Kontaktdermatitis im Fokus
Bericht:
Dr.med. Lydia Unger-Hunt
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Mittlerweile ist mehr zum pathophysiologischen Teufelskreis der Kontaktdermatitis bekannt, der individuell ausgeprägt sein kann. Neue Daten gibt es zudem zu Wirkstoffen für die Behandlung des chronischen Handekzems. Und: Mehr Aufmerksamkeit wird gefordert für medizinische Ausrüstungsgegenstände als Allergieauslöser, wie Glukosesensoren und Stomasysteme, aber auch Wundverbände oder Klebstoffe.
Die Pathophysiologie der Kontaktdermatitis entspricht einem Teufelskreis, so Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Rustemeyer von den Amsterdam University Medical Centers. Erstens produzieren Keratinozyten bei Kontaktdermatitis kein oder nur vermindert Filaggrin, das bekanntermassen für die Hautbarriere gegen Reizstoffe, Allergene und pathogene Keime essenziell ist. Zweitens hat Filaggrin aber noch eine Reihe anderer Funktionen, etwa für die Homöostase der Haut, deren Reifung und Integrität sowie als Schutz vor Infektionen, UV-Schädigung und Sensibilisierung.1
Hautbarriere-Dysfunktion fördert Entzündung – und umgekehrt
Aufgrund der geschädigten Hautbarriere ist bei Kontaktdermatitis eine mindestens doppelt so hohe Aufnahme von Chemikalien und Kontaktallergenen zu beobachten, zudem könnte damit auch eine erhöhte transkutane Allergenpenetranz verbunden sein, was in weiterer Folge ebenfalls das Risiko für eine Sensibilisierung erhöht.2 Auch die Anwesenheit und die Aktivierung der antigenpräsentierenden Zellen spielen eine Rolle: Sie sezernieren nach Aufnahme von Allergenen Chemokine, die inflammatorische Zellen anziehen (TH2, ILC2). Auch Keratinozyten aktivieren TH2, die schlussendlich über verschiedene Zytokine B-Zellen zu Plasmazellen und damit zur IgE-Produktion anregen. Als letztes Stück des Teufelskreises vermitteln nun TH2 und ILC2 im Stratum corneum unter Einfluss dieser Zytokine auch die Aufspaltung und den nachfolgenden Verlust von Filaggrinfilamenten – was wiederum die Entzündungsreaktion fördert.
Mehr Erkenntnisse gibt es auch zur individuellen Ausprägung von Kontaktekzemen. Ein Beispiel dafür zeigten die Ergebnisse einer Untersuchung mittels Tape-Stripping, wonach bei Patient:innen mit Handekzem und atopischer Dermatitis (AD) bestimmte Gene anders exprimiert werden als bei Handdermatitis ohne AD:3 Bei atopischen Personen befindet sich die «Background-Entzündung» bereits in der nichtekzematösen Haut auf höherem Niveau, die Haut reagiert etwa stärker auf CXCL8 – eines der Zytokine, das die oben beschriebene inflammatorische Kaskade antreibt. Es gibt also «komplexe Interaktionen der verschiedenen immunologischen Pfade und inflammatorische Kaskaden, aber auch ein individuelles Reaktionsmuster», fasst Prof. Rustemeyer zusammen.
Chronisches Handekzem: Dupilumab, Upadacitinib und neu Delgocitinib
Noch nicht individuell, aber zumindest zunehmend auf den Phänotyp ausgerichtet ist die Behandlung des Handekzems (HE) bereits, berichtet Dr. med. Marie-Louise Schuttelaar vom University Medical Center in Groningen, Niederlande. Das HE ist schon «allein aufgrund der Lebenszeitprävalenz von knapp 15%» ein wichtiges Thema; zudem entwickeln 80% der HE-Patienten ein chronisches HE (CHE).4,5 Eine Chronizität ist dabei definiert als eine Dauer von mehr als drei Monaten beziehungsweise zwei oder mehr Rezidive pro Jahr, mit Juckreiz als Hauptsymptom; die mediane Dauer des CHE beträgt knapp 12 bis 16 Jahre.4,5
Laut Europäischer Leitlinie gibt es vier klinische Phänotypen:6 akut-rezidivierend, nummulär, Pulpitis und hyperkeratotisch. Ein wesentlicher Risikofaktor ist das Vorliegen einer AD, womit ein HE drei- bis viermal häufiger ist; umgekehrt hat ein Drittel der HE-Patient:innen eine AD.7 Auslösende Allergene sind Metalle (Nickel, Kobalt, Chrom), aber auch Düfte, Konservierungsmittel und Gummi.8
Laut Leitlinien sollte die Prävention an erster Stelle stehen, «aber das kann natürlich schwierig sein, vor allem bei beruflich bedingter Kontaktdermatitis», gibt Prof. Schuttelaar zu bedenken. Zur Behandlung kommen unter anderem potente topische Steroide oder, bei deren Versagen, Alitretinoin zum Einsatz: Das Vitamin-D-Derivat bewirkte in randomisiert-kontrollierten Trials bei rund der Hälfte der Patienten eine vollständige oder fast vollständige Klärung, vs. 15% unter Placebo.9 Am besten wirkt es bei hyperkeratotischem HE und Pulpitis, weniger gut bei vesikulärem HE, ergänzt die Dermatologin.
Unter dem IL4-/13-Hemmer Dupilumab wiederum erreichten in einer Phase-III-Studie 52% der Patient:innen mit atopischer Hand- und Fuss-Dermatitis nach 16 Wochen eine Reduktion des stärksten Juckreizes (PP-NRS) ≥4 Punkte (vs. 13% unter Placebo); eine fast vollständige oder vollständige Klärung laut Untersucher (IGA 0/1) erreichten jeweils 40% (vs. 16%).10 Aufgrund dieser «sehr guten Effektivität» erweiterte die FDA die Zulassung von Dupilumab für Hand-und-Fuss-Dermatitis. Weitere Ergebnisse: 70% der Patient:innen mit schwerem CHE und unzureichendem Ansprechen auf Alitretinoin erzielten unter Dupilumab einen PGA 0/1 (vs. 33% unter Placebo), und fast alle erreichten einen HECSI («hand eczema severity index») 75 oder 90.11 Zudem war Dupilumab bei einer Fallserie von drei Patienten mit hyperkeratotischem HE effektiv: Nach 16 Wochen lag bei zwei Patienten ein völlige Klärung vor.12 Beim dritten Patienten, einem Maurer, «war möglicherweise die nach wie vor hohe beruflich bedingte Exposition an Irritantien an der nicht ganz vollständigen Klärung schuld».12
Der JAK-Inhibitor Upadacitinib führte in einer Post-hoc-Analyse bei rund 75% der Patient:innen mit mittelschwerem atopischem HE und moderater bis schwerer AD zu einem HECSI 75 (vs. 15% unter Placebo).13 Und «gute Ergebnisse» bezüglich IGA und HECSI waren auch in einer Real-World-Untersuchung zum JAK-Inhibitor Abrocitinib 100mg nach Versagen von systemischen Therapien zu beobachten.14
Ein weiterer neuer Wirkstoff als Creme ist der Pan-JAK-Inhibitor Delgocitinib, der in Japan für die Behandlung der atopischen Dermatitis zugelassen ist, berichtet Prof. Schuttelaar: Delgocitinib wird in der EU derzeit zum CHE untersucht, der Wirkstoff zeigte in zwei Phase-III-Studien bei Erwachsenen mit mittelschwerem bis schwerem CHE und verschiedenen Subtypen (allergisch, atopisch, hyperkeratotisch) eine gute Verbesserung im IGA 0/1, «trotz sehr strikter Kriterien».15
Medizinische Instrumente als Allergene
Themenwechsel: Die Menge möglicher Allergene bei medizinischen Instrumenten ist «enorm» und umfasst Geräte wie Glukosesensoren, Insulinpumpen, aber auch Wundverbände oder Klebstoffe, erklärt em. Prof. Dr. med. Ann Goossens von der Katholischen Universität Löwen in Belgien. Bei Glukosesensoren und Insulinpumpen ist etwa Isobornylacrylat (IBOA) zu nennen, das bereits «echte Epidemien ausgelöst hat».16,17 Weitere Allergene dieser Geräte sind etwa Kolophonium (Geigenharz), Epoxidharz, Nickel oder auch Duftstoffe.18,19
Bei Heftpflastern sind natürliche (Harz, Terpene, Limonene) sowie synthetische klebrig machende Komponenten zu berücksichtigen (Methacrylate, modifiziertes Kolophonium, Gummichemikalien, Epoxidharz), aber auch Zusatzstoffe wie Lanolin, Benzoylperoxid, Sulfite oder Salizylate.20 Prof. Goossens berichtet über eine Epidemie in der schwedischen Armee, als Militärangehörige eine schwere Kontaktallergie gegen einen Verband entwickelten, der eigentlich zur Prävention des Wundscheuerns gedacht war.
D-Limonen wurde ebenfalls als Allergieauslöser in mehreren Heftpflastern identifiziert, «übrigens auch in solchen, die sich als ‹hypoallergen› bezeichnen, da sie kein Kolophonium enthalten – aber eben sehr wohl D-Limonen».21 Und noch ein Caveat bei der Testung: «Viele Patienten, die gegen modifiziertes Kolophonium allergisch sind, zeigen in der Baseline Untersuchung keine Reaktion auf Kolophonium», warnt die Expertin.
Wundverbände, Wundsalben und Stomaversorgung
Wundverbände enthalten ähnliche natürliche und synthetische Allergene, aber auch antimikrobielle Stoffe wie Jod oder Silber-Sulfadiazin.22 Etwas überraschend ist vielleicht die Information, dass auch Wundsalben (wie etwa ein Gel auf Basis von Sodiumalginat und mit antimikrobiellen Enzymen) gelegentlich als medizinische Geräte und nicht als topische Wirkstoffe vermarktet werden «und daher keine Kennzeichnung enthalten» müssen.23
Bei der Stomaversorgung kann eigentlich so gut wie jede Komponente Kontaktallergien auslösen, einschliesslich der Feuchttücher zur Reinigung, der Klebstoffe oder Antimykotika.24 Auch Reizstoffe sind zu beachten, etwa Sprays, die einen Barrierefilm aufbauen und Lösungsmittel wie Isooctan (INCI) enthalten können.25
Zum Management von Kontaktallergien wird auch hier häufig ein Vermeiden der Allergene empfohlen. Dies kann allerdings allein schon angesichts der häufig fehlenden Kennzeichnung der Inhaltsstoffe dieser Geräte «nur als unangemessener Vorschlag» angesehen werden. Keinesfalls einfacher wird die Situation dadurch, dass die Inhaltsstoffe ohne Vorwarnung geändert werden können und dass die im Handel verfügbaren Testmaterialien nicht regelmässig auf den neuesten Stand gebracht werden, schliesst Prof. Goossens.
Quelle:
Session „Contact eczma“ am 26. September 2024, EADV 2024, Amsterdam
Literatur:
1 Beck LA et al.: Type 2 inflammation contributes to skin barrier dysfunction in atopic dermatitis. JID Innov 2022; 2(5): 100131 2 Kabashima K: New concept of the pathogenesis of atopic dermatitis: interplay among the barrier, allergy, and pruritus as a trinity. J Dermatol Sci 2013; 70(1): 3-11 3 Sølberg JBK et al.: The transcriptome of hand eczema assessed by tape stripping. Contact Dermatitis 2022; 86(2): 71-9 4 Thyssen JP et al.: Guidelines for diagnosis, prevention, and treatment of hand eczema. Contact Dermatitis 2022; 86(5): 357-8 5 Quaade AS et al.: Chronic hand eczema: A prevalent disease in the general population associated with reduced quality of life and poor overall health measures. Contact Dermatitis 2023; 89(6): 453-63 6 Bauer A et al.: S2k-Leitlinie Diagnostik, Prävention und Therapie des Handekzems. AWMF 2023 (AWMF-Register-Nr.: 013-053, 2023); verfügbar unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-053l_S2k_Diagnostik-Praevention-Therapie-Handekzem_2023-05.pdf 7 Weidinger S, Novak N: Atopic dermatitis. Lancet 2016; 387(10023): 1109-22 8 Oosterhaven et al.: European Surveillance System on Contact Allergies (ESSCA): Contact allergies in relation to body sites in patients with allergic contact dermatitis. Contact Dermatitis 2019; 80(5): 263-72 9 Ruzicka T et al.: Efficacy and safety of oral alitretinoin (9-cis retinoic acid) in patients with severe chronic hand eczema refractory to topical corticosteroids: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial. Br J Dermatol 2008; 158(4): 808-17 10 Simpson EL et al.: Dupilumab treatment improves signs, symptoms, quality of life, and work productivity in patients with atopic hand and foot dermatitis: Results from a phase 3, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Am Acad Dermatol 2024; 90: 1190-9 11 Voorberg AN et al.: Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe chronic hand eczema with inadequate response or intolerance to alitretinoin: a randomized, double-blind, placebo-controlled phase IIb proof-of-concept study. Br J Dermatol 2023; 189(4): 400-9 12 Loman et al.: Three cases of non-atopic hyperkeratotic hand eczema treated with dupilumab. Contact Dermatitis 2021; 84(2): 124-7 13 Simpson EL et al.: Effect of upadacitinib on atopic hand eczema in patients with moderate-to-severe atopic dermatitis: Results from two randomized phase 3 trials. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023; 37(9): 1863-70 14 Li Y et al.: Real-world experience of abrocitinib on difficult-to-treat hand eczema in chinese patients. Acta Derma Venereol 2024; 104: adv39822 15 Bissonnette R et al.: Efficacy and safety of delgocitinib cream in adults with moderate to severe chronic hand eczema (DELTA 1 and DELTA 2): results from multicentre, randomised, controlled, double-blind, phase 3 trials. Lancet 2024; 404: 461-73 16 Dendooven E et al.: „Re-testing“ suggests that cosensitizations to isobornyl acrylate and sesquiterpene lactones may be due to cross-reactivity. Contact Dermatitis 2022; 86(1): 57-9 17 Enberg J et al.: Allergic contact dermatitis caused by a new insulin pump system containing isobornyl acrylate. Contact Dermatitis 2023; 88: 236-8 18 Sumera et al.: Poster ESCD Kongress, 4.–7.9.2024, Dresden 19 Dendooven E et al.: Isocyanates may contribute to allergic contact dermatitis from diabetes devices and wound dressings. Contact Dermatitis 2022; 87(5): 414-9 20 Dendooven E et al.: Doctoral thesis. Universität Antwerpen 2021 21 Dendooven E et al.: Allergic contact dermatitis from („hypoallergenic“) adhesives containing D-limonene. Contact Dermatitis 2022; 86(2): 113-9 22 Corazza M et al.: Contact dermatitis caused by dialkylcarbamoyl compounds in a medication used for chronic wounds. Contact Dermatitis 2018; 79(3): 182-3 23 Dendooven E et al.: Allergic contact dermatitis from potassium sorbate and sorbic acid in topical pharmaceuticals and medical devices. Contact Dermatitis 2021; 85(2): 171-7 24 Landis MN et al.: Results of patch testing in 10 patients with peristomal dermatitis. J Am Acad Dermatol 2012; 67(3): e91-104
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