
REM-Schlaf-Verhaltensstörungen als Zeichen einer frühen Synucleinopathie
Autorin:
Dr. Ambra Stefani, PhD
Schlaflabor
Universitätsklinik für Neurologie
Innsbruck
E-Mail: ambra.stefani@i-med.ac.at
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Über (Alb)träume wird viel diskutiert; was aber steckt dahinter, wenn diese von ausfahrenden Bewegungen und Vokalisationen im REM-Schlaf begleitet werden? Diese typischen Symptome der isolierten „REM sleep behavior disorder“ (RBD) können Studien zufolge als frühes Stadium für α-Synuclein-assoziierte neurodegenerative Erkrankungen gewertet werden.
Keypoints
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Die isolierte REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD) ist eine prodromale α-Synucleino- pathie.
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Über 90% der Patient:innen entwickeln im Verlauf ein idiopathisches Parkinson-Syndrom, Demenz mit Lewy-Körperchen oder seltener eine Multisystematrophie.
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Die iRBD wird als eine Möglichkeit gesehen, die α-Synuclein-assoziierte Pathologie in frühen Stadien zu identifizieren und charakterisieren.
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Die prodromale RBD wurde definiert als ein Stadium, in dem Symptome und Anzeichen einer sich entwickelnden RBD vorhanden sind, diese aber noch nicht den etablierten Diagnosekriterien für RBD entsprechen.
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Die aktuelle Literatur unterstützt das Konzept des isolierten REM-Schlafs ohne Atonie als prodromale RBD und damit als prodromale α-Synuclein-assoziierte Neurodegeneration.
Die Rapid-Eye-Movement(REM)-Schlaf-Verhaltensstörung (engl. REM sleep behavior disorder, RBD) wurde erstmalig von Dr. Carlos H. Schenck und Dr. Mark Mahowald 1986 beschrieben, als Parasomnie im REM-Schlaf mit Ausagieren von Träumen, ausfahrenden Bewegungen und dem Risiko von Selbstverletzungen oder Verletzungen der Bettpartnerin oder des Bettpartners.1 Relativ kurze Zeit nach der ersten Beschreibung wurden ausreichende Daten gewonnen, welche zeigen, dass die RBD eine Frühphase von α-Synuclein-assoziierter Neurodegeneration ist.2
Charakteristika der RBD
Laut den aktuellen Leitlinien der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-3) wird die RBD durch Folgendes beschrieben: Vokalisationen, Zuckungen und Bewegungen während des REM-Schlafs, welche häufig in Verbindung mit REM-bezogenen Trauminhalten auftreten und begleitet vom Fehlen der physiologischen Muskelatonie während des REM-Schlafs (REM-Schlaf ohne Atonie, RWA) sind.3 Um eine RBD-Diagnose stellen zu können, ist daher die Durchführung einer Polysomnografie notwendig.4
Die RBD-Bewegungen treten oft (aber nicht immer) mit Albträumen zusammen auf, in welchen die Patient:innen oder ihre Geliebten von Menschen oder Tieren attackiert werden, sich wehren und kämpfen müssen. Aus diesem Grund können sich Patient:innen mit RBD selbst oder den oder die Bettpartner:in verletzen. Allerdings nur knapp über 50% sind sich dessen bewusst, dass sie ausfahrende Bewegungen im Schlaf zeigen.5
Klassischerweise wurde die RBD als sekundär klassifiziert, wenn assoziiert mit anderen neurologischen oder neurodegenerativen Erkrankungen, Autoimmunkrankheiten oder Hirnstammläsionen, oder isoliert (früher idiopathisch), wenn keine begleitenden Komorbiditäten oder auslösenden Faktoren vorhanden sind.
Vorbote für Neurodegeneration
Mehrere Langzeit-Follow-up-Studien zeigten, dass nach 15 Jahren oder längerüber 90% der Patient:innen mit einer isolierten RBD (iRBD) eine α-Synuclein-assoziierte neurodegenerative Erkrankung im Verlauf entwickeln. Meistens handelt es sich dabei um ein idiopathisches Parkinson-Syndrom (ca. 45%) oder eine Demenz mit Lewy-Körperchen (circa 45%), wobei eine Minderheit eine Multisystematrophie entwickelt (ca. 5%).6
Außerdem ist mittlerweile bekannt, dass bei Patient:innen mit RBD Synuclein-assoziierte Neurodegenerationsbiomarker häufig sind. Symptome wie z.B. Geruchsverlust, Depression, autonome Funktionsstörungen (wie orthostatische Dysregulation oder Verstopfung), milde Beeinträchtigung der Feinmotorik, Sprach- und Stimmstörungen, Zeichen von kognitiven Störungen, subtile EEG-Verlangsamung und Veränderungen in der Bildgebung des Gehirns können auftreten. Dies zeigt, dass bei diesen Patient:innen die α-Synuclein-Pathologie bereits verbreitet ist.2
Dasselbe gilt für die wenigen Patient:innen mit RBD, die nach zehn Jahren oder länger immer noch eine isolierte RBD zeigen. Auch bei diesen sind bereits α-Synuclein-Biomarker vorhanden.7 Darüber hinaus kann das pathologische α-Synuclein in verschiedenen Biofluiden und Geweben von Patient:innen mit RBD nachgewiesen werden.8 Aus diesen Daten lässt sich schließen, dass die isolierte RBD bereits eine α-Synucleinopathie in der prodromalen Phase (vor der Manifestation von motorischen oder kognitiven Symptomen) ist.
Früherkennung und Verlauf
Die iRBD kann daher als Möglichkeit gesehen werden, die α-Synuclein-assoziierte Pathologie in einem frühen Stadium zu identifizieren und das Fortschreiten im Laufe der Zeit zu charakterisieren. Ebenso ist eine Identifizierung verschiedener Phänotypen von iRBD mit unterschiedlichem Risiko für ein idiopathisches Parkinson-Syndrom gegen eine Demenz mit Lewy-Körperchen oder gegen eine Multisystematrophie abzugrenzen.
Auch wenn es viele Daten über den Verlauf der RBD gibt: Wird eine Diagnose gestellt, ist immer noch nicht klar, was genau zuvor passiert ist. Der Beginn scheint nicht abrupt oder schlagartig zu sein. Bereits Schenck und Mahowald haben beschrieben, dass bei zwei der fünf erstmals beschriebenen RBD-Patient:innen lang anhaltende REM-Schlaf-Prodrome vorhanden waren, die aus vermehrten Zuckungen, einfachen Verhaltensweisen und Vokalisationen bestanden.1
Einige Studien fokussierten auf den isolierten REM-Schlaf ohne Atonie (iRWA), d.h. eine erhöhte phasische und/oder tonische elektromyografische Aktivität während des REM-Schlafs, nicht von RBD-typischen ausfahrenden Bewegungen begleitet. Auch bei Patient:innen mit iRWA wurde gezeigt, dass α-Synuclein- assoziierte Neurodegenerationsbiomarker nachweisbar sind.9,10 Außerdem zeigten Follow-up-Studien, dass bis zu 27% der Patient:innen mit iRWA nach 2,6 Jahren eine RBD und nach 2,4 Jahren bis zu 9% eine manifeste α-Synucleinopathie entwickeln.11
Die RBD ist aber nicht nur durch RWA charakterisiert, sondern auch durch Bewegungen im REM-Schlaf. Daher haben sich andere Studien auf solche Bewegungen fokussiert, um die Vorzeichen einer RBD zu untersuchen. Verhaltensereignisse im REM-Schlaf („REM sleep behavioral events“, RBE) wurden als Bewegungen und/oder Vokalisationen im REM-Schlaf mit einer zielgerichteten Komponente definiert und Patient:innen mit mindestens zwei solcher Ereignisse in einer Nacht als „RBE-positiv“ klassifiziert.12 Sixel-Döring und Kolleg:innen hypothetisierten, dass RBE ein frühes Anzeichen für Neurodegeneration seien und einer RBD vorausgehen können.12
Fazit
Basierend auf den oben genannten Studien wurde eine prodromale RBD als ein Stadium definiert, in dem Symptome und Anzeichen einer sich entwickelnden RBD vorhanden sind, diese aber noch nicht den etablierten Diagnosekriterien für RBD entsprechen.2
Die aktuelle Literatur unterstützt das Konzept der iRWA als prodromale RBD und damit als prodromale α-Synuclein-assoziierte Neurodegeneration. Allerdings sind Langzeitbeobachtungsstudien mit größeren Stichproben und längerer Nachbeobachtungszeit notwendig, um dies zu bestätigen. Sollte sich dies bewahrheiten, kann iRWA eine entscheidende Rolle bei der Definition von Risikokohorten für α-Synuclein-assoziierte Neurodegeneration darstellen sowie bei der Auswahl von Proband:innen, die in künftige klinische Studien zur Neuroprotektion oder für Behandlungen inkludiert werden sollten.
Literatur:
1 Schenck CH et al.: Chronic behavioral disorders of human REM sleep: A new category of parasomnia. Sleep 1986; 9(2): 293-308 2 Högl B et al.: Idiopathic REM sleep behaviour disorder and neurodegeneration - An update. Nat Rev Neurol 2018; 14(1): 40-55 3 American Academy of Sleep Medicine. The international classification of sleep disorders ICSD-3 (3rd ed.). Darien IL: American Academy of Sleep Medicine, 2014 4 Cesari M et al.: Video-polysomnography procedures for diagnosis of rapid eye movement sleep behavior disorder (RBD) and the identification of its prodromal stages: guidelines from the International RBD Study Group. Sleep 2022; 45(3): zsab257. doi: 10.1093/sleep/zsab257 5 Fernández-Arcos A et al.: The clinical phenotype of idiopathic rapid eye movement sleep behavior disorder at presentation: A study in 203 consecutive patients. Sleep 2016; 39(1): 121-32 6 Galbiati A et al.: The risk of neurodegeneration in REM sleep behavior disorder: A systematic review and meta-analysis of longitudinal studies. Sleep Med Rev 2019; 43: 37-46 7 Iranzo A et al.: Characterization of patients with longstanding idiopathic REM sleep behavior disorder. Neurology 2017; 89(3): 242-8 8 Miglis MG et al.: Biomarkers of conversion to α-synucleinopathy in isolated rapid-eye-movement sleep behaviour disorder. Lancet Neurol 2021; 20(8): 671-84 9 Stefani A et al.: Long-term follow-up investigation of isolated rapid eye movement sleep without atonia without rapid eye movement sleep behavior disorder: A pilot study. J Clin Sleep Med 2015; 11(11): 1273-9 10 Barone DA et al.: Autonomic dysfunction in isolated rapid eye movement sleep without atonia. Clin Neurophysiol 2015; 126(4): 731-5 11 Dede HÖ et al.: Rapid eye movement sleep without atonia constitutes increased risk for neurodegenerative disorders. Acta Neurol Scand 2019; 140(6): 399-404 12 Sixel-Döring F et al.: Rapid eye movement sleep behavioral events: A new marker for neurodegeneration in early Parkinson disease? Sleep 2014; 37(3): 431-8
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