
Hat der Pap-Test in Zeiten der HPV-Impfung noch Zukunft?
Bericht:
Reno Barth
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Inzidenz von Zervixkarzinomen infolge von HPV-Infektionen konnte durch zytologisches Screening in etwa halbiert werden. Mit Einführung der HPV-Impfung besteht nun die Möglichkeit, den Gebärmutterhalskrebs annähernd vollständig zu eliminieren. Zusätzlich besteht auch die Option eines Screenings durch Nachweis der HPV-Infektion im Abstrich. Wie Impfung und unterschiedliche Screening-Techniken kombiniert werden können und sollen, ist in Diskussion.
Das Zervixkarzinom ist der weltweit vierthäufigste Krebs bei Frauen mit etwa 660000 neuen Fällen und etwa 350000 Todesfällen. Die höchste Inzidenz und Todesrate weisen Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf. Alle Zervixkarzinome sind, mit Ausnahme einer sehr seltenen Variante des Adenokarzinoms, HPV-assoziiert. Ursache ist ein alternatives Splicing beim Einbau des Virus-Genoms in das menschliche Genom. Die zweite Promoter-Region wird zerstört und es kommt zu einer ungefilterten Expression der Onkoproteine E6 und E7. Die große Mehrheit der HPV-Infektionen ist jedoch transienter Natur mit Clearance innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. HPV-mediierte Erkrankung der Zervix beginnt, wenn Hochrisiko(HR)-HPV-Typen die basalen Zellen des Epithels infizieren. Wenn HR-HPV-Infektionen persistieren, kann es zur Produktion hoher Spiegel der Onkoproteine E6 und E7 kommen, die die onkogene Transformation mediieren, indem sie regulatorische Mechanismen des Zellzyklus unterbrechen. Wenn vollständig transformierte Zellen die Fähigkeit zum invasiven Wachstum entwickeln und in das zervikale Stroma einwachsen, entsteht ein Zervixkarzinom.
Pap-Screening: eine langjährige Erfolgsgeschichte
Der nach dem griechischen Pathologen George Nicolas Papanicolaou (1883–1962) benannte Pap-Test ist eine Methode der zytologischen Diagnostik, die mit Zellmaterial der Portio und der Cervix uteri durchgeführt wird und die im Rahmen der Sekundärprävention des Zervixkarzinoms zur Früherkennung epithelialer Entzündungen und Dysplasien dient. Obwohl der Nutzen des Pap-Screenings nie durch prospektiv randomisierte Studien nachgewiesen wurde, zeigen zahlreiche Beobachtungsstudien ein Absinken der Mortalität durch Zervixkarzinome weltweit. Die Inzidenz von Zervixkarzinomen wurde vom Beginn des Screenings im Jahr 1960 bis in die 1990er-Jahre in Österreich um rund die Hälfte reduziert.
Das Pap-Screening gilt nach wie vor als Goldstandard in der Prävention bzw. Früherkennung dieses Tumors. Das Zervixkarzinom kann bei früher Diagnostik und Therapie geheilt werden. Die Einführung der Impfung gegen HPV hat allerdings neue Möglichkeiten eröffnet. „Prophylaktische HPV-Impfung, Screening und Behandlung von Krebsvorstufen sind effektive Strategien zur Vorbeugung gegen Gebärmutterhalskrebs und sehr kosteneffektiv“, sagt dazu Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eppel, Facharzt für Gynäkologie in Wien. Viele Länder arbeiten daran, das Zervixkarzinom in den kommenden Dekaden zu eliminieren. Laut Modellrechnung der WHO könnten in den kommenden hundert Jahren 74 Millionen neue Fälle abgewendet und damit 62 Millionen Tote vermieden werden, wenn 90% der Mädchen mit 15 Jahren geimpft, 70% der Frauen mit 35 und 45 Jahren mit „high quality tests“ gescreent werden und 90% der Frauen mit Zervixkarzinom eine Therapie erhalten.
Impfbereitschaft auch bei HPV weit unter den Empfehlungen
Aktuell stellt sich nun die Frage, ob in Zeiten der HPV-Impfung der Pap-Abstrich überhaupt noch notwendig und sinnvoll ist. Eppel weist in diesem Zusammenhang auf die nach wie vor zu geringe Impfbereitschaft hin. So ist in Österreich die Umsetzung der Impfvorgaben auch bei HPV suboptimal. Die WHO präsentierte im August 2020 ihre globale Strategie zur Elimination von Gebärmutterhalskrebs. Alle Mitgliedsländer werden aufgefordert, eine Gebärmutterhalskrebs-Inzidenzrate von 4 pro 100000 Frauen zu erreichen und beizubehalten. Um dieses WHO-Ziel für 2030 zu erreichen, ist unter anderem vorgesehen, dass bis dahin 90% aller Mädchen bis zum Alter von 15 Jahren gegen HPV geimpft sind. Seitens der EU wurde im Zuge des „Europe’s Beating Cancer Plan“ ergänzt, dass die Durchimpfungsrate bei Jungen und Männern signifikant erhöht werden soll.
Österreich ist von diesen Zielvorgaben noch weit entfernt. Am 14.November 2023 meldete die APA auf Basis von Daten der Krebshilfe, dass neun Jahre nach Aufnahme in das Gratiskinderimpfprogramm die Durchimpfungsrate bei etwa 40 bis 50% liegt. Die Krebshilfe wies bei dieser Gelegenheit auch darauf hin, dass die HPV-Impfung nicht nur vor dem Zervixkarzinom, sondern auch vor Scheiden-, Vulva-, Penis- und Anuskrebs sowie gegen Krebsformen im Rachen und im Kehlkopfbereich schützt.
Screening wird auch für geimpfte Frauen empfohlen
Aufgrund der verfügbaren Impfung auf ein Screening zu verzichten, wird generell nicht empfohlen. Dies nicht nur aufgrund der geringen Durchimpfungsraten, sondern auch wegen der Verschiedenartigkeit der Impfstoffe. Derzeit stehen sechs zertifizierte HPV-Vakzine zur Verfügung, davon drei bivalente, zwei quadrivalente und ein nonavalenter Impfstoff. Alle Vakzine sind sehr effektiv zur Prävention einer HPV-Infektion durch die Virustypen 16 und 18, die zusammen für etwa 70% der weltweiten Zervixkarzinome verantwortlich sind. Diese Vakzine sind ebenfalls sehr wirksam in der Prävention von Krebsvorstufen (CIN), die auf diese beiden Virustypen zurückzuführen sind. Dies bedeutet jedoch, dass fast ein Drittel der Karzinome auf Virustypen zurückgeht, gegen die möglicherweise kein Impfschutz besteht. Darüber hinaus liegen derzeit noch keine Daten zur immunologischen Impfwirkungsdauer über Jahrzehnte vor, so Eppel. Das letzte Wort sei hier noch nicht gesprochen.
Regelmäßige HPV-Tests als Alternative zum Pap-Screening
Alternativ zum Pap-Test besteht auch die Möglichkeit eines Screenings auf Infektionen mit HPV, insbesondere mit Hochrisiko-Typen. Die HPV-Testung wird mittlerweile in zahlreichen Leitlinien empfohlen. Zur Diagnose und Therapie von zervikalen intraepithelialen Neoplasien sowie zur Vorgangsweise bei zytologischen Befunden mit eingeschränkter Qualität besteht eine Leitlinie der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften. Sie sieht vor, dass Frauen ab dem 30. Lebensjahr zumindest alle drei Jahre ein validierter HPV-Test empfohlen werden soll. Dies gilt für HPV-geimpfte und nicht HPV-geimpfte Frauen gleichermaßen. Pap-und HPV-Test können alternierend eingesetzt werden. Eine routinemäßige Kotestung soll vermieden werden. Genau diese Doppelstrategie von Pap-Screening und HPV-Test wird jedoch in Deutschland empfohlen. Daten zur Effektivität sind jedoch noch nicht publiziert, so Eppel.
In der Leitlinie heißt es: „(...)zu auffälligen zytologischen Befunden kommt es sowohl bei einem primären zytologischen als auch bei einem primären HPV-basierten Zervixkarzinomscreening mit zytologischer Triage.“ In der weiterführenden Diagnostik ergänzen Zytologie und HPV-Nachweis einander. Ein positiver HPV-Test führt zu Pap-Diagnostik und allenfalls Kolposkopie, ein ungünstiger Pap-Befund (ab Pap III) sollte im Rahmen der weiterführenden Diagnostik einen HPV-Test nach sich ziehen.1
Eppel betont, dass dem Pap-Test auch als primärem Screening-Test nach wie vor ein hoher Stellenwert zukommt, da dieser auch im Vergleich zur alternativ einsetzbaren Testung auf HPV eine Reihe von Vorteilen bietet. So sei der HPV-Test auch bei Vorliegen eines Zervixkarzinoms nicht immer positiv.Neue Technologien wie etwa das Auswerten von p16/Ki-67-Proteinen mittels Doppelfärbung als auch das automatische Auslesen durch KI- Software haben zu Verbesserungsmöglichkeiten bei der Auswertung des Pap geführt. Auch weist Eppel darauf hin, dass ein Abstrich immer mit einer klinischen Untersuchung mit Inspektion und Palpation verbunden sein sollte, wobei eine derbe Zervix oder palpable Lymphknoten auffallen sollten. Dies sollte auch mit einem Gespräch mit der Patientin verbunden sein.
Weniger Inzidenz, geringerer positiver Prädiktionswert
Die Zukunft des Pap-Screenings wird allerdings nicht überall so positiv gesehen. „Der Pap-Test ist Geschichte. Und zwar nicht nur wegen der HPV-Impfung, sondern auch wegen des mittlerweile verfügbaren HPV-Tests“, sagt Dr. Hans Georg Mustafa, Salzburg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC). Die HPV-Impfung werde das Screening nicht ersetzen, aber verändern. Mustafa betont, dass Pap-Screening bzw. HPV-Test keine Vorsorge-, sondern Früherkennungsuntersuchungen sind. Im Gegensatz dazu dient die Impfung, die in einigen Ländern seit mehr als 20 Jahren erfolgreich eingesetzt wird, der Prävention. Sowohl Prävention als auch Früherkennung sind Instrumente von Public Health. Mustafa betont allerdings: „Die Prävention kann nur dann die Früherkennung ersetzten bzw. verändern, wenn durch die Prävention die Krankheitswahrscheinlichkeit so reduziert wird, dass ein Screening-Programm nicht mehr sinnvoll ist oder zumindest adaptiert werden muss.“ So zeigt eine Modellrechnung, dass bei Frauen, die mit einem bivalenten Impfstoff geimpft wurden, drei Screening-Untersuchungen im Lauf des Lebens ausreichend sind. Wenn eine nonavalente Vakzine verwendet wurde, so genügen zwei Screenings.2
In Zeiten zunehmender Immunität durch die Impfung und daraus resultierender Herdenimmunität verändern sich auch die Rahmenbedingungen für das Screening. So zeigen Daten aus Schottland, wo mit den Impfungen 1990 begonnen wurde, dass seit etwa 1993 auch bei ungeimpften Frauen die Häufigkeit zytologischer und histologischer Auffälligkeiten dramatisch abnahm.3
Damit sinkt nach dem Satz von Bayes der positive Prädiktionswert des Tests deutlich ab, während der ohnedies hohe negative Prädiktionswert des Tests noch ein wenig höher wird. Bei niedrigem positivem Prädiktionswert steigt das Risiko von Überdiagnose und Übertherapie. Mustafa weist auch darauf hin, dass das Probensampling für den HPV-Test von der Patientin selbst durchgeführt werden kann. Eine prominent publizierte Studie ergab, dass die Ergebnisse von HPV-Tests nach Selbstentnahme ebenso verlässlich sind, wie wenn der Abstrich durch den Arzt erfolgte.4
Aktueller Review: Zervixkarzinom – State of the Art
Den aktuellen Evidenzstand zu Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms fasste Dr. Krishnansu S. Tewari, Gynäkoonkologe an der University of California, in einem kürzlich im New England Journal of Medicine publizierten Review zusammen.5 Die Schlüsselaussagen der Arbeit:
Zervixkarzinome können verhindert werden durch Impfung gegen HPV sowie durch Behandlung von Dysplasien, die mittels Screening identifiziert werden. Letzteres umfasst zytologisches Screening, DNA-Tests auf Hochrisiko-Subtypen von HPV oder beides. Zervixkarzinome im Frühstadium werdenmit offener, radikaler Hysterektomie und Lymphadenektomie im Becken therapiert. Kleine Läsionen können mit extrafaszialer Hysterektomie oder noch konservativeren, Fertilitäts-erhaltenden Operationen behandelt werden.
Lokal fortgeschrittenen Karzinomen der Zervix werden mit Radiochemotherapie plus Brachytherapie entgegengetreten. Im Falle von Tumoren im FIGO(International Federation ofGynecology and Obstetrics)-Stadium III bis IVa ist die Einbeziehung von Immuntherapie in das Behandlungskonzept mit einem Überlebensvorteil assoziiert.
Ein isoliertes, zentral rezidivierendes Zervixkarzinom kann mittels Exenteration derBeckenorgane mit Harnableitung behandelt werden. Dank des vermehrten Einsatzesvon Radiochemotherapie bei lokal fortgeschrittener Erkrankung äußert sich Progression mittlerweile häufiger mit dem Auftreten von Fernmetastasen sowie mit Rezidiven innerhalb und außerhalb des Beckens. Folglich werdenweniger Patientinnen zu Kandidatinnen für diese Operation, als dies in früheren Jahren der Fall war. Patientinnen mit neu diagnostizierter rezidivierender oder metastasierter Erkrankung können von Chemotherapie plus Immuntherapie mit oder ohne Bevacizumab profitieren. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate können eine Option für Patientinnen mit Krankheitsprogression sein, wenn Chemotherapie und Immuntherapie versagt haben.
Quelle:
„HPV-Impfung erspart PAP-Abstrich“, Pro/Contra-Sitzung im Rahmen des ÖIK am 10.April 2024 in Saalfelden
Literatur:
1 Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: https://ago-austria.at/wp-content/uploads/2021/01/ a-0764-4875.pdf ; zuletzt aufgerufen am 20.2.2025 2 Landy R et al.: Int J Cancer; 142(4): 709-18 3 Palmer T et al.: BMJ 2019; 365: 1161 4 Polman NJ et al.: Lancet Oncol 2019; 20(2): 229-38 5 Tewari KS: N Engl J Med 2025; 392: 56-71
Das könnte Sie auch interessieren:
Masern sind keine Kinderkrankheit mehr!
Masern sind eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die trotz verfügbarer Impfungen weiterhin eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Der jüngste Anstieg der Zahl der ...
Lokale Antibiotikatherapie: einige Indikationen mit guter Evidenz
Eine Lokaltherapie mit einem Antibiotikum ist nicht nur an der Haut möglich, sondern kann beispielsweise im Respirationstrakt mittels Inhalation erfolgen. Allerdings besteht bei Weitem ...
Phytotherapie bei Infektionen der Blase und der Atemwege
Heilpflanzen finden seit den frühen Tagen der Menschheit Anwendung bei unterschiedlichsten Erkrankungen. Aktuell besteht das Bemühen, die empirische Anwendung mit Evidenz aus klinischen ...