
Neue Entwicklungen in der MR-Bildgebung bei Alzheimerdemenz
Jatros
Autor:
Assoz. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Ropele
Leiter der Forschungseinheit für Bildgebende Neurologische Forschung<br> Universitätsklinik für Neurologie<br> Graz<br> E-Mail: stefan.ropele@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
01.11.2018
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<p class="article-intro">Gerätetechnische und methodische Entwicklungen in der MRT ermöglichen eine detailliertere Erfassung von krankheitsbedingten Gewebeveränderungen. Jüngste Entwicklungen zeigen sogar die prinzipielle Möglichkeit auf, die Amyloid-ß-Ablagerung im Gehirn mittels MRT abzubilden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Hippocampus-Atrophie wird zunehmend als krankheitsspezifischer Bildgebungsmarker akzeptiert. Sequenzen mit höherer Bildauflösung und automatisierte Segmentierungsverfahren unterstützen diese Entwicklung.</li> <li>Neue Ansätze zur direkten Abbildung von Amyloid-beta- Ablagerungen basieren auf der Beobachtung, dass sich Magnetit-ähnliche Eisenkristalle häufig an Amyloid beta anlagern. Eisenansammlungen können mittels neuer suszeptometrischer MRT-Methoden abgebildet werden.</li> <li>Der Diffusionstensor kann mit neuen Beschleunigungstechniken exakter bestimmt werden. Dadurch können mikrostrukturelle Gewebeveränderungen im Marklager sensitiver erfasst werden.</li> </ul> </div> <p>Die Bildgebung des Gehirns ist ein wesentlicher Bestandteil der Basisdiagnostik der Alzheimer-Demenz (AD). Lange Zeit bestand ihre Rolle darin, sekundäre Ursachen einer Demenz wie beispielsweise Hydrozephalus, Tumor, Abszess, oder andere Ursachen auszuschließen. Aktuelle Entwicklungen in der MRT-Forschung versuchen darüber hinaus das Auftreten einer AD zu prognostizieren, aber auch den Krankheitsverlauf der AD pathophysiologisch besser zu verstehen. Diese Entwicklungen sind auch vom Wunsch getrieben, Bildgebungsmarker zum Monitoring einer möglichen Therapie verfügbar zu haben. Als stärkster Bildgebungsmarker hat sich dabei die Volumetrie erwiesen. Diese erfasst die Atrophie und reflektiert somit die neurodegenerative Komponente der AD. Typische Atrophiemuster können oft schon in einem Frühstadium der AD festgestellt werden und betreffen insbesondere den Hippocampus sowie andere mesiotemporale Strukturen. Im Verlauf der Erkrankung kommt es dann auch global zu einer messbar erhöhten Hirnatrophie. Während die globale Atrophie bei normal alternden Personen weniger als 1 % pro Jahr beträgt, erreicht sie bei AD im Schnitt 1,5 bis 2 % .<sup>1</sup> Pathophysiologisch bedingt findet man aber die markanteste Atrophie bei AD im Hippocampus, wo sie im Schnitt 4 % erreicht.<sup>2</sup> Das Ausmaß der Hippocampus-Atrophie lässt sich auch visuell mit einem Score bewerten. Dabei werden koronare MRT-Aufnahmen des Hippocampus und Temporallappens mit Referenzaufnahmen verglichen. Letztendlich hat aber die Verfügbarkeit von automatisierten Segmentiermethoden dazu beigetragen, dass sich die Hippocampus- Atrophie als Marker für Neurodegeneration bei AD etabliert hat.</p> <h2>Hochaufgelöste Bildgebung</h2> <p>Die Atrophiebestimmung basiert üblicherweise auf einem dreidimensionalen, T1-gewichteten Gradientenecho mit 1mm isotroper Bildauflösung. Diese Sequenz wird von unterschiedlichen Herstellern unter den Akronymen MPRAGE, IR-TFE oder „IR prep fast SPGR“ standardmäßig auf ihren Geräten angeboten. Mit dieser Sequenz ist es jedoch nicht möglich, die Teilstrukturen des Hippocampus aufzulösen bzw. bei fortgeschrittener Atrophie das bereits kleine Volumen zuverlässig zu bestimmen. Hier bietet sich die Ultra-Hochfeld- MRT mit Feldstärken von 7 Tesla oder mehr durch ihre inhärent bessere Auflösung an.<sup>3</sup> Allerdings ist Ultra-Hochfeld-MRT durch die stark beschränkte Verfügbarkeit keine klinisch relevante Option. Durch die Kombination einer 3D-Turbospinecho-Sequenz mit Beschleunigungsverfahren und Kippwinkelschemas zur effektiven Ausnutzung von stimulierten Echos steht heute eine Möglichkeit zur Verfügung, mit der auch bei einer Feldstärke von 3 Tesla hochaufgelöste Hirnschnitte erreicht werden können. Bei einer Auflösung von 0,5 x 0,5mm<sup>2</sup> ist es bereits möglich, das Hippocampusvolumen exakter zu bestimmen und seine Teilstrukturen zu segmentieren (Abb. 1). Derzeitige Forschungsaktivitäten haben zum Ziel, verfügbare Algorithmen zu verbessern, um auch die Substrukturen des Hippocampus automatisch zu segmentieren. Dies kann prinzipiell durch Registrierung zu hochaufgelösten anatomischen Atlanten, durch Modellierung der Oberflächenform oder durch maschinelles Lernen anhand von manuell generierten Segmentiervorlagen erreicht werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1805_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="300" height="686" /></p> <h2>Amyloid-Bildgebung</h2> <p>Ablagerungen von Amyloid-beta(Aß)- Peptiden zählen neben den Tau-Proteinen zu den wesentlichen histopathologischen Merkmalen der AD. Diese Ablagerungen sind bereits vor der ersten klinischen Manifestation nachweisbar. Die Positronen- Emissions-Tomografie (PET) bietet derzeit als einziges bildgebendes Verfahren die Möglichkeit an, die Aß-Ablagerungen direkt darzustellen. Dabei kommen primär mit radioaktivem <sup>11</sup>C oder <sup>18</sup>F markierte Amyloidliganden zur Anwendung. Die beschränkte Verfügbarkeit von PET-Scannern, die relativ kurze Halbwertszeit der radioaktiven Marker und die hohen Kosten schränken jedoch die Anwendbarkeit dieser Methode stark ein. Während die MRT im Gegensatz zur PET weit verbreitet ist, besteht aufgrund des Kontrastmechanismus keine Möglichkeit, die Aß-Ablagerungen direkt darzustellen, da diese gleiche Relaxationseigenschaften wie das umliegende Gewebe besitzen. Allerdings konnte in histopathologischen Korrelationsstudien eine häufige Kolokalisation von Aß mit Fe<sup>2+</sup> und Fe<sup>3+</sup> nachgewiesen werden. Die Ursache der Anbindung des Eisens und der Einfluss auf die weitere Plaqueentwicklung sind dabei noch nicht ganz geklärt. Eisen ist paramagnetisch und führt lokal zu einer Änderung der magnetischen Suszeptibilität, also der Magnetisierbarkeit des Hirngewebes. Bei einer entsprechenden Eisenansammlung können diese Suszeptibilitätsänderungen mit der quantitativen Suszeptometrie erfasst und kartiert werden.<sup>4</sup> In einer Korrelationsstudie, bei der Patienten mit AD gleichzeitig mit QSM bei 7 Tesla und mit <sup>11</sup>C-PET untersucht wurden, konnte jüngst gezeigt werden, dass der Eisengehalt im Kortex mit der Aß-Beladung stark korreliert.<sup>5</sup> Diese Studie zeigte klar die prinzipielle Möglichkeit auf, die MRT als nicht invasives Screeningverfahren für Aß-Akkumulation verwenden zu können. Für die technische Umsetzung dieses Konzepts bei MRT-Geräten mit 3 Tesla oder weniger sind jedoch noch weitere Entwicklungen notwendig, insbesondere auch was die erforderliche Bildauflösung im Kortex betrifft.</p> <h2>Diffusionstensor-Bildgebung</h2> <p>Seit nun fast 20 Jahren bietet die MRT die Möglichkeit, die molekulare Beweglichkeit von Wassermolekülen im Hirngewebe zu bestimmen. Die durch Brown’sche Molekularbewegung hervorgerufene „Eigendiffusion“ wird dabei durch Zellmembranen und andere Bewegungshindernisse auf zellulärer Ebene eingeschränkt und bietet dadurch indirekt Informationen über mikrostrukturelle Gewebsveränderungen. Bei der Diffusionstensor-Bildgebung (DTI) wird die Beweglichkeit der Wassermoleküle in einer Serie von Untersuchungen in mehrere Raumrichtungen untersucht. Daraus lässt sich dann sowohl die Diffusivität entlang von Nervenfasern bestimmen als auch ihre räumliche Anisotropie. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit AD die Richtungsabhängigkeit der Diffusivität insbesondere im Temporal- und Parietallappen verloren geht. Mit einer neuen Entwicklung ist es vor Kurzem gelungen, die sehr zeitaufwendige DTI-Bildgebung stark zu beschleunigen (um den Faktor 4–8). Diese Aufnahmetechnik ist unter dem Namen „Multiband“ oder „Simultaneous Multi-Slice (SMS)“ bekannt und nimmt anstelle von einer Schicht gleichzeitig 4–8 Schichten auf. Die dabei gewonnene Aufnahmezeit wird auch häufig dazu benutzt, die Diffusion entlang zusätzlicher Raumrichtungen zu messen, um das Bewegungsverhalten der Wassermoleküle noch exakter bestimmen zu können. Krankheitsbedingte Gewebeveränderungen lassen sich dadurch noch sensitiver erfassen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1805_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1127" /></p></p>
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Cash DM et al.: Assessing atrophy measurement techniques in dementia: results from the MIRIAD atrophy challenge. Neuroimage 2015; 123: 149-64 <strong>2</strong> Mulder ER et al.: Hippocampal volume change measurement: quantitative assessment of the reproducibility of expert manual outlining and the automated methods FreeSurfer and FIRST. Neuroimage 2014; 92: 169-81 <strong>3</strong> Berron D et al.: A protocol for manual segmentation of medial temporal lobe subregions in 7 Tesla MRI. NeuroImage Clin 2017; 15: 466-82 <strong>4</strong> Eskreis-Winkler S et al.: The clinical utility of QSM: disease diagnosis, medical management, and surgical planning. NMR Biomed 2017; 30: e3668 <strong>5</strong> Van Bergen JMG et al.: Colocalization of cerebral iron with amyloid beta in mild cognitive impairment. Sci Rep 2016; 6: 1-9</p>
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</p>
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