Sjögren-Syndrom: Therapie systemischer Manifestationen
Bericht:
Ines Schulz-Hanke
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Die Empfehlungen der EULAR aus dem Jahr 20201 dazu, wie sich Trockenheit in Auge und Mund bei Menschen mit Sjögren-Syndrom (SjS) lindern lassen, sind recht konkret. Für extraglanduläre Manifestationen hingegen gibt es vielfältige – bisher nicht zugelassene – Ansätze. Die Analyse regulatorischer Schlüsselmoleküle und Pathomechanismen sowie die Auswahl spezifischerer Therapieziele und ihre differenzierte Messung lassen neue Behandlungsoptionen konkreter werden.
Für glanduläre Manifestationen seien die therapeutischen Möglichkeiten gut und evidenzbasiert, beschrieb Prof. Dr. Thomas Dörner, Berlin, den gegenwärtigen Forschungsstand: Sie folgten gemäß EULAR-Empfehlungen einem Grading, das sich auf den stimulierten und unstimulierten Gesamtspeichelfluss (USWF/SSWF) bzw. auf den Ocular Staining Score (OSS) stützt. Die Therapie folgt einem Algorithmus. Für systemische Manifestationen jedoch fehlen evidenzbasierte Therapien.2
Aktuelle Therapieoptionen für systemische Manifestationen
Bisher müsse man auf jene Medikamente zurückgreifen, deren Wirkung auf andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen bekannt ist, erklärte Dörner. Entsprechend setze man nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs)/Coxibs, Hydroxychloroquin oder Glukokortikoide ein, um muskuloskelettale Manifestationen des SjS zu kontrollieren. Hydroxychloroquin sei nach wie vor ein zentrales Therapeutikum, mit dem in klinischen Studien bislang 60 bis 70% der Teilnehmenden behandelt würden. Allerdings sei es in randomisierten kontrollierten Studien in einzelnen Patientensubgruppen unterschiedlich wirksam gewesen.3,4 Dem bisherigen Kenntnisstand entsprechend und gemäß den EULAR-Empfehlungen solle die Therapie der jeweiligen Organbeteiligung (glandulär, artikulär, pulmonal, kutan) und der Krankheitsaktivität individuell angepasst werden, fasste Dörner zusammen.1
Der Weg zu zielführenden Therapien
In der Vergangenheit seien zahlreiche Studien zur Therapie des SjS fehlgeschlagen. Dies sei wesentlich darauf zurückzuführen, dass nichtvalidierte Outcomes gemessen worden seien. Die verbesserten Outcome-Maßstäbe CRESS (Composite of Relevant Endpoints for Sjögren’s Syndrome) und STAR (Sjögren’s Tool for Assessing Response) deckten drei wichtige klinische und patientenbezogene Bereiche des Sjögren-Syndroms ab:
-
Sicca-Symptome
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extraglanduläre Symptome: korrelieren gewöhnlich mit einer Typ-1-Interferon-Signatur (IFNs+)
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konstitutionelle Symptome: wichtig für Patient-related-Outcome-Assessments, insbesondere Fatigue, an der 82% der SjS-Patienten leiden
Identifikation therapeutischer Zielstrukturen und -prozesse
Die Identifikation potenzieller zukünftiger Therapieziele basiere grundsätzlich darauf, dass B- und T-Zellen interagieren, dabei zunächst zu B- und T-Gedächtniszellen reifen und anschließend zu Plasma- bzw. Effektorzellen. In diesem Zusammenhang ließen sich einerseits CD40-, CD40L(ligand)- und auch CD154-Interaktionen blockieren, führte Dörner aus. Darüber hinaus könnte die Differenzierung der B-Zellen blockiert werden, und zwar unter der Prämisse, dass B-Zellen im Zielgewebe von entscheidender Bedeutung sind.5
Pathophysiologische Basis fürspezifische Therapien
Mit dem Sjögren-Syndrom sind charakteristische Veränderungen der adaptiven Immunität verbunden, deren Modulation therapeutisch angestrebt werden kann. Hier nannte Dörner:
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T-Zell-Aggregate in betroffenem glandulärem Gewebe(„Epithelitis“)
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charakteristische Autoantikörper (anti-Ro/SS-A, anti La/SS-B, rheumatoid factor)
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Anomalien der B-Gedächtniszellen
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Korrelation der extraglandulären Krankheitsaktivität mit der Typ-1-IFN-Signatur
Depletion der B-Zellen: Ianalumab
Der BAFF-Rezeptor wird in den B-Zellen exprimiert und ist entscheidend für deren Reifung und Überleben. Der Anti-BAFF-Rezeptor-Antikörper Ianalumab (VAY736) führe zu einer effektiven B-Zell-Depletion im Gewebe, erklärte Dörner. Dem liege zugrunde, dass Ianalumab auf Plasmazellen im Knochenmark sowie Plasmablasten wirke und die Rezirkulation Gewebe-residenter B-Zellen behindere, insbesondere die Infiltration von Gedächtniszellen in glanduläres Gewebe. Der Antikörper bedinge zudem eine BAFF-R-Signaling-Blockade und könne mindestens einen Teil jener Prozesse ausschalten, die für das Überleben von B- und Plasmazellen sowie für die B-Zell-Differenzierung und -Aktivierung wesentlich sind.
In einer Phase-II-Studie über 24 Wochen senkte die monatliche Injektion von 300mg Ianalumab subkutan den ESSDAI-Score (EULAR Sjögren’s Syndrome Disease Activity Index) wesentlich deutlicher als 50 oder 5mg oder Placebo.6 Eine Fortführung der Therapie mit dieser Dosierung über insgesamt 48 Wochen verbesserte das Krankheitsbild weiter. Ein Therapieabbruch nach Rerandomisierung auf Placebo verschlechterte es. Abseits der ESSDAI-Kriterien verbesserte Ianalumab nach 24 und 48 Wochen den stimulierten Speichelfluss, insbesondere unter der 300-mg-Dosierung. Insgesamt erwies sich die Therapie als sicher, es ließ sich lediglich eine dosisabhängige Hautreaktion an der Injektionsstelle beobachten, berichtete Dörner.
Blockade intrazellulärer Signalpfade – nicht nur in B-Zellen: Remibrutinib
Zur Blockade intrazellulärer Signalpfadeeigne sich die Bruton-Tyrosinkinase (BTK). Sie wird nicht nur in B-Zellen exprimiert. Werde sie blockiert, zeige sich auch ein Effekt auf Makrophagen, Mastzellen und Basophile, führte Dörner aus. Dies könne eine zusätzliche Modulation des umliegenden Gewebes erlauben.7
Unter einer Therapie mit dem BTK-Inhibitor Remibrutinib in Phase 2 besserte sich der ESSDAI-Score im Verlauf von 24 Wochen gegenüber Placebo.8 Zudem besserte sich auch der STAR-Score, der unstimulierte Speichelfluss stieg und es ließ sich eine Reduktion prominenter Autoantikörper gegen RO52 und 60 feststellen. Anti-SSA und Anti-SSB-Autoantikörper folgten dieser Reduktion, ebenso wie der Gesamt-IgG-Spiegel. Hinsichtlich der Sicherheit unterschieden sich Placebo und Remibrutinib nicht. Anders als unter anderen BTK-Inhibitoren wurden in der sehr kleinen Studie keine erhöhten Leberwerte beobachtet.
Anti-CD40 gegen Lymphozytenaktivierung: Iscalimab
CD40-CD154-vermittelte T-Zell-B-Zell-Interaktionen tragen zu einer überschießenden Lymphozytenaktivierung bei. In einer Proof-of-Concept-Studie besserte der monoklonale Anti-CD40-Antikörper Iscalimab den ESSDAI-Score so erfolgreich, dass nach 12 Wochen im Placeboarm ebenfalls Iscalimab in einer Dosierung von 10mg/kg intravenös alle 4 Wochen gegeben wurde.9 In beiden Studienarmen setzte sich die Verbesserung auch bis Woche 24 fort. Die Studie zeigte außerdem eine tendenzielle Besserung des ESSPRI-Scores (EULAR Sjögren’s Syndrome Patient-Reported Index). Hinsichtlich der Sicherheit ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede verglichen zu Placebo.
CD40-Liganden-Antagonist fürverschiedene Patientenpopulationen: Dazodalibep
Das Fusionsprotein Dazodalibep blockiert den CD40-Liganden und könnte so ein breites Spektrum zellulärer und humoraler Immunantworten unterdrücken, die der Autoimmunität Vorschub leisten. In einer Studie wurden zwei verschiedene Patientenpopulationen mit Dazodalibep behandelt: zum einen solche mit moderater bis schwerer systemischer Krankheitsaktivität (ESSDAI >5) und zum anderen jene mit inakzeptabel hoher Symptomlast sowie begrenzter Organbeteiligung (ESSPRI ≥5, SSF >0,1ml/min, ESSDAI<5).10 Die Therapie erfolgte über 169 Tage (24 Wochen plus 1 Tag). Die beiden primären Endpunkte, Veränderung des ESSDAI-Scores in der ersten Kohorte und des ESSPRI-Scores in der zweiten, wurden signifikant erreicht. Insbesondere die Reduktion des ESSPRI-Scores erwies sich als ausgeprägt und robust über die Zeit. Abgesehen von einem nicht therapieassoziierten Todesfall traten keine substanziellen Sicherheitsprobleme auf.
Außerhalb klinischer Studien: schwere Rituximab-refraktäre Fälle
Den Typ-II-CD20-Antikörper Obinutuzumab erhielten 13 SjS-Patienten in Frankreich. Er werde auch bei Lupusnephritis untersucht, berichtete Dörner.11 Zwei weitere Fälle erhielten Daratumumab (Anti-CD38), das Plasmazellen im Knochenmark substanziell reduzieren könne.12 Außerdem sei ein weiterer Fall mit diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom und sekundärem SjS sehr erfolgreich mit CD19-CAR-T-Zellen therapiert worden.13 Untersucht würden zudem der FcRn-Inhibitor Nipocalimabund auch Tofacitinib, ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der die Typ-1-Interferon-Signatur beeinflussen könnte.14
Im Sinne der Patientinnen und Patienten sei zu hoffen, dass zumindest ein oder zwei der neuen Ansätze demnächst in Phase-III-Studien eintreten und zugelassen werden könnten, so Dörner.
Quelle:
„Current and future treatment in Sjögren’s syndrome“, Vortrag von Prof. Dr. Thomas Dörner, Berlin, im Rahmen der Bench-to-Beside-Session „Sjögren’s Syndrome“ anlässlich des EULAR-Kongresses, 13. Juni 2024, Wien
Literatur:
1 Ramos-Casals M et al.: Ann Rheum Dis 2020; 79(1):3-18 2 Stefanski AL et al.: Dtsch Arztebl Int 2017; 114(20):354-361 3 Tarn et al.: Lancet Rheumatol 2019; 1(2):e85-e94 4 Collins et al.: Rheumatol Int 2021; 41(9):1593-1600 5 Ritter J et al.: Joint Bone Spine 2022; 89(6):105406 6 Bowman SJ et al.: Lancet 2022; 399(10320):161-171 7 Brito-Zéron P et al.: Nat Rev Dis Primers 2016; 2:16047 8 Dörner T et al.: Ann Rheum Dis 2024; 83(3):360-371 9 Fischer BA et al.: Lancet Rheumatol 2020; 2(3):e142-e152 10 St. Clair EW et al.: Nature Med 2024; 30:1583-1592 11 Pazot et al.: Ann Rheum Dis 2024 12 Nocturne GA et al.: RMD Open 2023 13 Sheng et al.: Front Immunol 2023 14 Gottenberg J et al.: EULAR 2024
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