
Schwere Pankreatitis – intensivmedizinische Therapiekonzepte
Autorin:
Dr. Marlene Riedl-Wewalka
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
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Die schwere akute Pankreatitis geht mit einer hohen Mortalität einher. Da häufig Organversagen und lokale Komplikationen mit ihr assoziiert sind, ist die intensivmedizinische Behandlung eine Herausforderung. Spezifische medikamentöse Therapien sind aktuell nicht verfügbar.
Keypoints
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Frühzeitige moderate Flüssigkeitssubstitution mit Ringerlaktat kann das Risiko für SIRS und andere Komplikationen bei der schweren Pankreatitis verringern.
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Eine antimikrobielle Therapie ist nur bei extrapankreatischen Infektionen oder infizierten Nekrosen angezeigtund nicht zur Prophylaxe geeignet.
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Eine frühzeitige möglichst physiologischeErnährung unter Kontrolle des intraabdominellen Drucks ist von Vorteil.
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Im Falle parenteraler Ernährung ist die Supplementationmit Glutamin empfohlen.
Klassifikation und Vorhersageparameter
Die Inzidenz der akuten Pankreatitis ist steigend, wobei bis zu einem Viertel der Patient:innen einen moderaten bis schweren Krankheitsverlauf entwickelt, der mit einer signifikanten Erhöhung der Mortalität–bis zu 50% bei persistierendem Organversagen – einhergeht. Der Schweregrad der Erkrankung definiert sich durch das Vorliegen eines respiratorischen, zirkulatorischen oder renalen Versagens und lokaler Komplikationen, wie der Entwicklung von Pseudozysten oder auch Thrombosen (Tab. 1).1
Zur besseren Einschätzung, welche Patient:innen ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, wurde eine Vielzahl von Scores entwickelt. Allerdings hat sich gezeigt, dass diese oft wenig spezifisch oder erst 48Stunden nach Aufnahme erhebbar sind, weshalb sie keinen Vorteil gegenüber den schnell bestimmbaren „Systemic inflammatory response syndrome“(SIRS)-Kriterien haben (Tab.2). Aktuelle Leitlinien empfehlen, sich primär an klinischen und laborchemischen Parametern, wie Hämatokrit, Serumharnstoff, C-reaktivem Protein und Leukozyten, zu orientieren.1,2 Neben einem Alter von über 75 Jahren und einem Body-Mass-Index von über 30kg/m2 istdieäthylische Genese der Pankreatitis ein Risikofaktor für erhöhte Mortalität.
Flüssigkeitsmanagement
Durch adäquates Flüssigkeitsmanagement kann frühzeitig der Progress in Richtung schweren Krankheitsverlaufs positiv beeinflusst werden. Hier zeigt sich eine Flüssigkeitssubstitution mit Ringerlaktat gegenüber Kochsalzlösung überlegen, da es hierunter seltener zur Entwicklung eines SIRS oder lokaler Komplikationen kommt. Vor allem in den ersten 24 Stunden ist eine ausreichende Flüssigkeitsgabe relevant, umeine Hypoperfusion im Splanchnikusgebiet und daraus resultierende Ischämie und Nekroseentwicklung zu vermeiden.2 Aktuell wird ein Bolus von 10ml/kg empfohlen, falls klinisch Zeichen einer Hypovolämie erkennbar sind, gefolgt von einer Dauerinfusion von 1,5ml/kg/h.3 In der Regel ist in den ersten 72 Stunden ein intensiviertes Flüssigkeitsmanagement notwendig, danach sollte in Richtung ausgeglichener Bilanz reevaluiert werden.
Antibiose
Liegt eine extrapankreatische Infektion, beispielsweise eine Pneumonie, vor, ist eine antimikrobielle Therapie klar indiziert. Dasselbe gilt für infizierte Nekrosen, wobei hier ein empirischer Therapiebeginn mit Carbapenemen und in der Folge ein Umstieg auf eine Antibiogramm-gerichtete Antibiose empfohlen werden. Eine prophylaktische Antibiotikagabe zur Vermeidung von lokalen Komplikationen kann derzeit nicht empfohlen werden.
Auch die selektive Darmdekontamination wird in den aktuellen Leitlinien nicht empfohlen; einerseits ist die momentane Datenlage zu gering, andererseits besteht erhebliche Sorge hinsichtlich möglicher Resistenzentwicklungen im Zusammenhang mit dem breiten Einsatz lokaler Antibiotika.1
Intraabdomineller Druck
Ein Anstieg des intraabdominellen Drucks (IAP) geht mit einem erhöhten Risiko für Organversagen und Mortalität einher. Daher sollte bei einer schweren Pankreatitis der IAP mittels Blasendruckmessung bestimmt werden. Ab einem abdominellen Hypertonus >20mmHg und dem Auftreten von Organdysfunktionen spricht man vom intraabdominellen Kompartmentsyndrom. Droht diese Komplikation, müssen sämtliche Maßnahmen zur Senkung des IAP durchgeführt werden. Dazu zählen die Entleerung des Gastrointestinaltraktes beispielsweise durch Einläufe und Entlastungssonden sowie die Punktion oder Drainage raumfordernder intraabdomineller Läsionen und von Aszites. Es sollte auf eine ausreichende Sedoanalgesie und ggf. eine Relaxierung geachtet werden, um die Compliance der Bauchwand möglichst zu erhöhen. Zur Optimierung der Flüssigkeitsbilanz kann eine extrakorporale Therapie notwendig werden. Auch auf einen ausreichenden Perfusionsdruck, der den arteriellen Mitteldruck um 20mmHg übersteigen sollte, ist zu achten. Sollten all diese Maßnahmen ohne Effekt bleiben, kann eine chirurgische Dekompression mittels Fasziotomie oder als Ultima Ratio eine Dekompressionslaparotomie notwendig werden.
Ernährungstherapie
Prinzipiell ist eine möglichst physiologische Form der Ernährung auch bei intensivpflichtigen Patient:innen mit schwerer akuter Pankreatitis von Vorteil. Sollte selbstständiges Essen nicht möglich sein, wird eine frühzeitige (innerhalb der ersten 24–72 Stunden) enterale Ernährung (EN) empfohlen. Allerdings führen lokale Komplikationen der Pankreatitis und der häufig erhöhte IAP zu vermehrter „feeding intolerance“, die von Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinalem Reflux und erhöhtem Aspirationsrisiko gekennzeichnet ist. Sollte dies trotz prokinetischer Therapie fortbestehen, ist die Indikation zum Umstieg von einer nasogastralen auf eine nasojejunale Ernährungssonde gegeben.
Bei Patient:innen, die nekrosektomiert werden müssen, oder bei einem IAP von 15–20mmHg werden primär die Anlage einer nasojejunalen Sonde und eine niedrige Laufrate der EN unter engmaschiger Kontrolle des IAP empfohlen.Eine Steigerung kann je nach Toleranz der EN erfolgen. Sollte der IAP unter laufender EN steigen, muss gegebenenfalls die Rate reduziert und eine zusätzliche parenterale Ernährung begonnen werden. Ab einem IAP von 20mmHg wird empfohlen, auf eine ausschließlich parenterale Ernährung umzusteigen.
Falls eine totale parenterale Ernährung notwendig ist, gilt die Empfehlung, täglich mit Glutamin zu supplementieren, da dies mit einer niedrigen Mortalität, weniger infektiösen Komplikationen und einem kürzeren Spitalsaufenthalt einhergeht. Probiotika werden generell nicht empfohlen.4
Schmerztherapie
Als Schmerztherapie werden bei starken Schmerzen in erster Linie Opioide empfohlen. Hier ist zu bemerken, dass diese Substanzgruppe den paralytischen Ileus weiter verstärken kann. Auch wenn es in den Leitlinien keine Empfehlung hierzu gibt, kann eine Therapie mit peripher wirksamen Opioid-Rezeptor-Antagonisten hier zu einer Verbesserung führen.
In Einzelfällen kann zur Schmerzkontrolle auch eine Periduralanästhesie durchgeführt werden. Neben meist exzellenteranalgetischer Wirksamkeit hat eine retrospektive Studie gezeigt, dass die Mortalität bei Patient:innen mit schwerer Pankreatitis durch Periduralanästhesie positiv beeinflusst wird.5 Der zugrundeliegende pathophysiologische Mechanismus hierfür ist eine verbesserte splanchnische, pankreatische und renale Perfusion und daraus resultierend eine bessere Darmbarriere, weniger Leber- und Nierenschäden und weniger Inflammation in diesem Bereich. Auch wenn der Großteil der Patient:innen die Periduralanästhesie hämodynamisch gut toleriert, kann es in einem relevanten Prozentsatz zur Notwendigkeit einer Kreislaufunterstützung mit Katecholaminen kommen.
Extrakorporale Therapie
Den größten Stellenwert haben extrakorporale Therapien in der Behandlung von Pankreatitis-assoziiertem Organversagen, wie einem dialysepflichtigen Nierenversagen oder einem schweren respiratorischen Versagen. Weiters kann die negative Bilanzierung mithilfe einer kontinuierlichen Hämodialyse erleichtert werden.
Ein weiterer Therapieansatz sind Hämoadsorber, die in einen extrakorporalen Kreislauf geschaltet werden, um hier unter anderem inflammatorische Zytokine zu entfernen. Eine Studie hat gezeigt, dass der Einsatz von „CytoSorb“-Filtern bei Patient:innen mit schwerer Pankreatitis nicht nur die Konzentrationen von Procalcitonin undIL-6 signifikant verringert, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung der Hämodynamik führt. Allerdings hat dies keine Auswirkung auf die Sterblichkeit.6
Literatur:
1 Beyer G et al.: S3-Leitlinie Pankreatitis – Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) – September 2021 – AWMF-Registernummer 021-003. Z Gastroenterol 2022; 60(3): 419-521 2 Tenner S et al.: American College of Gastroenterology Guidelines: Management of Acute Pancreatitis. Am J Gastroenterol 2024; 119(3): 419-37 3 de Madaria E et al.: Aggressive or moderate fluid resuscitation in acute pancreatitis. N Engl J Med 2022; 387(11): 989-1000 4 Arvanitakis M et al.: ESPEN practical guideline on clinical nutrition in acute and chronic pancreatitis.Clin Nutr 2024; 43(2): 395-412 5 Jabaudon M et al.: Thoracic epidural analgesia and mortality in acute pancreatitis: amulticenter propensity analysis. Crit Care Med 2018; 46(3): e198-e205 6 Rasch S et al.: Influence of extracorporeal cytokine adsorption on hemodynamics in severe acute pancreatitis: results of the matched cohort pancreatitis cytosorbents inflammatory cytokine removal (PACIFIC) study. Artif Organs 2022; 46(6): 1019-26
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