
Bedeutung pulmonaler Symptome zum Zeitpunkt der Erstdiagnose
Bericht:
Ines Schulz-Hanke
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Bei der Erstdiagnose von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen können bereits pulmonale Symptome vorliegen, dies muss jedoch nicht der Fall sein. Eine Studie des Rheumazentrums Jena hat beleuchtet, ob bei Diagnose einer Rheumaerkrankung symptomatische bzw. asymptomatische Menschen unterschiedlich stark von einer interstitiellen Lungenerkrankung betroffen sind.
Keypoints
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Bei 25 bis 30% der Patientinnen und Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung liegt zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine interstitielle Lungenerkrankung vor, jedoch keine pulmonalen Symptome.
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Sowohl in der symptomatischen als auch in der asymptomatischen Patientengruppe war eine DLCO-Erniedrigung nachweisbar, sodass sich dieser Wert auch als Screening-Parameter nutzen lassen könnte.
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Bei symptomatischen Patientinnen und Patienten lässt sich im CT KI-gestützt eine umfangreichere Lungenbeteiligung nachweisen als bei asymptomatischen.
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Früherkennung und Screening auf die interstitielle Lungenerkrankung sind essenziell bei dieser Patientenklientel, da die interstitielle Lungenerkrankung Morbidität und Mortalität maßgeblich beeinflusst.
Die Lungenbeteiligung sei eine der häufigsten Organbeteiligungen entzündlich-rheumatologischer Erkrankungen (ERE), erinnerte Dr. Tobias Hoffmann, Jena. Ausprägung und klinische Symptomatik seien dabei mannigfaltig und reichten von Milchglastrübungen über NSIP-Muster (nichtspezifische interstitielle Pneumonie) bis zu schwer fibrosierenden Manifestationen.1–3 Die Prävalenz der Lungenbeteiligung variiere von 5 bis 10% bei der rheumatoiden Arthritis und erreiche 50 bis 60% bei systemischer Sklerose oder bei den Myositiden.4
AI-gestützte Quantifizierung derpulmonalen HRCT
Die hochauflösende Computertomografie (HRCT) sei aktuell der Goldstandard bei der Diagnosestellung interstitieller Lungenerkrankungen, wobei eine visuelle qualitative Beurteilung des Lungenparenchyms durch eine Radiologin oder einen Radiologen erfolgt.5–7 Ein quantitatives Verfahren, das auch Verlaufsbeurteilungen ermöglichen würde, fehle bisher in der klinischen Routine, erklärte Hoffmann.
Nun habe seine Arbeitsgruppe ein Quantifizierungsverfahren im Rahmen einer Studie eingesetzt, um festzustellen, ob sich Häufigkeit und Ausprägung der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) bei symptomatischen und asymptomatischen Patientinnen und Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose unterscheiden. Hierzu habe man sowohl Lungenfunktionsdaten als auch qualitative CT-Daten erhoben und die Annotationssoftware SATORI verwendet, um KI-gestützt eine Quantifizierung der pulmonalen HRCT (AIpqHRCT) vorzunehmen. Die Software könne verschiedene Pathologien mit hoher Zuverlässigkeit quantifizieren, unter anderem Volumina und Milchglastrübungen, aber auch Retikulationen, Raumforderungen und Honigwaben-Muster, erklärte Hoffmann.8
In die Studie seien 67 Patientinnen und Patienten mit der Erstdiagnose ERE-bedingte interstitielle Lungenerkrankung (ERE-ILD) aufgenommen worden. Von ihnen waren 50 symptomatisch (75%) und 17 asymptomatisch (25%). Als asymptomatisch galten Teilnehmende, die weder Husten, Auswurf, Dyspnoe noch eine Sklerosiphonie aufwiesen. Die CT-Daten aller Teilnehmenden seien entsprechend dem Algorithmus analysiert worden. Hinsichtlich der Baseline-Charakteristika wie Alter, Geschlecht, Erkrankungsverteilung und pulmonale Komorbiditäten hätten keine signifikanten Unterschiede bestanden, berichtete Hoffmann.
Lungenfunktion und Lungenbeteiligung unterscheiden sich
Die Ergebnisse der Lungenfunktionsuntersuchung hätten gezeigt, dass sich insbesondere die ventilatorischen Parameter (forciertes exspiratorisches Volumen [FEV1], forcierte Vitalkapazität [FVC], totale Lungenkapazität [TLC]) zwischen symptomatischer und asymptomatischer Studiengruppe signifikant unterscheiden. Außerdem seien die DLCO-Werte (Diffusing Capacity of the Lung for Carbon Monoxide), die das Vermögen der Lunge kennzeichnen, Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft aufzunehmen und Kohlenstoffdioxid abzugeben, in der symptomatischen Gruppe signifikant geringer gewesen als in der asymptomatischen. In beiden Gruppen hätten sie allerdings unter dem Cut-off-Wert von 80% gelegen.
Die quantitativen Daten aus dem AIpqHRCT-Prozess hätten gleiche Lungenvolumina für die beiden Vergleichsgruppen ausgewiesen, und zwar 3,93±1,28l in der symptomatischen und 4,24±1,39l in der asymptomatischen Gruppe. Dies sei wichtig für die weitere Interpretation der Daten. Das Gesamtausmaß der Fibrose sei in der symptomatischen Gruppe mit durchschnittlich 16% Lungenbeteiligung signifikant höher gewesen als in der asymptomatischen Gruppe mit 9%. Hinsichtlich der Milchglastrübung hätten sich die Patientinnen und Patienten der beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden, jedoch hätten bei symptomatischen Lungenerkrankten mit durchschnittlich 5,4% häufiger Retikulationen vorgelegen als bei den asymptomatischen Erkrankten mit 1,4%.
Abb. 1: Häufigkeit der Organbeteiligung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Erkenntnisse zur Ausbildung einerschweren interstitiellen Lungenerkrankung
Zusammenfassend könne man sagen, dass der Weg bis zur schweren ILD, so Hoffmann, wie folgt ist: Eine Patientin oder ein Patient mit entzündlich-rheumatologischer Erkrankung und zunächst gesunden Lungen entwickle infolge der Inflammation eine interstitielle Lungenerkrankung. Aufgrund der Entzündungsprozesse sinke die DLCO und im weiteren Verlauf nehme die Fibrose zu. Später würden auch klinische Symptome erkennbar und schließlich fielen die spirometrischen Parameter wie FVC und TLC ab. Zwischen dem Einsetzen der interstitiellen Lungenerkrankung und dem Auftreten erster respiratorischer Symptome bestehe bisher eine diagnostische Lücke.
Bisher seien die HRCT-Aufnahmen alle an einem Standort gemacht worden, erklärte Hoffmann im Rahmen der Schlussdiskussion. Nun kläre die Arbeitsgruppe gerade, wie groß die Schwankungsbreite des Verfahrens ist, um festzustellen, wie gut es sich zur Feststellung einer Progredienz eignet. Es sollen Longitudinalstudien erfolgen und Messungen an unterschiedlichen Standorten und mit unterschiedlichen Schnittdicken.
Quelle:
„Zeigen pulmonal asymptomatische Patienten bei der Erstdiagnose einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung eine Lungenbeteiligung auf?“, Vortrag von Dr. Tobias Hoffmann, Jena, im Rahmen der Session „Fibrotische Erkrankungen – eine interdisziplinäre Herausforderung“ anlässlich des Deutschen Rheumatologie-Kongresses am 19. September 2024 in Düsseldorf
Literatur:
1 Hoffmann T et al.: Organ manifestation and systematic organ screening at the onset of inflammetory rheumatic diseases. Diagnostics (Basel) 2021;12(1): 67 2 Hoffmann T et al.: Entzündlich-rheumatische Erkrankung – Diagnostik über die Gelenke hinaus. Kompendium Rheumatologie 2023: 46-52 3 Hoffmann T et al.: Diagnosing lung involvement in inflammatory rheumatic diseases. Where do we currently stand? Front Med (Lausanne) 2023; 9: 1101448 4 Joy GM et al.: Prevalence, imaging patterns and risk factors of interstitial lung disease in connective tissue disease: a systematic review and meta-analysis. Eur Respir Rev 2023; 32(167): 220210 5 Kreuter M et al.: [Consensus guideline on the interdisciplinary diagnosis of interstitial lung diseases]. Pneumologie 2023; 77(5): 269-302 6 Hoffmann-Vold AM.: European consensus statements for interstitial lung disease in systemic sclerosis - Authors’ reply. Lancet Rheumatol 2020; 2(6): e319-20 7 Lynch DA et al.: Diagnostic criteria for idiopathic pulmonary fibrosis: aFleischner Society White Paper. Lancet Respir Med 2018; 6(2): 138-53 8 Hoffmann T et al.: Artificial intelligence-based quantification of pulmonary HRCT (AIqpHRCT) for the evaluation of interstitial lung disease in patients with inflammatory rheumatic diseases. Rheumatol Int 2024; 44(11): 2483-96
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