<p class="article-intro">Krebsstammzellen stellen einen aktuellen Fokus der onkologischen Forschung dar. Ebenso sind die Charakterisierung dieser Zellpopulation sowie die Testung spezifischer zytotoxischer Substanzen ein Forschungsschwerpunkt der Abteilungen Innere Medizin I und Pathologie am Universitätsklinikum Salzburg sowie des Labors für Tumorbiologie und Experimentelle Therapien (Institut für Physiologie und Pathophysiologie/Paracelsus Medizinische Privatuniversität). In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren in gemeinschaftlichen Arbeiten mehrere internationale Publikationen veröffentlicht.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Krebsstammzellen werden definiert durch die Fähigkeit der Selbsterneuerung wie auch der (Re-)Generation des gesamten heterogenen Tumors (Differenzierungspotenzial).</li> <li>Beim Melanom wurden in experimentellen Studien solche Subpopulationen anhand spezifischer Marker (v.a. ABCB5, CD20, CD271) identifiziert.</li> <li>Spezifische Krebsstammzellbasierte Therapien stellen einen vielversprechenden Ansatz dar, die Therapieoptionen beim Melanom erfolgreich zu erweitern.</li> </ul> </div> <h2>Krebsstammzellen – Definition und Modelle</h2> <p>So beachtlich die wissenschaftlichen Fortschritte der letzten Jahre und Jahrzehnte in der Behandlung von Krebserkrankungen sind, so evident sind die nach wie vor bestehenden Probleme in der klinischen Tumortherapie. Exemplarisch genannt seien die Resistenz der Tumoren gegenüber konventionellen Therapien, die Bildung von Metastasen sowie das Wiederauftreten der Krankheit nach vermeintlicher Heilung. Ergebnisse der Grundlagenforschung und klinischer Studien der letzten Jahre legen eine wesentliche Rolle von sogenannten Krebsstammzellen für die genannten Phänomene nahe. Die American Association for Cancer Research (AACR) definiert eine Krebsstammzelle als eine Tumorzelle, die in der Lage ist, sich selbst zu erneuern und darüber hinaus die Eigenschaft besitzt, alle Zellen innerhalb eines heterogenen Tumors zu (re-)generieren/zu bilden (siehe Abbildung 1). Mit anderen Worten: Ein Tumor wird als ein heterogenes Zellkonglomerat betrachtet, innerhalb dessen es eine Subpopulation von hochgradig tumorigenen Krebszellen gibt, die vergleichbare Eigenschaften von gesunden, physiologischen Stammzellen, einschließlich hohen Differenzierungspotenzials, aufweisen. Die Idee von Krebsstammzellen ist nicht neu: Vor gut 20 Jahren wurde erstmalig eine Zellpopulation detailliert charakterisiert, die genau der heutigen Krebsstammzelldefinition entspricht. Seither wurden solche Zellpopulationen in verschiedenen Tumorentitäten gefunden. Die Identifizierung möglicher Krebsstammzellen innerhalb eines Tumors – anhand derer sich diese eventuell auch aus der Tumormasse isolieren lassen – basiert meist auf der Expression spezifischer Oberflächenmarker dieser Zellen sowie der Aktivität verschiedener bekannter Stammzellsignalwege. Die Verifizierung der aus dem Patienten gewonnenen Zellen erfolgt dann in seriellen Transplantationsversuchen im Mausmodell. Sind die isolierten Zellen in der Lage, in niedriger Zellzahl Tumoren über mehrere Transplantationsexperimente (Maus-Generationen) zu bilden, so werden die Zellen als tumorigen betrachtet. Um der oben beschriebenen AACR-Definition einer Krebsstammzelle gerecht zu werden, wird weiters die Zusammensetzung der gebildeten Tumoren untersucht. Mögliche Krebsstammzellen müssen in der Lage sein, sich selbst zu erneuern, also Zellen mit identem Markerprofil zu generieren, und zusätzlich die Eigenschaft besitzen, die gesamte restliche Tumormasse bilden zu können, d.h. auch Zellen zu generieren, die dieses Markerprofil nicht aufweisen (Generierung eines heterogenen Tumors, der in seiner Zusammensetzung dem ursprünglichen, dem Patienten entnommenen Tumor entspricht).<br /> Die Entstehung und Herkunft von Krebsstammzellen sind nicht gänzlich geklärt; momentan werden mehrere Modelle diskutiert. Eine offensichtliche Möglichkeit wäre, dass Krebsstammzellen das Ergebnis maligner Transformation von gesunden (adulten Gewebs-)Stammzellen sind. Dieses Modell impliziert, dass nur eine bestimmte Zellgruppe (eben die gesunden Stammzellen) Ursprung von Krebsstammzellen sein kann. Das „stochastische Modell“ beschreibt hingegen, dass potenziell jede Tumorzelle zu einer Krebsstammzelle werden kann und dies nur von zufälligen intrinsischen (z.B. Mutationen) und extrinsischen (z.B. zelluläre Umgebung, externe Signale) Faktoren abhängig ist. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass sich bereits differenzierte Tumorzellen „zurückentwickeln“ und durch diese Dedifferenzierung Charakteristika bzw. das Potenzial von Krebsstammzellen erlangen. Zwei wichtige Punkte sollen in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: zum einen, dass die Herkunft und Entstehung von Krebsstammzellen von der Tumorentität abhängig sind und zum anderen, dass es innerhalb eines Tumors wahrscheinlich nicht nur eine, sondern möglicherweise mehrere Krebsstammzellpopulationen gibt.<br /> Durch ihre besonderen Eigenschaften haben Krebsstammzellen eine hohe klinische Relevanz. Analog zu gesunden Stammzellen befinden sich Krebsstammzellen meist in einem inaktiven, sich nicht teilenden Zustand. Folglich zeigen viele verwendete Chemotherapeutika, die auf sich häufig und schnell teilende Zellen abzielen, keine Wirkung. Zusätzlich exprimieren Krebsstammzellen eine Vielzahl von sogenannten Effluxpumpen, also von Proteinen, die Substanzen (einschließlich Chemotherapeutika) aktiv aus der Zelle transportieren und somit eine für die Wirksamkeit der Substanzen essenzielle Akkumulation verhindern. Die Bedeutung dieser beiden Eigenschaften für die Tumortherapie ist enorm, erklären sie doch – zumindest zum Teil – einerseits die Ineffektivität vieler Antitumormittel hinsichtlich einer vollständigen Eliminierung des Tumors und andererseits einen Mechanismus der Rezidivbildung. Während viele chemotherapeutischen Mittel sich häufig teilende Zellen abtöten und somit die Tumormasse reduzieren, sind Krebsstammzellen von dieser Therapie nicht betroffen und überleben, nur um nach einer gewissen Zeit wieder aktiv zu werden und ein Wiederauftreten der Krankheit zur Folge zu haben. Darüber hinaus sind Krebsstammzellen an der Bildung von Metastasen, an der Bildung von Blutgefäßen (Angiogenese, de novo „vasculogenic mimicry“), an der tumorfördernden Modulation des Immunsystems sowie an der Bildung und Erhaltung einer malignen Tumorumgebung beteiligt. Hinsichtlich der Situation beim Melanom geht man aktuell davon aus, dass insbesondere die adulten Stammzellen der Haarfollikel (Melanozyten-Stammzellen) oder verschiedene Dedifferenzierungsprozesse mögliche Ursprünge von stammzellartigen Subpopulationen von Tumorzellen darstellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="899" /></p> <h2>Krebsstammzellen – Relevanz beim Melanom</h2> <p>Die Existenz von Krebsstammzellen im Melanom wurde erstmals in einer Studie aus dem Jahr 2008 nahegelegt, in der aus Tumorproben von Patienten eine Population von hochtumorigenen Zellen nachgewiesen und isoliert wurde. Ein Alleinstellungsmerkmal dieser Zellen war die hohe Expression der Effluxpumpe ABCB5 (ABCB5<sup>+</sup>-Zellen). Aus Patienten isolierte ABCB5<sup>+</sup>-Zellen waren in der Lage, in seriellen Transplantationsexperimenten Tumoren im Mausmodell zu bilden. Darüber hinaus zeigte eine genaue Charakterisierung der durch ABCB5<sup>+</sup>-Zellen gebildeten Tumoren, dass diese Tumoren sowohl ABCB5<sup>+</sup>- als auch ABCB5<sup>–</sup>-Zellen enthalten, somit also die komplette Heterogenität des ursprünglichen Melanoms des Patienten in den Mäusen wiederherstellen konnten. Im Gegensatz dazu waren ABCB5<sup>–</sup>-Zellen hierzu nicht in der Lage – diese Zellen konnten ausschließlich ABCB5<sup>–</sup>-Tumorzellen generieren. Entsprechend der Definition der AACR handelt es sich bei den ABCB5<sup>+</sup>-Zellen demnach um Krebsstammzellen. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass mit fortschreitender Melanomerkrankung eine Zunahme des Anteils der ABCB5<sup>+</sup>-Zellen beobachtet werden konnte. In einer Studie wurde gezeigt, dass ABCB5<sup>+</sup>-Zellen das Immunsystem zu ihren Gunsten modulieren können, um so der allgemein hohen Immunogenität des Melanoms zu entgehen. Konkret konnte gezeigt werden, dass ABCB5<sup>+</sup>-Zellen gar nicht oder nur in geringem Ausmaß den Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC I) an ihrer Oberfläche exprimieren. Folglich finden die Präsentation intrazellulärer Antigene (normalerweise auf allen kernhaltigen Zellen) für Zellen des adaptiven Immunsystems (CD8<sup>+</sup>-T-Zellen) und eine anschließende Abtötung von transformierten Zellen mit „verdächtigem“ Antigenprofil nicht mehr statt. Die beobachtete Reduktion bzw. das komplette Fehlen von MHC-I-Komplexen auf der Oberfläche von ABCB5<sup>+</sup>-Melanomzellen kann damit als spezifischer „Immune escape“-Mechanismus dieser Tumorzellsubpopulation interpretiert werden. Weitere Studien haben den aktiven Einfluss der ABCB5<sup>+</sup>-Krebsstammzellen auf das Immunsystem beschrieben: Zum einen wurde beobachtet, dass ABCB5<sup>+</sup>-Zellen Faktoren exprimieren, die die Aktivität der lokalen T-Zellen reduzieren, und zum anderen, dass ABCB5<sup>+</sup>-Zellen die Interleukin-2-Produktion inhibieren können. Interleukin 2 ist ein immunmodulierendes Zytokin, welches für die Aktivierung von T-Zellen benötigt wird. Neben ABCB5 werden aktuell weitere mögliche Krebsstammzellmarker im Melanom (deren Tumor-initiierendes Potenzial bereits im Mausmodell gezeigt wurde) diskutiert: CD20, CD133 und CD271 (siehe auch Abbildung 1).<br /> Ein interessanter Zusammenhang besteht zwischen Krebsstammzellen und der Bildung von Metastasen, einem Hauptproblem des Melanoms im klinischen Management. Im Blutkreislauf zirkulierende Melanomzellen stellen eine Quelle für die Entstehung sekundärer Tumoren dar. Deren genaue Charakterisierung hat ergeben, dass diese Zellen positiv für die Marker ABCB5 und CD271 waren. Weiters wurde gezeigt, dass aus Patienten isolierte CD271<sup>+</sup>-Zellen, im Gegensatz zu CD271<sup>–</sup>-Zellen, im Mausmodell Metastasen in Leber und Lunge bilden konnten, womit die Krebsstammzelleigenschaften auch für das Phänomen der Metastasierung relevant sind.</p> <h2>Krebsstammzellen als „therapeutic target“ im Melanom</h2> <p>Aufgrund ihrer zentralen Rolle bei Tumorerkrankungen und beim Melanom stellen Krebsstammzellen ein attraktives Therapieziel dar. Das gezielte Abtöten der Krebsstammzellen in Kombination mit konventionellen Therapieansätzen zur Beseitigung der Tumormasse könnte ein vielversprechender Ansatz der Krebsbehandlung sein. Grundsätzliche Strategien für eine Antikrebsstammzelltherapie wären i) die Blockade von Signalkaskaden und Faktoren, die für die Selbsterneuerung und die Aufrechterhaltung des Stammzellstatus verantwortlich sind, ii) Krebsstammzellen differenzieren zu lassen („Differenzierungstherapie“), iii) die Umkehr der therapeutischen Resistenz, zum Beispiel durch Blockade der Effluxpumpen, oder iv) das gezielte Induzieren einer Immunantwort.<br /> Aufgrund der beschriebenen Mechanismen von Melanomkrebsstammzellen, der Immunantwort zu entgehen, erscheint das Induzieren einer Immunantwort als ein sehr interessanter und zielführender therapeutischer Ansatz. In einer Studie wurden beispielsweise TZellen entwickelt, die den Melanomkrebsstammzellmarker CD20 erkennen und CD20<sup>+</sup>-Zellen abtöten können. Im Mausmodell konnte so nach Transplantation humaner Melanomzellen der entstandene Tumor eliminiert werden. Die Gabe von Rituximab (einem Anti-CD20- Antikörper) führte bei Patienten mit fortgeschrittenem, metastasierendem Melanom zu vielversprechenden Ergebnissen. Ein weiterer immunmodulierender Ansatz wäre eine Interleukin-2-Therapie, mit dem Ziel, die durch Melanomkrebsstammzellen verursachte Inhibierung der Interleukin-2-Produktion aufzuheben und damit das Immunsystem „aufzuwecken“.<br /> Der Melanomkrebsstammzellmarker ABCB5 ist ebenfalls ein attraktives Ziel für eine therapeutische Intervention, da ABCB5-Expression nachgewiesenermaßen Resistenz gegenüber Dacarbazin und Doxorubicin verleiht. Die systemische Behandlung mit einem Anti-ABCB5-Antikörper im Mausmodell führte zum Absterben der ABCB5<sup>+</sup>-Zellen sowie zu einer Inhibierung des Tumorwachstums. Des Weiteren führte eine erzwungene Differenzierung von ABCB5<sup>+</sup>-Zellen zu einer Reduktion der ABCB5-Expression.<br /> Allen Überlegungen zu gezielten Krebsstammzelltherapien muss der Gedanke vorausgehen, dass viele Signalwege und Mechanismen, derer sich Krebsstammzellen bedienen, auch essenziell für das Funktionieren gesunder Stammzellen sein können. Daher müssen Pilotstudien in diesem Zusammenhang insbesondere auf damit verbundene (schwerwiegende) Nebeneffekte achten und gegebenenfalls die Dosisfindung und das „scheduling“ der Krebsstammzell-gerichteten Therapien hinsichtlich eines „therapeutischen Fensters“ optimieren.</p> <h2>Limitierungen und Ausblick</h2> <p>So vielversprechend das Krebsstammzellmodell ist, müssen auch Limitierungen des Konzepts und der experimentellen und klinischen Studien diskutiert werden. Die Prozedur der Gewinnung möglicher Krebsstammzellen aus Patientenmaterial kann dazu führen, dass Oberflächenmoleküle (wie CD133 oder CD271) abgebaut werden und somit bei der Isolierung und Sortierung verloren gehen, was zu einer zahlenmäßigen Unterschätzung der Krebsstammzellpopulation führen kann. Des Weiteren ist die Verwendung immunsupprimierter Mausmodelle ohne Frage eine sehr nützliche Standardmethode – diese Modelle weisen aber neben der offensichtlichen Spezies-Barriere weitere Limitierungen auf. Für das Melanom ergeben sich in diesem Zusammenhang zwei konkrete Probleme. Das Immunsystem bzw. die Modulation des Immunsystems durch Melanomkrebsstammzellen spielt eine entscheidende Rolle. Die Interaktion zwischen humanen Melanomkrebsstammzellen und dem humanen Immunsystem kann im Mausmodell nicht abgebildet werden. In einer Studie mit von Patienten stammenden Melanomzellen konnte gezeigt werden, dass die Tumorigenität der Zellen stark vom Grad der Immunsupprimierung der Mäuse abhängt. Wie zu erwarten konnten CD271<sup>+</sup>-Zellen in allen hier verwendeten Modellen Tumoren bilden. Allerdings waren im Mausmodell mit der stärksten Immunsupprimierung auch CD271<sup>–</sup>-Zellen in der Lage, Tumoren zu generieren. Diese Ergebnisse zeigen nicht nur die Notwendigkeit eines Mausmodells mit „humanisiertem“ Immunsystem, sondern das Risiko bei derzeit verwendeten Mausstämmen, die Tumorigenität der injizierten Zellen zu überschätzen. Das zweite Problem betrifft den Ort der Injektion: Tumorstammzellen (wie auch Zellen der Tumormasse) benötigen eine geeignete Umgebung, das „tumor microenvironment“. Um Eigenschaften von Tumor- und Tumorstammzellen unter möglichst physiologischen Bedingungen untersuchen zu können, ist es daher erforderlich, die Tumorzellen orthotopisch zu transplantieren. Melanomzellen werden im Mausmodell meist subkutan gespritzt, das hier befindliche Fettgewebe stellt jedoch nicht die natürliche Umgebung dar und verfälscht die Untersuchung der Eigenschaften dieser Zellen inklusive deren Krebsstammzellcharakteristika.<br /> Bei allen derzeit noch zu beachtenden Limitierungen stellt die Erforschung Tumorstammzell- basierter Therapieoptionen beim Melanom einen vielversprechenden Ansatz dar, um die Therapiemöglichkeiten und damit letztendlich die Prognose der Patienten essenziell zu verbessern.</p></p>
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<p>• Lee N et al: Lab Invest 2014; 94(1): 13-30. PMID: 24126889 • Murphy GF et al: Mol Aspects Med 2014; 39: 33-49. PMID: 24145241 • Roesch A: J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13(2): 118-24. PMID: 25631128</p>
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