
Was tun gegen Gonokokken?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Gonorrhö ist auf dem Vormarsch, wobei vor allem die Gruppe der MSM betroffen ist. Die Resistenzsituation bedingt, dass es momentan ein Antibiotikum der Wahl gegen Gonokokken gibt: Ceftriaxon.
Keypoints
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Die Gonorrhö ist häufig und nimmt weltweit zu.
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MSM sind in westlichen Ländern überproportional häufig betroffen.
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Anale und pharyngeale Gonorrhö sind fast immer asymptomatisch.
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Therapie der Wahl ist derzeit Ceftriaxon.
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Die Ceftriaxon-resistente Gonorrhö ist noch selten, nimmt aber weltweit langsam zu.
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Die Impfung gegen Meningokokken B reduziert das Gonorrhörisiko um 30%.
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Eine Doxycyclinprophylaxe kann bei niedriger Tetrazyklinresistenz erwogen werden, wird aber derzeit nicht empfohlen.
Sexuell übertragbare Erkrankungen, kurz STD, sind weltweit immer noch ein sehr großes Problem“, begann Dr. David Chromy, Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien, seinen Vortrag. Die WHO unterscheidet vier unheilbare – jedoch behandelbare – STD (Hepatitis B, Herpes simplex, HIV und HPV) von weiteren vier, die heilbar sind (Chlamydien, Gonorrhö, Syphilis und Trichomoniasis). Allein im Jahr 2020 haben sich ca. 374 Millionen Menschen mit einer der heilbaren STD infiziert: 129 Millionen mit Chlamydien, 82 Millionen mit Gonorrhö, 7,1 Millionen mit Syphilis und 156 Millionen mit Trichomonaden. „Das Ziel der WHO ist es, bis 2030 eine 90-prozentige Reduktion von Gonorrhö und Syphilis zu erreichen“, berichtete Chromy. Dies soll durch Aufklärungskampagnen, Hygienemaßnahmen und vermehrtes Testen erreicht werden.
In Europa (28 Länder) gab es 2018 mehr als 100000 bestätigte Gonorrhöfälle, das ergibt eine Inzidenz von 26,4 pro 100000 Einwohner pro Jahr. Nach Geschlecht bzw. sexueller Orientierung aufgeschlüsselt, ist in Europa die Zahl der Gonorrhöfälle zwischen 2009 und 2018 bei MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) besonders stark angestiegen, nämlich um 586%; einen geringeren Anstieg gab es bei heterosexuellen Männern und bei Frauen.
In Österreich gehört Gonorrhö (neben Syphilis, Ulcus molle und dem – durch Chlamydien hervorgerufenen – Lymphogranuloma inguinale oder venerum; siehe auch Seite 16) zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Allerdings handelt es sich hier um eine beschränkte Meldepflicht. „Dasbedeutet, dass man nur dann melden muss, wenn der hochgradige Verdacht auf eine Weitergabe der Infektion besteht oder die Behandlung vom Patienten nicht durchgeführt wurde“, erläuterte der Experte.
Was sind Gonokokken?
Bei den Von Albert Neisser im Jahr 1879 erstbeschriebenen Gonokokken (daher „Neisseria gonorrhoeae“) handelt es sich um gramnegative Diplokokken. Die Erkrankung hat eine Inkubationszeit von zwei bis zehn Tagen, verursacht Infektionen der Schleimhaut und befällt obligat nur den Menschen.
Bei Männern typisch ist der weißlich-gelbliche Ausfluss aus der Harnröhre, während die Infektion bei Frauen nicht selten asymptomatisch ist oder sich nur durch Dysurie oder Fluor äußert.
Klinische Manifestationen
Bei Frauen kommt es in der Regel zu Urethritis, Zervizitis und Bartholinitis, seltener zur Endometritis, Salpingitis oder Perioophoritis. Beim Mann typisch ist die akute, anteriore gonorrhoische Urethritis. Seltener kommt es zur posterioren Urethritis, Prostatitis oder Epididymitis. Bei beiden Geschlechtern kann es auch zur Proktitis, Pharyngitis, Konjunktivitis sowie (sehr selten) zur disseminierten Gonorrhö mit Arthritis, Dermatitis und Endokarditis kommen.
Diagnostik
Bei der diagnostischen Herangehensweise an einen Verdacht auf Gonorrhö lassen sich vier Ansätze unterscheiden, wobei Letztgenannter ganz klar nicht empfohlen ist: NAAT, Gramfärbung, Kultur und syndromatisch-klinische Diagnostik.
NAAT steht für „nucleic acid amplification test“, was nichts anderes als PCR bedeutet. Mit dieser Methode (aus Urethraabstrich oder Erststrahlharn) ist ein eindeutiger Erregernachweis möglich, sie weist die höchste Sensitivität an allen Lokalisationen (z.B. auch an der Rachenschleimhaut) auf und bringt schnelle Ergebnisse (Stunden bis maximal zwei Tage). Was hier hingegen fehlt, ist die Möglichkeit einer Resistenzanalyse und somit auch der Surveillance.
Die Gramfärbung bietet ebenfalls einen direkten Erregernachweis; sie ist jedoch nur bei Urethritis und Zervizitis durchführbar und erfordert geeignete Utensilien und ein gewisses Know-how.
Die Kultur liefert ebenfalls einen Erregernachweis und hat den Vorteil, dass sich Antibiogramm und Surveillance durchführen lassen. Allerdings benötigt man mehrere Tage bis zum Resultat, und auch diese Methode ist nur bei Urethritis und Zervizitis ausreichend sensitiv (nicht aber z.B. im Pharynx).
„Eine rein syndromatisch-klinische Diagnostik wäre zwar rasch möglich, funktioniert jedoch, wenn überhaupt, nur bei Urethritis, liefert keinen Erregernachweis und wird daher nicht empfohlen“, so Chromy.
Therapie im Zeitalter der Resistenzen
„Um sich über den aktuellen Stand der Therapieempfehlungen zu informieren, würde ich persönlich die CDC-Guidelines heranziehen, die sehr gut gepflegt werden und den aktuellen Stand der Behandlung ausgezeichnet wiedergeben“, empfahl der Dermatologe ( www.cdc.gov/std/gonorrhea/ ).
Für die unkomplizierte Gonorrhö der Zervix, der Urethra oder des Rektums wird dort Ceftriaxon, 500mg i.m. (wenn der Patient über 150kg wiegt: 1g) in einer Einzeldosis, empfohlen. Als Alternativen werden Gentamicin i.m. plus Azithromycin p.o. oder Cefixim p.o. (10% Therapieversagen, daher nur in Ausnahmefällen) genannt. Wenn eine Chlamydieninfektion nicht ausgeschlossen werden konnte, sollte zusätzlich mit 2x 100mg Doxycyclin täglich per os durch sieben Tage behandelt werden. Die gleiche Therapie mit Ceftriaxon gilt auch für eine Gonorrhö des Pharynx (hier allerdings ohne die genannten Alternativen). Bei disseminierter Gonokokkeninfektion sollte der Patient täglich 1g Ceftriaxon i.m. oder i.v. (durch 1–2 Wochen) erhalten.
Ciprofloxacin wird als Therapiealternative bei Gonorrhö diskutiert, darf aber ausschließlich bei durch Antibiogramm bewiesener Empfindlichkeit verwendet werden. Zwei bis drei Wochen nach Therapieende (aber nicht früher, um falsch-positive Ergebnisse zu vermeiden) sollte ein NAAT oder eine Kultur als „test of cure“ durchgeführt werden.
Gonokokken verfügen über die Fähigkeit, ihre Gene durch horizontalen Gentransfer mittels hohlzylindrischer Plasmabrücken („Pilus“) zu übertragen, was im Laufe der Zeit zu einer zunehmend herausfordernden Resistenzsituation geführt hat. Laut ECDC weisen Gonokokken in Europa zu ca. 60% eine Resistenz gegen Ciprofloxacin und zu ca. 10% gegen Azithromycin auf, während die Resistenzsituation gegen Cefixim und Ceftriaxon derzeit noch günstig zu sein scheint. Die Rate der Azithromycinresistenz unterscheidet sich zwischen den einzelnen Transmissionsgruppen und ist laut ECDC bei MSM mit 15% am höchsten.
2011 für Österreich erstmals beschrieben wurde eine „extended-spectrum cephalosporin resistance“, die auch Cefixim umfasste. Wenn Gonokokken auch gegen Ceftriaxon und Azithromycin resistent sind, spricht man von „extensive drug resistance“ (XDR). „Diese ist weltweit derzeit nur in Einzelfällen zu sehen; 2022 hatten wir den ersten Fall in Österreich, wobei dieser Mann sich seine Infektion bei einer Sexarbeiterin in Kambodscha geholt hat“, so Chromy.
Prophylaxe
„Paradoxerweise haben gerade die Fortschritte in der HIV-Behandlung, einschließlich der Einführung einer Präexpositionsprophylaxe (PrEP), in der Gruppe der MSM im Durchschnitt zu einer erhöhten Risikoexposition geführt – ,casual dating‘, ungeschützter Analverkehr, Chemsex etc. –, was die Raten an anderen STD, wie eben auch Gonorrhö, in die Höhe treibt“, so Chromy. Dazu kommt, dass bei Personen, die eine PrEP einnehmen, alle drei Monate ein STD-Screening erfolgt – was natürlich dann auch zu erhöhten Diagnoseraten führt.
In einer Wiener Kohorte von PrEP-Usern wurden nun die ersten 131 Patienten untersucht. In dieser Gruppe fand sich eine Prävalenz von 40% STD; dabei waren 16% Gonorrhö. „Bemerkenswert war jedoch, dass von allen STD nur 10% symptomatisch waren“, ergänzte der Experte. Dazu passt auch eine englische Studie, in der bei 383 Fällen von pharyngealer Gonorrhö nur 7% symptomatisch waren. Dabei wird, je nach Studie, die mediane Dauer einer pharyngealen Gonorrhö mit vier bis 16 Wochen angegeben.
Eine echte medizinische Prophylaxe von Gonorrhö über die Steuerung des Risikoverhaltens hinaus gibt es derzeit nicht. Allerdings scheint die Impfung gegen Meningokokken Serogruppe B eine gewisse Kreuzprotektion gegen Gonokokken zu verursachen. In Fallkontrollstudien aus Registerdaten hatten Personen, die dagegen geimpft waren, ein um 31% niedrigeres Risiko für eine Gonorrhö. „Dazu wird gerade viel geforscht“, so Chromy.
Eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit Doxycyclin (jeweils nach Geschlechtsverkehr eingenommen) ergab in einer französischen Studie einen Schutz gegen Syphilis und Chlamydien, nicht aber gegen Gonokokken. In einer anderen Studie (aus den USA) führte hingegen eine PEP mit Doxycyclin sehr wohl zu einer Reduktion der Gonorrhö. Dies könnte daran liegen, dass die Resistenzrate gegen Tetrazykline in der US-Kohorte niedriger war als in der französischen Kohorte. Eine prophylaktische Anwendung von Doxycyclin/Tetrazyklinen gegen STD wird aktuell aber nicht empfohlen.
Quelle:
„Gonokokken – Therapie und Prophylaxe“; Giftiger Dienstag mit Dr. David Chromy, Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien, am 17.1.2023
Literatur:
beim Vortragenden
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