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Rosazea – der Erkrankung auf der Spur
Jatros
30
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Charakteristisch für die chronisch-entzündliche Hauterkrankung sind der schubhafte Charakter und die mitunter fließenden Übergänge. Früher in Stadien unterteilt, wird Rosazea, die meist ab dem 30. Lebensjahr auftritt, heute in 3 klinische Subtypen klassifiziert: erythematöse teleangiektatische Rosazea, papulopustulöse Rosazea, phymatöse Rosazea. Zusätzlich kann bei jedem Subtyp eine Augensymptomatik auftreten.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Dr. Reinholz, wie oft werden Ihrer Erfahrung nach Rosazea Typ 1 und 2 mit Acne vulgaris verwechselt und demnach falsch oder gar nicht therapiert?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Sowohl Acne vulgaris als auch Rosazea Typ 1 und 2 sind häufige Hauterkrankungen. Aufgrund ähnlicher Hauterscheinungen, sogenannter Effloreszenzen, ist eine Verwechslung auf den ersten Blick möglich, dennoch gibt es klare Abgrenzungen der Erkrankungen voneinander. Acne vulgaris tritt typischerweise bei Jugendlichen in der Pubertät in Form von Pusteln auf. Vereinfacht gesagt, führt in der Pubertät die erhöhte Produktion von männlichen Sexualhormonen (Androgenen) zu einer verstärkten Talgproduktion. Zusätzlich führt eine Verhornungsstörung des Talgdrüsenausgangs zu einer Abflussbehinderung und es kommt daraufhin zur Besiedlung der Talgdrüse mit schädlichen Bakterien. Es lassen sich viele Komedone bei Aknepatienten finden. Bei der Rosazea hingegen ist die Pathogenese weniger gut geklärt. Vermutlich führen sowohl eine Veranlagung als auch eine Störung des Immunsystems zur Ausbildung der Erkrankung. Diese geht initial oft mit flüchtigen Rötungen der Wange einher. Im Verlauf können diese persistieren und kleine Gefäßchen hinzukommen (Rosazea Typ 1). Bei Rosazea Typ 2 treten kleine Erhabenheiten wie auch Pusteln auf. Es lassen sich jedoch keine Komedone finden. Typischerweise sind von der Rosazea Erwachsene zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr betroffen. Ein Krankheitsgipfel besteht zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.<br /> Trotz des Leidensdrucks und der Häufigkeit beider Erkrankungen finden oft keine oder lediglich nicht adäquate Therapien statt. Insbesondere bei der Akne ist eine frühe Therapie zur Vermeidung der Narbenbildung indiziert. Auch bei Rosazea ist der psychosoziale Leidensdruck der Patienten immens, sodass beide Erkrankungen zu behandeln sind.<br /> <br /><strong> Viele Patienten, insbesondere Frauen, fühlen sich in ihrer Lebensqualität durch die Rosazea beeinträchtigt. Gibt es eine genetische Veranlagung, neben den bekannten Triggern wie Sonne, Stress, Alkohol, stark gewürzte Speisen etc.?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Studien haben gezeigt, dass es neben den bekannten Aggravationsfaktoren der Rosazea auch eine Veranlagung zur Erkrankung gibt. Möglicherweise ist das Immunsystem der Haut im Gesicht vermehrt aktiv und fördert dadurch die Entzündung bei der Erkrankung.<br /> <br /><strong> Welcher Patho­mechanismus liegt zugrunde?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Der genaue Pathomechanismus der Erkrankung ist noch nicht geklärt. Es ist ein multifaktorielles Geschehen mit Alteration des zellulären wie auch des angeborenen Immunsystems. Dieses ist vermehrt aktiv und fördert die Entzündung der Erkrankung. Weiterhin fördern UV-Licht, Alkohol sowie die Demodex-Milbe die Entzündungsreaktion.<br /> <br /><strong> Wird derzeit rund um die Erkrankung viel geforscht? Welches sind die neuesten Erkenntnisse?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> In letzter Zeit wurde vermehrt das zelluläre wie auch das angeborene Immunsystem untersucht. Es wurde festgestellt, dass bestimmte Enzyme, die eine zentrale Rolle in der Entzündung spielen, vermehrt hergestellt werden. Weiters spielen bestimmte Abwehrzellen eine Rolle. Auch gewisse Ionenkanäle sind in den Fokus der Forschung gerückt. Die bisherige Forschung vermag es jedoch nicht, ein gesamtes Bild der Erkrankung zu erzeugen, sondern legt mosaikartig Pathomechanismen frei. Von einem vollständigen Verständnis der Krankheit sind wir sicher noch Jahre bis Jahrzehnte entfernt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite28.jpg" alt="" width="418" height="665" /></p> <p><strong>Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Rosazea und Morbus Alzheimer, wie in einer kürzlich publizierten Studie postuliert?<sup>1</sup></strong> <br /><strong>M. Reinholz:</strong> Die Studie umfasste eine Patientengruppe von über 5,5 Millionen Patienten. In dieser äußerst großen Kohorte wurde ein Zusammenhang festgestellt. Dennoch sollten lang angelegte prospektive Studien, die auch andere Risikofaktoren für Alzheimerdemenz untersuchen, diese These weiter untermauern. <br /><br /><strong>Welche Therapieformen werden von den Patienten gerne angenommen, welche weniger?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Dies ist individuell sehr unterschiedlich und auch abhängig vom Subtyp der Rosazea. Männer bevorzugen oft weniger fettige Externa, wohingegen Patientinnen etwas reichhaltigere Cremes präferieren. Einige Patienten kommen mit der Einnahme von Tabletten besser zurecht als mit der Anwendung von Cremes. Daher sollte hier in einer individuellen Beratung beim Hautarzt dem Patienten eine individuell maßgeschneiderte Therapie verordnet werden.<br /> <br /> <strong>Wie compliant oder therapietreu sind die Rosazeapatienten im Allgemeinen? Nicht jeder akzeptiert die antibiotische Lokaltherapie – die Azelainsäure brennt, Männer verwenden ungern Sonnencreme etc.</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Oft ist der Leidensdruck sehr groß, wenn Patienten einen Hautarzt aufsuchen, sodass eine große Therapietreue besteht. Um dem Problem mangelnder Compliance vorzubeugen, sollte eine individuelle Therapieabstimmung auf die Bedürfnisse des Patienten im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgesprächs erfolgen. Je mehr Kenntnisse über die Krankheit der Patient hat, desto eher wird die Therapie konsequent angewandt.<br /> <br /><strong> Sind die Patienten bereit, die Kosten für das Brimonidin-Gel gegen die Gesichtsrötung zu tragen, das in Österreich nicht in der grünen Box ist?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> In Deutschland werden die Kosten für Brimonidin-Gel von der Krankenkasse erstattet, daher stellt sich diese Frage bei der Behandlung unserer Patienten in Deutschland nicht. Es handelt sich bei Rosazea Subtyp 1 um eine behandlungsbedürftige Hautkrankheit, die wir adäquat pharmakotherapeutisch behandeln.<br /> <br /><strong> Man sieht nicht selten Männer mit Rhinophym. Wer operiert das Rhinophym? Plastische Chirurgen? Dermatochirurgen?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Eine Phymbildung erfolgt beim Subtyp 3 der Rosazea. Es handelt sich um eine Talgdrüsenhyperplasie mit Vernarbung. Dies ist ein langsam, aber kontinuierlich ablaufender Prozess, der vorrangig bei Männern auftritt. Eine Behandlung ist bei Vernarbung nur noch durch chirurgische Maßnahmen wie das Abtragen mittels Skalpell oder Laser möglich. Diese Behandlung führt üblicherweise der Dermatochirurg durch.<br /> <br /><strong> Wie könnte man innerhalb der Bevölkerung die Awareness für die Rosazea steigern?</strong><br /> <strong>M. Reinholz:</strong> Patienten sehen die Erkrankung als gegeben an und wissen oft nicht, dass es therapeutische Möglichkeiten gibt. In den letzten Jahren hat sich dies jedoch bereits verbessert. Dennoch gilt es noch viel zu tun, denn trotzdem leiden viele Patientinnen und Patienten unter dem Auftreten von Gesichtsrötungen, plötzlich einschießenden Rötungen (Flushing) oder Papeln und Pusteln. Hier helfen sicher Aufklärungskampagnen in Funk und Fernsehen oder auch Informationsmaterial bei Hautärzten. Außerdem sollten alle Ärzte mit der Krankheit vertraut sein, um die zu behandelnden Patienten optimal zu beraten.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p> <p>Lesen Sie auch: <a href="7562">Gibt es einen Zusammenhang zwischen Rosazea und Morbus Alzheimer?</a></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Egeberg A et al: Patients with rosacea have increased risk of dementia. Annals of Neurology 2016; DOI: 10.1002/ana.24645</p>
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