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Therapieoptimierung des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms
Urologik
Autor:
Prof. Dr. Gerd Lümmen
Urologische Abteilung<br> St. Josef-Hospital Troisdorf<br> Hospitalstraße 45<br> 53840 Troisdorf<br> E-Mail: gerd.luemmen@gfo-kliniken-troisdorf.de
30
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13.12.2018
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<p class="article-intro">Die Therapie des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch innovative diagnostische Verfahren zunehmend verbessert. Die Mehrzahl der nicht muskelinvasiven Blasenkarzinome kann durch transurethrale Resektion und anschließende intravesikale Instillationstherapie behandelt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine Nachresektion nach 4–6 Wochen bei allen nicht reinen pTa-„Low-grade“- Tumoren wird empfohlen.</li> <li>Die konsequente Anwendung der Frühinstillation zur Rezidivprophylaxe ist ein wesentliches Element der Therapie.</li> <li>Die adjuvante intravesikale Therapie sollte zumindest bei High-Risk-Tumoren angewendet werden.</li> <li>Therapieversager mit Hochrisikotumoren sollten konsequent zystektomiert werden.</li> </ul> <h2>Nachresektion</h2> <p>Am Anfang der Behandlung des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms steht die transurethrale Resektion des Tumors (TUR-B). Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2014 wies Tumoren in der zweiten Resektion in 42–66 % der Fälle nach, von denen 18 % eine Muskelinvasion zeigten. Die Durchführung einer Nachresektion führte zu einer signifikanten Senkung der Progression von 33 auf 18 % .<sup>1</sup> Durch die konsequente Durchführung einer Nachresektion bei allen aggressiven Tumoren, pT1- Tumoren, bei fehlender Muskulatur im Präparat und der Einschätzung des Operateurs einer inkompletten Resektion kann sowohl die Rezidiv- als auch die Progressionsrate des Tumors in mehreren Studien signifikant gesenkt werden.<sup>2</sup> Die Verbesserung der Resektionstechnik in Form der ERBT entsprechend einer „En bloc“-Resektion hat bisher noch zu keiner wesentlichen Verbesserung geführt. Hier sind weitere Daten abzuwarten. Photodynamische Diagnostik Zusätzlich zur TUR-B hat die Anwendung der photodynamischen Diagnostik (PDD) mit Hexvix<sup>®</sup> bei der TUR-B nicht muskelinvasiver Blasenkarzinome in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die fluoreszenzassistierte TUR-B mit Hexvix<sup>®</sup> detektiert laut S3-Leitlinie zum Harnblasenkarzinom 20 % mehr Blasenkarzinome und 40 % mehr Carcinomae in situ (CIS) im Vergleich zur einfachen Weißlicht- TUR-B. Gemäß der S3-Leitlinie von 2016 ist trotz der vermehrten Detektion an Tumoren die Datenlage bezüglich der Senkung der Rezidivrate und des rezidivfreien Überlebens nicht einheitlich und der Einfluss auf die Progression der Erkrankung nicht belegt. <br />Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016, in der 5 von 294 Studien mit insgesamt 1300 Patienten ausgewertet wurden, konnte eine 1,6-fach erhöhte Progressionswahrscheinlichkeit unter Weißlicht im Vergleich zur fluoreszenzassistierten TURB belegen. Ein Einfluss auf die Rezidivrate wurde nicht beschrieben.<sup>3</sup> <br />Eine neuere Metaanalyse aus dem Jahr 2017, die aus insgesamt 14 Studien und knapp 3000 Patienten besteht, kann zwar eine signifikante Senkung der Rezidivrate mit einer Hazard-Ratio von 0,82 zugunsten der fluoreszenzassistierten TURB belegen, zeigt jedoch keinen Einfluss auf die Progression der Erkrankung.4 Die Datenlage bleibt weiterhin heterogen und nicht eindeutig. Aus diesem Grund halte ich die Empfehlung der S3-Leitlinie zum Einsatz der fluoreszenzassistierten TURB mit Hexvix<sup>®</sup> beim nicht muskelinvasiven Blasenkarzinom immer noch für aktuell und sinnvoll. Diese Methode sollte bei Patienten ergänzend durchgeführt werden, die einen multifokalen Tumor haben und/oder einen „High-grade“-Tumor in der Vorgeschichte und/oder wenn ein Verdacht auf ein CIS (positive Urinzytologie) besteht. <br />Eine Erweiterung der Diagnostik des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms stellt das sogenannte Narrow-Band Imaging (NBI) dar, das durch eine Kontrastverstärkung zwischen Mikrovaskulatur und Schleimhaut zu einer höheren Tumordetektion führt. In einer Multicenterstudie aus dem Jahr 2016 führte der Einsatz von NBI bezogen auf die Low-Risk-Tumorgruppe zu einer signifikanten Senkung der Rezidivrate. Die Gesamtgruppe aller Tumorpatienten blieb bezüglich der Rezidivrate durch den Einsatz von NBI unbeeinflusst.<sup>5</sup> Dahingehend ist die Detektionsrate von CIS durch NBI vergleichbar hoch wie mit PDD. Eine Metaanalyse von 2017 belegt eine Senkung der Rezidivrate, es wird von den Autoren allerdings angemerkt, dass prospektiv-randomisierte Studien fehlen und bisher kein Einfluss auf die Progression der Erkrankung nachgewiesen werden konnte.<sup>6</sup></p> <h2>Frühinstillation</h2> <p>Die Durchführung einer Frühinstillation innerhalb der ersten 24 Stunden führt zu einer Optimierung der Therapie des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms. Eine Metaanalyse von 2013 konnte eine relative Senkung der Rezidivrate von 38 % durch den Einsatz einer Frühinstillation belegen. Aber auch hier fordern die Autoren wegen der schlechten Datenlage zusätzliche prospektiv-randomisierte Studien.<sup>7</sup> Hiervon profitieren insbesondere Patienten mit einem primären, unifokalen bzw. Low-Risk-Urothelkarzinom bezüglich der Senkung der Rezidivrate. Ein Einfluss auf die Progression der Erkrankung ist bisher nicht nachgewiesen.<sup>2</sup></p> <h2>Gruppe mit intermediärem Risiko</h2> <p>Patienten mit nicht muskelinvasivem Blasenkarzinom mit intermediärem Risiko (EORTC-Risikogruppen) können sowohl mit einer intravesikalen Chemotherapie als auch einer BCG-Therapie behandelt werden. Hierbei sollte man mit dem Patienten die Wirkungen und Nebenwirkungen besprechen und gegeneinander abwägen.</p> <h2>High-Risk-Tumoren</h2> <p>Patienten mit einem High-Risk-Tumor sollen eine intravesikale BCG-Induktionstherapie mit anschließender Erhaltungstherapie für 1–3 Jahre erhalten.<sup>2</sup> Die Datenlage bezüglich der Erhaltungstherapie mit BCG ist allerdings insgesamt dünn und es gibt zunehmend Studien, die keinen Unterschied in der Rezidiv- und Progressionsrate zwischen einer reinen Induktionstherapie und einer Erhaltungstherapie zeigen. <br />Eine spanische Arbeitsgruppe verglich die Induktionstherapie mit BCG und eine Induktionstherapie mit anschließender Erhaltungstherapie mit BCG über 3 Jahre prospektiv-randomisiert und es zeigte sich kein Unterschied bezüglich der Zeit bis zum Rezidiv, der Zeit bis zur Progression und des tumorspezifischen Überlebens.<sup>8</sup> <br />Nach einer Metaanalyse von Sylvester et al. aus dem Jahr 2016<sup>9, 10</sup> zur BCG-Erhaltungstherapie erleidet 5 Jahre nach einer Erhaltungstherapie jeder 5. Patient eine Progression seiner Erkrankung und jeder 10. Patient stirbt an dieser Erkrankung. Dieses Risikoprofil muss mit dem Patienten diskutiert werden.</p> <h2>Zystektomie</h2> <p>Das hohe Progressionsrisiko verdeutlicht die Aggressivität der Erkrankung im High-Risk-Stadium und stellt die frühe Zystektomie als eine Behandlungsform nochmals zur Diskussion. Die frühe Zystektomie soll insbesondere bei Frührezidiv oder Tumorpersistenz empfohlen werden.<sup>2</sup> Weitere Selektionskriterien für eine frühe Zystektomie sind unter anderen eine Lamina-propria-Invasion pT1b, eine lymphovaskuläre Invasion, ein begleitendes CIS, Tumoren mit über 3cm Durchmesser und ein höheres Lebensalter über 70 Jahre. Die genannten Prognosefaktoren führen bis hin zu einer Verdoppelung des Risikos, am Tumor zu sterben.<sup>11</sup></p> </div></p>
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<p><strong>1</strong> Sfakianos JP et al.: The effect of restaging transurethral resection on recurrence and progression rates in patients with nonmuscle invasive bladder cancer treated with intravesical bacillus Calmette-Guérin. J Urol 2014; 191(2): 341-5 <strong>2</strong> S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. Langversion 1.1. November 2016, AWMF-Registernummer: 032/038OL <strong>3</strong> Gakis G, Fahmy O: Systematic review and meta-analysis on the impact of hexaminolevulinateversus white-light guided transurethral bladder tumor resection on progression in non-muscle invasive bladder cancer. Bladder Cancer 2016; 2(3): 293-300 <strong>4</strong> Chou R et al.: Comparative effectiveness of fluorescent versus white light cystoscopy for initial diagnosis or surveillance of bladder cancer on clinical outcomes: systematic review and meta-analysis. J Urol 2017; 197(3.1): 548-58 <strong>5</strong> Naito S et al.: The Clinical Research Office of the Endourological Society (CROES) Multicentre Randomised Trial of Narrow Band Imaging-Assisted Transurethral Resection of Bladder Tumour (TURBT) Versus Conventional White Light Imaging-Assisted TURBT in Primary Non-Muscle- invasive Bladder Cancer Patients: trial protocol and 1-year results. Eur Urol 2016; 70(3): 506-15 <strong>6</strong> Kang W et al.: Arrow band imaging-assisted transurethral resection reduces the recurrence risk of non-muscle invasive bladder cancer: a systematic review and meta-analysis. Oncotarget 2017; 8(14): 23880-90 <strong>7</strong> Perlis N et al.: Immediate post-transurethral resection of bladder tumor intravesical chemotherapy prevents non-muscle-invasive bladder cancer recurrences: an updated meta-analysis on 2548 patients and quality-of-evidence review. Eur Urol 2013; 64(3): 421-30 <strong>8</strong> Martinez-Pineiro L et al.: Maintenance therapy with 3-monthly bacillus Calmette- Guérin for 3 years is not superior to standard induction therapy in high-risk non-muscle-invasive urothelial bladder carcinoma: final results of randomised CUETO study 98013. Eur Urol 2015; 68(2): 256-62 <strong>9</strong> Sylvester R: A single immediate instillation of chemotherapy for non-muscle invasive bladder cancer: in all patients? Transl Androl Urol 2018; 7(1): 138-40 <strong>10</strong> Sylvester R: Reply to Per- Uno Malmström and Bruce J. Trock´s letter do the editor. Eur Urol 2016; 69(1): e12-3 <strong>11</strong> Martin-Doyle W et al.: Improving selection criteria for early cystectomy in highgrade t1 bladder cancer: a meta-analysis of 15,215 patients. J Clin Oncol 2015; 33(6): 643-50</p>
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