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United European Gastroenterology (UEG) Week 2016, 15.–19. Oktober, Wien

Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Was gibt es Neues?

<p class="article-intro">Wie alle Autoimmunerkrankungen werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen mit immunmodulatorischen Therapien behandelt. Die sprunghaften Entwicklungen im Verständnis des Immunsystems eröffnen hier neue Möglichkeiten. Zahlreiche neue Biologika und „small molecules“ befinden sich derzeit in klinischen Studien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1604_Weblinks_seite29.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>NOR-SWITCH: neue Daten Infliximab-Biosimilar</h2> <p>Biologika haben bei Autoimmunerkrankungen v&ouml;llig neue Therapieoptionen er&ouml;ffnet. Allerdings sind diese gezielt in das Immunsystem eingreifenden, biologisch hergestellten Medikamente teuer. Mit Ablauf des Patentschutzes d&uuml;rfen allerdings auch Biologika &bdquo;nachgebaut&ldquo; werden. Was sich angesichts ihres komplexen Aufbaus und der Produktionsverfahren als schwierig erweist. Genaue Kopien eines Biologikums k&ouml;nnen nicht hergestellt werden, man spricht daher nicht von Generika, sondern von Biosimilars. <br />Evidenz f&uuml;r die Gleichwertigkeit von Biosimilars sollte die randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Phase-IV-Studie NOR-SWITCH bringen, in deren Rahmen Patienten von Remicade&reg; (Infliximab-Originatorprodukt) auf Inflectra&reg; (Infliximab-Biosimilar) umgestellt worden waren. Die Studie wurde ohne finanzielle Unterst&uuml;tzung durch die pharmazeutische Industrie durchgef&uuml;hrt und ihre Ergebnisse wurden in Fachkreisen mit Spannung erwartet, ihre Interpretation wird aktuell jedoch kontrovers diskutiert (siehe Interviews auf den Seiten 31 und 34). <br />In NOR-SWITCH eingeschlossen wurden 481 Patienten mit rheumatoider Arthritis, Spondyloarthritis, Psoriasisarthritis, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder chronischer Plaque-Psoriasis, die unter Therapie mit Remicade&reg; &uuml;ber mindestens sechs Monate stabil waren. Die im Rahmen der UEGW 2016 pr&auml;sentierten Daten sprechen f&uuml;r eine Nichtunterlegenheit des Biosimilars im Vergleich zum Originator 52 Wochen nach Umstellung auf Remsima&reg;.<sup>1</sup> Prim&auml;rer Endpunkt war Krankheitsverschlechterung, definiert durch den jeweils eingesetzten Score oder die &uuml;bereinstimmende Wahrnehmung von Patient und Arzt, sofern sie zu einer Ver&auml;nderung der Therapie f&uuml;hrte. Krankheitsverschlechterung trat bei 53 (26,2 % ) Patienten im Remicade&reg;-Arm und 61 (29,6 % ) Patienten im Remsima&reg;-Arm ein. Die Differenz blieb innerhalb des pr&auml;spezifizierten Intervalls f&uuml;r Nichtunterlegenheit. Auch hinsichtlich des Auftretens von Antik&ouml;rpern gegen das Biosimilar sowie von Nebenwirkungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet. Angesichrs dieser Studienergebnissen k&ouml;nnten Verschreiber in Zukunft noch st&auml;rker dazu aufgefordert sein, kostenbewusster zu agieren.</p> <h2>Suboptimale Langzeitergebnisse mit Anti-TNF-Therapien</h2> <p>Leider zeigen sowohl die klinischen Studien als auch die t&auml;gliche Erfahrung, dass nicht alle Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) oder Morbus Crohn (MC) auf Anti-TNF-Therapien ansprechen bzw. dass deren Wirkung nach initialem Ansprechen wieder verloren geht. Die Wirksamkeit der Anti-TNF-Therapien unter Real-Life-Bedingungen wurde im Rahmen einer Studie untersucht, die Patienten unter Therapie mit Infliximab oder Adalimumab in sechs L&auml;ndern &uuml;ber mehrere Jahre hinweg eingeschlossen hatte.<sup>2</sup> Als Therapieversagen wurde Hospitalisierung oder chirurgische Therapie wegen IBD ebenso gewertet wie ein Abbruch der Therapie wegen eines Flares, Verschlechterung nach Therapiebeginn oder Erfordernis einer Augmentation mit Steroiden. Die langfristigen Erfolge mit den TNF-Therapien waren schlecht. Insgesamt zeigten 70,8 % der Patienten prim&auml;res oder sekund&auml;res Therapieversagen (22 % waren prim&auml;re Non-Responder). Ebenfalls erhoben wurden Pr&auml;diktoren f&uuml;r Ansprechen oder Nichtansprechen. Bei den Patienten mit Colitis ulcerosa erwiesen sich rektale Blutungen als Pr&auml;diktor f&uuml;r ein Ansprechen auf die Therapie. Im Gegensatz dazu waren schwerere endo&shy;skopische Befunde mit schlechterem Ansprechen assoziiert. Da rektale Blu&shy;tungen aktive Erkrankung anzeigen, schlie&szlig;en die Autoren daraus, dass bei diesem Zustand Anti-TNF-Biologika offenbar am wirksamsten sind. Beim Morbus Crohn erwies sich eine schwerere Erkrankung, die sich in h&ouml;herem CRP und einer gr&ouml;&szlig;eren Zahl fl&uuml;ssiger oder weicher Stuhlg&auml;nge &auml;u&szlig;erte, als Pr&auml;diktor f&uuml;r schlechtes Ansprechen.</p> <h2>Interleukin 23 auch bei IBD von Bedeutung</h2> <p>Alternativen werden daher dringend gesucht. Der IL-23 Pathway spielt nach aktuellem Forschungsstand eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen und erweist sich zunehmend als neuer Hoffnungstr&auml;ger in deren Therapie. Ein neuer Kandidat f&uuml;r die Therapie der entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen ist Risankizumab, ein humanisierter, monoklonaler Antik&ouml;rper, der an die p19 Subunit von IL-23 bindet und dieses daher an der Bindung an den Rezeptor hindert. Risankizumab hat sich bislang in einer Phase-II-Studie im Vergleich zu Placebo als wirksam in der Behandlung des Morbus Crohn erwiesen. Unter Risankizumab kam es &uuml;ber 12 Wochen signifikant h&auml;ufiger zu klinischen und endoskopischen Remissionen. In einer Substudie wurde anhand von Biopsien aus den entz&uuml;ndlichen L&auml;sionen in Ileum und Kolon die Wirkung des Biologikums auf das molekulare Profil der Darmschleimhaut untersucht.<sup>3</sup> Die Auswertung ergab nach 12 Wochen im Vergleich zum Beginn der Studie eine Reduktion der Aktivit&auml;t von 1.146 Genen. Der Effekt war besonders deutlich bei Genen, die in Verbindung mit dem IL-23-Signalweg, der angeborenen Immunantwort, dem Gewebe-Turn-over und der Familie der SLC-Transporter stehen. Deutliche Ver&auml;nderungen der Gen&shy;expression waren mit CDEIS-Ansprechen und Remission verkn&uuml;pft. Im Gegensatz zum Kolon waren in den Proben aus dem Ileum keine vergleichbaren Ver&auml;nderungen des molekularen Profils nachweisbar. Die Autoren betonen, dass das molekulare Profil in der Darmschleimhaut auf Risankizumab in einer Weise reagiert, die sich von den Ver&auml;nderungen unter Anti-TNF-Therapie unterscheidet.</p> <h2>Neue Daten f&uuml;r Januskinase-Inhibitoren</h2> <p>Ebenfalls in der Therapie der chronisch-entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen untersucht werden die seit einiger Zeit bei rheumatoider Arthritis eingesetzten Janus&shy;ki&shy;na&shy;se&shy;(JAK)-Inhibitoren. F&uuml;r den JAK-Inhibi&shy;tor Tofacitinib wurde in den beiden randomisierten Phase-III-Studien OCTAVE 1 und OCTAVE 2 Wirksamkeit in der Induktionstherapie der Colitis ulcerosa nachgewiesen. In einer nun pr&auml;sentierten gepoolten Analyse dieser Studien wurden die Einfl&uuml;sse einer Vortherapie mit einem TNF-Inhibitor sowie der Krankheitsaktivit&auml;t auf die Wirksamkeit von Tofacitinib untersucht.<sup>4</sup> Der JAK-Inhibitor erwies sich dabei im Vergleich zu Placebo unabh&auml;ngig von Vortherapie oder Schwere der Erkrankung als &uuml;berlegen im Hinblick auf s&auml;mtliche untersuchten Endpunkte. Klinisches Ansprechen, Remission und Schleimhautheilung waren alle in der Tofacitinib-Gruppe h&auml;ufiger &ndash; und zwar unabh&auml;ngig von Anti-TNF-Vortherapie, Anti-TNF-Versagen oder Ursache des Anti-TNF-Versagens. Patienten mit sekund&auml;rem Anti-TNF-Versagen sprachen besser auf Tofacitinib an als prim&auml;re Anti-TNF-Versager.</p> <h2>Neue Wirkmechanismen in klinischen Studien</h2> <p>Einen neuen Ansatz in der Therapie von entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen verspricht der in klinischer Entwicklung befindliche orale Immunmodulator Ozanimod, ein Agonist an den Subtypen 1 und 5 des Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptors. Ozanimod h&auml;lt Lymphozyten in den Lymphknoten zur&uuml;ck und soll auf diesem Wege eine klinische Besserung bei Autoimmunerkrankungen bewirken. In der Phase-II-Studie TOUCHSTONE mit 197 CU-Patienten erwies sich Ozanimod in den Dosierungen 0,5mg und 1mg im Vergleich zu Placebo hinsichtlich des prim&auml;ren Endpunkts klinische Remission als numerisch, jedoch nicht signifikant &uuml;berlegen.<sup>5</sup> Signifikante und deutliche &Uuml;berlegenheit wurde jedoch hinsichtlich sekund&auml;rer Endpunkte wie der klinischen Verbesserung oder rektaler Blutungen erreicht. TOUCHSTONE wurde in einer offenen Verl&auml;ngerungsstudie weitergef&uuml;hrt, in deren Rahmen alle Patienten auf 1mg Ozanimod umgestellt wurden. Unter dieser Therapie kam es in allen Gruppen &uuml;ber 44 Wochen zu Verbesserungen im partiellen Mayo-Score (pMS), die jedoch bei den Patienten, die davor in der Placebogruppe gewesen waren, am deutlichsten ausfielen. Insgesamt ging es den Patienten gut. Nach 44 Wochen zeigten 119 von 131 (90,9 % ) Patienten nach Physician Global Assessment keine oder nur geringe Krankheitsaktivit&auml;t (PGA 0 oder 1), 129 von 131 (98,4 % ) hatten wenig oder kein Blut im Stuhl, 111 von 131 (84,7 % ) &uuml;berhaupt kein Blut im Stuhl und 105 von 131 (80,2 % ) zeigten keine erh&ouml;hte Stuhlfrequenz. Die einzigen schweren unerw&uuml;nschten Ereignisse, die bei mehr als zwei Patienten auftraten, waren Flares der Colitis sowie An&auml;mie. Anstiege der Trans&shy;aminasen auf mehr als das Dreifache des Normalwertes traten bei vier (2,4 % ) der 170 Patienten auf, verliefen asymptomatisch und nahmen unter weitergef&uuml;hrter Therapie wieder ab.<sup>6</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> J&oslash;rgensen K et al: Late-breaking Abstract 015, pr&auml;sentiert im Rahmen der UEGW 2016 in Wien <strong>2</strong> Peyrin-Biroulet L et al: UEGW 2016, Abstract OP008 <strong>3</strong> Visvanathan S et al: UEGW 2016, Abstract OP103 <strong>4</strong> D&rsquo;Haens GR et al: UEGW 2016, Abstract OP106 <strong>5</strong> Sandborn WJ et al: N Engl J Med 2016; 374(18): 1754-62 <strong>6</strong> Sandborn WJ et al: UEGW 2016, Abstract OP108</p> </div> </p>
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