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Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Was gibt es Neues?
Jatros
30
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22.12.2016
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<p class="article-intro">Wie alle Autoimmunerkrankungen werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen mit immunmodulatorischen Therapien behandelt. Die sprunghaften Entwicklungen im Verständnis des Immunsystems eröffnen hier neue Möglichkeiten. Zahlreiche neue Biologika und „small molecules“ befinden sich derzeit in klinischen Studien.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1604_Weblinks_seite29.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>NOR-SWITCH: neue Daten Infliximab-Biosimilar</h2> <p>Biologika haben bei Autoimmunerkrankungen völlig neue Therapieoptionen eröffnet. Allerdings sind diese gezielt in das Immunsystem eingreifenden, biologisch hergestellten Medikamente teuer. Mit Ablauf des Patentschutzes dürfen allerdings auch Biologika „nachgebaut“ werden. Was sich angesichts ihres komplexen Aufbaus und der Produktionsverfahren als schwierig erweist. Genaue Kopien eines Biologikums können nicht hergestellt werden, man spricht daher nicht von Generika, sondern von Biosimilars. <br />Evidenz für die Gleichwertigkeit von Biosimilars sollte die randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Phase-IV-Studie NOR-SWITCH bringen, in deren Rahmen Patienten von Remicade® (Infliximab-Originatorprodukt) auf Inflectra® (Infliximab-Biosimilar) umgestellt worden waren. Die Studie wurde ohne finanzielle Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie durchgeführt und ihre Ergebnisse wurden in Fachkreisen mit Spannung erwartet, ihre Interpretation wird aktuell jedoch kontrovers diskutiert (siehe Interviews auf den Seiten 31 und 34). <br />In NOR-SWITCH eingeschlossen wurden 481 Patienten mit rheumatoider Arthritis, Spondyloarthritis, Psoriasisarthritis, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder chronischer Plaque-Psoriasis, die unter Therapie mit Remicade® über mindestens sechs Monate stabil waren. Die im Rahmen der UEGW 2016 präsentierten Daten sprechen für eine Nichtunterlegenheit des Biosimilars im Vergleich zum Originator 52 Wochen nach Umstellung auf Remsima®.<sup>1</sup> Primärer Endpunkt war Krankheitsverschlechterung, definiert durch den jeweils eingesetzten Score oder die übereinstimmende Wahrnehmung von Patient und Arzt, sofern sie zu einer Veränderung der Therapie führte. Krankheitsverschlechterung trat bei 53 (26,2 % ) Patienten im Remicade®-Arm und 61 (29,6 % ) Patienten im Remsima®-Arm ein. Die Differenz blieb innerhalb des präspezifizierten Intervalls für Nichtunterlegenheit. Auch hinsichtlich des Auftretens von Antikörpern gegen das Biosimilar sowie von Nebenwirkungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet. Angesichrs dieser Studienergebnissen könnten Verschreiber in Zukunft noch stärker dazu aufgefordert sein, kostenbewusster zu agieren.</p> <h2>Suboptimale Langzeitergebnisse mit Anti-TNF-Therapien</h2> <p>Leider zeigen sowohl die klinischen Studien als auch die tägliche Erfahrung, dass nicht alle Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) oder Morbus Crohn (MC) auf Anti-TNF-Therapien ansprechen bzw. dass deren Wirkung nach initialem Ansprechen wieder verloren geht. Die Wirksamkeit der Anti-TNF-Therapien unter Real-Life-Bedingungen wurde im Rahmen einer Studie untersucht, die Patienten unter Therapie mit Infliximab oder Adalimumab in sechs Ländern über mehrere Jahre hinweg eingeschlossen hatte.<sup>2</sup> Als Therapieversagen wurde Hospitalisierung oder chirurgische Therapie wegen IBD ebenso gewertet wie ein Abbruch der Therapie wegen eines Flares, Verschlechterung nach Therapiebeginn oder Erfordernis einer Augmentation mit Steroiden. Die langfristigen Erfolge mit den TNF-Therapien waren schlecht. Insgesamt zeigten 70,8 % der Patienten primäres oder sekundäres Therapieversagen (22 % waren primäre Non-Responder). Ebenfalls erhoben wurden Prädiktoren für Ansprechen oder Nichtansprechen. Bei den Patienten mit Colitis ulcerosa erwiesen sich rektale Blutungen als Prädiktor für ein Ansprechen auf die Therapie. Im Gegensatz dazu waren schwerere endo­skopische Befunde mit schlechterem Ansprechen assoziiert. Da rektale Blu­tungen aktive Erkrankung anzeigen, schließen die Autoren daraus, dass bei diesem Zustand Anti-TNF-Biologika offenbar am wirksamsten sind. Beim Morbus Crohn erwies sich eine schwerere Erkrankung, die sich in höherem CRP und einer größeren Zahl flüssiger oder weicher Stuhlgänge äußerte, als Prädiktor für schlechtes Ansprechen.</p> <h2>Interleukin 23 auch bei IBD von Bedeutung</h2> <p>Alternativen werden daher dringend gesucht. Der IL-23 Pathway spielt nach aktuellem Forschungsstand eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der entzündlichen Darmerkrankungen und erweist sich zunehmend als neuer Hoffnungsträger in deren Therapie. Ein neuer Kandidat für die Therapie der entzündlichen Darmerkrankungen ist Risankizumab, ein humanisierter, monoklonaler Antikörper, der an die p19 Subunit von IL-23 bindet und dieses daher an der Bindung an den Rezeptor hindert. Risankizumab hat sich bislang in einer Phase-II-Studie im Vergleich zu Placebo als wirksam in der Behandlung des Morbus Crohn erwiesen. Unter Risankizumab kam es über 12 Wochen signifikant häufiger zu klinischen und endoskopischen Remissionen. In einer Substudie wurde anhand von Biopsien aus den entzündlichen Läsionen in Ileum und Kolon die Wirkung des Biologikums auf das molekulare Profil der Darmschleimhaut untersucht.<sup>3</sup> Die Auswertung ergab nach 12 Wochen im Vergleich zum Beginn der Studie eine Reduktion der Aktivität von 1.146 Genen. Der Effekt war besonders deutlich bei Genen, die in Verbindung mit dem IL-23-Signalweg, der angeborenen Immunantwort, dem Gewebe-Turn-over und der Familie der SLC-Transporter stehen. Deutliche Veränderungen der Gen­expression waren mit CDEIS-Ansprechen und Remission verknüpft. Im Gegensatz zum Kolon waren in den Proben aus dem Ileum keine vergleichbaren Veränderungen des molekularen Profils nachweisbar. Die Autoren betonen, dass das molekulare Profil in der Darmschleimhaut auf Risankizumab in einer Weise reagiert, die sich von den Veränderungen unter Anti-TNF-Therapie unterscheidet.</p> <h2>Neue Daten für Januskinase-Inhibitoren</h2> <p>Ebenfalls in der Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen untersucht werden die seit einiger Zeit bei rheumatoider Arthritis eingesetzten Janus­ki­na­se­(JAK)-Inhibitoren. Für den JAK-Inhibi­tor Tofacitinib wurde in den beiden randomisierten Phase-III-Studien OCTAVE 1 und OCTAVE 2 Wirksamkeit in der Induktionstherapie der Colitis ulcerosa nachgewiesen. In einer nun präsentierten gepoolten Analyse dieser Studien wurden die Einflüsse einer Vortherapie mit einem TNF-Inhibitor sowie der Krankheitsaktivität auf die Wirksamkeit von Tofacitinib untersucht.<sup>4</sup> Der JAK-Inhibitor erwies sich dabei im Vergleich zu Placebo unabhängig von Vortherapie oder Schwere der Erkrankung als überlegen im Hinblick auf sämtliche untersuchten Endpunkte. Klinisches Ansprechen, Remission und Schleimhautheilung waren alle in der Tofacitinib-Gruppe häufiger – und zwar unabhängig von Anti-TNF-Vortherapie, Anti-TNF-Versagen oder Ursache des Anti-TNF-Versagens. Patienten mit sekundärem Anti-TNF-Versagen sprachen besser auf Tofacitinib an als primäre Anti-TNF-Versager.</p> <h2>Neue Wirkmechanismen in klinischen Studien</h2> <p>Einen neuen Ansatz in der Therapie von entzündlichen Darmerkrankungen verspricht der in klinischer Entwicklung befindliche orale Immunmodulator Ozanimod, ein Agonist an den Subtypen 1 und 5 des Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptors. Ozanimod hält Lymphozyten in den Lymphknoten zurück und soll auf diesem Wege eine klinische Besserung bei Autoimmunerkrankungen bewirken. In der Phase-II-Studie TOUCHSTONE mit 197 CU-Patienten erwies sich Ozanimod in den Dosierungen 0,5mg und 1mg im Vergleich zu Placebo hinsichtlich des primären Endpunkts klinische Remission als numerisch, jedoch nicht signifikant überlegen.<sup>5</sup> Signifikante und deutliche Überlegenheit wurde jedoch hinsichtlich sekundärer Endpunkte wie der klinischen Verbesserung oder rektaler Blutungen erreicht. TOUCHSTONE wurde in einer offenen Verlängerungsstudie weitergeführt, in deren Rahmen alle Patienten auf 1mg Ozanimod umgestellt wurden. Unter dieser Therapie kam es in allen Gruppen über 44 Wochen zu Verbesserungen im partiellen Mayo-Score (pMS), die jedoch bei den Patienten, die davor in der Placebogruppe gewesen waren, am deutlichsten ausfielen. Insgesamt ging es den Patienten gut. Nach 44 Wochen zeigten 119 von 131 (90,9 % ) Patienten nach Physician Global Assessment keine oder nur geringe Krankheitsaktivität (PGA 0 oder 1), 129 von 131 (98,4 % ) hatten wenig oder kein Blut im Stuhl, 111 von 131 (84,7 % ) überhaupt kein Blut im Stuhl und 105 von 131 (80,2 % ) zeigten keine erhöhte Stuhlfrequenz. Die einzigen schweren unerwünschten Ereignisse, die bei mehr als zwei Patienten auftraten, waren Flares der Colitis sowie Anämie. Anstiege der Trans­aminasen auf mehr als das Dreifache des Normalwertes traten bei vier (2,4 % ) der 170 Patienten auf, verliefen asymptomatisch und nahmen unter weitergeführter Therapie wieder ab.<sup>6</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Jørgensen K et al: Late-breaking Abstract 015, präsentiert im Rahmen der UEGW 2016 in Wien <strong>2</strong> Peyrin-Biroulet L et al: UEGW 2016, Abstract OP008 <strong>3</strong> Visvanathan S et al: UEGW 2016, Abstract OP103 <strong>4</strong> D’Haens GR et al: UEGW 2016, Abstract OP106 <strong>5</strong> Sandborn WJ et al: N Engl J Med 2016; 374(18): 1754-62 <strong>6</strong> Sandborn WJ et al: UEGW 2016, Abstract OP108</p>
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