
Masern sind keine Kinderkrankheit mehr!
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Masern sind eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die trotz verfügbarer Impfungen weiterhin eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Der jüngste Anstieg der Zahl der Masernfälle in Europa, insbesondere in Österreich, zeigt, dass eine unzureichende Durchimpfungsrate zur erneuten Verbreitung der Krankheit führt, wie Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindtner, Wien, beim GiDi Live ausführte.
Das Masernvirus ist ein systemischer Erreger, der z.B. über den CD150-Rezeptor in Immunzellen eindringt und eine ausgeprägte Immunsuppression bewirkt. Diese manifestiert sich in einem signifikanten Verlust der Antikörperdiversität, wodurch Patienten langfristig anfälliger für weitere Infektionen werden. Neben dem typischen makulopapulösen Exanthem manifestieren sich Masern als systemische Erkrankung mit potenziellen neurologischen Komplikationen wie der subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE). Zudem bleibt Masern-RNA selbst nach Abklingen der akuten Symptome noch über Monate im Körper nachweisbar, was auf eine persistierende Immunmodulation hindeutet und das Risiko für sekundäre Infektionen langfristig erhöht.
Epidemiologische Entwicklung
In den vergangenen Jahren wurde in Österreich eine steigende Anzahl an Masernfällen registriert, mit einer besonders alarmierenden Zunahme im Jahr 2024. Die Inzidenz erreichte mit 542 bestätigten Fällen einen Höchststand der letzten zwei Jahrzehnte. Etwa 20% der Betroffenen mussten stationär behandelt werden. Die Mehrheit der Erkrankten war nicht geimpft, bei 5% wurde ein sogenannter Impfdurchbruch nachgewiesen. Besorgniserregend ist die geografische Verbreitung der Infektionen, die nicht länger auf einzelne Ausbrüche beschränkt bleibt, was sich auch dadurch zeigt, dass ein breites Spektrum von verschiedenen Virusgenotypen nachgewiesen werden kann. Diese Vielfalt der Genotypen geht zurück auf neue Virusimporte oder auf Mutationen, die im Rahmen der Virusverbreitung in Österreich entstehen.
Ursachen des aktuellen Anstiegs
Die Covid-19-Pandemie hatte durch nichtpharmazeutische Interventionen (z.B. Maskenpflicht, Lockdowns) zu einem temporären Rückgang der Masernfälle geführt. Mit der Rückkehr zur Normalität nahm jedoch auch die Anzahl der Infektionen wieder zu. Neben einer unzureichenden Durchimpfungsrate tragen Importfälle aus Ländern mit hoher Masernprävalenz zur weiteren Verbreitung bei.
Zusätzlich haben aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen die Komplexität der Ausbreitung verdeutlicht. Eine Studie von Dr. Jeremy Camp zeigt auf Basis von genetischen Analysen, dass selbst Masernviren desselben Genotyps 2023 und 2024 immer wieder neu und zum Teil gleichzeitig nach Österreich importiert wurden. Der Nachweis desselben Genotyps über längere Zeit könnte nämlich grundsätzlich darauf hinweisen, dass dasselbe Virus in Österreich länger unbemerkt zirkuliert, was durch die Ganzgenomanalyse widerlegt werden konnte.
Zudem wurde im Rahmen einer aktuellen Arbeit, die vonEurosurveillance zur Veröffentlichung angenommen wurde, untersucht, inwiefern Immunitätslücken zur anhaltenden Verbreitung der Masern beitragen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Impfung grundsätzlich hochwirksam ist, jedoch seit den 1990er-Jahren signifikante Immunitätslücken bestehen. Diese sind darauf zurückzuführen, dass entweder keine Impfung erfolgte oder die erforderliche zweite Impfdosis nicht verabreicht wurde. Bemerkenswert ist, dass Covid-19 keinen messbaren Einfluss auf diese Entwicklung hatte, was die Notwendigkeit einer gezielten Impfstrategie zur Schließung dieser Lücken unterstreicht.
Darüber hinaus hat Dr. David Springer Daten zu Durchbruchsinfektionen untersucht und herausgefunden, dass trotz vorangegangener Impfungen Infektionen auftreten können, insbesondere bei unvollständigem Impfschutz oder bei längerer Zeitspanne seit der letzten Impfung. Seine Untersuchung zeigt zudem, dass 35% der gemeldeten Fälle Erwachsene über 30 Jahre betreffen, was die traditionelle Annahme, dass Masern primär eine Kinderkrankheit sei, infrage stellt. Das Problem ist dabei vor allem, dass Immunitätslücken, die entstehen, wenn die vollständige Impfserie (mit zwei Impfdosen) in der Kindheit verabsäumt wurde, im Erwachsenenalter fortbestehen. Während in der Vorimpfära Kinder breit „durchseucht“ und damit lebenslang immun wurden, müssen Personen, die heute im mittleren Erwachsenenalter sind, durch die Impfung immun geworden sein. Es ist also besonders wichtig, fehlende Impfungen jetzt auch bei Erwachsenen nachzuholen.
Fazit
Die Masern bleiben eine medizinische und gesundheitspolitische Herausforderung. Die steigende Zahl an Infektionen, die zunehmende genetische Diversität des Virus und die damit verbundene Immunsuppression verdeutlichen die Dringlichkeit einer verbesserten Impfstrategie. Nur durch eine flächendeckende Immunisierung und gezielte gesundheitspolitische Maßnahmen kann eine langfristige Kontrolle der Maserninfektionen erreicht werden.
Quelle:
„Masern sind keine Kinderkrankheit mehr!“, Vortrag von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindter, MedUni Wien, beim GiDi Live am 11.2.2025, nachzusehen in der Mediathek unter https://giftigerdienstag.at/mediathek/
Literatur:
beim Vortragenden
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