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Salvage-Harnröhrenchirurgie beim Erwachsenen

<p class="article-intro">Rekonstruktive Eingriffe an komplexen Harnröhrenstrikturen, die ein mehrzeitiges oder multimodales Vorgehen erforderlich machen, sollten nur von erfahrenen Urologen vorgenommen werden. Die Kenntnis unterschiedlicher OP-Techniken sollte durch den Aufenthalt an Zentren mit hohen Fallzahlen und durch die Teilnahme an internationalen „Live surgery“- Kursen erworben werden. Dadurch kann dem betroffenen Patienten individuell das geeignete OP-Verfahren angeboten und die Rezidivrate auf etwa 10 % gesenkt werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Harnr&ouml;hrenchirurgie hat sich in den beiden letzten Jahrzehnten zu einer Subspezialit&auml;t in der Urologie entwickelt. Der Einsatz der Mundschleimhaut hat die Reparaturm&ouml;glichkeiten von Harnr&ouml;hrenstrikturen revolutioniert. Es bedarf eines hohen Grades an Expertise, um sich der Rekonstruktion von unterschiedlichen Harnr&ouml;hrenstrikturen zu stellen. Die Rezidivfreiheit liegt dann &uuml;ber 90 % ohne jegliche Nachbehandlungsverfahren. Jede Lokalisation der Striktur erfordert eine andere operative Technik, ob in der Glans, im Penisschaft, im bulb&auml;ren Urethralabschnitt oder im Sphinkterbereich. Auch die &Auml;tiologie der Striktur spielt eine wesentliche Rolle im operativen Vorgehen, ob traumabedingt, Lichen sclerosus, Spongiofibrose nach multiplen endourologischen Urethrotomien und Bougierungen oder nach anderen urologischen Operationen (radikale Prostatektomien mit subvesikalen Urethravernarbungen/ Verschl&uuml;ssen). Die urethrale Diagnostik besteht in einer obligat atraumatischen Urethroskopie des distalen Harnr&ouml;hrenabschnittes und einem retrograden Urethrogramm im fr&uuml;hestens 3-monatigen Intervall nach jeglicher urethralen Manipulation/Operation/ Trauma. Manchmal ist wegen hoher Restmengen oder Harnverhaltung die passagere Anlage einer suprapubischen Katheterableitung bis zur diagnostischen Abkl&auml;rung der jeweiligen Harnr&ouml;hrenstriktur und bis zu deren folgender Rekonstruktion notwendig.</p> <h2>Distale Harnr&ouml;hrenstrikturen (glandulopenilbulb&auml;re Harnr&ouml;hre)</h2> <p>Bei etwa einem Viertel der Patienten ist ein mehrzeitiges, rekonstruktives Verfahren notwendig. Die Etablierung einer normal kalibrierten Harnr&ouml;hre ist bei diesem Patientenkollektiv nur in mehreren zeitlich abgesetzten OP-Schritten m&ouml;glich. Der Versuch einer einzeitigen Rekonstruktion der Harnr&ouml;hre in seiner gesamten Zirkumferenz f&uuml;hrt hochwahrscheinlich zu einer komplexeren Striktur.<br /> Essenziell in der Harnr&ouml;hrenchirurgie ist die Kenntnis der vaskul&auml;ren Anatomie des &auml;u&szlig;eren Genitales und der spongi&ouml;sen Harnr&ouml;hre. Die Nutrition der Gewebetransplantate am Implantationsort ist das Um und Auf f&uuml;r eine erfolgreiche rekonstruktive Harnr&ouml;hrenchirurgie. Die Bewahrung oder Schaffung eines gut vaskularisierten Bettes minimiert einen Schrumpfungsprozess der transferierten Mundschleimhautst&uuml;cke.<br /> Der Salvage-Harnr&ouml;hrenchirurgie kann man jenes Patientenkollektiv zuordnen, welches aufwendige, multimodale und zwei- oder mehrzeitige Rekonstruktionstechniken erfordert. Die Mehrheit dieser Patientengruppe sind M&auml;nner, die in der Kindheit eine Hypospadieoperation und frustrane Folgeeingriffe (Abb. 1a) hatten. Es ist eine Illusion, solchen Patienten noch mit weiteren Dilatationen oder Urethrotomien &bdquo;helfen&ldquo; zu wollen. Die radikale Resektion aller narbigen Harnr&ouml;hrenabschnitte &uuml;ber eine ventrale Inzision bis zur normal rosigen Harnr&ouml;hre ist der erste operative Schritt. Manchmal vorliegende Haare und Steine in divertikelartigen Aussackungen werden komplett entfernt (Abb. 1b). Die Mundschleimhaut aus den Wangeninnenseiten ist f&uuml;r die fl&auml;chige Neuanlage der Harnr&ouml;hre hervorragend geeignet. Die zu erntende Fl&auml;che aus einer Wange misst zumeist 3x 4cm. F&uuml;r die Generierung einer normal weiten Harnr&ouml;hre ist eine Breite von etwa 3cm notwendig. Zwei Wangeninnenseiten reichen f&uuml;r die Anlage einer etwa 8cm langen Harnr&ouml;hrenstriktur aus. F&uuml;r die Rekonstruktion l&auml;ngerer Harnr&ouml;hrenstrikturen werden Schleimhautpatchs aus der Zungenunterseite additiv eingesetzt. Ein &auml;hnliches Vorgehen ist bei M&auml;nnern angezeigt, deren Harnr&ouml;hre durch sklerosierende (Lichen sclerosus) und narbigentz&uuml;ndliche Prozesse (Balanitis xerotica obliterans) destruiert wurde. Bei dieser Patientengruppe ist die Verwendung der Vorhaut oder Penisschafthaut kontraindiziert. Fr&uuml;hestens nach einem halben Jahr, bis das Transplantat zu einem weichen, samtig d&uuml;nnen, breitfl&auml;chigen Harnr&ouml;hrenersatz eingewachsen ist (Abb. 1c), kann der kosmetische Harnr&ouml;hrenverschluss mit Glans- und Meatusrekonstruktion eingeleitet werden (Abb. 1d).<br /> Prinzipiell k&ouml;nnen an jeder Stelle der distalen Harnr&ouml;hre mehrzeitige Rekonstruktionen f&uuml;r komplett zerst&ouml;rte, vernarbte, auch fehlende Harnr&ouml;hrenabschnitte, z.B. nach Abszedierungen, durchgef&uuml;hrt werden. Seltene Beispiele sind Urethrazerst&ouml;rungen nach Staubsauger- und Schussverletzungen, Pf&auml;hlungen, nach Explanation von Harnr&ouml;hrenstents. Mehrzeitigkeit ist auch bei nicht gegl&uuml;ckten Urethraanastomosierungen bei Penisfrakturen und iatrogenen fistulierenden Prozessen nach IPP-Operationen und Prinz-Albert-Piercings angezeigt. Grundgesetz in der rekonstruktiven Harnr&ouml;hrenchirurgie ist, dass der erste operative Schritt erst nach Abheilung aller Traumatisierungs- und Entz&uuml;ndungsprozesse stattfinden sollte. Dazu z&auml;hlen auch blutige Endoskopier- und Kathetersetzversuche.<br /> Im umfassenden Aufkl&auml;rungsgespr&auml;ch wird bei M&auml;nnern mit einer langstreckigen Harnr&ouml;hrenstriktur (Panstriktur) die Anlage einer Perineotomie als m&ouml;gliche Option mitdiskutiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_urologik_1802_s35_abb1a-d.jpg" alt="" width="1417" height="1645" /></p> <h2>Anastomosen/Harnr&ouml;hren &ndash; Fibrosen nach radikaler Prostatektomie</h2> <p>Die Striktur der vesikourethralen Anastomose ist Folge der radikalen Prostatektomie mit einer H&auml;ufigkeit von etwa 5&ndash;8 % . Risikofaktor d&uuml;rfte eine Anastomosendehiszenz mit postoperativer H&auml;maturie sein. Beg&uuml;nstigend ist eine adjuvante Bestrahlung. Fast immer haben diese Patienten schon mehrmalig endoskopisch dilatative Verfahren zum Erstvorstellungstermin am rekonstruktiven Zentrum hinter sich. Es werden anfangs zumeist Sachse- oder Laser-Urethrotomien, dann transurethrale Narbenresektionen, Inzisionen bis zu chronischen Bougierungen durchgef&uuml;hrt. F&uuml;r Letztere wird der Patient manchmal angeleitet, diese selbst durchzuf&uuml;hren. Die Rezidivh&auml;ufigkeit liegt bei etwa 20&ndash;40 % (Abb. 2a). Viele Patienten sind durch die endoskopischen Operationen inkontinent geworden. Es liegen dann zwei zu rekonstruierende Pathologien vor: Resektion des subvesikalen Narbenblocks mit offen-chirurgischer Anastomosenrekonstruktion, welche die Restkontinenz in eine komplette Belastungsinkontinenz verwandelt, und die Implantation eines artifiziellen Sphinkters im Intervall (mindestens 6 Monate). Die Offenheitsrate der perinealen Reanastomosierung liegt bei etwa 90 % (Abb. 2b). Ein zu beachtender Faktor ist die L&auml;nge der subvesikalen Striktur. Wie bei Harnr&ouml;hrenabrissen ist es manchmal notwendig, die Cura der Schwellk&ouml;rper zu separieren, gegebenenfalls eine Pubektomie durchzuf&uuml;hren, um die gesunde, narbenfreie, bulb&auml;re Harnr&ouml;hre mit dem Blasenhals zu anastomosieren. Dieses multimodale, zweizeitige Vorgehen ist in Expertenh&auml;nden einer suprapubischen Harnableitung (Mitrofanoff, Ileumconduit oder Dauerableitung mittels suprapubischen Katheters) vorzuziehen, welche bei Unm&ouml;glichkeit oder Versagen der subvesikalen Rekonstruktion noch immer als m&ouml;gliche Option angeboten werden kann.<br /> Die externe Radiatio des ehemaligen Prostatasitzes bei PSA-Rezidiv kompliziert die rekonstruktiven M&ouml;glichkeiten: Bei einer Handvoll von Patienten mit mehreren zentimeterlangen, narbenblockartigen, fadenf&ouml;rmigen, subvesikalen Strikturen ist es im Donauspital mit einer dorsalen und ventralen Mundschleimhautimplantation gelungen, eine rezidivfreie Offenheit der operierten Anastomosenregion zu erlangen. Es erfordert gro&szlig;e chirurgische Geschicklichkeit, die Schleimhautpatchs im tiefen, schachtartigen, perinealen Zugang bis zum Blasenhals zu positionieren und zu fixieren. Diese Patienten profitierten nach Implantation eines Sphinkters von einem nahezu normalen Miktionsverhalten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_urologik_1802_s36_abb2a+b.jpg" alt="" width="1417" height="744" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Es ist unglaublich, wie lange Patienten mit ihrem bemitleidenswerten Miktionsverhalten dahinvegetieren, wie lange es dauert, bis sie an einem Zentrum mit entsprechender Expertise vorgestellt werden. Die Patienten haben oft chronische Harnwegsinfekte mit hochresistenten Keimen, dilatierte oder muskelhypertrophe Blasenkonfigurationen mit Trabekulierungen und multiplen Blasendivertikeln und betr&auml;chtliche Restharnmengen. Es ist oft erstaunlich, welche hochwertigen funktionell- und plastisch-rekonstruktiven Ergebnisse den langj&auml;hrigen, leidvollen Strikturkarrieren einzelner Patienten gegen&uuml;berstehen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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