
Vorsorgekoloskopie und Polypektomienachsorge
Bericht:
Dr. Corina Ringsell
Redaktorin
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In ihrem Vortrag zum Darmkrebs-Screening in Österreich an der SGG-Jahrestagung 2024 ermöglichte Univ.-Prof. Dr. med. Monika Ferlitsch, Wien, einen Blick über den Tellerrand. Sie zeigte die Herausforderungen auf und bot mögliche Lösungen an.
Keypoints
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Darmkrebsscreening soll immer qualitätsgesichert erfolgen.
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Nur wenn wir unsere Qualität messen, können wir sie verbessern.
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Polypektomie mit kalter Schlinge bei allen Polypen <10mm und allen sessil serratierten Läsionen ohne Dysplasie
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Prophylaktischer Clip nur bei rechtsseitigen Polypen >20mm
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Randkoagulation bei Piecemeal-Resektionen
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Nachsorge nach 3 Jahren bei allen Polypen >10mm oder mit hochgradiger Dysplasie; <10mm erst ab 5 Adenomen oder bei sessil serratierten Läsionen mit Dysplasie
In Österreich wurde 2005 mit einem opportunistischen Darmkrebs-Screening begonnen. Im Lauf der nächsten Jahre nahm die Inzidenz des Kolorektalkarzinoms und auch die Mortalität ab.1 Seit 2022 gibt es eine Empfehlung des «Nationalen Screening-Komitees auf Krebserkrankungen» in Österreich für ein organisiertes Darmkrebs-Screening mittels immunhistochemischer Stuhltestung (FIT) oder Koloskopie. Teilnahmeberechtigt sind Personen im Alter von 45 bis 75 Jahren.2 Bislang sei die Empfehlung jedoch nur in einigen Bundesländern, aber nicht landesweit umgesetzt worden, bemängelte Ferlitsch. In ihrem Vortrag konzentrierte sie sich daher auf die Qualitätssicherung bei der Vorsorge-Koloskopie. In Österreich wird diese gesunden Menschen im Rahmen des Screenings alle zehn Jahre empfohlen. Menschen mit erhöhtem Risiko, etwa bei familiärem Darmkrebs oder chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten, sollten jedoch bereits vor dem 45. Lebensjahr und öfter als alle zehn Jahre untersucht werden,2 betonte Ferlitsch.
Da es noch kein organisiertes Screening-Programm gibt, können die Teilnahmeraten nur anhand der abgerechneten Koloskopien berechnet werden – und diese seien mit 18% sehr niedrig, sagte Ferlitsch. Würde man die sogenannten kurativen Koloskopien und die aufgrund von Symptomen vorgenommenen hinzuzählen, dann wären die Zahlen wohl höher, da in Österreich «sehr gerne und viel koloskopiert wird», vermutete die Referentin.
Qualitätsgesichertes Koloskopie-Screening in Österreich
Seit 2007 besteht eine freiwillige Qualitätssicherung.3 Ferlitsch wurde damals von der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) gebeten, das Projekt zu organisieren und zu begleiten. Nach wie vor nehmen etwa 42% der endoskopierenden Stellen daran teil und es konnten Daten von 550000 qualitätsgesicherten Vorsorge-Koloskopien erhoben werden.3 Bei der Auswertung wird auf die Qualitätskriterien der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) geachtet (Tab. 1).2,4
In Bezug auf Vorbereitungsqualität, Zökumerreich- und Adenomentdeckungsrate (ADR) seien die Ergebnisse sehr gut und die ESGE-Kriterien erfüllt, auch die Komplikationsrate sei niedrig, sagte Ferlitsch. Das Management der Polypen müsse aber noch verbessert werden. Gut seien hingegen die Sedierungsrate von 96% und dass die Nachsorgeintervalle in 62% der Fälle den ESGE-Empfehlungen entsprechen, sagte sie. Für das Teilnehmermonitoring wurde ein Ampelsystem eingeführt, mit dem die gängigen Kriterien überprüft werden. Bei Bedarf werden dann Massnahmen zur Qualitätsverbesserung gesetzt.
Einfluss der Qualitätskriterien auf Intervallkarzinome
Zwar sei ein Screening-Ziel, mehr Adenome zu entdecken, so Ferlitsch, aber das harte Outcome sei, ob die Patient:innen innerhalb des Screening-Intervalls sogenannte Intervallkarzinome entwickeln oder daran sterben.5
Einfluss der Vorbereitung
Die Qualität der Koloskopie hängt von der Qualität der Vorbereitung, also der Darmreinigung, ab:6 Patient:innen mit exzellenter oder guter Vorbereitung sterben seltener an Intervallkarzinomen als solche mit inadäquater Vorbereitung.6 Ferlitsch erklärte, wie die Vorbereitungsqualität verbessert werden kann. Wichtig seien dabei das persönliche Gespräch und diätetische Massnahmen. Sie halte nichts davon, fünf Tage vor der Untersuchung Diät zu halten, wie es häufig kommuniziert werde, sagte sie. Evidenz gebe es lediglich für den Tag davor. Sie empfiehlt, am Vortag nur ein leichtes Frühstück und zu Mittag eine klare Suppe zu sich zu nehmen. Die Vorbereitung sollte immer gesplittet eingenommen werden: der erste Teil am Vorabend, der zweite Teil am Untersuchungstag fünf Stunden vor der Koloskopie; Ausnahme ist die Untersuchung am Nachmittag. Die Patient:innen sollten ausreichend Wasser dazu trinken. Bei niedrigvolumigen Präparaten – in Österreich Picoprep® und CitraFleet® – müssen 30 Minuten Abstand zwischen Präparat und Wassereinnahme liegen, damit sich das Präparat gut im Dünndarm verteilen kann. Ausserdem müsse man den Patient:innen erklären, dass es nicht ausreicht, wenn sie am Vorabend nur Wasser trinken, da der Dünndarm Schleim produziert und die Leber Galle. Dies verklebe das gesamte rechte Kolon und senke die Endoskopiequalität.
Einfluss der Zökumerreichrate
Die Zökumerreichrate, definiert als Anteil an Untersuchungen, bei denen das Zökum intubiert wurde, ist ebenfalls mit der Sterblichkeit am Kolorektalkarzinom nach Koloskopie assoziiert.7 Bei einer Rate von mehr als 95% treten die geringsten Intervallkarzinome auf. Wie ist das zu erreichen? Die Referentin beantwortete diese Frage mit «strecken, strecken, strecken», wenn das nicht ausreiche, sei der Einsatz von CO2 gut. Bei älteren Personen mit vielen Darmdivertikeln wechsele sie auf ein pädiatrisches Koloskop.
Adenomentdeckungsrate
In der derzeit gültigen ESGE-Leitlinie wurde die ADR von 20% auf 25% angehoben.4 Im Median werde diese Vorgabe in Österreich erfüllt, sagte Ferlitsch und wies darauf hin, dass die Leitlinie derzeit überarbeitet wird. In der neuesten Empfehlung werde die ADR vermutlich auf 30% angehoben.
Auch die ADR ist mit Intervallkarzinomen assoziiert (Abb. 1).8 Waldmann et al. konnten zeigen, dass Patient:innen mit Hochrisikopolypen (>1cm oder mit hochgradiger Dysplasie), die von Ärzt:innen mit einer ADR <20% untersucht wurden, häufiger Intervallkarzinome entwickelten als Patient:innen mit niedrigem Risiko und solche, die von Ärzt:innen mit einer ADR ≥20% untersucht wurden.9
Abb. 1: Die Adenomdetektionsrate (ADR) korreliert mit der Hazard-Ratio (HR) für Intervallkarzinome nach Vorsorgekoloskopie (modifiziert nach Kaminski MF et al. 2010)8
Proximale serratierte Polypen als Qualitätsindikator
Serratierte Polypen werden in etwa 20% der Koloskopien bei Personen mit durchschnittlichem Risiko gefunden. Die Morphologie reicht von Polypen mit oberflächlichen Serrationen bis zu solchen mit extrem serrierter Architektur und offener Dysplasie. Dazu zählen auch alle hyperplastischen Polypen, die sich proximal von Rektum und Sigma befinden.10 Serratierte Polypen sind oft schwierig zu erkennen und werden daher oft nicht vollständig reseziert. Zudem neigen sie zu schnellem Wachstum und können sich so zu Intervallkarzinomen entwickeln.11 Aus diesem Grund gibt es international ein Bestreben, die Erkennungsrate für proximale serratierte Polypen (PSDR, «proximal serrated polyp detection rate») als Qualitätsindikator einzuführen.11 Ausgehend von den Daten in der österreichischen Datenbank untersuchte eine Arbeitsgruppe den Zusammenhang zwischen PSDR und Sterblichkeit am kolorektalen Karzinom. Es wurde eine ähnliche Assoziation gefunden wie bei der ADR: 1% mehr detektierte proximale serratierte Polypen reduzierte das Risiko, am kolorektalen Karzinom zu sterben, um 3%. Bei der ADR waren es 2% Risikoreduktion je 1% identifizierte Adenome.11 Ferlitsch sagte, es seien aber noch mehr Daten nötig, um zu definieren, welche Polypen gefährlich sind. Sicher seien dies alle >1cm, auch die hyperplastischen.
Grosser Polyp gefunden – was tun?
Das Vorgehen sei immer gleich, sagte die Referentin. Man schaue sich die Form und die Grösse an und klassifiziere dann nach der Paris- und nach der Pit-Pattern-Klassifikation; man schaue nach Gefässen und ob es einen Hinweis für ein Karzinom gibt. Wichtig sei auch die Morphologie der flachen Polypen >1cm, der sogenannten LST («lateral spreading tumors»). So haben etwa granular-homogene LST ein geringes Risiko von 0,5% für ein invasives Wachstum. Diese Polypen können sofort abgetragen werden. Sind Noduli vorhanden, liegt das Risiko für invasives Wachstum bei 10,5% und bei einer «pseudodepressed lesion» bei 31%.12
Polypektomie-Leitlinie der ESGE: Was ist neu?
Ferlitsch stellte abschliessend noch die überarbeitete Polypektomie-Leitlinie der ESGE vor, an der sie federführend mitgewirkt hat.13 In die aktuelle Fassung wurden nun unter anderem Empfehlungen zu serratierten Läsionen und ein eigener Algorithmus zu grossen rektalen Läsionen aufgenommen.13 Neu sei die Empfehlung, alle serratierten Läsionen ohne Dysplasie mit der kalten Schlinge abzutragen. Das Abtragen mit der kalten Schlinge sollten die koloskopierenden Ärzt:innen perfekt beherrschen, da in Österreich rund 85% der detektierten Adenome <1cm seien, sagte Ferlitsch.3
Nach einer endoskopischen Piecemeal-Mukosaresektion (pEMR) von Läsionen >2cm sollten die Ränder thermisch abliert werden. Prophylaktische Mukosaclips sollten nur noch gesetzt werden bei grossen (>2cm) nicht gestielten Läsionen im rechten Kolon. Und bei Verdacht auf oberflächliches invasives Karzinom sollte die Läsion en bloc abgetragen werden, betonte Ferlitsch.13
Als Alternative zur heissen Schlinge zum Abtragen grosser adenomatöser Läsionen steht die Unterwasser-Polypektomie zur Verfügung. Dazu wird der Darm mit Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung gefüllt. Das Verfahren habe den Vorteil, dass grössere Läsionen schneller en bloc abgetragen werden können. Zudem habe das Wasser einen kühlenden Effekt, was tiefen thermischen Schäden vorbeuge, erklärte Ferlitsch.
Die optimale Nachsorge
Gemäss der aktuellen ESGE-Leitlinie wird eine Nachsorge nur empfohlen bei Hochrisikopatient:innen mit:
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einem Adenom >10mm oder hochgradiger intraepithelialer Neoplasie
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>5 Adenomen
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serratierten Polypen >10mm oder mit Dysplasie14
In diesen Fällen wird eine Koloskopie nach drei Jahren empfohlen. Dieses Intervall sollte aufrechterhalten werden, solange bei der Nachsorgekoloskopie hochgradige Veränderungen gefunden und entfernt werden. Ist die Nachsorgekoloskopie negativ, wird eine weitere nach fünf Jahren empfohlen. Ist diese ebenfalls negativ, kann das normale Screening-Intervall von zehn Jahren wieder aufgenommen werden.14
Patient:innen mit niedrigem Risiko (1–4 Adenome <10mm, niedriggradiger Dysplasie oder serratierten Polypen ohne Dysplasie) brauchen keine Nachsorge. Sie werden nach zehn Jahren zur Vorsorgekoloskopie oder zum FIT-Screening einbestellt.14
Nach einer Peacemeal-Resektion von Polypen >20mm – dazu zählen die Adenome – sollte wie bisher nach drei bis sechs Monaten eine Koloskopie erfolgen; neu ist, dass eine erneute Kontrollkoloskopie nach weiteren zwölf Monaten empfohlen wird, um Spätrezidive zu entdecken.14 Diese Nachsorgekoloskopien sollten mit Techniken des «advanced endoscopic imaging» wie virtueller oder farbstoffbasierter Chromoendoskopie als Ergänzung zur Weisslicht-Endoskopie vorgenommen werden, um zwischen einem Rezidiv und einer Narbe zu unterscheiden.14
Bei Patient:innen mit positiver Familienanamnese, aber ohne bekannte Darmkrebssyndrome in der Familie, bestehe kein Grund für verkürzte Nachsorgeintervalle, ausser bei inadäquater Vorbereitung. Dann sollten sie nach einem Jahr erneut untersucht werden, so Ferlitsch. Beim Lynch-Syndrom oder der familiären Polypose sollte laut der aktuellen Leitlinie bei suboptimaler Vorbereitung nach drei Monaten, bei sehr guter Vorbereitung nach zwei Jahren erneut koloskopiert werden.15
Wichtig sei auch die schriftliche Empfehlung zur Nachsorge, die den Patient:innen kommuniziert werden sollte, sagte Ferlitsch.
Die Nachsorge nach endoskopischer Abtragung von pT1-Karzinomen sollte nach einem Jahr, nach drei Jahren und dann alle fünf Jahre bis zum 80. Lebensjahr erfolgen.14
Besseres Outcome trotz weniger Nachsorgekoloskopien
Mit den Empfehlungen der aktualisierten Leitlinie sei der Bedarf der Nachsorge von 10% aller Vorsorgekoloskopien auf 5% aller Vorsorgekoloskopien reduziert worden, sagte die Expertin. Gleichzeitig sei das Outcome wesentlich besser, da mit den neuen Leitlinien die Patient:innen identifiziert und zur Nachsorge eingeladen werden könnten, die an Polypen mit kleinen Karzinomen sterben würden, betonte sie.
Mangelnde Adhärenz zu den Nachsorge-Leitlinien
Ferlitsch berichtete von einer Studie, die noch auf Basis der Leitlinie von 2013 die Adhärenz der Ärzt:innen zu den Empfehlungen untersucht hatte. Nur 7% hätten sich daran gehalten, Patient:innen mit Niedrigrisiko-Polypen erst nach zehn Jahren zu bestellen, in der Gruppe mit Dreijahresintervallen seien es 35% der Untersucher:innen gewesen, sagte sie. Die meisten Patient:innen beider Gruppen seien früher zur Nachsorge einbestellt worden. Hier müsse noch viel kommuniziert werden, um die notwendigen Ressourcen nicht für unnötige Koloskopien zu verbrauchen, betonte Ferlitsch.
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG), 12. und 13. September 2024, Interlaken
Literatur:
1 www.statistik.at/fileadmin/publications/Krebserkrankungen_2022.pdf (Zugriff 27.1.2025) 2 ÖGGH-Leitlinie: Qualitätsgesicherte Vorsorgekoloskopie 2023 3 www.vorsorgekoloskopie.at 4 Kaminski MF et al.: Endoscopy 2017; 49: 378-97 5 Waldmann E et al.: Clin Gastroenterol Hepatol 2021; 19: 1890-8 6 Zessner-Spitzenberg J et al.: Am J Gastroenterol 2024; 119: 2036-44 7 Zessner-Spitzenberg J et al.: J Gastroenterol Hepatol Erkrank 2022; 20: 103-12 8 Kaminski MF et al.: N Engl J Med 2010; 362: 1795-803 9 Waldmann E et al.: Gut 2021; 70: 1309-17 10 East JE et al.: Gut 2017; 66: 1181-96 11 Zessner-Spitzenberg J et al.: Endoscopy 2023; 55: 434-41 12 Bogie RMM et al.: Endoscopy 2018; 50: 263-82 13 Ferlitsch M et al.: Endoscopy 2024; 56: 516-45 14 Hassan C et al.: Endoscopy 2020; 52: 1-14 15 van Leerdam ME et al.: Endoscopy 2019; 51: 1082-93
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