
Herausforderung Schwangerschaftsabbruch
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und<br>Geburtshilfe, Medizinische Universität Graz<br>E-Mail: nadja.taumberger@medunigraz.at
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In Österreich haben wir das Privileg, unsere Patientinnen offen und in einem geschützten Rahmen über die verschiedenen Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs im ersten Trimester aufklären und sie in dieser herausfordernden und zumeist schwierigen Phase ihres Lebens begleiten zu können. Die neue Regelung des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen, welche mit Juli 2020 in Kraft trat, ermöglicht es den niedergelassenen Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe nun, Mifegyne® zu verabreichen. Ich möchte Ihnen hiermit gerne einen aktuellen Überblick über die globale Situation, die Gesetzeslage in Österreich und die aktuellen Empfehlungen der OEGGG bieten und hoffe, dass Sie für Ihre Arbeit in der Praxis einige Tipps und Fakten mitnehmen können.
Keypoints
Die medikamentöse Variante der IR bietet eine schonende Alternative zur chirurgischen IR und kann nach vorheriger genauer Aufklärung im ambulanten Setting durchgeführt werden.
Für das Aufklärungsgespräch sollte man ausreichend Zeit einplanen, um auf die Fragen der Patientin bestmöglich eingehen zu können und mit ihr gemeinsam die ideale Therapiestrategie zu finden.
Psychologische oder soziale Unterstützung sollte bei Bedarf unbedingt angeboten oder die Patientin an die zuständigen Stellen verwiesen werden. Nutzen wir die uns zugänglichen Möglichkeiten zur Aufklärung, Beratung und Durchführung im niedergelassenen Bereich, um unseren Patientinnen die bestmögliche Therapie zu ermöglichen!
Globale Situation
Weltweit kommt es jährlich zu geschätzten 121 Millionen ungeplanten Schwangerschaften, von denen laut Schätzungen ca. 61%, also 73 Millionen, in einem Schwangerschaftsabbruch enden. Etwa 25 von 73 Millionen finden dabei unter unsicheren Bedingungen und 97% davon in Entwicklungsländern statt.1,2
Die Rate an ungeplant eingetretenen Schwangerschaften, die letztendlich in einem Abbruch enden, ist in Entwicklungsländern deutlich höher als in der westlichen Welt, wobei drei Viertel aller Abbrüche, die in Afrika oder Asien durchgeführt werden, unter unsicheren Bedingungen stattfinden und ein hohes Risiko für maternale Morbidität oder Mortalität haben. Aufgrund der heterogenen Datenerhebung und Statistiken gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben; man geht jedoch davon aus, dass zwischen 4,7% und 13,2% der globalen maternalen Sterblichkeit unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen geschuldet sind.3,4
Seit Jahren ist bekannt, dass der möglichst niederschwellige Zugang zu Verhütungsmitteln die effektivste Methode darstellt, um die Anzahl an ungewollten Schwangerschaften und -abbrüchen zu reduzieren.1,5,6 Es besteht auch heute noch eine hohe globale Heterogenität bezüglich der gesetzlichen Regelungen weltweit, obwohl es bewiesen ist, dass die Kriminalisierung und das Verbot von Interruptionen (IR) die Rate an Abbrüchen nicht senken, sondern lediglich die maternale Morbidität und Mortalität erhöhen.1,2,7,8
Europa
In Europa erlauben 39 von 47 Ländern eine IR auf Anfrage, die übrigen Länder erlauben dies nur unter anderen Umständen wie sexuellem Missbrauch, ernsthafter Gefahr für die maternale Gesundheit oder bei schwerwiegender fetaler Fehlbildung.9,10
Bezüglich der Kosten herrscht innereuropäisch ebenfalls eine große Heterogenität: In 33 europäischen Ländern wird der Schwangerschaftsabbruch immer oder zumindest unter gewissen Umständen von der Krankenkasse übernommen, wohingegen in 9 Ländern, zu denen auch Österreich zählt, die Kosten der IR von der Frau selbst getragen werden müssen. Die Kosten belaufen sich in Österreich auf ca. 350–800 Euro, je nach Methode und Einrichtung.11
Österreich
In Österreich ist die IR seit dem 1. Januar 1975 durch die bis heute geltende Fristenregelung laut §96–98 im Strafgesetzbuch geregelt, welche unter anderem besagt: Laut §96 ist ein Schwangerschaftsabbruch für die Schwangere und den durchführenden Arzt strafbar, außer es treten die laut §97 geltenden Umstände in Kraft, welche wären:
wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird, oder
wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird, oder
die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist, und
in allen diesen Fällen der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird.
Des Weiteren ist laut §97 klar geregelt, dass kein Arzt zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs gezwungen werden darf und niemand wegen der Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs oder der Mitwirkung daran oder wegen der Weigerung, einen solchen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden darf.
Beratung der Patientinnen
Was sind nun die Herausforderungen, die die neue Regelung sowie diese besondere Beratungssituation mit sich bringen? Aus persönlicher Erfahrung heraus kann ich zusammenfassen, dass die Beratungen selbst sehr unterschiedlich ablaufen und es eine Herausforderung darstellt, auf die bestehenden Gegebenheiten, die Situation und die Persönlichkeit der Patientinnen bestmöglich einzugehen.
Eine häufige Hürde, auf welche man vor allem in städtischen Gebieten immer wieder trifft, ist die Sprachbarriere. Frauen mit unzureichenden Deutschkenntnissen in dieser Situation suffizient zu beraten, erfordert oftmals neben einem großen zeitlichen Aufwand auch einen Dolmetscher. Ebenso sollte man kulturelle Unterschiede nicht außer Acht lassen, da es durchaus Patientinnen mit Herkunft aus Ländern wie Rumänien gibt, wo aufgrund der geschichtlichen Entwicklung bis heute eine ausreichende Sexualaufklärung fehlt und die IR oftmals eine Alternative zur Verhütung darstellt.7
Aktuelle Stellungnahme der OEGGG
Die aktuelle Stellungnahme der OEGGG vom Juli 2020 bietet eine ausführliche Anleitung und einen Überblick über die Vorgehensweise und die Empfehlungen für das Durchführen einer medikamentösen IR.12
Um eine möglichst hohe Erfolgsrate mit der Kombination von Mifepriston und Misoprostol zu erzielen, sollte der medikamentöse Abbruch so früh wie möglich durchgeführt werden, da bis zur 7. SSW eine Erfolgsrate von bis zu 98% erreicht werden kann.12
Voraussetzungen für die medikamentöse IR sind eine SSL <30mm sowie ein Gestationsalter bis maximal 9+0 SSW. Vor der 6. SSW kann auf eine Rhesusprophylaxe verzichtet werden und auch eine standardmäßige Antibiose ist nicht empfohlen.
Die Kontraindikationen der medi-
kamentösen IR sind ausführlich in der Stellungnahme der OEGGG aufgelistet und beinhalten unter anderem einen Hb <9,5g/dl, bekannte Gerinnungsstörungen sowie eine nicht sicher ausschließbare Extrauteringravidität.
Leitfaden zum Ablauf der medikamentösen IR
Das Aufklärungsgespräch sollte die folgenden Punkte beinhalten:
Vor- und Nachteile der medikamentösen vs. die chirurgische IR,
Ablauf des Abbruchs und notwendige Kontrollen,
zukünftige Verhütung/Familienplanung,
psychologische bzw. soziale Unterstützung.
Vor Therapiebeginn sollte eine Blutabnahme zur Bestimmung von Blutgruppe, Blutbild und ggf. β-HCG erfolgen.
Eine Tablette Mifegyne® (= 200mg Mifepriston) wird oral in der Ordination verabreicht. Nach 24–48 Stunden erfolgt die Gabe von 800μg Cyprostol® (4 Tabletten à 200μg) bukkal, sublingual oder vaginal.12 Um eine sichere und kompetente ambulante Betreuung der Patientin gewährleisten zu können, sollte vor der Verabreichung unbedingt ein ausführliches Aufklärungsgespräch über den Ablauf der nächsten Tage und die zu erwartende Wirkung sowie mögliche Nebenwirkungen erfolgen. Die überregelstarke Blutung nach der Einnahme vom Mifegyne® tritt normalerweise einige Stunden nach der Einnahme ein und kann mit Gewebeabgang und starken krampfartigen Unterbauchschmerzen einhergehen. NSAR, z.B. Ibuprofen oder Naproxen, sollten rezeptiert und/oder empfohlen und von der Patientin auch eingenommen werden. Bei sehr starken Blutungen oder Kreislaufinstabilität ist eine Vorstellung in einer gynäkologischen Ambulanz zu empfehlen. Die Patientinnen müssen auch darüber aufgeklärt werden, dass sie mit Einsetzen der Blutung auch wieder schwanger werden können und bis zur Kontrolle in 4–6 Wochen verhüten müssen. Bei Rhesus-
negativität muss nach der 6. SSW eine Rhesusprophylaxe verabreicht werden.
Verlaufskontrollen nach einer und nach 6 Wochen sind empfohlen: Nach einer Woche sollte bei immer noch sichtbarer intrauteriner Fruchthöhle bzw. vitaler Schwangerschaft mit einer SSL <30mm eine erneute Cyprostol-Gabe erfolgen oder bei SSL >30mm eine Kürettage empfohlen werden. Das β-HCG sollte im Verlauf um ca. 70% gefallen sein. Falls die Kontrolle nach einer Woche einen unauffälligen Befund zeigt, genügt eine abschließende Kontrolle nach 6 Wochen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die mögliche Betreuung der medikamentösen IR durch den niedergelassenen Facharzt ein großer Zugewinn für die individualisierte und personalisierte Therapie unserer Patientinnen ist.
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema bei der virtuellen Herbsttagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) im September 2020.
Literatur:
1 Faundes A et al.: Preventing unsafe abortion: achievements and challenges of a global FIGO initiative. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2020; 62: 101-12 2 Ganatra B et al.: Global, regional, and subregional classification of abortions by safety, 2010–14: estimates from a Bayesian hierarchical model. Lancet 2017; 390(10110): 2372-81 3 Say L et al.: Global causes of maternal death: a WHO systematic analysis. Lancet Glob Health 2014; 2(6): e323-33 4 World Health Organization: www.who.int/reproductivehealth/en/; zitiert 15. Oktober 2020 5 Birgisson NE et al.: Preventing unintended pregnancy: the contraceptive CHOICE project in review. J Womens Health 2015; 24(5): 349-53 6 Marston C, Cleland J: Relationships between contraception and abortion: a review of the evidence. Int Fam Plan Perspect 2003; 29(1): 6 7 Stephenson P et al.: Commentary: the public health consequences of restricted induced abortion--lessons from Romania. Am J Public Health 1992; 82(10): 1328-31 8 Calvert C et al.: The magnitude and severity of abortion-related morbidity in settings with limited access to abortion services: a systematic review and meta-regression. BMJ Glob Health 2018; 3(3): e000692 9 GAPD - The Global Abortion Policies Database: https://abortion-policies.srhr.org/; zitiert 16. Oktober 2020 10 The World’s Abortion Laws - Center for Reproductive Rights: https://reproductiverights.org/worldabortionlaws; zitiert 16. Oktober 2020 11 Gibbons H et al.: The IPPF EN partner survey: abortion legislation and its implementation in Europe and Central Asia; www.ippfen.org 12 Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Stellungnahme der OEGGG zur medikamentösen Abortinduktion bei Wunsch nach Schwangerschaftsabbruch. Gynäkol-Geburtshilfliche Rundsch 2020; 41(1): 19-20
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