
Und wie ist das jetzt mit der Titerbestimmung?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Über die Bestimmung neutralisierender Antikörper ist gerade während der Coronapandemie viel diskutiert worden. Ist sie nun sinnvoll und wenn ja, in welchen Situationen, und wann eher nicht? Dieser Frage widmeten sich – in durchaus unterhaltsamer Weise – zwei ausgewiesene Experten in einem Pro-und-Kontra-Format.
Pro
„Eigentlich wäre es ja ganz einfach“, so Priv.-Doz. Dr. Rainer Gattringer, Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Infektiologie und Tropenmedizin, Klinikum Wels-Grieskirchen. „Man misst einen Antikörpertiter, um zu bestimmen, ob noch genügend Antikörper da sind, um vor einer bestimmten Infektion zu schützen, bzw., ob sich nach einer Impfung ein ausreichender Antikörpertiter gebildet hat.“
Simpel gedacht, bedeutet ein niedriger Titer dann, dass eine Auffrischung sinnvoll ist, während sie bei einem hohen Titer entfallen kann. „Man kann das ja durchaus argumentieren“, fuhr Gattringer fort. „Impfungen sind Medikamente mit Wirkung und Nutzen. Sie haben aber auch einen Preis und sie können Nebenwirkungen bzw. manchmal sogar Schäden verursachen. Folglich müssen wir sie sorgsam und zielgerichtet einsetzen – ganz besonders in Zeiten zunehmender Impfskepsis.“
Auf jeden Fall sinnvoll ist die Bestimmung eines Impftiters dann, wenn nicht bekannt ist, ob und wann eine Impfung verabreicht wurde (z.B. nach Verlust des Impfpasses und bei fehlender Erinnerung), andererseits auch dann, wenn man wissen will, ob ein Ansprechen vorliegt und wie gut die Immunantwort ist. Und auch bei der Vorbereitung auf eine Schwangerschaft können Titerbestimmungen sehr hilfreich sein.
Als Beispiel kann die Impfung gegen Hepatitis B angeführt werden. „Hier ist bekannt, dass zwischen 5 und 10% aller Geimpften keine ausreichende Immunantwort entwickeln“, erklärte der Experte. Deshalb empfiehlt sich eine Titerbestimmung. Liegt dieser zwischen 20 und 99mIE/mL, so sollte nochmals geimpft und der Titer danach nochmals kontrolliert werden. Bleibt es bei der fehlenden oder schlechten Immunantwort, lohnt es sich, die Impfung mit Vakzinen anderer Hersteller zu wiederholen.
Ist dann noch immer kein Schutz vorhanden, sollte für die betroffene Person eine Risikobewertung hinsichtlich Hepatitis-B-Infektionsgefährdung durchgeführt werden. Inwieweit aufgrund der Risikobewertung danach weitere Impfungen erwogen werden, muss individuell entschieden werden. Bei Non-Respondern ist grundsätzlich eine vorbestehende, chronische Hepatitis-B-Infektion auszuschließen (HBs-Antigen und HBc-Antikörper).
„Ein anderes Beispiel ist die Überprüfung der Rötelnimmunität, die im Mutter-Kind-Pass vorgeschrieben ist. Seronegative Mütter sollten laut Österreichischem Impfplan eine MMR-Impfung noch im Wochenbett erhalten“, referierte Gattringer.
Bei manchen Reiseimpfungen kommt auch ein teils erheblicher Kostenfaktor zum Tragen. Hier kann es ökonomisch sinnvoll sein, zuerst den Titer zu bestimmen, was oft billiger ist als eine sofortige Auffrischung.
Kontra
„Das Thema Titerbestimmungen lässt sich zumindest anhand von Covid-19 relativ schnell ad absurdum führen“, begann Priv.-Doz. Dr. Igor Theurl, PhD, niedergelassener Labormediziner in Innsbruck, sein Kontra-Plädoyer. Tatsächlich gibt es Studien, die zeigen, dass gerade nach Infektionen mit SARS-CoV-2 – und insbesondere bei der Omikron-Variante – der Antikörpertiter auch unter Verwendung der sogenannten BAU („Binding Antibody Units“) kaum aussagekräftig ist. Theurl erläuterte dies anhand von zwei Fallbeispielen.
Fall 1: Ein 25-jähriger Mann, der oft in Bars und auf Festivals unterwegs ist und in einer Wohngemeinschaft lebt, in der alle Mitbewohner mehrfach SARS-CoV-2-positiv waren, ist viermal geimpft, hatte jedoch nie mehr als 400BAU/mL. Er hatte aber auch noch nie eine Coronainfektion und seine N-Antikörper – Nukleokapsid-Antikörper, die nur nach einer Infektion, nicht nach der Impfung auftreten – sind negativ.
Fall 2: Dieser Mann ist 35 Jahre alt, Sportler, geht nie in Bars und hat auch sonst wenig soziale Kontakte. Er lebt mit seiner Partnerin zusammen, die beiden bekommen wenig Besuch. Er ist dreimal geimpft und seine BAU-Spiegel waren seit Mitte 2020 nie unter 5000BAU/mL. Dennoch hat er nun schon die vierte Coronainfektion durchgemacht und seine N-Antikörper sind hoch positiv.
Inzwischen gibt es Studien, die zeigen, dass die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Testsysteme in Bezug auf neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 auch dann nicht vollständig gegeben ist, wenn eine Umrechnung auf BAU erfolgt, wie sie von der WHO vorgegeben wurde. „Aber es gibt ja auch andere Infektionskrankheiten als Covid-19“, fuhr der Labormediziner fort. „Wichtig ist in jedem Fall ein rationaler Umgang mit Titerbestimmungen.“ Theurl führte den Fall eines jungen Mannes an, der regulär gegen MMR geimpft war, aber bei einer Titerbestimmung sowohl bezüglich Masern als auch bezüglich Mumps grenzwertige Befunde hatte. „Hier muss man zunächst bedenken, dass es zwischen verschiedenen Testsystemen teils eine hohe Diversität und keine Standardisierung gibt“, so Theurl. „Zudem gibt es ja bekanntlich nicht nur eine humorale, sondern auch eine zelluläre Immunität, die oft nicht mitberücksichtigt wird.“
So heißt es immerhin im Österreichischen Impfplan, dass von einem Schutz gegen Masern bei zwei dokumentierten Impfungen auch dann auszugehen ist, wenn Antikörperspiegel grenzwertig sind oder ganz fehlen. Von einer dritten Impfung wird in einem solchen Fall ausdrücklich abgeraten. Der Schutz nach zweifacher Impfung hält wahrscheinlich lebenslang an. „Recht ähnliche Aussagen gibt es auch für Mumps“, fuhr der Labormediziner fort. „Nur mit dem Unterschied, dass hier für einen Immunitätsnachweis nicht einmal ein definiertes serologisches Korrelat vorhanden ist.“
Viele Menschen haben Angst vor einem „Überimpfen“. „Von zusätzlich verabreichten Impfstoffdosen geht aber in der Regel kein erhöhtes Risiko aus“, stellte Theurl klar. In Ausnahmefällen kann es nach wiederholter Gabe von Totimpfstoffen allerdings zum Arthus-Phänomen, auch Serumkrankheit genannt, kommen. „Dies ist eine selbstlimitierende Reaktion, die bei hohen Antikörperkonzentrationen nach sehr häufigen Impfungen gegen Tetanus und/oder Diphtherietoxoid auftreten kann. In solchen Fällen sollte vor weiteren Impfungen gegen Tetanus/Diphtherie eine Antikörperbestimmung erfolgen.“
Bei der FSME-Impfung wird eine Titerbestimmung nur bei immunsupprimierten Patienten empfohlen.
Quelle:
„Sind Antikörpertiter hilfreich zur Einschätzung des Infektionsrisikos?“, Pro/Contra-Sitzung im Rahmen des ÖIK am 23. März 2023 in Saalfelden
Literatur:
bei den Vortragenden
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