Bronchiektasen: Wann sind inhalative Antiinfektiva indiziert?
Bericht:
Reno Barth
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Im Gegensatz zur zystischen Fibrose (CF) besteht bei Non-CF-Bronchiektasen wenig harte Evidenz aus kontrollierten Studien für den Einsatz inhalativer Antiinfektiva. Dennoch werden diese in der im Publikationsprozess befindlichen neuen S2k-Leitlinie zu Bronchiektasen-Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen, da das Leitlinienkomitee die vorhandene klinische Evidenz für ausreichend hält, um entsprechende Empfehlungen auszusprechen.
In Deutschland leben ca. 100000 Menschen mit einer Bronchiektasen-Erkrankung, in Österreich sind es rund 10000, wobei Personen mit zystischer Fibrose (CF) nicht mitgerechnet sind. Bronchiektasen sind also häufig und CF nur die Spitze des Eisbergs, so OA Dr. Holger Flick von der Klinischen Abteilung für Lungenkrankheiten an der Medizinischen Universität Graz im Rahmen seines Vortrags beim ÖIK. Eine S2k-Leitlinie zum Management erwachsener Patienten mit Bronchiektasen-Erkrankung befindet sich aktuell im Publikationsprozess, wie Flick ausführte. Diese Guidance sei wichtig, betonte Flick, da man im klinischen Alltag sehr viel mehr Fälle von Non-CF-Bronchiektasen sähe als Patienten mit CF.
Die Leitlinie wird nach der Methodik einer konsensusbasierten S2k-Leitlinie entsprechend dem Regelwerk der AWMF entwickelt. Die AWMF ist ein Dachverband von 183 Fachgesellschaften der Medizin und Mitglied des Guidelines International Network, das die Anwendung der Konzepte der evidenzbasierten Medizin durch die Nutzung von Leitlinien fördert. Die Entwicklung der Leitlinien erfolgt interdisziplinär. Flick: „Da waren durchwegs Kollegen und Kolleginnen aus großen Zentren mit viel Erfahrung dabei.“
Unterschiedliche Evidenzstärken, unterschiedliche Empfehlungsstärken
Evidenzbasierte Leitlinien geben Empfehlungen mit unterschiedlichem Empfehlungsgrad. Eine starke Empfehlung heißt „soll“ und bedeutet, dass eine bestimmte Maßnahme nachweislich sinnvoll und durch randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) sowie durch Metaanalysen abgesichert ist. Ist eine Maßnahme wahrscheinlich sinnvoll, so spricht man von moderatem Empfehlungsgrad („sollte“). Hinter solchen Empfehlungen stehen Beobachtungsstudien und Metaanalysen. Auf Fallberichten und persönlichen Erfahrungen beruhen schwache „Kann“-Empfehlungen, die „vielleicht sinnvolle“ Maßnahmen beschreiben. Darüber hinaus können in Leitlinien auch Überlegungen zu theoretisch sinnvollen Maßnahmen erörtert werden. Diese werden jedoch nicht bzw. nicht außerhalb von Studien empfohlen.
Die in Publikation befindliche S2k-Leitlinie zum Management von Patienten mit Bronchiektasen-Erkrankungbezieht sich ausschließlich auf die sogenannten Non-CF-Bronchiektasen und klammert damit das gesamte Gebiet der zystischen Fibrose aus, da dieses in einer eigenen Leitlinie behandelt wird. Die Ursachen von Bronchiektasen können vielfältig sein. In annähernd 40% entstehen sie idiopathisch. Ebenfalls häufig sind Bronchiektasen infolge von Infekten, COPD oder Asthma. Daneben gibt es eine Vielzahl deutlich seltenerer Ursachen wie zum Beispiel Bindegewebserkrankungen oder Alpha-1-Antitrypsinmangel.1 Im klinischen Alltag sei die Identifikation des pathologischen Hintergrundes durchaus von Bedeutung, so Flick, da viele der Grunderkrankungen kausal behandelbar sind.
Problemkeim Pseudomonasaeruginosa: wenn möglich eradizieren
Ein erhebliches Problem stellt eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa (PA) dar, von der in Europa rund 20–30% der Patienten mit Bronchiektasen betroffen sind (Abb. 1).1 Flick: „Viele Studien inklusive Metaanalysen und Mikrobiom-Studien zeigen, dass eine chronische PA-Infektion bei Bronchiektasen unter anderem zu einem Anstieg der Exazerbationsrate, einem 6-fach erhöhten Risiko für schwere Exazerbationen sowie einem 3-fach erhöhten Mortalitätsrisiko führt.“2 Die Bedeutung von PA für den klinischen Verlauf der Bronchiektasen legt einen zeitnahen Eradikationsversuch nahe, um die Chronifizierung der Infektion möglichst zu vermeiden. Die vorliegenden Daten lassen jedoch keine Empfehlung für ein spezifisches Therapieregime zu, auch wenn die Anwendung eines inhalativen Antibiotikums vorteilhaft zu sein scheint, so der Experte.
Abb. 1: Häufigste Keime bei Bronchiektasen-Patienten in Europa (modifiziert nach Chalmers JD e t al. 2023)1
Daher wird nur die moderate Empfehlung gegeben: Patienten mit Erstnachweis von Pseudomonas aeruginosa sollten einen Eradikationsversuch erhalten. Flick: „Bei der CF haben wir harte Evidenz für die Eradikation und man kann annehmen, dass das bei den Non-CF-Bronchiektasen ähnlich ist. Jedenfalls sollte man das mit den Patienten besprechen.“ Eine Eradikation sollte nur bei einem klinisch stabilen Patienten begonnen werden. Macht der Patient eine Exazerbation durch, hat man es mit einem anderen klinischen Szenario zu tun und muss die Exazerbation leitliniengerecht therapieren, so Flick.
Eine rezente Metaanalyse zeigt eine Eradikationsrate von 48%, wenn eine kombinierte systemische plus inhalative Antibiotikatherapie zum Einsatz kommt. Mit rein systemischen Antibiotika werden hingegen nur 27% erreicht.2 Flick: „Das deckt sich mit den Erfahrungen aus dem CF-Bereich. Wenn man sich zur Eradikation entschließt, sollte also ein inhalatives Antibiotikum dabei sein.“ In den Studien lag die Behandlungsdauer meist zwischen einem und drei Monaten. Die Analyse zeigte auch, dass bei zeitlich begrenztem Antibiotikaeinsatz zur Eradikation kein relevantes Risiko von Resistenzentwicklungen gegeben ist. Flick betonte allerdings, dass die Studienlandschaft sehr inhomogen ist, weshalb eine starke Empfehlung nicht gegeben werden kann. Jedenfalls soll zur Eradikation ein inhalatives Antibiotikum eingesetzt werden, während orale oder intravenöse Therapien nur noch als zweite Wahl betrachtet werden.
Inhalative Antibiotika auch zur längerfristigen Suppressionstherapie
Entscheidet man sich gegen die Eradikation oder ist der Patient bereits chronisch kolonisiert, so stellt sich die Frage nach einer Suppressionstherapie. In dieser Indikation ist eine Langzeittherapie mit oralen Makroliden oder inhalativen Antibiotika bei häufigen (≥2/Jahr) oder schweren (≥1/Jahr) Exazerbationen eine evidenzbasierte Therapieoption zur Reduktion der Exazerbationsrate und Verbesserung der Lebensqualität, wie mehrere RCT und Metaanalysen zeigen. Dabei ist der inhalativen Therapie der Vorzug zu geben, so Flick.
Der Einsatz inhalativer Antibiotika ist in Europa bei Patienten mit Non-CF-Bronchiektasen jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Während europaweit acht Prozent derinfrage kommenden Patienten diese Therapie erhalten, sind es in Österreich mit 16% (ähnlich wie in Deutschland) deutlich mehr.
Insgesamt 20 RCT untersuchten die klinischen Effekte von Amikacin, Aztreonam, Ciprofloxacin, Colistin, Gentamicin und Tobramycin in verschiedenen Formulierungen bei Patienten mit Bronchiektasen zur Suppression einer chronischen Atemwegsinfektion, vor allem einer chronischen Pseudomonas-aeruginosa-Infektion. Zusätzlich liegen elf Metaanalysen zum Effekt von inhalativen Antibiotika bei Bronchiektasen vor. Die aktuellste und umfassendste Metaanalyse (20 RCT mit insgesamt 3468 Patienten) kommt zu dem Schluss, dass inhalative Antibiotika im Vergleich zu Placebo unter anderem eine Reduktion der Exazerbationsrate in der Größenordnung von 20%, eine Verlängerung der Zeit bis zur nächsten Exazerbation sowie eine Reduktion der schweren Exazerbationen um mehr als 50% vermitteln. Symptomlast und Lebensqualität werden leicht verbessert. Die Behandlung bringt im Vergleich zu Placebo keine Verbesserung der Lungenfunktion und keine Verlängerung des Gesamtüberlebens und führt zu häufigerem Auftreten von Antibiotikaresistenzen, wobei sich die untersuchten Substanzen voneinander unterscheiden. So treten beispielsweise bei Einsatz von inhalativem Aztreonam gehäuft Resistenzen auf, während Colistin nicht signifikant häufiger zur Resistenzentwicklung führt als Placebo. Die Verbesserung der Symptombelastung bzw. Lebensqualität fiel unter Therapie mit Colistin am deutlichsten aus und übertraf den geforderten, minimalen bedeutsamen Unterschied von vier Punkten im St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ).3
Sehr kranke Patienten sind Kandidaten für inhalative Dauertherapie
Den vorliegenden Daten nach scheinen vor allem Patienten von einer inhalativen antibiotischen Therapie zu profitieren, die eine chronische Pseudomonas-aeruginosa-Infektion mit hoher bakterieller Erregerlast im Sputum, (schwere) Exazerbation(en) in den zurückliegenden 12 Monaten und/oder große Symptombelastung und dadurch eingeschränkte Lebensqualität aufweisen. Flick: „Es sind also die Patienten, denen es dauerhaft richtig schlecht geht. Unter diesen Umständen kann man dann auch die Risiken einer Dauertherapie eingehen.“
Für die Auswahl eines Wirkstoffs für die Langzeittherapie mit inhalativen Antibiotika und/oder Azithromycin empfiehlt die Leitlinie eine individualisierte und partizipative Entscheidungsfindung, die sich unter anderem an Alter, Therapiebedürftigkeit und Leidensdruck, aktueller Lebenssituation und verfügbarer Infrastruktur orientiert. Die Antibiotikaresistenztestung stellt wie auch bei der CF kein Auswahlkriterium für oder gegen ein inhalatives Antiinfektivum dar, da die angegebenen EUCAST-Grenzwerte nicht für inhalative Antibiotika validiert sind. Es ist daher fraglich, ob die routinemäßig ausgewiesenen Resistenzen aufgrund der hohen bronchopulmonalen Wirkspiegel klinisch relevant sind.4, 5
Bei Besiedelung mit Pseudomonas aeruginosa empfiehlt die Leitlinie inhalative Antibiotika als Suppressionstherapie über sechs bis 12 Monate. Danach ist der Erfolg zu evaluieren. Bei vergleichbarer klinischer Charakteristik ohne Besiedelung mit Pseudomonas aeruginosa wird eine antiinflammatorische Dauertherapie mit Azithromycin, ebenfalls über sechs bis zwölf Monate, empfohlen.
Quelle:
„Inhalative Antiinfektiva – Eminenz basiert?“; Vortrag von OA Dr. Holger Flick, Graz, im Rahmen des ÖIK am 12. April 2024 in Saalfelden
Literatur:
1 Chalmers JD et al.: Lancet Respir Med 2023; 11(7): 637-49 2 Conceição M et al.: Eur Respir Rev 2024; 33(171): 230178 3 Cordeiro R et al.: Chest 2024; doi: 10.1016/j.chest.2024.01.045 4 Schwarz C et al.: Pneumologie 2024; 78(6): 367-99 5 Morosini et al.: J Clin Microbiol 2005; 43: 4480-5
Weitere Literatur:
beim Vortragenden
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