Neutrophile in Autoinflammationssyndromen
Bericht:
Martha-Luise Storre
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Neutrophile sind wichtige Effektorzellen der angeborenen Immunantwort. Ihre Aufgabe ist es, den menschlichen Organismus gegen Infektionen schnell und unspezifisch zu verteidigen. Sie können jedoch auch autoentzündliche Prozesse auslösen oder fördern. Insbesondere eine übermäßige Interleukin(IL)-1-Familien-Aktivität scheint bei zahlreichen Autoinflammationssyndromen eine Rolle zu spielen.
Keypoints
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Autoinflammatorische Krankheiten entstehen durch eine gestörte Regulation der angeborenen Immunantwort.
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Insbesondere eine übermässige IL-1-Familien-Aktivität kann Autoinflammationssyndrome begünstigen.
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Bei rezidivierenden Fieberschüben ohne nachweisbaren Infekt mit Urtikaria-artigen oder pustulösen Hautveränderungen sollte man an autoinflammatorische Erkrankungen denken.
Auslöser von neutrophilen Entzündungen sind Pathogene, Gefahrensignale wie RNA, DNA und Harnsäurekristalle, aber auch eine genetisch bedingte Überproduktion von Mediatoren der neutrophilen Entzündung, wie IL-1β, IL-8, IL-36, IL-17 und des Polypeptids C5a, wie Prof. Dr. Lars E. French, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München, ausführte. Diese Mediatoren sind an einer Vielzahl von neutrophilen Dermatosen beteiligt, wie zum Beispiel pustulöser Psoriasis, Sweet-Syndrom und Pyoderma gangraenosum.
Neutrophile spielen darüber hinaus auch eine wichtige Rolle bei der Autoinflammation, einer scheinbar von selbst auftretenden, durch das angeborene Immunsystem vermittelten Entzündungsreaktion. Die menschlichen Zellen scheinen durch Mustererkennungsrezeptoren eine Gefahr spüren zu können, meinte French. Daraufhin werde im Zytoplasma Inflammasom aktiviert, ein eukaryotischer Proteinkomplex.
Inflammasom führe unter anderem zu einer Produktion von IL-1β. Findet dieser Prozess übermäßig statt, können autoinflammatorische Erkrankungen entstehen, die häufig mit Hauterscheinungen einhergehen. „Autoinflammatorische Krankheiten sind gekennzeichnet durch eine scheinbar unprovozierte Entzündung und das Fehlen von hochtitrigen Autoantikörpern. Sie unterscheiden sich von Autoimmunerkrankungen durch das Fehlen einer antigenspezifischen T-Zell-Reaktion“, erläuterte der Experte. Sie werden durch genetische Defekte oder Fehlregulierung der wichtigsten angeborenen Immunwege verursacht, darunter eine übermäßige IL-1-Familien-Aktivität, eine konstitutive Aktivierung von NF-κB-Signalen und eine chronische Typ-I-Interferon-Aktivität.
Übermäßige IL-1-Aktivität
Zahlreiche Autoinflammationssyndrome gehen auf die übermäßige IL-1-Familien-Aktivität zurück (IL-1, IL-18, IL-33 und IL-36, siehe Tab. 1).1
Tab. 1: Autoinflammatorische Erkrankungen mit Hautbeteiligung (mod. nach Satoh T et al.)1
1. CAPS
So zum Beispiel auch CAPS, „cryopyrin-associated periodic syndrome“. Das häufig mit periodischem Fieber und Urtikaria-ähnlichen Läsionen auftretende, durch Mutationen in Komponenten des Inflammasoms verursachte Syndrom führt zu einer starken Expression von IL-1β. Hierbei kann die Gabe des Antikörpers Canakinumab zu einem schnellen Ansprechen führen.2
2. Familiäres Mittelmeerfieber
Auch beim familiären Mittelmeerfieber, gekennzeichnet durch rezidivierende Episoden von Fieber, Serositis und erysipelartigen Hautläsionen, kommt es zu Inflammasomaktivierung und IL-1β-Sekretion, verursacht durch Mutationen in MEFV – dem für Pyrin kodierenden Gen. Für die Therapie wird Colchizin empfohlen, das präventiv wirkt und zu einer Minimierung von Amyloidose führt.
3. Hyper-IgD-Syndrom
Bei Patientinnen und Patienten mit Fieberschüben, bipolarer Aphtose und makulopapulösem Exanthem sollte an das Hyper-IgD-Syndrom gedacht werden, eine autoinflammatorische Krankheit mit genetisch bedingter Defizienz der Mevalonatkinase sowie erhöhtem IL-1 und IgD, so French.
4. PAPA-Syndrom
Das seltene, autosomal-dominante vererbte PAPA-Syndrom ist eine Trias aus pyogener Arthritis (Beginn im jungen Alter), Pyoderma gangraenosum (Beginn in der Adoleszenz) und Akne (schwer nodulozystisch, Beginn in der Adoleszenz). Hier kann ein therapeutisches Ansprechen mit einem IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1RA) erzielt werden.
5. PASH-Syndrom
Ebenfalls auf eine übermäßige IL-1-Aktivität zurückzuführen ist das PASH-Syndrom, das gekennzeichnet ist durch die Kombination aus Pyoderma gangraenosum (Beginn im Erwachsenenalter), Akne (schwer nodulozystisch, Beginn in der Adoleszenz) und Hidradenitis suppurativa (Beginn im Erwachsenenalter). Auch hier kann ein zumindest teilweises Ansprechen auf IL-1RA erzielt werden. „Auch wenn nur zwei der jeweils drei Symptome vorliegen, denken Sie dennoch im klinischen Alltag an PAPA oder PASH“, riet der Dermatologe.
6. DIRA
Ein anderes Beispiel sei DIRA („deficiency in IL-1RA“). Hier führe der IL-1RA-Mangel zu einer unkontrollierten Entzündung aufgrund einer übermässigen IL-1-Signalisierung. Klinisch zeige sich eine lebensbedrohliche systemische Entzündung mit Beteiligung von Haut und Knochen, berichtete French. Bei rezidivierenden Fieberschüben ohne nachweisbaren Infekt mit Urtikaria-artigen oder pustulösen Hautveränderungen sollte man stets auch an das potenzielle Vorliegen einer autoinflammatorischen Erkrankung denken.
Quelle:
52. DDG-Tagung am 27. April 2023 in Berlin
Literatur:
1 Satoh T et al.: Fitzpatrick’s Dermatology, 9th Ed. Vol. 1, pp 621ff 2 Lachmann HJ et al.: Use of canakinumab in the cryopyrin-associated periodic syndrome. N Engl J Med 2009 Jun 4;360(23):2416-25
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