auch die Kommunikation zwischen den niedergelassenen Dermatologen und dem Spitalsbereich verbessern. Gemeinsam mit der ÖGDV sind verschiedene Modelle angedacht; so sollen die Niedergelassenen komplizierte Fälle rasch in die Ambulanz schicken können, zum Beispiel im Rahmen einer eigenen Chefambulanz, oder in eine der vielen Spezialambulanzen.<br />Eine weitere Idee wäre, dass man niedergelassene Kollegen zum Hospitieren in die Spezialambulanzen einlädt, zum Beispiel in unsere neue Bio-Immun- Ambulanz, in der man Interessierte praktisch schult, worauf es bei der Einstellung des Patienten auf ein Biologikum ankommt, welche Basiskontrollen nötig sind und worauf aufzupassen ist. Somit verbessern wir einerseits die Kommunikation, andererseits gibt es viel aus dem vorhandenen Erfahrungsschatz zu lernen und letztlich profitieren beide Seiten voneinander.</p> <p><strong>Wie stehen Sie zur Telemedizin in der Dermatologie?<br />W. P. Weninger:</strong> Telemedizin ist technologisch einfach und macht Sinn. Die Dermatologie ist auch ein Fach, das sich für die Telemedizin hervorragend anbietet. Man macht ein Foto und schickt es an Kollegen weiter, allerdings ist der Datenschutz ein ungelöstes Problem dabei. Aufgrund der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist es nicht mehr so einfach möglich, Patientenbilder zu verschicken. Die Telemedizin wird aufgrund der neuen Bestimmungen erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Was wir bräuchten, ist eine juristische Klarstellung. Die Patienten sind auf jeden Fall zu schützen.</p> <p><strong>Wie wichtig ist die pädiatrische Dermatologie für Sie? Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit Kinderärzten?<br />W. P. Weninger:</strong> Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, und die Kinderdermatologie sollte in Österreich einen größeren Stellenwert besitzen. Im Gegensatz zum Ausland, wo es Lehrstühle für Kinderdermatologie gibt, wurde die pädiatrische Dermatologie auf dieser Klinik nie in extenso betrieben. Im Zuge der Reorganisation wird es eine eigene pädiatrische Ambulanz geben, und wir sind natürlich an einer Zusammenarbeit mit Pädiatern sehr interessiert. Wir planen im Rahmen des neu eingerichteten Comprehensive Center for Pediatrics an der MUW interdisziplinär mit Kinderärzten komplizierte Fälle zu besprechen.</p> <p><strong>Wie ist Ihre Haltung zur ästhetischen Dermatologie?<br />W.P. Weninger:</strong> Wir werden künftig auch eine ästhetische Ambulanz anbieten und natürlich wollen wir Studien zu ästhetischen Fragestellungen durchführen. Ästhetische Dermatologie ist jetzt auch Teil der Facharztausbildung und sollte dementsprechend auch gelehrt werden.</p> <p><strong>Welche sind Ihre kurz-, mittel- und langfristigen Pläne?</strong><br /><strong>W. P. Weninger:</strong> Wir wollen eine moderne, inklusive Klinik sein, in der das gesamte Spektrum der Dermatologie in Kooperation mit anderen Fächern und den niedergelassenen Kollegen diagnostiziert, behandelt und auch akademisch abgedeckt wird. Und ich lege an meiner Klinik Wert auf eine fundierte Ausbildung der Assistenten und Studenten. Ich habe keine Berührungsängste mit anderen Fächern. Ich möchte niemanden ausschließen, wir wollen hochqualitativ und inklusiv arbeiten. Natürlich wollen wir auch wissenschaftlich zur Weltspitze gehören, sowohl im Grundlagenbereich als auch in der translationalen und klinischen Wissenschaft.</p> <p><em><strong> Vielen Dank für das Interview!</strong></em></p></p>
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