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Der «lange» Weg zur Diagnose einer Eileiterschwangerschaft
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Deivis Strutas
Leitender Arzt<br> Kantonsspital Baselland<br> Liestal<br> E-Mail: deivis.strutas@ksbl.ch
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Eine rasante Entwicklung der Ultraschalltechnologie, verknüpft mit neuen Erkenntnissen zur standardisierten Anwendung des hochauflösenden Ultraschalls, verbessert unsere Fähigkeit, die Diagnose einer Eileiterschwangerschaft frühzeitig zu stellen. Dadurch erhalten wir mehr Therapieoptionen und weniger Komplikationen bei einer späten Diagnoserstellung.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Eileiterschwangerschaft (EUG) ist immer noch eine potenziell gefährliche Erkrankung. Laut amerikanischen Untersuchungen enden 6 % der ektopen Schwangerschaften tödlich, in Grossbritannien sind sie für 3,4 % der maternalen Mortalität verantwortlich.</p> <p>Im klinischen Alltag werden wir mit der Eileiterschwangerschaft relativ selten konfrontiert; so zeigt eine Untersuchung von 11 520 Erstkonsultationen an einer Early Pregnancy Unit in London, dass lediglich 2,6 % eine ektope Schwangerschaft aufwiesen. Heute gehört es zum Standard, bei jeder schwangeren Patientin mit Bauchschmerzen und/oder vaginaler Blutung eine intrauterine Lage zu bestätigen und eine EUG auszuschliessen. Zu beachten ist allerdings, dass ein Drittel aller Patientinnen mit EUG keine Symptome hat und die Mehrheit aller Patientinnen mit Bauchschmerzen in der Frühgravidität eine intrauterine Schwangerschaft aufweist.</p> <p>Wir sind also aufgefordert, möglichst früh die korrekte Lage einer Schwangerschaft zu erfassen. In den letzten Jahren hat die Diagnostik der EUG dank der Arbeiten von Condous 2005, Jurkovic 2007, Kirk 2014 und Richardson 2015 einen Wandel erfahren. Es reicht nicht mehr, einen leeren Uterus oder einen Pseudogestationssack zu dokumentieren. Der Pseudogestationssack (eine von verdickter Dezidua umgebene intrauterine Flüssigkeitskollektion) wird übrigens nur in 15 % der EUG gefunden. Heutzutage sollten wir in der Lage sein, eine EUG direkt zu visualisieren. Beim sorgfältigen transvaginalen Ultraschall in der Frühschwangerschaft sollte man nicht nur das Becken systematisch scannen, sondern explizit nach definierten Strukturen wie «bagel sign», «blob sign», extrauterin gelegenem Gestationssack, Dottersack und/oder Embryo mit oder ohne Herzaktion suchen. Neben der Darstellung dieser Läsionen ist auch das Erfassen der freien Flüssigkeit in Douglas wichtig. Die freie Flüssigkeit, die übrigens in ca. 63 % der EUG gefunden wird und häufig ein Hämatoperitoneum bedeutet, hilft uns, die klinische Situation besser abzuschätzen. Allerdings wird auch bei intrauteriner Gravidität freie Flüssigkeit in ca. 30 % der Fälle gefunden und sie sorgt im Alltag gegebenenfalls für Verwirrung.</p> <p>Schwangere mit sonografisch unklarem Schwangerschaftssitz benötigen engmaschige meistens 48-stündliche klinische Kontrollen mit HCG-Bestimmung und Ultraschall, bevor eine definitive Diagnose gestellt werden kann. Bei der Verbesserung der Diagnostik gibt es allerdings noch viel Luft nach oben. Die Daten aus der Early Pregnancy Unit in London (Kirk 2016) zeigen, dass bis zu 75 % aller EUG bereits bei der ersten Ultraschallkontrolle erfasst werden können.</p> <p>Nicht selten sind wir mit einer Situation in der Frühschwangerschaft konfrontiert, in der es unklar ist, ob es noch zu früh ist, eine Gravidität zu visualisieren, oder ob es sich um einen Abort handelt. Wir behelfen uns mit regelmässigen HCG-Kontrollen. In der klinischen Praxis gilt häufig noch die Regel von der HCG-Verdoppelung innerhalb von 48 Stunden als Merkmal einer intakten intrauterinen Gravidität. Diese Regel ist spätestens seit in den Jahren 2004 und 2009 (zuletzt im «NEJM») publizierten Arbeiten von Bahnhart nicht mehr hilfreich. Der Autor hat gezeigt, dass in 99 % aller intrauterinen Schwangerschaften das HCG in 48 Stunden um 53 % oder mehr steigt. Wenn nicht, dann ist es eher eine ektope Schwangerschaft oder ein Abort. Zu bedenken ist, dass bei bis zu 20 % aller EUG ein HCG Anstieg in 48 Stunden von bis zu 70 % und mehr gemessen wird. Vor allem im Bereich von 50–54 % des HCGAnstiegs besteht die Gefahr, dass wir unter Umständen eine intakte IUG beenden, wenn wir eine Patientin ohne sonografische Visualisierung der Schwangerschaftslage behandeln. Dies gilt umso mehr für Fälle, in denen Methotrexat (MTX) als Therapie eingesetzt wird.</p> <p>Im Jahr 2011 wurde in «Fertility and Sterility» ein Konsensus zur Ultraschallnomenklatur und zu Definitionen bei ektoper Schwangerschaft publiziert. Dort wurden Begriffe wie sichere und weniger sichere Ultraschallzeichen («signs») formuliert. Zu den sicheren Zeichen gehören extrauterin gelegener Gestationssack mit Dottersack oder Embryo mit oder ohne positive Herzaktion. Diese werden jedoch nur in ca. 20 % aller EUG gefunden. Viel häufiger werden die weniger sicheren Zeichen wie «bagel sign» und «blob sign» visualisiert. Je nach Studie wird ein «bagel sign» (ein leerer Gestationssack) in 22–59 % der ektopen Schwangerschaften und ein «blob sign» (inhomogene solide Adnexläsion) respektive in 41–64 % der Fälle gefunden. Die beiden Zeichen haben für Bildgebung wie Ultraschall hohe statistische Zuverlässigkeit. «Bagel sign» weist eine Sensitivität von 83,3 %, Spezifität 99,6 %, PPV (positiver prädiktiver Wert) 95 %, NPV (negativer prädiktiver Wert) 98,6 % auf und «blob sign » eine Sensitivität von 84,4 %, Spezifität 98,9 %, PPV 96,3 %, NPV 94,8 % (Kirk 2009). Aufgrund dieser Zahlen empfiehlt Richardson 2016 in seinem Review, die beiden Zeichen als sichere Zeichen zu benutzen. Ob man die beiden Zeichen auf Deutsch «bagel» und «blob» nennen soll, steht zur Diskussion. Für die Visualisierung der Befunde gilt die Regel «Wir sehen das, was wir kennen und suchen».</p> <p>Für die Therapie der EUG ist die Standardbehandlung weiterhin ein aktives Management, entweder medikamentös mit Methotrexat oder operativ mittels einer Laparoskopie. Die Wahl der Therapieform ist von der klinischen Situation im Einzelfall, häufig aber auch von internen Richtlinien oder Gewohnheiten der Kliniken abhängig. Es gibt keinen Konsensus, weder national noch international. <br />Warten und die Kontrolle des Verlaufs werden in einigen Untersuchungen als dritte Möglichkeit genannt. Es handelt sich hier um ein exspektatives Management, bei dem weder operiert noch mit MTX therapiert wird. In einer kleinen randomisierten Studie von Jurkovic (2017) wurden 80 klinisch stabile Patientinnen mit EUG und HCG < 1500 IU/l entweder mit MTX in der üblichen Dosis von 50 mg/m<sup>2</sup> oder exspektativ behandelt. So wurden 83 % der Patientinnen in der MTXund 76 % in der Placebogruppe erfolgreich therapiert. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Die restlichen Patientinnen zeigten einen HCG-Anstieg um > 15 % oder abdominale Schmerzen mit Hämatoperitoneum und wurden im Verlauf operiert. <br />Laut diesen ersten randomisierten und placebokontrollierten Ergebnissen kann ein exspektatives Vorgehen in ausgesuchten Fällen als sichere Option gewählt werden. Es bedarf aber weiterer Studien und vor allem fachlicher Diskussion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="1736" height="684" /></p> <div id="fazit"> <h2>Offene Fragen</h2> <p>Trotz der vielen Erkenntnisse haben wir noch einige offene Fragen, die für die tägliche Routine eine Antwort brauchen:</p> <ul> <li>Wie sollen wir mit einer EUG ohne klinische Symptome umgehen? Ist ein exspektatives Vorgehen eine sichere Option?</li> <li>Beeinflusst die Höhe des HCG unsere Therapieentscheidung?</li> <li>Welche Ultraschallzeichen können uns helfen, möglichst früh gefährliche und weniger gefährliche klinische Situationen bei EUG zu unterscheiden?</li> <li>Was ist das therapeutische Ziel nach Diagnose einer EUG: Vermeidung einer Operation oder Vermeidung von EUG-Komplikationen?</li> <li>Darf eine EUG elektiv operiert werden, oder soll es immer eine Notfalloperation sein?</li> </ul> </div></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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