
Q-Fieber-Endokarditis: a neglected disease?
Autorin:
OÄ Dr. Renate Haberl
Infektiologischer Konsiliardienst
Klinik Floridsdorf, Wien
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Im Rahmen der Abklärung einer Kultur-negativen Endokarditis sollte auch Coxiella burnetii als Erreger des Q-Fiebers in Betracht gezogen und serologisch abgeklärt werden, insbesondere wenn ein Kontakt mit Schafen, Ziegen oder Rindern oder ein Konsum von unpasteurisierten Milchprodukten besteht. Durch die fehlende Melde- und Anzeigepflicht in Österreich ist die Erkrankung möglicherweise unterdiagnostiziert.
Keypoints
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Die Kultur-negative Endokarditis bleibt eine diagnostische Herausforderung. Das Assessment umfasst eine gezielte Erhebung der Anamnese (!) sowie eine serologische und molekulartechnische Abklärung.
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Die Q-Fieber-Endokarditis wird durch Coxiella burnetii verursacht. Der Erreger ist hochinfektiös und kann monatelang in Staub, Heu und Wolle überleben.
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Erregerreservoir sind Schafe, Ziegen, Rinder. Die Übertragung erfolgt durch Aerosole, direkten Kontakt oder die Ingestion von unpasteurisierten Milchprodukten.
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Eine serologische Antikörperbestimmung und/oder der direkte Erregernachweis mittels PCR führen zur Diagnose.
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Eine ausreichend lange Kombinationstherapiedauer mit Doxycyclin und Hydroxychloroquin ist für den Therapieerfolg essenziell.
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Da es in Österreich keine Meldepflicht für Infektionen mit Coxiella burnetii gibt, ist der Erreger möglicherweise eine unterdiagnostizierte Ursache einer Kultur-negativen Endokarditis.
Fallbericht
Anamnese
Ein 54-jähriger aus Berlin stammender Hotelmanager eines Kreuzfahrtschiffes (Amsterdam–Budapest) entwickelt auf Höhe Wien eine akute Atemnot und Thoraxschmerz, sodass er mit Verdacht eines akuten Koronarsyndroms stationär aufgenommen wird. An Vorerkrankungen sind ein mechanischer Aortenklappenersatz 2003, eine arterielle Hypertonie und ein chronischer Nikotinkonsum bekannt. Im Labor auffällig sind ein gering erhöhtes Troponin T, ein NT-proBNP von 1274ng/l (<125ng/l) sowie eine Anämie (Hb 12,0g/dl). In der Koronarangiografie zeigt sich nur eine geringe Koronarsklerose, aber eine hochgradige Aorteninsuffizienz. In der anschließenden transösophagealen Echokardiografie werden ein paravalvuläres Leak sowie bis zu 1,5cm große echoreiche bewegliche Anteile am Klappenring beschrieben. Nach Abnahme von Blutkulturen wird eine antibiotische Therapie mit Ampicillin/Sulbactam und Ceftriaxon eingeleitet und der Patient zum Re-Aortenklappenersatz an ein herzchirurgisches Zentrum transferiert. Differenzialdiagnostisch wird bei unauffälligem CRP, wiederholt negativen Blutkulturen und der kurzen Anamnesedauer auch ein Klappenausriss in Betracht gezogen. Am 8. postoperativen Tag äußert der Patient bei klinischem Wohlbefinden den Wunsch der Transferierung in seine Heimatstadt und es stellt sich die Frage nach der weiteren antibiotischen Therapie.
Kultur-negative Endokarditis
Nach Anwendung der modifizierten Duke-Kriterien (Tab. 1) hat der Patient eine wahrscheinliche Endokarditis. Intraoperativ beschreibt der Herzchirurg einen „endokarditischen Rasen unterhalb der Klappenprothese, welcher bis auf die Klappenebene hineinreicht und ein suffizientes Schließen der Klappe verhindert“. Der mikrobiologische Befund der entfernten Herzklappe zeigt kein Wachstum, die bakterielle Breitspektrum-PCR aus dem Blut und der Herzklappe sind negativ. Die Arbeitshypothese lautet Kultur-negative Endokarditis und die Anamnese mit dem Patienten wird erweitert: Er bezeichnet sich selbst als „Stadtmensch“, er betreibe keinen Sport in der Natur, habe keinen Kontakt zu Haus- oder Nutztieren, mache keine Auslandsreisen und esse keine rohen Milchprodukte. Bis zur akuten Aufnahme sei er immer gesund gewesen, lediglich in den Tagen zuvor habe er ein „verändertes“ Klicken seiner mechanischen Aortenklappe bemerkt. Eine serologische Antikörper-Bestimmung von Coxiella burnetii, Brucella spp., Bartonella henselae und quintana sowie Legionella pneumophilia wird veranlasst und eine empirische Therapie mit intravenösem Doxycyclin eingeleitet.
Positive Serologie
Das Ergebnis der serologischen Untersuchung zeigt positive Coxiella-burnetii-Antikörper im ELISA-Test und die Blutprobe wird zum quantitativen Bestätigungstest (IFT) ins Q-Fieber-Konsiliarlabor nach Baden-Württemberg geschickt. Die Anamnese wird nochmals „vertieft“ und es stellt sich heraus, dass die Gattin des Patienten aus Rumänien (ländliches Gebiet) stammt und dort mehrmals pro Jahr Besuche bei ihrer Familie stattfinden. Diese Aufenthalte perzipiert der Patient selbst allerdings nicht als „Auslandsreise“. Außerdem isst er dort leidenschaftlich gern den rohen Schafskäse seiner Schwägerin, die circa 2 km entfernt wohnt und sowohl Schafe als auch Ziegen hält.
Q-Fieber Endokarditis
In Zusammenschau mit der Anamnese und dem serologischen Bestätigungstest (Abb. 1) wird die Diagnose einer akuten Q-Fieber-Endokarditis gestellt. Der Patient erhält eine Kombinationstherapie mit Doxycyclin 2 x 100 mg p.o. und Hydroxychloroquin 3x200mg p.o. für insgesamt 24 Monate. Im Follow-up sind serologische sowie augenärztliche Kontrollen zum Ausschluss retinaler Ablagerungen durch Hydroxychloroquin geplant.
Abb. 1: Quantitative serologische Bestimmung mittels Immunfluoreszenztest (IFT) im Konsiliarlabor für Coxiella burnetii, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Prof. Silke Fischer
Q-Fieber
Das Q(Query)-Fieber wurde erstmals 1937 beschrieben, als es zu einem Ausbruch einer unklaren fieberhaften Erkrankung bei Schlachthofarbeitern in Queensland kam („query“=Fragezeichen). Der Erreger ist Coxiella burnetii, ein gramnegatives Stäbchen, das strikt intrazellulär in Makrophagen lebt und sich durch spezielle Adaptionsmechanismen an das saure Milieu der Phagolysosomen angepasst hat (Abb. 2). Es ist hochinfektiös, bereits 1–10 Erreger können zu einer Infektion führen. Eine Besonderheit von C. burnetii ist die Bildung einer sporenähnlichen Form („small cell variant“; SCV), die eine hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Noxen wie Hitze und Austrocknung aufweist und somit jahrelang in Staub, Heu und Schafwolle überleben kann.
Abb. 2: Elektronenmikroskopische Darstellung einer rupturierten Zelle mit Coxiellen
Zoonose
Reservoir von C. burnetii sind Wildsäugetiere, Vögel, Schafe, Ziegen und Rinder. Eine besondere Rolle spielen Zecken, die gleichzeitig als Reservoir und Vektor dienen. Die Wirtstiere selbst erkranken nicht oder nur subklinisch und scheiden den Erreger über Urin, Kot, Milch und Geburtsprodukte (Plazenta!) aus. Bei Schafen, Ziegen und Rindern löst eine Infektion Aborte aus bzw. sind die Neugeborenen sehr schwach und kaum überlebensfähig. Eine besondere Infektionsquelle sind hochinfektiöse Aborte, die auf der Weide verbleiben und über viele Monate sowohl eine unmittelbare Ansteckungsquelle für andere Tiere als auch durch Vertragung über Aerosole (bis zu 18 km!) eine Gefahr für den Menschen darstellen.
Übertragung
Der Hauptübertragungsweg für den Menschen ist die Inhalation von Aerosolen, aber auch der direkte Kontakt mit erkrankten Tieren oder der Verzehr von unpasteurisierten Milchprodukten können eine Infektionsquelle darstellen. Gefährdete Risikogruppen sind demzufolge: Bauern, Veterinärmediziner, Arbeiter im Schlachthaus oder Wollfabrik, Laborpersonal und auch Personen, die in der Nähe von Schaf-/Ziegen-/Rinderherden wohnen.
Klinik
Nach einer Inkubationszeit von 2–3 Wochen verlaufen etwa 60% der Infektionen asymptomatisch. Circa 30% der Infizierten entwickeln grippale Symptome mit Fieber, Myalgien, Fatigue und starken retroorbitalen Kopfschmerzen. Zu Organmanifestationen kann es in ca. 10% der Fälle in Form einer Pneumonie oder Hepatitis kommen. Insbesondere bei Vorliegen von prädisponierenden Faktoren (vorbestehende Klappenerkrankungen, künstliche Herzklappen,Immunsuppression, Schwangerschaft) kann es in 1–5% zu einem chronischen Verlauf, meist einer Endokarditis, kommen. Aber auch eine Osteomyelitis oder infizierte Aneurysmen sind möglich. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Endokarditis in der akuten Erkrankungsphase.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt serologisch durch Antikörperbestimmung oder den direkten Erregernachweis mittels PCR. C. burnetii zeichnet sich durch eine Phasenvariation aus, d.h. der Erreger kann durch Modifikation seiner Lipopolysaccharid-Membran seine Antigene wechseln. Dies wird serologisch zur Unterscheidung einer akuten oder chronischen Infektion genutzt:
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Für eine akute Q-Fieber-Infektion sprechen Phase-2-Antikörper (Phase-2-IgG- AK ≥1:200 und Phase-2-IgM-AK ≥1:50).
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Phase-1-Antikörper gelten als Marker für ein chronisches Q-Fieber (Phase-1- IgG-AK >1:800) und sind auch ein Major-Kriterium in den DUKE-Kriterien zur Diagnose einer infektiösen Endokarditis (Tab. 1).
Tab. 1: Modifizierte DUKE-Kriterien nach den ESC-Guidelines 2015: Wahrscheinlichkeit der Diagnose: Eine Endokarditis gilt als gesichert, wenn 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium und 3 Nebenkriterien oder 5 Nebenkriterien erfüllt werden. Eine Endokarditis ist wahrscheinlich, wenn 1 Hauptkriterium und 1 Nebenkriterium oder 3 Nebenkriterien erfüllt sind (modifiziert nach Habib G et al. 2015)
Allerdings können in der Rekonvaleszenzphase auch Phase-1-Antikörper auftreten, wenn auch in niedrigen Titern. Der Nachweis von erhöhten Antikardiolipin-Antikörpern stellt einen Risikofaktor für das Auftreten einer Endokarditis dar.
Therapie
Die Therapie des akuten Q-Fiebers erfolgt mit Doxycyclin über zwei Wochen. Bei einem chronischen Q-Fieber oder einer Q-Fieber-Endokarditis ist eine ausreichend lange Kombinationstherapie mit Doxycyclin und Hydroxychloroquin für 18–24 Monate für den Therapieerfolg essenziell.
Epidemiologie
C. burnetii kommt weltweit mit Ausnahme von Neuseeland und der Antarktis vor. In Europa werden Q-Fieber-Fälle vor allem aus Spanien, Frankreich, Deutschland, Rumänien und Bulgarien gemeldet. Der letzte große Ausbruch in Europa, ausgehend von einem Ziegenbetrieb, war von 2007 bis 2010 in den Niederlanden mit über 4000 Erkrankten. Aktuell sorgt ein Q-Fieber-Ausbruch in Niedersachsen wieder für mediales Interesse.
Keine Meldepflicht in Österreich
Über die Epidemiologie in Österreich gibt es kaum Daten, da C. burnetii im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern weder eine anzeige- noch meldepflichtige Erkrankung in der Human- und Veterinärmedizin ist. Eine Studie von Tobudic S et al. aus dem Jahr 2014 schätzt die Seroprävalenz in Österreich auf rund 2%. Eine rezente Auswertung (Abb. 3) vom Institut für Infektionsdiagnostik und Infektionsepidemiologie der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Daniela Schmid zeigt, dass alleine im Jahr 2023 (Stichtag 17.3.2023) in 2,74% von 548 Einsendungen positive Phase-2-IgG-Antikörper nachweisbar sind, die allerdings nur Marker für eine stattgehabte Exposition sind und keine Auskunft über die Akuität bzw. persistierende Infektion geben.
Abb. 3: Auswertung der positiven Phase-2-IgG-Antikörper 2013–2023, MUW, Unit Infektionsdiagnostik & Infektionsepidemiologie, Priv.-Doz. Dr. Daniela Schmid, MSc (LSHTM)
Literatur:
• Habib G et al.: 2015 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis: The task force for the management of infective endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2015; 36(44): 3075-128 • Tobudic S et al.: Seroprevalence for Coxiella burnetii, Francisella tularensis, Brucella abortus and Brucella melitensis in Austrian adults: a cross-sectional survey among military personnel and civilians. Ticks Tick Borne Dis 2014; 5(3): 315-7 • Jaltotage B et al.: Q fever endocarditis: a review of local and all reported cases in the literature. Heart Lung Circ 2021; 30(10): 1509-15 • Kimmig P: Q-Fieber – eine Infektion mit komplexer Epidemiologie. In: Aspöck H. (Hrsg.): Krank durch Arthropoden. Denisia 2010; 30: 593-604 • Raoult D et al.: Risks factors and prevention of Q fever endocarditis. Clin Infect Dis 2001; 33(3): 312-6 • Grisoli D et al.: Latent Q fever endocarditis in patients undergoing routine valve surgery. J Heart Valve Dis 2014; 23(6): 735-43 • Melenotte C et al.: New insights in Coxiella burnetii infection: diagnosis and therapeutic update. Expert Rev Anti Infect Ther 2020; 18(1): 75-86
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