
Die proktologische Basisuntersuchung
Autor:
Dr. med. Daniel Sterzing
Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie, Proktologie und Koloproktologie (EBSQ)
Proktologisches Zentrum Berlin
E-Mail: proktologie-berlin@weg.de
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Proktologische Erkrankungen sind häufig und doch bestehen viele Unsicherheiten und Missverständnisse aufseiten der Patienten und der Ärzte. Meistens beginnt die Anamnese mit dem Satz: «Ich habe Hämorrhoiden». Hämorrhoiden sind aber nicht die einzigen Plagen des Afters. Für den Allgemeinmediziner gilt es nun, Häufiges zu erkennen und Gefährliches nicht zu übersehen.
Der Arzt darf sich niemals von dem Satz «Ich habe Hämorrhoiden» in die Irre leiten lassen. Patienten denken oft, wenn da was am Po ist, dann sind es Hämorrhoiden. Dieser Trugschluss führt zu Fehldiagnosen, falschen Therapien und im schlimmsten Fall zu einer Verschlechterung oder dem Übersehen eines Tumors.1
Die wichtigsten proktologischen Erkrankungen
Hämorrhoiden (Abb. 1) sind eine Volkskrankheit und für viele proktologische Beschwerden verantwortlich (Blutungen, Nässen, Juckreiz, Schwellungen und selten starke Schmerzen). Am häufigsten werden sie mit ihren «direkten Nachbarn» verwechselt: den schmerzhaften Analvenenthrombosen (Abb. 2). Diese liegen am Analrand, sind schmerzhaft und lassen sich nicht in den After reponieren.
Eine ebenfalls sehr häufige anale Plage sind Analfissuren (Abb. 3 und 4). Sie liegen meistens in der hinteren Kommissur (6 Uhr SSL) und verursachen einen starken, schneidenden Schmerz bei der Defäkation, begleitet von kleinen Mengen Blut am Toilettenpapier und dem typischen, lang anhaltenden «Postdefäkationsschmerz».
Eindeutig in die Hände eines (proktologisch erfahrenen!) Chirurgen gehören Analabszesse und Analfisteln. Die korrekte Behandlung erfordert viel Erfahrung, um Rezidive und eine Stuhlinkontinenz zu vermeiden.
Marisken sind harmlose anale Hautfalten, die nur entfernt werden müssen, wenn sie enorme hygienische Probleme bereiten.
Dann gibt es ein weites Feld der analen Dermatosen wie diverse Ekzeme, Acne inversa, Psoriasis inversa, Lichen, Mykosen und anale intraepitheliale Neoplasien. Für das erfahrene Auge handelt es sich meist um Blickdiagnosen. Es ist jedoch ratsam, bei Unsicherheit einen Proktologen oder Dermatologen zu Rate zu ziehen.
Derbe Tumoren am Analrand und im Analkanal können Plattenepithelkarzinome sein, bei Verdacht muss eine Biopsie entnommen werden. An dieser Stelle sei auch das tiefsitzende Rektumkarzinom erwähnt.
Des Weiteren dürfen anale Infektionen nicht unerwähnt bleiben. HPV-induzierte Condylome und Herpesbläschen sind Blickdiagnosen. Der Primäraffekt der Syphilis, das Ulcus durum, kann anal eine Fissur vortäuschen. Ausserdem können Chlamydien und Gonokokken eine schwere Proktitis mit Blutungen und Schmerzen hervorrufen. Diese ähneln wiederum der chronischen Proktitis bei Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn.
Was soll und kann der Allgemeinmediziner tun?
Eine kurze zielgerichtete Anamnese ergibt eine Verdachtsdiagnose, die sich dann durch einen Blick bestätigen lässt. Schmerzlose Blutungen sprechen für Hämorrhoiden, ein Tumor ist aber auch immer möglich. Schmerzen mit Schwellung sprechen eher für eine Analvenenthrombose oder einen Abszess. Starke Schmerzen bei und auch nach dem Stuhlgang sind nahezu pathognomonisch für eine Analfissur. Juckreiz spricht für ein Ekzem oder eine Dermatose gegebenenfalls wegen oder mit nässenden Hämorrhoiden. Und eine tastbare Schwellung erfordert Inspektion und Palpation.
Die rektale Austastung ist zwingend nötig, um ein tiefsitzendes Rektumkarzinom nicht zu verpassen. Bestehen aber akute starke Schmerzen (Fissur 6Uhr SSL!), so sollte auf die Palpation zu diesem Zeitpunkt verzichtet werden, sie sollte aber nach Abklingen der Schmerzen nachgeholt werden. Vor der Fissur sieht man meist eine kleine Mariske, die sogenannte Vorpostenfalte, die Fissur ist wegen des schmerzhaften Analspasmus in Linksseitenlage manchmal nur schlecht zu erkennen.2
Die rektale Untersuchung
Üblicherweise erfolgt die rektale Untersuchung in Linksseitenlage. Der Patient sollte entspannt liegen, die Austastung wird angekündigt und es wird Gleitgel oder Vaseline verwendet. Juristisch empfehlenswert ist immer die Anwesenheit einer Assistenzperson (Tab. 1). Hämorrhoiden sind nicht tastbar! Der tastende Finger presst die Blutpolster aus. Tasten lässt sich nur ein thrombosierter oder inkarzerierter Knoten.
Der Allgemeinmediziner hat eine wichtige Lotsenfunktion. Abszesse müssen direkt in die Chirurgie. Die Quelle von analen Blutungen muss sicher identifiziert werden, das bedeutet, eine Koloskopie sollte zum Ausschluss höher gelegener Blutungsquellen und Tumoren immer erwogen werden. Bei sichtbarem Blut macht ein Stuhltest auf okkultes Blut keinen Sinn.
Überweisungen zum Proktologen können zur Hämorrhoidenbehandlung oder Fisteltherapie erfolgen. Bei Dermatosen kann auch die Dermatologie die richtige Anlaufstelle sein. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind eine Domäne der Gastroenterologie.
Besteht anamnestisch der Verdacht auf eine sexuell übertragbare Infektion wie Chlamydien oder Gonokokken, kann auch ohne Proktoskopie ein transrektaler Abstrich für eine PCR-Diagnostik gemacht werden.3
Was darf der Allgemeinmediziner nicht übersehen?
Für proktologische Spezialisten gilt der Grundsatz: «Jede proktologische Symptomatik zwingt zur Besichtigung der Ampulle.»4 Das gilt sicherlich nicht für jede allgemeinmedizinische Praxis. Analvenenthrombosen oder Fissuren, die unter konservativer Behandlung heilen, bedürfen keiner weiteren Abklärung. Analer Juckreiz lässt sich meist schnell durch kurzfristige Anwendung einer Steroidsalbe beheben (max. 14 Tage).
Trotzdem sollten im Zweifel besser eine Proktoskopie und eine Rektoskopie durchgeführt oder veranlasst werden. Dabei lässt sich der Hämorrhoidalstatus gut erheben und auch gleich behandeln. Ebenso werden entzündliche Erkrankungen erkannt.
Anal- und Rektumkarzinome dürfen auf keinen Fall übersehen werden. Deshalb muss jeder Patient untersucht werden. Die alleinige Verordnung von Salben und Zäpfchen gegen Hämorrhoiden ohne Untersuchung ist ein grober Behandlungsfehler.
Proktologische Therapieoptionen für die Allgemeinmedizin
Nach Anamnese, Inspektion und Palpation können viele Pathologien einfach behandelt werden. Analvenenthrombosen klingen meist in 2 bis 4 Wochen vollständig ab und bedürfen nur selten der Exzision. Symptomatisch wird mit Lidocain-haltigen Salben und NSAR per os behandelt. Analfissuren werden mit sphinkterrelaxierenden Salben (mit Nitrat, Nifedipin oder Diltiazem) behandelt. Analdehner sollen nicht mehr verwendet werden.
Zur Stuhlregulation empfehlen sich vor allem gemahlene Flohsamenschalen als Quellmittel (1EL in 1 Glas Wasser 1–3x/d). Bei Juckreiz helfen Zinksalben oder kurzzeitig applizierte Cortisonsalben.
Lidocain-haltige Hämorrhoidensalben lindern Schmerzen, Cortison-haltige lindern Juckreiz und wirken abschwellend, pflanzliche Salben lindern auch. Wenn keine rasche und deutliche Besserung eintritt, sollte ein Proktologe den Befund untersuchen.
Ausserdem sollte jede Konsultation wegen proktologischer Beschwerden immer Anlass sein, um zu überprüfen, ob eine Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge indiziert ist.
Literatur:
● Sterzing D: How I do it: Die proktologische Untersuchung. Coloproctology 2022; 44: 116-21 ● Schwandner O et al.: Proktologische Diagnostik. Proktologische Diagnostik bei akuten Schmerzen. 1. Aufl. Heidelberg: Springer; 2016: 261-71 ● Sterzing D, Loch H: Proktitis – Diagnostik und Therapie. Akt Dermatol 2016; 42: 173-6 ● Reinhard F: Organisation und Durchführung der proktologischen Untersuchung. Wien Med Wochenschr 2004; 154: 45-9
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