
Das Mikrobiomvon Wunden und was Probiotika für uns tun können
Autorin:
Priv.-Doz. Mag. Dr. Ingeborg Klymiuk
Institut AllergoSan, Graz
Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie
Gottfried Schatz Forschungszentrum
Medizinische Universität Graz
E-Mail: klymiuk@allergosan.at
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Unser Darm steht mit einer Vielzahl an Mikroorganismen über unterschiedlichste Funktionsachsen, wie jener zwischen Darm und Haut, mit dem gesamten Organismus in Verbindung. Das Mikrobiom chronischer Wunden unterscheidet sich grundsätzlich von jenem der gesunden Haut. In ausreichender Menge verabreicht können Probiotika u.a. durch die Modulation des Immunsystems den Heilungsprozess positiv beeinflussen.
Keypoints
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Entlang der bidirektional wirkenden Darm-Haut-Achse spielt das Mikrobiom eine entscheidende Rolle für die Wundheilung.
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Probiotika sind ein vielversprechendes Momentum zur Unterstützung der Wundheilung.
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Erste Studien zeigen eine positive Wirkung von oral applizierten Probiotika auf chronische Wunden, insbesondere bei diabetischen Ulzera.
Der Begriff Mikrobiom wurde und wird umgangssprachlich sowie in der Literatur zum Teil recht unterschiedlich verwendet. Grundsätzlich sprechen wir vom Mikrobiom als Gesamtheit der auf und in uns lebenden Mikroorganismen,Nukleinsäuren, mobilen DNA-Elementen, mikrobiellen Metaboliten, Lipiden, Proteinen und Polysacchariden;wollen wir uns hingegen nur mit den lebenden Bakterien, Archaeen, Pilzen, Protisten und Algen befassen, sprechen wirvon der Mikrobiota.1
Einfluss von Alter und Lokalisation auf das Hautmikrobiom
Das Mikrobiom der Haut zeichnet sich durch eine einzigartige Besiedelung aus, die sich sowohl von der des Darms, der Mundhöhle oder der Blase als auch zwischen den Menschen grundsätzlich unterscheidet. Auch innerhalb einer Person variiert die Besiedelung der Haut von Region zu Region. Faktoren wie Feuchtigkeit, pH-Wert der Haut oder Fettverteilung aufgrund der Talgproduktion beeinflussen die Ansiedelung und die räumliche Mikrobiomverteilung.2 So finden wir in öligen Bereichen wie der Stirn oder dem Nasenrücken lipophile Bakterien wie Cutibacterium acnes oder Hefepilze wie Malassezia spp., während in feuchten Regionen wie den Achselhöhlen oder der Leistengegend Vertreter der Gattung Staphylococcus spp. oder Corynebacterium spp. besonders häufig vorkommen. Trockene Hautareale wie die Unterarme sind hingegen von einer geringeren biologischen Masse besiedelt, weisen aber eine hohe Diversität auf.2
Das Mikrobiom verändert sich jedoch nicht nur entlang unseres Körpers, sondern auch im Laufe unseres Lebens. Abhängig vom Geburtsmodus kommen wir als Erstes entweder mit hauptsächlich Lactobacillus- (Vaginalgeburt) oder Staphylococcus-Arten (Kaiserschnitt) in Kontakt.3 Unter dem Einfluss von Umweltfaktoren entwickelt sich unsere Hautbesiedelung im Laufe der Kindheit. Durch hormonelle Veränderungen während der Pubertät sowie dererhöhten Schweiß- und Talgproduktion siedeln sich vermehrt Cutibacterium acnes oder Staphylococcus hominis an. Im Erwachsenenalter stabilisiert sich das Hautmikrobiom, während es mit zunehmendem Alter von einer für trockene Haut charakteristischen Gemeinschaft dominiert wird.3
Das Mikrobiom der (chronischen) Wunde
Das kommensale Hautmikrobiom ist maßgeblich an der gesunden Physiologie der Haut beteiligt. In Wunden ist das Mikrobiom im Vergleich zur umgebenden, gesunden Haut verändert: Mikrobielle Arten und Gattungen, die mit chronischen Wunden bzw. Hauterkrankungen assoziiert sind, umfassen zum Beispiel Staphylococcus aureus, Pseudomonas spp. oder Streptococcus spp. Die komplexen Beziehungen zwischen Mikroorganismen untereinander sowie mit ihrem Wirt machen eine simple Kategorisierung in„gut“ und „böse“ schwierig; dennoch wirken sich Wundbesiedlungen durch Pathogene wie Staphylococcus aureus oder Pseudomonas aeruginosanachteilig aus.4,5 Es kommt zu einer verlängerten, dysregulierten Entzündungsreaktion mit anhaltend hohen Spiegeln proinflammatorischer Zytokine. Ein besonderes Problem ist die Bildung von Biofilmen durch Pathogene, da sie die Behandlung erschweren, die Entzündung verstärken und den Heilungsprozess hemmen.
Der Darm als treibende Kraft, das Immunsystem als Trigger der Darm-Haut-Achse
Die komplexe Beziehung zwischen Mikrobiom und menschlichem Körper geht weit über die traditionelle Funktion für die Darmgesundheit hinaus. Das Mikrobiom beeinflusst unsere Gesundheit über viele gut beschriebene Achsen (Abb.1). Diese spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung unserer allgemeinen Gesundheit und stehen mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten. Forschungsarbeiten und Studien der letzten Jahre zeigen eindrucksvoll die bidirektionale Verbindung zwischen Darm und Haut. Unter anderem ist belegt, dass künstlich erzeugte Hautverletzungen die systemische Entzündung fördern und zu signifikanten Veränderungen in der Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft des Darms im Vergleich zu Kontrollen ohne Wunden führen.6
Dysbiose und der kausale Zusammenhang mit der Wundheilung
Als Hautdysbiose bezeichnet man ein Ungleichgewicht in der Hautmikrobiota, bei dem pathogene Mikroorganismen in übermäßiger Zahl vorkommen oder die Anzahl nützlicher, gesundheitsfördernder Mikroorganismen verringert ist. DieseDysbalance kann die Hautbarriere und die Abwehrmechanismen der Haut beeinträchtigen, was zu Entzündungen und Hauterkrankungen führen kann, einschließlich chronischer Wunden. Die Zusammensetzung der Mikrobiota in diabetischen Wunden variiert stark auf Spezies- und Stammebene und beeinflusst die Heilungsergebnisse maßgeblich.7 Transferiert man das Mikrobiom bzw. den Biofilm aus diabetischen Wunden von Patienten auf Wunden von Mäusen, wirkt sich dies auf die Wundheilung bei den Tieren aus. Wunden mit einer Dominanz von pathogenen Spezies wie Staphylococcus aureus oder Pseudomonas aeruginosa zeigen schlechtere Heilungsraten. Auch der Zusammenhang zwischen bestimmten bakteriellen Genen und der Resistenz gegen therapeutische Interventionen wurde festgestellt.
Was Probiotika für uns tun können
Unter Probiotika verstehen wir lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge konsumiert werden, einen gesundheitlichen Nutzen für uns haben. Probiotische Bakterien müssen also lebend sein, und es muss eine festgelegte und nachgewiesene Anzahl lebender, koloniebildender Einheiten in einem Produkt vorhanden sein. Der enorme Wissensgewinn in Bezug auf das mit dem Menschen assoziierte Mikrobiom und die Rolle der Darmmikrobiota bei der Entstehung mehrerer Krankheiten und Syndrome hat das Interesse an probiotischen, neuartigen gesundheitsfördernden Strategien stark gesteigert.
Probiotika können dazu beitragen, jene positiven Mikroorganismen zu unterstützen, die mit uns leben. Die Mechanismen, durch die probiotische Produkte wirken, sind Teil der aktuellen Forschung. Probiotika, besonders im Kontext der Wundheilung, modulieren das Immunsystem, indem sie entzündungshemmende Zytokine wie IL-10 stimulieren. Probiotische Bakterien verdrängen pathogene Mikroorganismen durch Konkurrenz um Nährstoffe und andere Ressourcen. Sie produzieren antimikrobielle Substanzen wie Bakteriozine und kurzkettige Fettsäuren. Probiotika regulieren den pH-Wert, indem sie Milchsäure und andere organische Säuren bilden. Zudem fördern sie die Fermentation von Ballaststoffen, was die Bildung von Butyrat und anderen gesundheitsfördernden Metaboliten steigert.
Probiotika stärken aber auch insgesamt die Darmbarriere, indem sie die Produktion von „Tight-junction“-Proteinen fördern. Um diese Funktionen auszuüben, über die sie auch die Wundheilung positiv beeinflussen, müssen sie den Verdauungstrakt nicht dauerhaft besiedeln, sondern interagieren mit den Zellen des Wirts und des Mikrobioms. Die Eigenschaften probiotischer Produkte unterscheiden sich stark in ihrer Zusammensetzung, wobei Stämme ein und derselben Art aufgrund von Unterschieden in ihrer genetischen Ausstattung sehr unterschiedliche Eigenschaften haben können.
Klinische Studien
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl klinischer Studien, die den positiven Effekt von Probiotika auf krankhafte Veränderungen der Haut untersuchen. Oral applizierte Probiotika zeigen einen positiven Einfluss auf Beschwerden der Psoriasisarthritis.8 Nehmen Probanden probiotische Produkte über 12 Wochen ein, reduziert sich der krankheitsspezifische Score deutlich, und Parameter der Darmbarriere (Zonulin, Calprotectin) verbessern sich.
Eine weitere Studie untersuchte Patienten mit diabetischen Ulzera bzw. chronischen Wunden.9 Die Patienten nahmen in diesem Fall über sechs Monate täglich ein oral appliziertes Probiotikum ein. Nach Abschluss der Intervention waren die Wunden von fünf der insgesamtdreizehn Patienten vollständig abgeheilt. Größere, kontrollierte Studien sind derzeit in Arbeit, um diese Ergebnisse zu bestätigen.
Fazit
Die orale Applikation von Probiotika in der Wundheilung wird eingesetzt, um gezielt die systemische Immunantwort zu modulieren und entzündungsfördernde Prozesse zu reduzieren. Bestimmte probiotische Stämme scheinen die intestinale Mikrobiota so zu beeinflussen, dass sie die Produktion von entzündungshemmenden Zytokinen fördern und die Heilung chronischer Wunden unterstützen. Zudem können oral verabreichte Probiotika helfen, dysbiotische Hautzustände indirekt zu regulieren, indem sie auf die Haut-Mikrobiom-Achse wirken.
Literatur:
1 Berg G et al.: Microbiome definition re-visited: old concepts and new challenges. Microbiome 2020; 8(1): 103 2 Byrd A et al.: The human skin microbiome. Nat Rev Microbiol 2018; 16(3): 143-55 3 Townsend EC, Kalan LR: The dynamic balance of the skin microbiome across the lifespan. Biochem Soc Trans 2023; 51(1): 71-86 4 Bruni E et al.: The healing process of diabetic ulcers correlates with changes in the cutaneous microbiota. Sci Rep 2024; 14(1): 27628 5 Johnson TRetal.: The cutaneous microbiome and wounds:new molecular targets to promote wound healing. Int J Mol Sci 2018; 19(9): 2699 6 Dokoshi T et al.: Dermal injury drives a skin to gut axis that disrupts the intestinal microbiome and intestinal immune homeostasis in mice. Nat Commun 2024; 15(1): 3009 7 Kalan LR et al.: Strain- and species-level variation in the microbiome of diabetic wounds is associated with clinical outcomes and therapeutic efficacy. Cell Host Microbe 2019; 25(5): 641-55 8 Haidmayer A et al.: Effects of probiotic strains on disease activity and enteric permeability in psoriatic arthritis–apilot open-label study. Nutrients 2020; 12(8): 2337 9 Stuermer EK et al.: Effect of oral multispecies probiotic on wound healing, periodontitis and quality of life on patients with diabetes. J Wound Care 2024; 33(6): 394-407
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