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Diagnostik und Management der Penisfraktur
Urologik
Autor:
OA Dr. Karl Mock
Abteilung für Urologie und Andrologie<br> SMZ Ost, Donauspital, Wien<br> E-Mail: karl.mock@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
21.03.2019
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<p class="article-intro">Penisfrakturen sind ein seltenes traumatisches Ereignis. Viele Urologen haben bis zu ihrer ersten Konfrontation dieses Krankheitsbild zumeist nur in Form von Fallschilderungen kennengelernt. Umso wichtiger ist es für den betroffenen Patienten, dass sein Fall von einem erfahrenen Urologen begutachtet und behandelt wird. In der Mehrzahl ist die Penisfraktur eine Blickdiagnose. Ein konservatives Vorgehen beschert dem Patienten zumeist eine unbehebbare erektile Dysfunktion und/oder eine penile Deviation. Die rasche chirurgische Intervention bewahrt den Patienten vor den vorgenannten Folgen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Einführung</h2> <p>Die Penisfraktur ist ein traumatischer Notfall, der als Folge einer sexuellen Aktion in einer Ruptur der Tunica albuginea und in einem Viertel der Fälle in einer zusätzlichen Läsion der Harnröhre endet. Der übliche Mechanismus ist ein Abbiegen des erigierten Penis bei einem energischen Geschlechtsverkehr, wenn der Penis herausgleitet und kraftvoll gegen das Scham-, Sitzbein oder Perineum gestaucht wird oder stößt. Stumpfe Traumen gegen den flacciden Penis führen in der Regel zu keiner Penisfraktur.</p> <h2>Ätiologie</h2> <p>In mehr als 75 % der Fälle liegt die Ursache der penilen Frakturen in einem ungestümen Geschlechtsverkehr. Weitere Traumagründe sind selbst verursacht durch Masturbationsverletzungen und durch abruptes Abbiegen des Penis, um eine rasche Detumeszenz zu erreichen. Das Durchschnittsalter der betroffenen Männer liegt bei 39 Jahren, die Bandbreite des Alters der Männer reicht in den Studienpopulationen von 18 bis 66 Jahren. Die häufigste Position beim Geschlechtsverkehr ist mit 54 % die „Doggy style“-Stellung (Hündchenstellung, Mann von hinten), mit 33 % die „Man on top“-Stellung (Missionarsstellung) und mit 13 % die „Woman on top“-Stellung.<sup>1</sup> Die Art des Geschlechtsverkehrs ist in 79 % vaginal, in 21 % anal.<sup>2</sup></p> <h2>Klinik</h2> <p>Männer mit einer Penisfraktur präsentieren sich zumeist mit einer teigig weichen Schwellung des Penis („Aubergine“). Abhängig vom Traumazeitpunkt bis zur Erstvorstellung ist eine livide Verfärbung des Gliedes zu sehen. Diese ist limitiert durch die Intaktheit der Buck’schen Faszie. Bei einer Ruptur derselben kann sich die blaue Verfärbung über den Penis zum Skrotum, Perineum bis zum Unterbauch und zur Femoralregion ausbreiten (Abb. 1). Anamnestisch wird von mehr als 60 % der Männer ein „Knackgeräusch“ beschrieben. In fast 90 % kam es zu einer raschen Detumeszenz des erigierten Gliedes. Bei einem Viertel wird Blutaustritt aus der Glans angegeben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s6_abb1.jpg" alt="" width="300" height="374" /></p> <h2>Untersuchung</h2> <p>Die Penisfraktur ist in den meisten Fällen eine Blickdiagnose, gekennzeichnet durch die blauverfärbte Schwellung des Penis und der umgebenden Genitalregion bei längerem Abstand vom Frakturzeitpunkt. Manchmal ist es durch die Schwellung des gesamten Penis nicht mehr möglich, die Vorhaut zurückzuziehen und die Glans zu inspizieren. Der Penis fällt in Rückenlage auf die kontralaterale Seite der Frakturlokalisation, bedingt durch ein verdrängendes Hämatom über dem Frakturspalt der Tunica albuginea. In Einzelfällen lässt sich der Defekt in der Tunica ertasten. Die häufigste Läsionlokalisation ist ventral- lateral, weil dort die Tunica albuginea am dünnsten ist.<br /> Die „Small part“-Sonografie des Penis kann die Lokalisation und Größe des Frakturspaltes bei ausgedehnten Tunica-Läsionen zur Darstellung bringen. Ein darüber liegendes Hämatom wird die Diagnose einer Penisfraktur weiter erhärten. Ein negativer sonografischer Befund kann die Diagnose einer Penisfraktur nicht ausschließen. Auch ein negatives MRI kann bei spontan adaptiertem Frakturspalt und Intaktheit der darüberliegenden Buck’schen Faszie ein peniles Trauma nicht eindeutig ausschließen.<br /> Bei Blutaustritt aus der Harnröhre muss eine Mitbeteiligung der Urethra bei dem jeweiligen penilen Trauma angenommen werden. Bei einer urethralen Läsion fand sich in 77 % eine Hämaturie oder Blutaustritt am Meatus. Ein retrogrades Urethrogramm und/oder eine flexible Urethroskopie werden nur von einer Minderzahl der Autoren als hilfreich in der präoperativen Diagnostik angesehen. Falsch negative Ergebnisse fanden sich in 29 % der Fälle mit urethraler Beteiligung (Abb. 3). Hier wird die Abdichtung des Harnröhrenrisses durch das außerhalb liegende Hämatom erklärt. Ein Harnverhalt trat in 31 % der Männer mit Harnröhrenläsion bei einer Penisfraktur auf. In allen Fällen der angegebenen rezenten Literatur wurde die urethrale Läsion intraoperativ detektiert.<br /> Die Kavernosografie wird in der neuen Literatur nicht mehr als diagnostisch hilfreich erwähnt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s7_abb3.jpg" alt="" width="300" height="340" /></p> <h2>Management der Penisfraktur</h2> <p>Wenn eine Penisfraktur diagnostiziert wurde, sollte innerhalb von 24 Stunden eine operative Exploration durch einen genitalchirurgisch geschulten Urologen durch geführt werden. Bei vermuteter Lokalisation der Frakturstelle können eine Zirkumzision mit Degloving (Abpräparation der Penisschafthaut über der Buck’schen Faszie) und/oder eine Inzision am penoskrotalen Bereich in der mittig liegenden Raphe vorgenommen werden. Bei beträchtlicher Schwellung des Penis ist der penoskrotale Zugang indiziert, eine alleinige Zirkumzision ist hier nicht sinnvoll, meist ist eine chirurgische Exploration durch Degloving gar nicht durchführbar. Die chirurgische Intervention reduziert die Inzidenz der Fibrose und Deviation von 35 % auf 5 % und das Auftreten einer erektilen Dysfunktion von 62 % auf 5 %.<sup>3</sup> Aus eigener Erfahrung ist die chirurgische Annäherung an die suspizierte Frakturstelle aus dem umgebenden gesunden Bereich (Buck’sche Faszie über der Tunica albuginea, Harnröhre) ratsam, um sich nicht in der durch das Hämatom veränderten Läsion der Frakturstelle der Tunica und in einer konkomitanten Harnröhrenläsion zu „verirren“ und den Läsionsschaden nicht noch zu vergrößern. Die Einstellung des OP-Gebietes mit einem Scott-Retraktor mit Häkchen ist eine unschätzbare Erleichterung in der chirurgischen Exploration. Bei 10–30 % der Männer mit einer Penisfraktur tritt eine bilaterale Läsion der Tunica albuginea Septum-überschreitend auf (Abb. 2A).<sup>3</sup> In drei Vierteln dieser Fälle war die Position des Geschlechtsverkehrs „doggy style“, und diese waren zumeist mit einer Harnröhrenverletzung kombiniert:<sup>1, 2, 4</sup> 76 % partielle Läsionen, 24 % komplette Abrisse. Die urethrale Läsion lag bei meinen Patienten immer über dem Riss der Tunica albuginea. Nach dem Abstreifen des Hämatoms über der Frakturstelle muss der Verlauf des gesamten Frakturspalts dargestellt werden. Reicht der Spalt an/unter die Harnröhre, muss diese 2–3 Zentimeter von der Tunica albuginea abpräpariert werden, um erstens komfortabel den Frakturverschluss durchführen zu können und zweitens eine eventuelle Harnröhrenläsion zu erkennen und versorgen zu können. Bei einer frischen tunikalen Läsion wird der Frakturspalt mit PDS-3/0 mit einer Stichweite von etwa 2 Millimetern fortlaufend oder mit Einzelnähten versorgt, die Knöpfe werden harnröhrennah invertierend angelegt (Abb. 2B). Bei einer einige Tage zurückliegenden Fraktur werden die Frakturränder minimal angefrischt. Die Harnröhrenläsion wird bei kompletter Ruptur zweischichtig mit Monocryl 5/0 readaptiert (Abb. 2C). Ein Silikonkatheter CH16 wird abhängig von der Schwere der Harnröhrenläsion für 10–14 Tage eingelegt, und die Dichtheit der Naht kann fakultativ mit einem Miktionszystourethrogramm bei Katheterentfernung dargestellt werden. Bei einer kompletten Kontinuitätsunterbrechung der Harnröhre mit konsekutiver Harnverhaltung ist die Anlage einer suprapubischen Harnableitung angezeigt, bis das Trauma von einem Genital-Harnröhren-chirurgisch versierten Urologen versorgt wird. Unnötige Folgeeingriffe (bei Abszedierungen und Fistelbildungen der Harnröhre) können dadurch fast vollständig minimiert werden.<br /> In einem Fall aus meinem Patientenkollektiv mussten eine zweizeitige Harnröhrenrekonstruktion mit Mundschleimhauttransfer und eine Korporoplastik bei Penisdeviation nach unzureichender auswärtiger Primärversorgung der Penisfraktur mit Harnröhrenbeteiligung in einem mehrmonatigen Zeitraum angeschlossen werden. Der Patient hatte somit drei operative Eingriffe bis zur vollständigen Herstellung des Normalzustandes des Genitales!<br /> Der Rückzug aus dem OP-Gebiet sollte wiederum in der schichtweisen Adaption der Strukturen erfolgen. Sogar der Verschluss der rupturierten Buck’schen Faszie ist wieder möglich, wenn die oben beschriebene Annäherung an die Frakturstelle aus dem gesunden Bereich erfolgt ist. Die Schichten müssen isoliert vernäht werden, um unangenehme immobile Synechien der Penisschafthaut mit der Tunica albuginea zu vermeiden, welche in Folgeeingriffen fast nicht wieder zu beheben sind. Ein Kompressionsverband und die Einlage eines Katheters werden für zwei Tage bei fehlender Harnröhrenbeteiligung appliziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s7_abb2.jpg" alt="" width="550" height="311" /></p> <h2>Postoperatives Follow-up</h2> <p>Ein Verbot von Geschlechtsverkehr wird für sechs<sup>3</sup> bis acht Wochen<sup>2</sup> nach erfolgter chirurgischer Intervention empfohlen. Kontrollen erfolgen zwei und sechs Wochen nach der chirurgischen Rekonstruktion.<br /> Eine postoperativ aufgetretene Penisdeviation sollte ähnlich dem Vorgehen bei der Induratio penis plastica versorgt werden. Die erektile Dysfunktion wird stufenweise beginnend mit PDE-5-Hemmer, bei Nichtansprechen mit einer intrakavernösen Prostaglandin-Injektion behandelt, und bei Versagen aller konservativen Maßnahmen wird dem Patienten die Einpflanzung eines penilen Implantats angeboten.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die Frage, wann spätestens die chirurgische Intervention einer penilen Fraktur erfolgen soll, wurde offensichtlich in einer europäischen retrospektiven Studie<sup>5</sup> beantwortet. Hier zeigte sich, dass Männer, die später als 12 Stunden nach der Erstvorstellung operiert wurden, ein hohes Risiko für eine postoperative erektile Dsyfunktion hatten (Abb. 4)<sup>5</sup>. Keinen Einfluss hatten das Alter des Patienten, das Ausmaß des Defektes sowie eine Harnröhrenbeteiligung. Allerdings scheint die Notwendigkeit eines raschen operativen Vorgehens durch eine kürzlich publizierte Studie relativiert zu werden.<sup>2</sup> Hier wird das Follow-up von 58 Männern nach chirurgischer Intervention präsentiert: Es wurden die Operationen im Mittel nach 25 Stunden, mit einem zeitlichen Intervall von 2–168 Stunden, vorgenommen. In den Langzeitkomplikationen (sechs Monate postoperativ) fand sich eine erektile Dysfunktion nur bei 14 % der Patienten. Bei der Hälfte dieser Patienten normalisierte sich nach 12 Monaten die erektile Funktion nach PDE-5-Hemmer- Therapie wieder. Die andere Hälfte benötigte die weitere Therapie mit PDE-5-Hemmern. Eine konservativ nicht therapierbare ED scheint nach operativer Rekonstruktion einer Penisfraktur ein seltenes Ereignis zu sein.<br /> Der durch eine Penisfraktur betroffene Mann ist postoperativ weniger durch den passager ästhetisch veränderten genitalen Lokalbefund nach chirurgischer Rekonstruktion (Tab. 1a) irritiert als durch eine gewisse posttraumatische Belastungsstörung (Tab. 1b). Drei Viertel aller Männer haben Ängste und ändern ihre sexuellen Gewohnheiten. Sie haben Furcht vor einer Wiederholung des Traumas und ein Drittel vermeidet die sexuelle Position beim Geschlechtsverkehr, die zur Penisverletzung geführt hat. Die psychogen verursachte erektile Dysfunktion scheint mit dem Abstand zum Trauma wieder abzunehmen.<br /> Die unterlassene operative Rekonstruktion der Penisfraktur ist als Kunstfehler zu werten. Die Zahl der Männer, die nach einem Penistrauma eine urologische Abteilung gar nicht oder zu spät – nach Wochen – aufsuchen, ist nicht bekannt. Die Restituierbarkeit der erektilen Funktion nach einer Penisfraktur scheint durch einen operativen Eingriff mit einem zweiwöchigen Abstand zum Trauma begrenzt zu sein. Durch körpereigene Reparaturmechanismen ist der diagnostische Nachweis der Fraktur und seiner Lokalisation faktisch nicht mehr möglich, besonders bei kleineren Traumen. Die Physiologie der Erektion scheint dann irreversibel negativ verändert zu sein.<br /> Posttraumatisch folgt eine psychisch und organisch verursachte erektile Dysfunktion, begleitet von einem depressiven Syndrom, welches sich negativ auf das ganze Leben des Mannes, auf die Partnerschaft, das soziale Umfeld und den Arbeitsplatz auswirkt.<br /> Daher ist die rasche chirurgische Sanierung einer Penisfraktur immer angezeigt. Das ein- bis zweitägige Zuwarten kann vertreten werden: erstens, da bei unsicheren Fällen zumeist eine MRT zur Diagnosesicherung angefertigt werden kann, und zweitens, weil der jeweilige Fall dann für die notwendige Therapie mit chirurgischer Sanierung zumeist einem erfahrenen Urologen übergeben werden kann. Die Devise eines Urologen sollte sein, lieber einen uneindeutigen Fall sorgsam zu viel freizulegen, als die Last zu tragen, einen Patienten nicht vor Folgeschäden bewahrt zu haben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s8_abb4.jpg" alt="" width="550" height="372" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s8_tab1a+b.jpg" alt="" width="250" height="650" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Barros R et al.: Relationship between sexual position and severity of penile fracture. Int J Impot Res 2017; 29(5): 207-9 <strong>2</strong> Barros R et al.: Impact of surgical treatment of penile fracture on sexual function. Urology 2018; doi: 10.1016/j. urology.2018.11.047 [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Rees RW et al.: British Association of Urological Surgeons (BAUS) consensus document for the management of male genital emergencies – penile fracture. BJU Int 2018; 122(1): 26-8 <strong>4</strong> Barros R et al.: Primary urethral reconstruction results in penile fracture. Ann R Coll Surg Engl 2018; 100(1): 21-5 <strong>5</strong> Bozzini G et al.: Delaying surgical treatment of penile fracture results in poor functional outcomes: Results from a large retrospective multicenter European study. Eur Urol Focus 2018; 4(1): 106-10</p>
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