
©
Getty Images/iStockphoto
«Wie schwanger!» – Blähungen, Blähbauch und Flatulenz
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Martin Wilhelmi
FMH Gastroenterologie und Innere Medizin, Central-Praxis Gastroenterologie, Zürich<br>E-Mail: martin.wilhelmi@bluewin.ch
30
Min. Lesezeit
06.07.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Blähungen und damit verbundene Beschwerden wie ein geblähter Bauch sind die von Reizdarmpatienten und Patienten allgemein am häufigsten geäusserten gastrointestinalen Beschwerden, deren Hauptursachen Motilitätsstörungen und eine viszerale Hypersensitivität sind. Neben allgemeinen Verhaltensregeln und medikamentösen Therapieansätzen steht nun ernährungsmedizinisch eine evidenzbasierte Therapie zur Verfügung: Auf eine Reduktion FODMAP-haltiger Lebensmittel sprechen bis zu 75 % all dieser Patienten an.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Blähungen und abdominelle Distension sind das am häufigsten geäusserte gastrointestinale Symptom bei Reizdarmpatienten und in der Allgemeinbevölkerung.</li> <li>Die Gasmenge ist meist nicht erhöht, vielmehr spielt ein Transportproblem von Gas eine Rolle sowie bei Reizdarmpatienten die viszerale Hypersensitivität.</li> <li>Abklärungen sollten v.a. bei Alarmsymptomen und Hinweisen auf eine Malabsorption erfolgen.</li> <li>Die Beeinflussung der Motilität, des Mikrobioms und der viszeralen Hypersensitivität kann zur Therapie eingesetzt werden; die Reduktion von FODMAP stellt derzeit jedoch die effektivste Therapie dar.</li> </ul> </div> <h2>Blähungen und abdominelle Distension</h2> <p>«Ich fühle mich wie schwanger!», das ist eine häufige Aussage vieler Patienten mit Reizdarmbeschwerden, die unter Blähungen und einem aufgeblähten Bauch leiden. Unwohlsein, Schmerzen, «peinliche» Geräusche der Verdauung, Kleidung, die vor allem am Abend nicht mehr passt, aber auch Bauchschmerzen sind häufig beklagte Beschwerden. «Blähungen» sind abdominelle Druckgefühle, welche mit dem Verdauungssystem und vor allem Darmgas in Verbindung gebracht werden. Als subjektiv wahrgenommenes «Völlegefühl», «Schweregefühl», «Druckgefühl» oder einfach Unwohlsein sind diese Beschwerden schwierig zu messen bzw. zu objektivieren. Es gibt daher auch nur wenige Studien mit dem Endpunkt «Blähungen». Die Hälfte der Patienten mit Blähungen beschreibt zusätzlich eine abdomi- nelle Distension: einen «Blähbauch». Blähungen und abdominelle Distension werden von bis zu 96 % der Reizdarmpatienten (IBS) und 20–30 % der Durchschnittsbevölkerung beklagt.<sup>1, 2 </sup>Die meisten der Patienten nehmen diese Beschwerden als sehr stark wahr und über 50 % berichten von einer deutlichen Einschränkung ihrer Lebensqualität hierdurch.<sup>3</sup> Für Reizdarmpatienten sind Blähungen häufig das stärkste Symptom. Abdominelle Distension tritt häufiger bei Obstipation oder einer Beckenbodendysfunktion auf<sup>3, 4</sup> und die Umfangszunahme beträgt in plethysmografischen Studien bis zu 12cm. Bei bis zu 50 % der Patienten mit diesen Beschwerden treffen die Diagnosekriterien für ein Reizdarmsyndrom (Rom-IV-Kriterien) jedoch nicht zu. Nach den Rom-IV-Kriterien können «funktionelle Blähungen» von anderen Gründen für eine abdominelle Distension durch das tageszeitliche Auftreten unterschieden werden.<sup>5</sup> Wenigstens über drei Monate müssen wiederholt Blähungen oder abdominelle Distension mindestens einen Tag pro Woche auftreten, wobei Blähungen und ein Blähbauch alle anderen Symptome überwiegen. Die Kriterien zur Diagnose eines Reizdarmsyndroms (IBS), funktioneller Obstipation oder funktioneller Diarrhö dürfen nicht erfüllt sein.<sup>6</sup> Bei einem Gewichtsverlust, Diarrhö, Mangel von Mikronährstoffen oder blutigen Stühlen müssen immer andere Differenzialdiagnosen diskutiert werden.</p> <h2>Intestinale Gasbildung</h2> <p>Der Pathomechanismus, welcher Blä- hungen und einem Blähbauch zugrunde liegt, ist nur unvollständig aufgeklärt und wahrscheinlich multifaktoriell. Gasbildung im Magen-Darm-Trakt ist ein natürlicher Prozess. Darmgas ist ein Gemisch verschiedener Gase. Die gaschromatografisch bestimmbare Gaszusammensetzung schwankt individuell sehr stark. Den grössten Anteil (bis über 90 % ) macht dabei Stickstoff (N<sub>2</sub>) aus. Der Rest setzt sich aus Wasserstoff (H<sub>2</sub>), Kohlendioxid (CO<sub>2</sub>), Sauerstoff (O<sub>2</sub>), Methan (CH<sub>4</sub>) und Spurengasen zusammen. Bei Letzteren handelt es sich um Sulfide (Hydrogensulfid, Dimethylsulfid), Indole und Skatole, Ammoniak und kurzkettige Fettsäuren, die auch hauptverantwortlich für den häufig schlechten Geruch sind.<sup>7</sup> Die Zusammensetzung variiert in verschiedenen Teilen des GI-Traktes: Finden sich im Magen noch hohe Konzentrationen von N<sub>2</sub> und O<sub>2</sub>, überwiegt im Darm Methan (CH<sub>4</sub>). Durchschnittlich finden sich 50–200ml Gas im Magen-Darm-Trakt. Die tägliche Ausscheidung über den Enddarm beläuft sich auf 600ml, kann aber nahrungsbedingt, besonders nach Verzehr von FODMAP-haltigen Lebensmitteln, sehr stark variieren (500–1500ml/Tag).<sup>8</sup> Darmgas verlässt das Rektum bei gesunden Probanden 10–20-mal/Tag.<sup>9</sup> Die meisten Patienten, welche über exzessive Flatulenz klagen, liegen ebenfalls bei dieser Frequenz. Schlechter Geruch von Darmgas ist fast nie mit schweren Erkrankungen assoziiert.<br />Geschluckte Luft (Aerophagie) ist die Hauptquelle für Gas im Magen. Mehrere Milliliter Luft, vor allem N<sub>2</sub>, werden mit jedem normalen Schluckakt aufgenommen. Grössere Mengen werden beim Schlucken von Nahrung aufgenommen. Rauchen und Kaugummikauen kann diese Menge erhöhen, ebenso das Vorliegen einer Angststörung. Ein grosser Teil dieser Gase entweicht über den Ösophagus. Refluxoperationen (z.B. «Nissen fundoplication») können bei zu enger Manschette zur Unfähigkeit führen, Luft nach oral zu evakuieren, und somit Blähungen hervorrufen.<sup>10</sup><br />Intestinales Gas entsteht weiterhin auch endogen durch Vergärung (Fermentation) von Darminhalt durch Bakterien. Vor allem schlecht resp. nicht absorbierbare oder nicht gespaltene Kohlenhydrate, wie z.B. Laktulose, erzeugen auch bei gesunden Probanden Blähungen und einen Blähbauch, da sie unverdaut durch den Dünndarm in das Kolon gelangen und dort vergoren werden. Die Gasbildung führt zur Distension des Dünn- und des Dickdarms. Die Zusammensetzung des Mikrobioms spielt hierbei eine Rolle: Veränderungen im Mikrobiom von Reizdarmpatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollgruppen führen zu Veränderungen in der Vergärung im Kolon.<sup>11</sup> Unterstützt wird diese Beobachtung durch die Tatsache, dass Reizdarmpatienten einen niedrigeren pH-Wert im Bereich des Zökums haben, am ehesten bedingt durch die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, welche durch bakterielle Fermentation entstehen.<sup>12</sup> Zudem hat sich gezeigt, dass Patienten mit schweren Blähungen häufig eine Besserung unter antibiotischer Therapie erfahren.<sup>13</sup><br />Trotz dieser in sich stimmigen Beobachtungen kann kein Beweis dafür erbracht werden, dass die Gasproduktion bei Patienten mit Blähungen erhöht ist – Studien mit Argongas und Computertomografien haben keinen Unterschied in der Gasmenge in solchen Patientengruppen zu jener in gesunden Kontrollgruppen gefunden.<sup>13</sup> Es müssen daher noch andere Faktoren eine Rolle spielen.</p> <h2>Transportstörungen</h2> <p>Wahrscheinlich spielen bei der Entstehung von Blähungen der Transport und die Ausscheidung von intestinalem Gas die grössere Rolle: Es konnte klar eine Verlängerung der Kolontransitzeit bei Patienten mit Blähungen gezeigt werden.<sup>14</sup> Auch der positive Effekt bei Einsatz von Prokinetika deutet hierauf hin. Weiterhin kann Gas im proximalen GI-Trakt (v.a. im Dünndarm) wahrscheinlich aufgrund veränderter Modulation schlechter evakuiert werden.<sup>15</sup> Die Distension des Dünndarms ist ein Hauptgrund für Blähungen. Kurzkettige Kohlenhydrate, wie z.B. Fruktose oder Mannitol, erhöhen durch ihren osmotischen Effekt die Wassermenge im Lumen des Dünndarms, was bei IBS-Patienten zu Blähungen führen kann. Dieser Effekt ist auch nachweisbar, ohne dass eine Malabsorption vorliegt.<sup>16</sup> Weiterhin berichten bis zu 80 % der Patienten mit Obstipation über Blähungen. Einerseits führt hierbei wahrscheinlich der mechanische, dilatierende Effekt der harten Stuhlwalze im Darm zu Beschwerden, welche Blähungen ähneln, andererseits kann die Stase im Kolon zu einer erhöhten Rate von Vergärung durch Bakterien und damit Gasproduktion führen. Zuletzt wirkt die veränderte Motilität negativ auf den intraluminalen Gastransport.</p> <h2>Viszerale Hypersensitivität</h2> <p>Die viszerale Hypersensitivität ist ein Hauptkriterium in der Pathogenese von Reizdarmbeschwerden.<sup>17</sup> Dadurch ist zu erklären, warum Patienten gastrointestinale Symptome beschreiben, ohne dass signifikante physiologische Veränderungen messbar sind. Es lässt sich bei Reizdarmpatienten meist eine erniedrigte Schmerzschwelle für eine Distension im Rektum nachweisen, aber auch eine erhöhte Schmerzschwelle bei Patienten mit Obstipation (IBS-C) ist nachweisbar.<sup>18</sup> Bei Letzteren liegen in bis zu 90 % ein Blähbauch und Blähungen vor.<sup>19</sup> Bei einer erniedrigten Reizschwelle und eher Diarrhö-dominanten Beschwerden (IBS-D) finden sich gehäuft Blähungen, jedoch ohne eine abdominelle Distension. Produkte der Vergärung, wie z.B. kurzkettige Fettsäuren, führen wahrscheinlich über eine Modulation der viszeralen Hypersensitivität zu Beschwerden. Variationen der viszeralen Sensibilität während des Menstruationszyklus erklären die verstärkten Blähungen in der perimenstruellen Phase.<sup>20</sup> Psychologische Faktoren wie Stress und Angststörungen können durch die Verbindung im Rahmen der Darm-Hirn-Achse ebenfalls die Schwelle für viszerale Schmerzen senken. Trotzdem erklärt die viszerale Hypersensitivität nicht vollständig die Beschwerden, da ein Drittel aller Betroffenen in Barostat- Versuchen normale viszerale Sensitivität zeigt.<sup>21</sup></p> <h2>Muskuläre Reaktionen</h2> <p>Elektromyografische Tests haben ergeben, dass die Reflexe der abdominellen und diaphragmatischen Muskeln bei Patienten mit Blähungen und Blähbauch verändert sind. Bei Gasbelastung des GI-Traktes zeigten Patienten mit Blähungen eine paradoxe Kontraktion des Zwerchfells und Entspannung der unteren Bauchmuskulatur, bei gesunden Probanden war dies genau umgekehrt.<sup>22, 23</sup> Die Ursache hierfür bleibt unklar. Auch eine Veränderung in den Reflexen der Beckenbodenmuskulatur wird mit Blähungen in Zusammenhang gebracht.</p> <h2>Abklärungen/Diagnostik</h2> <p>Da – trotz oft hohen Leidensdruckes – meistens keine organischen Ursachen nachgewiesen werden können, sollten teure und aufwendige Tests in der Regel vermieden werden. Bei Alarmsymptomen wie Gewichtsverlust, Blutungen, Fieber, nächtlichen Symptomen sowie verändertem Stuhlverhalten bei über 50-Jährigen sollte jedoch immer eine endoskopische Abklärung (Koloskopie, Gastroskopie) durchgeführt werden. Einige organische Erkrankungen können Blähungen hervorrufen und sollten in die Differenzialdiagnose einbezogen werden (Tab. 1). Bei jungen Patienten ohne Alarmsymptome ist die Durchführung einer Zöliakieserologie empfohlen,<sup>24</sup> insbesondere bei positiver Familienanamnese. Malabsorptionsparameter (u.a. Ferritin, Vitamin B12), TSH, Blutbild, CRP sind hilfreiche Laborparameter. Stuhltests auf Calprotectin und Parasiten (Giardia lamblia, Würmer) sind empfohlen. Patientinnen sollten zusätzlich eine gynäkologische Untersuchung durchführen lassen. Wasserstoff- und Methan- Atemtests zur Diagnose von Intoleranzen, wie z.B. einer Laktose- oder Fruktoseintoleranz, oder einer bakteriellen Überwucherung (SIBO) können hilfreich sein, sind jedoch nicht zwingend. Ein anamnestisches Screening auf psychologische Risikofaktoren ist immer empfohlen. Einen möglichen Abklärungsalgorhithmus zeigt Abbildung 1.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s26.jpg" alt="" width="1421" height="2794" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Behandlung möglicher zugrunde liegender Erkrankungen ist sicher der wichtigste erste Schritt der Therapie. Ganz allgemein kann auch eine Verhaltenskorrektur empfohlen werden, wie z.B. langsam zu essen, keine Kaugummis und Bonbons zu verzehren, nicht zu rauchen, keine kohlensäurehaltigen Getränke zu konsumieren u.a. Eine eventuell bestehende Obstipationstendenz sollte korrigiert werden, allenfalls auch medikamentös.</p> <h2>Diät – FODMAP</h2> <p>Die effektivste Therapie von Blähungen stellt derzeit die Reduktion sogenannter FODMAP in der Ernährung dar. Das Akronym «FODMAP» steht für «fermentable oligosaccharides, disaccharides, monosaccharides, and polyols», einen Begriff, unter dem Kohlenhydratsubtypen mit gleichen Eigenschaften vereint sind. Es handelt sich um kurzkettige Kohlenhydrate, welche schlecht absorbiert werden und daher in den unteren Abschnitten des Dünndarms und im Kolon von Bakterien fermentiert werden.<sup>25</sup> Hierbei entsteht vermehrt Darmgas wie H<sub>2</sub>, CH<sub>4</sub> und CO<sub>2</sub>. Es handelt sich ausserdem um kleine Moleküle, welche osmotisch aktiv sind und so den Wassergehalt im Darm erhöhen. Hierdurch können Motilitätsveränderungen, Distension des Darmlumens und Diarrhö auftreten. Neben Fruktooligosacchariden (Fruktane), Galaktooligosacchariden, Laktose, Fruktose und Sorbitol gehört auch Mannitol zu dieser Gruppe (Tab. 2). Vor allem Fruktane führen zur Gasentstehung, da sie fast vollständig zu den Bakterien im Dickdarm gelangen und dort fermentiert werden.<sup>16</sup> Fruktose und Polyole (z.B. Sorbitol und Mannitol) werden langsam und zum Teil im Dünndarm aufgenommen und führen hierbei zu einem Flüssigkeitsinflux in den Darm und häufig zu Diarrhö.<sup>16</sup> Die einzelnen FODMAP, wie z.B. Laktose, werden schon lange als Auslöser für Reizdarmbeschwerden angesehen. Auch Fruktose wurde schon früh als Auslöser von Beschwerden erkannt, die Reduktion von Fruktose bei IBS-Patienten führte häufig zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden.<sup>26</sup> Additive Effekte auf Blähungen wurden für die Kombination von Fruktose und Fruktanen beschrieben. Durch die Gruppierung all dieser Substanzen zu FODMAP und die systematische Reduktion dieser Lebensmittel bei IBS-Patienten konnte eine bei mindestens 75 % der Patienten wirksame Therapie etabliert werden.<sup>27–29</sup> Eine Reduktion von Blähungen kann mit dieser Diät in bis zu 82 % der Fälle erzielt werden, sie stellt somit die derzeit beste Therapie von Blähungen dar. Eine FODMAP-Reduktion sollte in der Regel mithilfe eines erfahrenen Ernährungsberaters durchgeführt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s27.jpg" alt="" width="1441" height="840" /></p> <h2>Medikamente</h2> <p>Laxativa<br />Da bei Patienten mit Blähungen eine hohe Prävalenz von Obstipation (IBS-C) besteht, sollte hier eine Therapie auf jeden Fall durchgeführt werden. Eine Therapie der Obstipation beschleunigt meist die Kolontransitzeit und kann so Blähungen und einen Blähbauch bessern. Quellmittel und osmotische Laxativa (z.B. Movicol) sind hierbei jedoch häufig kontraproduktiv, da sie vermehrt Wasser im Darm halten und zur Fermentation durch Bakterien führen können. Prosekretorische und motilitätsfördernde Laxativa, wie z.B. Linaclotid (Constella), Prucaloprid (Resolor) und Lubiproston (Amitizia), sind wahrscheinlich die günstigere Wahl in der Behandlung des IBS-C mit Blähungen. Für die Behandlung von Blähungen ohne Obstipation sind diese Substanzen jedoch noch nicht evaluiert.<br />Antibiotika<br />Das Mikrobiom spielt eine grosse Rolle in der Pathophysiologie von IBS. Eine Hauptquelle von intestinalem Gas ist die Fermentierung von Kohlenhydraten durch Bakterien. Es wird daher postuliert, dass eine «Dysbiose» zur Dysfunktion des Darmes (u.a.epithelial, immunologisch) und zur vermehrten Gasbildung führen kann. Antibiotika werden daher als Therapieoption diskutiert.<br />Rifaximin (Xifaxan) ist ein kaum resorbiertes Antibiotikum, zu welchem gute Evidenz für die Behandlung von Reizdarmbeschwerden und Blähungen vorliegt.<sup>30</sup> Nebenwirkungen und Resistenzentwicklung sind gering. Insbesondere Patienten, bei denen eine bakterielle Überwucherung (SIBO) vermutet wird, sprechen auf dieses Medikament häufig an. Auch Neomycin zeigt ähnliche Wirkungen, jedoch auch häufiger Nebenwirkungen (z.B. Ototoxizität). Metronidazol ist in einigen Studien ebenso wirksam.<br />Probiotika<br />Die Studienlage zum Einsatz von Probiotika bei Blähungen ist nicht konklusiv. Bifidobacterium infantis 35624 zeigte in einem systematischen Review eine günstige Wirkung auf Blähungen.<sup>31</sup> Bifidobacterium lactis sowie VSL#3 (enthält Laktobazillen, Bifidobakterien und Streptococcus salivarius) zeigten geringfügig positive Effekte auf Blähungen.<sup>32, 33</sup><br />Antidepressiva<br />Für die Therapie des Reizdarmsyndroms wird der Einsatz von Antidepressiva empfohlen. Vor allem selektive Serotonin-Rezeptor-Inhibitoren (SSRI) werden noch vor trizyklischen Antidepressiva (TCA) empfohlen. Studien zeigen eine Verbesserung der Lebensqualität, eine Wirkung auf Blähungen und Blähbauch konnte jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden.<sup>34</sup></p> <h2>Verhaltenstherapie undpsychologische Therapie</h2> <p>Interaktionen zwischen enterischem Nervensystem und Psyche sind in der Pathogenese von Reizdarmbeschwerden gut bewiesen («Darm-Hirn-Achse»). Dennoch ist die Wirksamkeit nur weniger psychologischer und verhaltenstherapeutischer Therapieansätze durch Studien belegt. Die medizinische Hypnose zeigte in einigen Studien eine deutliche Reduktion von Beschwerden durch Blähungen mit einer Langzeitwirkung;<sup>35</sup> sie wird daher aktuell empfohlen, wenn andere Therapieformen versagen. Mit einer Kombination der Hypnosetherapie und der FODMAP-Diät konnte jedoch keine weitere Verbesserung der Symptome erreicht werden. Auch die kognitive Verhaltenstherapie konnte diesbezüglich keine klare Verbesserung der Beschwerden erzielen.</p> <h2>Biofeedback und Neuromodulation</h2> <p>Anorektale Biofeedback-Techniken zur Entspannung zeigten in kleinen Studien bei bis zu 70 % der Patienten eine Reduktion von Blähungen sowie Obstipation. Diese Effekte hielten bis zu 12 Monate an.<sup>36</sup> Bei schwerer Obstipation hat sich die Neuromodulation durch die Stimulation von Sakralnerven als wirksam erwiesen. Auch die Frequenz von Blähungen geht unter dieser Therapie bei IBS-C-Patienten deutlich zurück. Trotzdem ist diese Therapie derzeit noch nicht indiziert zur Behandlung von Blähungen als alleiniges Symptom.</p> <h2>Alternative Therapien</h2> <p>Simeticon (Flatulex) und medizinische Kohle werden gegen Blähungen häufig eingesetzt, obgleich es keine Evidenz für die Wirksamkeit dieser Substanzen bei diesen Beschwerden gibt. Eine Kombination aus Loperamid und Simeticon kann jedoch Blähungen lindern.<sup>37</sup> Versuchsweise kann diese Kombination eingesetzt werden. STW 5 (Iberogast) ist eine Mischung mehrerer pflanzlicher Extrakte und hat in Metaanalysen eine deutlich höhere Wirksamkeit als Placebo gezeigt.<sup>38</sup> Ein Therapieversuch mit STW 5 ist daher gerechtfertigt. Ausserdem haben Extrakte der Kiwifrucht in einigen Studien Wirksamkeit bei Obstipation und Blähungen gezeigt.<sup>39</sup> Der Genuss von Kiwis kann daher empfohlen werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Blähungen und ein Blähbauch sind die am häufigsten beklagten gastrointestinalen Beschwerden bei Patienten mit und Patienten ohne Reizdarmerkrankung (IBS). Mit einer Ernährungsumstellung durch Reduktion FODMAP-haltiger Lebensmittel kann bei bis zu 75 % der Patienten eine deutliche Beschwerdebesserung erreicht werden. Die Low-FODMAP-Diät ist daher als Erstlinientherapie von Reizdarmbeschwerden bei Patienten, die einer Ernährungsumstellung zustimmen, zu diskutieren.<sup>40</sup></p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Talley NJ et al: Identification of distinct upper and lower gastrointestinal symptom groupings in an urban population. Gut 1998; 42(5): 690-695 <strong>2</strong> Tuteja AK et al: Abdominal bloating in employed adults: prevalence, risk factors, and association with other bowel disorders. Am J Gas- troenterol 2008; 103(5): 1241-1248 <strong>3</strong> Sandler RS et al: Abdominal pain, bloating, and diarrhea in the United States: prevalence and impact. Dig Dis Sci 2000; 45(6): 1166-1171 <strong>4 </strong>Chang L et al: Sensation of bloating and visible abdominal distension in patients with irritable bowel syndrome. Am J Gastroenterol 2001; 96(12): 3341-3347 <strong>5</strong> Tack J et al: Functional gastroduodenal disorders. Gastroenterology 2006; 130: 1466 <strong>6</strong> Mearin F et al: Bowel Disorders. Gas- troenterology 2016; pii: S0016-5085(16)00222-5. doi: 10.1053/j.gastro.2016.02.031. [Epub ahead of print] <strong>7</strong> Clearfield HR: Clinical intestinal gas syndromes. Prim Care 1996; 23: 621-8 <strong>8</strong> Tomlin J et al: Investigation of normal flatus production in healthy volunteers. Gut 1991; 32: 665 <strong>9</strong> Olsson S et al: Relationship of gaseous symptoms to intestinal gas production: Symptoms do not equal increased production. Gastroenterology 1995; (108 Suppl): A28 <strong>10</strong> Walls AD, Gonzales JG: The incidence of gas bloat syndrome and dysphagia following fundoplication for hiatus hernia. J R Coll Surg Edinb 1977; 22: 391 <strong>11</strong> Carroll IM et al: Alterations in composition and diversity of the intest- inal microbiota in patients with diarrhea-predominant irritable bowel syndrome. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(6): 521-530 <strong>12</strong> Farmer AD et al: Caecal pH is a biomark- er of excessive colonic fermentation. World J Gastroenterol 2014; 20(17): 5000-5007 <strong>13</strong> Lasser RB et al: The role of intestinal gas in functional abdominal pain. N Engl J Med 1975; 293(11): 524-526 <strong>14</strong> Agrawal A et al: Bloating and distension in irritable bowel syndrome: the role of gastrointestinal transit. Am J Gastroenterol 2009; 104(8): 1998-2004 <strong>15</strong> Salvioli B et al: Impaired small bowel gas propulsion in patients with bloating during intestinal lipid infusion. Am J Gastroenterol 2006; 101(8): 1853-1857<strong>16</strong> Murray K et al: Differential effects of FODMAPs (fermentable oligo-, di-, mono-saccharides and polyols) on small and large intestinal contents in healthy subjects shown by MRI. Am J Gastroenterol 2014; 109(1): 110-119<strong>17</strong> Mertz H et al: Altered rectal perception is a biological marker of patients with irritable bowel syndrome. Gas- troenterology 1995; 109(1): 40-52 <strong>18</strong> Houghton LA, Whorwell PJ: Towards a better understanding of abdominal bloating and distension in functional gastrointestinal disorders. Neurogastroenterol Motil 2005; 17(4): 500-511<strong>19</strong> Harraf F et al: Subtypes of constipation predominant irritable bowel syndrome based on rectal perception. Gut 1998; 43(3): 388-394 <strong>20</strong> Houghton LA et al: The menstrual cycle affects rectal sensitivity in patients with irritable bowel syndrome but not healthy volunteers. Gut 2002; 50(4): 471-474 <strong>21</strong> Houghton LA et al: Visceral sensation and emotion: a study using hypnosis. Gut 2002; 51(5): 701-704 <strong>22</strong> Villoria A et al: Abdominal accommodation: a coordinated adaptation of the abdominal wall to its content. Am J Gastroenterol 2008; 103(11): 2807-2815 <strong>23</strong> Burri E et al: Accommodation of the abdomen to its content: integrat- ed abdomino-thoracic response. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(4): 312-e162 <strong>24</strong> Rubio-Tapia A et al: American College of Gastroenterology: ACG clinical guidelines: diagnosis and management of celiac disease. Am J Gastro- enterol 2013; 108(5): 656-676; quiz 677 <strong>25</strong> Ong DK et al: Manipulation of dietary short chain carbohydrates alters the pattern of gas production and genesis of symptoms in irritable bowel syndrome. J Gastroenterol Hepatol 2010; 25(8): 1366-1373 <strong>26</strong> Johlin FC Jr et al: Dietary fructose intolerance: diet modification can impact self-rated health and symptom control. Nutr Clin Care 2004; 7(3): 92-97<strong>27</strong> Halmos EP et al: A diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology 2014; 146(1): 67-75.e5 <strong>28</strong> Staudacher HM et al: Comparison of symptom response following advice for a diet low in fermentable carbohydrates (FODMAPs) versus standard di-etary advice in patients with irritable bowel syndrome. J Hum Nutr Diet 2011; 24(5): 487-495 <strong>29</strong> de Roest RH et al: The low FODMAP diet improves gastrointestinal symptoms in patients with irritable bowel syndrome: a prospective study. Int J Clin Pract 2013; 67(9): 895-903 <strong>30</strong> Pimentel M et al; TARGET Study Group: Rifaximin therapy for patients with irritable bowel syndrome without constipation. N Engl J Med 2011; 364(1): 22-32 <strong>31</strong> Brenner DM et al: The utility of probiotics in the treatment of irritable bowel syndrome: a systematic review. Am J Gastroenterol 2009; 104(4): 1033-1049; quiz 1050 <strong>32</strong> Agrawal A et al: Clinical trial: the effects of a fermented milk product containing Bifidobacterium lactisDN-173 010 on abdominal distension and gastrointestinal transit in irritable bowel syndrome with constipation. Aliment Pharmacol Ther 2009; 29(1): 104-114 <strong>33</strong> Kim HJ et al: A randomized controlled trial of a probiotic, VSL#3, on gut transit and symptoms in diarrhoea-predominant irritable bowel syndrome. Aliment Pharmacol Ther 2003; 17(7): 895-904 <strong>34</strong> Rahimi R et al: Selective serotonin reuptake inhibitors for the management of irritable bowel syndrome: a meta-analysis of randomized controlled trials. Arch Med Sci 2008; 4(1): 71-76<strong>35</strong> Palsson OS et al: Hypnosis treatment for severe irritable bowel syndrome: investigation of mechanism and effects on symptoms. Dig Dis Sci 2002; 47(11): 2605-2614<strong>36</strong> Wang J et al: Prospective study of biofeedback retrain- ing in patients with chronic idiopathic functional constipation. World J Gastroenterol 2003; 9(9): 2109-2113<strong>37</strong> Hanauer SB et al: Randomized, doubleblind, placebo-controlled clinical trial of loperamide plus simethicone versus loperamide alone and simethicone alone in the treatment of acute diarrhea with gas-related abdominal discomfort. Curr Med Res Opin 2007; 23(5): 1033-1043 <strong>38 </strong>Melzer J et al: Meta-analysis: phytotherapy of func-tional dyspepsia with the herbal drug preparation STW 5 (Iberogast). Aliment Pharmacol Ther 2004; 20(11-12): 1279-1287 <strong>39</strong> Udani JK, Bloom DW: Effects of Kivia powder on gut health in patients with occasional constipation: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Nutr J 2013; 12(1): 78 <strong>40</strong> Gibson PR: The evidence base for efficacy of the low FODMAP diet in irritable bowel syndrome: is it ready for prime time as a first-line therapy? J Gastroenterol Hepatol 2017; 32(Suppl 1): 32-35</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Vorsorgekoloskopie und Polypektomienachsorge
In ihrem Vortrag zum Darmkrebs-Screening in Österreich an der SGG-Jahrestagung 2024 ermöglichte Univ.-Prof. Dr. med. Monika Ferlitsch, Wien, einen Blick über den Tellerrand. Sie zeigte ...
Update im therapeutischen Management der Helicobacter-pylori-Infektion
Die H.-pylori-Infektion ist entscheidender Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Magenkarzinoms. Diese Entwicklung kann durch eine frühzeitige Eradikation von H.pylori verhindert ...
ECCO-Update 2025
Der Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) fand 2025 vom 19. bis 22. Februar in Berlin unter dem Motto «Nachhaltigkeit bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ...