
Differenzialdiagnose von Mundschleimhautläsionen
Autorin:
DDr. Monika Schwaninger
Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinikum Wels-Grieskirchen
E-Mail: mkg.schwaninger@gmail.com
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Patient*innen entdecken oft selbst Veränderungen an ihrer Mundschleimhaut. Sie suchen dann Ärzt*innen der Zahnheilkunde, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Dermatologie, Allgemeinmedizin oder Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde auf. Nicht selten haben bereits mehrere frustrane Therapieversuche stattgefunden, bis die Patient*innen eine genaue Diagnose und die passende Therapie erhalten.
Keypoints
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Leukoplakie: weißer Fleck auf der Mundschleimhaut, der keiner bestimmten Erkrankung zuzuordnen ist. Das unverhornte Plattenepithel verhornt unter Irritation und/oder Einfluss einer Noxe.
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Potenziell maligne Läsion (PML): Vorstufe eines Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle. Histologische Einteilung in gering-, mittel- und hochgradige Dysplasien.
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Lichenoide Kontaktläsionen und oraler Lichen planus können nur klinisch, nicht aber histologisch voneinander unterschieden werden.¹
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Die nekrotisierende Sialometaplasie ist ein Infarkt der kleinen Speicheldrüsen des Gaumens unklarer Genese. Ein kleines, schmerzhaftes Ulkus persistiert über Wochen, bis es dann spontan abheilt. Raucher sind davon häufiger betroffen.
Hinter einigen Mundschleimhautveränderungen stecken systemische Erkrankungen, die einer genaueren Abklärung bedürfen. Andere Läsionen wiederum werden von zahnärztlichen Versorgungen verursacht und können durch entsprechende Sanierung zum Abheilen gebracht werden. Die Diagnosefindung ist nicht immer gleich möglich, wird allerdings durch eine genaue klinische Untersuchung, allgemeinmedizinische Anamnese und Exploration der bereits bestehenden Therapien erleichtert. Observanz mit gegebenenfalls Fotodokumentation gibt Aufschluss über die Dynamik einer Läsion. Mit Mundschleimhautveränderungen beschäftigt sich besonders das zahnärztliche Spezialgebiet der oralen Medizin, das Medizin und Zahnmedizin verbindet.
Das klinische Erscheinungsbild ist diagnoseweisend
Leukoplakien
Weiße Flecken, sogenannte „Leukoplakien“, sind keiner bestimmten Krankheit zuzuordnen und Grundlage einer Reihe von Differenzialdiagnosen:
Bei weißen, abwischbaren Belägen auf rotem Grund kann es sich um Soor handeln.
Als „Morsicatio buccarum“ werden rezidivierende Einbisse im Planum buccale bezeichnet, die oft als weißliche, nicht abwischbare Stellen erscheinen, die von der farnkrautartigen weißen Zeichnung eines retikulären Lichens unterschieden werden sollen.
Potenziell malignen Läsionen (PML) in Gestalt von ebenfalls weißlichen und/oder rötlichen Veränderungen sollte besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, sie sollten durch eine Biopsie abgeklärt werden. Abhängig vom Dysplasiegrad handelt sich um Vorstufen des Platteneptihelkarzinoms der Mundhöhle, mit Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol, HPV- Infektion und schlechter Mundhygiene. Patient*innen mit PML sollen über das erhöhte Krebsrisiko aufgeklärt und ermutigt werden, die entsprechenden schlechten Lebensgewohnheiten aufzugeben, sowie observiert werden. Bei kleinen Läsionen soll eine vollständige Exzision ins Auge gefasst werden. Als solche potenziell malignen Läsionen betrachtet man den erosiven Lichen der Mundschleimhaut, die submuköse Fibrose, die durch Betelnusskauen verursacht wird, und die proliferative verruköse Leukoplakie (PVL) (Abb. 1), die durch stark verhornte Mundschleimhautareale auffällt.
Lichenoide Läsionen
Sie können durch chronische Irritation durch zahnärztliche Metallversorgungen und durch Medikamente wie Antihypertensiva, Antidiabetika, Antikonvulsiva und NSAIR verursacht werden (Abb. 2). Lichenoide Läsionen können bei Autoimmunerkrankungen und bei Graft-Versus Host-Reaktionen vorkommen. Histologisch kann die lichenoide Läsion nicht vom oralen Lichen planus (OLP) unterschieden werden.1
Oraler Lichen planus
Der OLP ist eine vermutlich T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung der Mundschleimhaut, die zur Apoptose der Keratinozyten führt. Haut- und Genitalschleimhautbeteiligung kann vorkommen. Ein schubartiges Beschwerdebild ist typisch und diagnoseweisend. OLP bleibt oft aus Mangel an Beschwerden unerkannt. Man unterscheidet symptomarme Formen wie retikulären und papillären Lichen und schmerzhaftere wie erosiven und ulzerösen Lichen. Durch eine Biopsie sollen das Vorliegen von Dysplasien und eine blasenbildende Schleimhauterkrankung ausgeschlossen werden.
Erythroplakien
Die „roten Flecken“ zeigen sich bei Gingivitis, Mukositis, atropher Candidiasis, PML und OLP. Die Prothesenstomatitis, begleitet von Mundwinkelaphthen, zeigt ein rotes Prothesenlager, was manchmal mit Mundschleimhautbrennen verbunden und eine Folge des dauerhaften Tragens einer schlecht sitzenden Prothese. Begünstigt wird sie durch reduzierten Allgemeinzustand, Antibiotika- oder immunsuppressive Therapie und Kortisoninhalation.
Differenzialdiagnostisch können blasenbildende Mundschleimhautveränderungen wie die häufig auftretenden Aphthen, Herpesvirusinfektionen und seltene Autoimmunerkrankungen wie Pemphigus vulgaris oder Pemphigoid unterschieden werden. Neben einer konventionellen Gewebeprobe sollen auch eine native Biopsie an scheinbar gesunder Schleimhaut und Serum zur direkten und indirekten Immunfluoreszenzuntersuchung gewonnen werden.
Auch Hämangiome, Petechien und Morbus Osler erscheinen als rötliche Flecken. Eine histologische Untersuchung, Blutbilduntersuchung und Gerinnungsanamnese können durchgeführt werden.
Gelbliche Flecken
Fordyce-Granula, die im Planum buccale und an den Lippen bei Männern häufiger als bei Frauen zu sehen sind, imponieren gelblich. Es sind ektope Talgdrüsen, die keinen Krankheitswert haben. Eine Assoziation mit Hyperlipidämie wird diskutiert.2
Bläuliche/Bräunliche Flecken
Pigmentierte Veränderungen sollen von Malignomen unterschieden werden. Im zahnärztlichen Alltag begegnen uns gelegentlich Metalleinsprengungen in der Schleimhaut, verursacht durch Metallabrieb. Nicht immer ist die Ursache dafür noch erkennbar, wenn der verursachende Zahn verloren gegangen ist. Eine solche Metallose lässt sich histologisch von einem Nävus, einer Rauchermelanose, einem Hämangiom und einem Melanom abgrenzen. Das gefürchtete Schleimhautmelanom kommt selten vor. Als Rarität schwierig zu erkennen ist das amelanotische Melanom, das rötlich bis blass-bräunlich erscheint.
Auch die Lokalisation kann Aufschluss geben
An der Zunge, den Lippen oder unter Prothesen finden sich häufig Reizfibrome. Papillome sieht man gelegentlich bei jüngeren Patient*innen am Zungenrücken oder an der Zungenspitze. Condylomata accuminata mit Präferenz an Zunge und Oropharynx haben HPV-Assoziation und sind übertragbar.
An Unterlippen und am Mundboden sieht man glasig bläuliche Zysten, die als Speichelretentionszysten und Ranulae bezeichnet werden. Am Gaumen finden sich Veränderungen der kleinen Speicheldrüsen: Häufig begegnet einem der typische Rauchergaumen, während die nekrotisierende Sialometaplasie, ein Speicheldrüseninfarkt unbekannter Ursache, eine Rarität darstellt (Abb. 3). Tumoren der kleinen Speicheldrüsen am Gaumen sollen histologisch verifiziert werden. Für das Schleimhautmelanom gilt der Oberkiefer als Prädilektionsstelle.
Zusammenfassung
Differenzialdiagnosen bei Mundschleimhautläsionen zu stellen bedarf einerseits einer gewissen Kenntnis der oralen Verhältnisse und andererseits einer allgemeinmedizinischen Expertise, auch um diese in der Folge zu behandeln. Insgesamt handelt es sich bei Mundschleimhautveränderungen um ein interdisziplinäres Thema, das verschiedene Fachärzt*innen der Medizin und Zahnmedizin betrifft.
Literatur:
1 Tristão Werneck J et al.: Lymphocyte and CD62E expression in lichen planus and lichenoid reaction. BMC Oral Health 2022; 22(1): 507 2 Gaballah KY, Rahimi I: Can presence of oral Fordyce‘s granules serve as a marker for hyperlipidemia? Dent Res J (Isfahan). 2014; 11(5): 553-8
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