<p class="article-intro">Im Jahr 1995 beschrieben Orentreich und Orentreich1 erstmals Microneedling (MN) als medizinische Behandlung. Damals sprachen die Autoren von einer Subzisionstechnik, welche durch horizontale Schnitte Narben löst.</p>
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<p class="article-content"><p>Initial wurde für MN beschrieben, dass es die Qualität der Haut und Narben durch eine Stimulierung der Kollagensynthese bzw. Reorganisation der Kollagene (zu Beginn mehr Typ-III-Kollagen, welches dann später durch Typ I ersetzt wird) verbessert und auch eine Neovaskularisation induziert.<sup>2–4</sup> Durch das Trauma, welches durch die multiplen Nadelstiche beim MN erzeugt wird, wird auch eine Entzündungskaskade ausgelöst, welche bekannte Faktoren aus der Wundheilung inkl. „fibroblast growth factor“ (FGF), „platelet-derived growth factor“ (PDGF) sowie „alpha“ und „beta transforming growth factors“ (TGF-a und TGF-ß) freisetzt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s22_abb1.jpg" alt="" width="504" height="504" /></p> <h2>Produkte</h2> <p>Der derzeit bekannteste Vertreter der MN-Geräte ist der Dermaroller<sup>®</sup> (Abb. 2, Dermaroller Deutschland GmbH, Wolfenbüttel, Deutschland); das System von multiplen Nadeln auf einer Trommel wurde initial von Dr. Fernandes im Jahr 2005 beschrieben.<sup>2</sup> Der FDA-zertifizierte Dermaroller<sup>®</sup> ist mit unterschiedlichen Nadellängen und mit bis zu 480 Nadeln pro Trommel erhältlich. Mittlerweile gibt es zahlreiche ähnliche Einmalprodukte, welche auch eine CE-Zulassung für den medizinischen Gebrauch in Europa haben. Die neuesten MNGeräte sind elektrisch angetriebene Hochfrequenzgeräte mit auswechselbaren sterilen Einmalspitzen. Von Vorteil ist hierbei, dass man die Eindringtiefe sowie Frequenz der Oszillation während der Behandlung adaptieren kann; es sind somit variable Eindringtiefen zwischen 1 und 3mm möglich. Die Nadeln auf den Einwegspitzen können linear (Abb. 3) oder kreisrund angeordnet sein. Als Vorteil der Hochfrequenzoszillation wird eine Reduktion der Schmerzen postuliert; dies erlaubt somit den Gebrauch von MN ohne Lokalanästhesie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s22_abb2.jpg" alt="" width="351" height="400" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s22_abb3.jpg" alt="" width="322" height="400" /></p> <h2>Indikationen und Anwendungen</h2> <p>In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien sowie Fallberichte über den Einsatz von MN in der ästhetischen Medizin für die Behandlung von Falten und Narben und auch zur Hautstraffung und Verjüngung vorgestellt.<sup>5</sup> Über die Grenzen der ästhetischen Behandlungen hinaus finden seit Neuestem MN-Geräte ihren Einsatz in der Behandlung von Striae distensae, von Pigmentstörungen wie auch bei Haarausfall.<sup>6, 7</sup><br /> Der hautstraffende Effekt und die sichtbare Verbesserung von Falten sowie Verjüngung der Haut wurden bereits beschrieben.<sup>8, 9</sup> Eine Studie von El-Domyati et al.<sup>10</sup> zeigte einen signifikanten Anstieg der Synthese von Kollagen Typ I, III und VII sowie eine Umsatzsteigerung an Tropoelastin; diese Neuproduktion von elastischen Bestandteilen der Dermis sowie die Reorganisation von Kollagen führten zu einer signifikant verbesserten Straffung der Haut nach 6 MNBehandlungen. Wichtig ist jedoch, dass es nach dem MN zu einem zeitverzögerten Wirkeintritt kommt; erklärt wird dies dadurch, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis die ausgelöste Wundheilungskaskade zu einer Neuorganisation der Hautbestandteile führt. Somit muss man Patienten mitteilen, dass die endgültigen Effekte der Behandlungen erst nach zwei Monaten sichtbar werden. Behandlungen sollten jedoch in 2- bis 4-wöchigen Abständen durchgeführt werden, da hier immer wieder die Regeneration der Haut stimuliert wird, ohne dass es zu einem Abflachen der Regenerationskaskade kommt.<br /> Hypertrophe Narben können ebenso durch MN verbessert werden; hierbei wird MN zumeist als Tool für eine bessere Wirkung von topisch applizierten Medikamenten, welche durch die generierten Poren in die Narbe eindringen können, benutzt. Studien zeigten, dass MN in Kombination mit post MN topisch appliziertem Vitamin A und C (zweimal täglich) eine subjektiv signifikante Verbesserung der Narben nach nur 4 MN-Behandlungen mit sich bringt.<sup>3</sup> Histologisch wurde ein Jahr nach der Behandlung ebenso ein veränderter Elastinund Kollagengehalt gemessen.<br /> Aknenarben, welche primär atrophe bzw. hypotrophe Narben sind, können ebenso mithilfe von MN verbessert werden.<sup>11</sup> Histologisch konnten in der von El- Domyati et al.<sup>11</sup> durchgeführten Studie ein vermehrter Anteil von Kollagen Typ I, III und VII sowie eine Reduktion von Tropoelastin gemessen werden. Cachafeiro et al.<sup>12</sup> verglichen MN und einen fraktionellen Erbium-Laser bei Aknenarben; sie konnten bei 46 Patienten zeigen, dass der Erbium-Laser (1340nm) und MN eine vergleichbare Verbesserung der Narben erreichten; MN hatte jedoch weniger Nebenwirkungen und wurde von den Patienten besser toleriert. Aust et al.<sup>13</sup> zeigten in einer Fallserie, dass Striae distensae durch eine einzelne Behandlung mit MN signifikant reduziert werden können. Park und Kollegen konnten ebenso eine deutliche Verbesserung der Erscheinung von Striae distensae durch MN beschreiben.<sup>14</sup> Ein großer Vorteil von MN bei der Behandlung von Narben und Striae distensae ist, dass man einen weichen fließenden Übergang zu den nicht behandelten Hautarealen hat; es entstehen durch MN keine sichtbaren Behandlungsgrenzen.<br /> Hyperpigmentierung bzw. Melasmen gehören zu den Pigmentstörungen, welche gerne auch als Altersflecken bezeichnet werden. MN zeigte in Studien, dass es eine fördernde Wirkung auf die transdermale Aufnahme von lokalen „Bleichmitteln“ wie Tranexamsäure hat und eine Kombinationstherapie der alleinigen Behandlung mit Tranexamsäure deutlich überlegen ist.<sup>15, 16</sup><br /> Ein neues Anwendungsgebiet von MN stellt die androgenetische Allopezie dar. Hierbei gibt es Daten, dass MN auch wieder die transdermale Aufnahme von 5 % igem Minoxidil steigert und die Gruppe unter der Kombinationstherapie zeigte einen stärkeren Haarwuchs im Vergleich zur Gruppe, welche Minoxidil als topische Behandlung alleine bekam.<sup>16</sup> Eine weitere Studie verwendete MN als Basistherapie und verglich die topische Minoxidil- und die systemische Finasterid-Therapie; beide Gruppen zeigten einen vermehrten Haarwuchs und eine Zunahme an Haardicke.17 Derzeit gibt es jedoch noch wenig Evidenz, dass MN auch einen Vorteil bei der Behandlung von weiblichen Patienten mit Haarausfall haben kann.</p> <h2>Anwendungsempfehlungen</h2> <p>Seit der Einführung des Dermarollers<sup>®</sup> vor ca. zwei Jahrzehnten und der initialen Indikation für die Narbenbehandlung hat MN in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt. Zahlreiche neue Geräte mit elektromotorischen Antrieben sowie zahlreiche Indikationen für MN wurden vorgestellt und publiziert. Komplikationen von MN sind sehr selten, zumeist sind es nur geringe lokale Rötungen und Schwellungen. Der Einsatz von MN zur Steigerung der transdermalen Medikamentenaufnahme brachte eine schier unbegrenzte Zahl von neuen Anwendungsmöglichkeiten für MN mit sich. Derzeit gibt es jedoch nur wenige prospektive Studien zu neuen Behandlungskonzepten und die wohl rezentesten Anwendungsempfehlungen kommen von Alster und Graham<sup>7</sup> (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s22_tab1.jpg" alt="" width="682" height="600" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Orentreich DS, Orentreich N: Subcutaneous incisionless (subcision) surgery for the correction of depressed scars and wrinkles. Dermatol Surg 1995; 21(6): 543-9 <strong>2</strong> Fernandes D: Minimally invasive percutaneous collagen induction. Oral Maxillofac Surg Clin North Am 2005; 17(1): 51-63, vi <strong>3</strong> Aust MC et al.: Percutaneous collagen induction. Scarless skin rejuvenation: fact or fiction? Clin Exp Dermatol 2010; 35(4): 437-9 <strong>4</strong> Aust MC et al.: Percutaneous collagen induction-regeneration in place of cicatrisation? J Plast Reconstr Aesthet Surg 2011; 64(1): 97-107 <strong>5</strong> McCrudden MTC et al.: Microneedle applications in improving skin appearance. Exp Dermatol 2015; 24(8): 561-6 <strong>6</strong> Iriarte C et al.: Review of applications of microneedling in dermatology. Clin Cosmet Investig Dermatol 2017; 10: 289-98 <strong>7</strong> Alster TS, Graham PM: Microneedling: a review and practical guide. Dermatol Surg 2018; 44(3): 397-404 <strong>8</strong> Fabbrocini G et al.: Collagen induction therapy for the treatment of upper lip wrinkles. J Dermatolog Treat 2012; 23(2): 144-52 <strong>9</strong> Lee HJ et al.: Efficacy of microneedling plus human stem cell conditioned medium for skin rejuvenation: a randomized, controlled, blinded split-face study. Ann Dermatol 2014; 26(5): 584-91 <strong>10</strong> El-Domyati M et al.: Multiple microneedling sessions for minimally invasive facial rejuvenation: an objective assessment. Int J Dermatol 2015; 54(12): 1361-9 <strong>11</strong> El-Domyati M et al.: Microneedling therapy for atrophic acne scars: an objective evaluation. J Clin Aesthet Dermatol 2015; 8(7): 36-42 <strong>12</strong> Cachafeiro T et al.: Comparison of nonablative fractional erbium laser 1,340 nm and microneedling for the treatment of atrophic acne scars: a randomized clinical trial. Dermatol Surg 2016; 42(2): 232-41 <strong>13</strong> Aust MC et al.: Percutaneous collagen induction therapy as a novel therapeutic option for striae distensae. Plast Reconstr Surg 2010; 126(4): 219e- 220e <strong>14</strong> Park KY et al.: Treatment of striae distensae using needling therapy: a pilot study. Dermatol Surg 2012; 38(11): 1823-8 <strong>15</strong> Escobar-Chávez JJ et al.: Microneedles: a valuable physical enhancer to increase transdermal drug delivery. J Clin Pharmacol 2011; 51(7): 964-77 <strong>16</strong> Budamakuntla L et al.: A randomised, open-label, comparative study of tranexamic acid microinjections and tranexamic acid with microneedling in patients with melasma. J Cutan Aesthet Surg 2013; 6(3): 139-43 <strong>17</strong> Dhurat R, Mathapati S: Response to microneedling treatment in men with androgenetic alopecia who failed to respond to conventional therapy. Indian J Dermatol 2015; 60(3): 260-3</p>
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