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Ultraschall mit 30 bis 32 Schwangerschaftswochen
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Kai-Sven Heling
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe<br> Pränataldiagnostik Friedrichstrasse 147, Berlin<br> E-Mail: heling@feindiagnostik.de
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Das ursprüngliche Konzept der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) sah den griffigen Titel 10 – 20 – 30 Schwangerschaftswochen(SSW)-Ultraschall vor. In der Praxis ist daraus in den letzten Jahren eher ein 12-, 22- und 30–32-SSW-Ultraschall geworden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der Ultraschall mit 30 – 32 SSW ermöglicht die Beschreibung der normalen Anatomie, Biometrie und Funktion des Feten.</li> <li>Eine Reihe von (durchaus schwerwiegenden) Fehlbildungen manifestieren sich erst spät.</li> <li>Bei ursprünglich normaler Anatomie kann es zu einer fetalen Erkrankung mit späterer Defektheilung kommen, z. B. Hirnblutung.</li> <li>Bei allen pränatal diagnostizierten Fehlbildungen sollten serielle Verlaufskontrollen erfolgen, dies schliesst den Zeitraum 30. – 32. SSW ein.</li> <li>Der pränatale Ultraschall hat eine erhebliche Bedeutung für den Geburtsmodus und die Überwachung der Geburt. Deshalb sollte man diese Befunde unbedingt mit in sein Management einbeziehen.</li> </ul> </div> <p>Die Bedeutung des dritten (30.–32. SSW) Ultraschalls wird durchaus immer wieder hinterfragt. Im vorliegenden Artikel wird die aktuelle Bedeutung dieses Ultraschall-Termins beschrieben.</p> <h2>Ultraschall-Termins beschrieben. Biometrie</h2> <p>Zuerst wird der Fet vermessen, wodurch man die korrekte Entwicklung des Feten nachweisen kann (Grösse, Gewicht). Dies kann sowohl durch die Standardbiometrieparameter Kopf (biparietaler Durchmesser, frontookzipitaler Durchmesser, Kopfumfang), Abdomen (Abdomenumfang) und Oberschenkel (Femur) als auch durch die zusätzliche Messung aller langen Röhrenknochen erfolgen.<br /> Die Beurteilung des Fruchtwassers erfolgt durch die Messung des grössten Durchmessers.<br /> Normalbefunde schliessen jeweils eine pathologische Entwicklung aus.</p> <p><strong>Was kann nun mit diesen Parametern erkannt werden?</strong><br /> Eine sich spät manifestierende Wachstumsretardierung infolge einer Plazentainsuffizienz fällt durch eine typische Veränderung der Biometrie auf (Kopfmasse normal, Abdomenumfang zu klein, Femur kurz), häufig besteht ein Oligohydramnion. <br />Eine symmetrische Wachstumsretardierung (alle Masse klein) ist oft durch eine genetische Ursache bedingt, hier ist häufig die Fruchtwassermenge normal. <br />Eine Mikrozephalie fällt durch eine Abweichung der Kopfmasse bei normalen übrigen Massen auf und ist ebenfalls eher eine späte Erstdiagnose. <br />Milde, nicht letale Formen von Skelettfehlbildungen fallen eher durch eine deutliche Verkürzung der Röhrenknochen auf, häufig besteht ein Polyhydramnion. <br />Eine Makrosomie entwickelt sich ebenfalls oft erst nach 30 SSW und ist durch eine Biometrie oberhalb der Norm gekennzeichnet, oft mit einem Polyhydramnion.</p> <h2>Normale Anatomie</h2> <p>Der Fet weist etwa mit 22 SSW zur Feindiagnostik eine komplett ausgebildete Anatomie auf, jedoch entwickelt sich diese weiter bzw. wird sie für den Untersucher besser sichtbar. Für den Laien wird dies besonders am Gesicht deutlich, wo man mit 30 SSW etwa vergleichbare Bilder wie zur Geburt erhält, da sich jetzt das Unterhautfettgewebe entwickelt hat (Abb. 1). Dies kann man auch an den Extremitäten sehr gut beobachten, wo es im Rahmen der Betreuung von diabetischen Schwangeren eine praktische Bedeutung hat.<br />Exemplarisch möchte ich das Gehirn, das fetale Herz und Abdominalorgane erwähnen.<br />Das Gehirn verändert im Laufe der Schwangerschaft seine Oberfläche durch eine zunehmende Gyrierung. Die ersten Schritte in diese Richtung sind mit 22 SSW durch den Nachweis der Insula als Vorwölbung nach innen sichtbar (Abb. 2a). Die Form dieser Insel verändert sich deutlich und mit 30 SSW sieht sie eher eckig (ähnlich einem Amboss) aus (Abb. 2b). Gleichzeitig sind jetzt noch weitere Gyri sichtbar, man erkennt diese als senkrecht zur Schädelkalotte in das Innere laufende echogene «Striche». Auch das Kleinhirn verändert seine Struktur deutlich und sieht jetzt eher streifig aus. Man kann jetzt sehr gut die beiden Hemispheren und den Kleinhirnwurm unterscheiden.<br />Das Herz des Feten ist jetzt etwa 3–4 cm gross und man kann sehr gut die gesamte Anatomie erkennen. Insbesondere die Gefässklappen lassen sich gut darstellen.<br />Im Bauchraum grenzen sich die Nieren durch die vermehrte Urinproduktion ab und sehen nicht mehr so verwaschen wie in früheren SSW aus. Ebenfalls ist der Darm jetzt sichtbar und man kann durchaus den normalen Kolonrahmen darstellen. Die Milz grenzt sich jetzt hinter dem Magen ab, und mit hochauflösenden Geräten kann man auch das Pankreas sehen. Dies sind alles Beschreibungen der normalen Anatomie und schliessen natürlich entsprechende Fehlbildungen aus.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="400" height="521" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_s16_abb2a2b.jpg" alt="" width="1022" height="878" /></p> <h2>Erstmals sichtbare Fehlbildungen</h2> <p>Auch wenn die grundsätzliche Anatomie mit 22 SSW weitgehend nachweisbar ist, so können doch auch später Fehlbildungen auffallen, die sich hier erstmals manifestieren. Im Regelfall handelt es sich dabei um seltene Fehlbildungen, die jedoch durchaus die Prognose des Feten signifikant negativ beeinflussen können.<br />Im Gehirn wäre die Lissenzephalie zu nennen (Abb. 3). Dabei kommt es zu keiner Gyrierung, d. h. der Entwicklungsstand mit 22 SSW bleibt bestehen. Es handelt sich um ein sehr schweres Krankheitsbild, welches häufig mit Chromosomenstörungen assoziiert sein kann.<br />Ein Aneurysma der Vena Galeni, welches präformiert schon da war, fällt ebenfalls im Regelfall erst > 30. SSW auf. Die hyperdyname Kreislaufzirkulation kann auch zu einer Kardiomegalie und durch den Steel-Effekt zu einer hypoxischen Hirnschädigung führen.<br />Hirnblutungen (intraventrikulär oder intraparenchymatös) können aufgrund unterschiedlicher Ursachen auch bei einem ursprünglich normal entwickelten Gehirn auftreten und insbesondere bei intraparenchymatösem Auftreten mit einer Defektheilung (Schizenzephalie) einhergehen.<br />Fehlerhafte Hirnentwicklungen können sich durchaus auch in atypischen Bewegungsmustern (Krämpfe) bzw. abnormalen Haltungen der Extremitäten zeigen (Kontrakturen).<br />Als sich spät manifestierende Herzfehler sind valvuläre Klappenstenosen (insbesondere Pulmonalis) und auch muskuläre Ventrikelseptumdefekte (VSD) zu nennen. Funktionell kann der vorzeitige Verschluss des Ductus arteriosus bei Indomethazin- Einnahme von Bedeutung sein (welcher reversibel ist). Funktionelle Veränderungen des Herzens (Kardiomyopathien) können ebenfalls auftreten, sind aber ausgesprochen selten. Am häufigsten hat man noch mit Rhythmusstörungen zu tun, hier sind insbesondere die supraventrikulären Tachykardien zu nennen.<br />Da sich funktionell gesehen im Bauchraum viel verändert, sind hier eine ganze Reihe von Veränderungen zu erwarten.<br />Bedingt durch die grössere Trinkmenge des Feten können sich nach 30 SSW typischerweise tief sitzende Darmatresien manifestieren. Im Regelfall handelt es sich bei pränataler Diagnose immer um eine Atresie. Pränatal handelt es sich so gut wie immer um einen Dünndarmileus. Ursächlich für die Atresie kann neben Chromosomenstörungen, anatomischen Fehlentwicklungen auch Mukoviszidose sein, weshalb eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden sollte.<br />Auch Nierenfehlbildungen können jetzt erstmals auffallen. Insbesondere eher mittelgradige Stenosen der harnableitenden Wege sind hier zu nennen. Mit 22 SSW waren sie noch unauffällig, bedingt durch die zunehmende Urinproduktion werden diese jetzt klinisch sichtbar.<br />Ovarialzysten bei einem weiblichen Feten sind ebenfalls eine typische Diagnose nach 30 SSW.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_s16_abb3_4.jpg" alt="" width="1262" height="868" /></p> <h2>Verlaufskontrollen bei Fehlbildungen</h2> <p>Bei jeder pränatal diagnostizierten Fehlbildung sollte man serielle Verlaufskontrollen machen, da sich die Fehlbildung mitunter verändern kann, vor allem durch den Einfluss der Funktion. Dies ist natürlich beim Herzen oder im Urogenitaltrakt eher ausgeprägt als bei Extremitätenfehlbildungen (Fehlen von Extremitäten, Klumpfuss o. Ä.).<br />So ist beispielsweise bei der Ebstein-Anomalie eine Verschlechterung der Hämodynamik mit Entwicklung eines Hydrops und Fruchttod möglich. Bei einem Teil der Feten mit einer Ebstein-Anomalie entwickelt sich eine zunehmende Kardiomegalie (Abb. 4).<br />Eine valvuläre Aortenstenose kann sich in Richtung einer linksventrikulären Funktionsstörung und letztlich eines hypoplastischen Linksherzes entwickeln. Dies ist auch für die valvuläre Pulmonalstenose bekannt.<br />Die späte Erstdiagnose insbesondere muskulärer Ventrikelseptumdefekte ist bekannt und nicht selten.<br />Bei Nierenfehlbildungen wird man insbesondere Augenmerk auf die gesunde Niere bei einseitigen Befunden legen. Hier ist auch die Beurteilung der Fruchtwassermenge von Bedeutung, da ein Oligohydramnion auf eine Niereninsuffizienz hindeuten könnte.<br />Im Gehirn kann es ebenfalls zu einer nicht korrekten Weiterentwicklung kommen. So ist die Entwicklung einer Mikrozephalie noch nachgeburtlich möglich. Auch die Entwicklung einer Dandy-Walker-Malformation wurde von uns beobachtet.<br />Generell sollte beim Vorliegen von Fehlbildungen nicht nur das betroffene Organ, sondern der gesamte Fet komplett untersucht werden, da auch an weitergehende Entwicklungsstörungen gedacht werden muss.</p> <h2>Beeinflussung des geburtshilflichen Managements</h2> <p>Dies wird erheblich durch den Ultraschall beeinflusst. So hat die Diagnose einer Fehlbildung mitunter aus «Managementgründen» eine geplante Geburt zur Folge, um dem Kind die besten Startchancen zu geben. Hier wäre typischerweise die Zwerchfellhernie oder auch die Transposition der grossen Arterien zu nennen.<br />Die Biometrie erlaubt uns eine Einschätzung von Grösse und Gewicht, was Eingang in alle entsprechenden Leitlinien gefunden hat. Hier sollte man unbedingt auch nach Faktoren wie Unterhautfettgewebe schauen.<br />Im Regelfall wird neben der weiterführenden Organdiagnostik auch eine Dopplersonografie der umbilikalen und uterinen Gefässe durchgeführt. Der Nachweis einer gestörten uteroplazentaren Durchblutung deutet auf gestörte Komopensationsmöglichkeiten unter der Geburt hin und sollte bei der Leitung der Geburt berücksichtigt werden, z. B. durch eine intensivere CTG(Kardiotokografie)-Überwachung.<br />Die pränatale Ultraschalluntersuchung erlaubt sicher die Beurteilung des plazentaren Nabelschnuransatzes und damit den Ausschluss einer Insertio velamentosa. Handelt es sich doch um eine solche, so sollte eine Vasa praevia ausgeschlossen werden, die anderenfalls ebenfalls eine Bedeutung für den Geburtsmodus haben sollte. Gleiches gilt für die Diagnose einer Plazenta praevia, welches ebenfalls eine eher späte Diagnose ist.</p></p>
<p class="article-footer">
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<p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>
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