SARS-CoV-2: Varianten und Impfungen
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Zwar scheint das Thema Covid-19 ein wenig aus dem Fokus des öffentlichen Interesses gerutscht zu sein, aber die Medizin hält dieser Erreger wohl weiterhin auf Trab. Wie es sich mit Virusvarianten, neuen Impfstoffen und Impfschemata verhält, war in einem „Giftigen LiveStream“ zu hören.
Mutationen und Varianten
„Mutationen treten zufällig im Rahmen der Virusreplikation auf“, erklärte Dr. Robert Strassl, Abteilung für Klinische Virologie, MedUni Wien, bei einem „Giftigen LiveStream“. Dabei ist die Mutationsrate vom Virus selbst abhängig. Hier spielt die Art der Nukleinsäure eine Rolle – RNA-Viren mutieren schneller als DNA-Viren. Außerdem ist natürlich die Qualität des „Proofreading“ von Bedeutung. Ob eine entstandene Mutation sich durchsetzen kann, hängt von Faktoren wie Infektiosität, Immunevasion und Resistenz ab.
„Es kann aber durchaus sein, dass ein Virus wieder zurück zum Wildtyp mutiert, wenn der Selektionsdruck – etwa durch ein Medikament – wegfällt. Das haben wir bei HCV gesehen“, so Strassl. SARS-CoV-2 ist weniger mutationsfreudig als andere Viren, wie z.B. Poliovirus 1 oder Influenza A, weil es einen eigenen Proofreading-Mechanismus besitzt.
SARS-CoV-2 ist ein einsträngiges RNA-Virus und eines der größten bekannten RNA-Viren. Sein Spikeprotein ist für den Eintritt in die Wirtszelle erforderlich, wobei die S1-Untereinheit die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) enthält, die an den Wirtsrezeptor bindet. Die S2-Untereinheit vermittelt danach die Fusion von Virushülle und Zellmembran. Es sind insbesondere die Mutationen im Spikeprotein, welche die Varianten von SARS-CoV-2 definieren.
Wie kann man nun „variants of interest“ (VOI) und „variants of concern“ (VOC) unterscheiden? Strassl: „Grob gesagt, würde ich VOI als solche Varianten sehen, von denen man bereits ahnt, dass sie Probleme machen könnten. VOC sind VOI, die sich bereits durchgesetzt und somit Probleme verursacht haben. VOC sind oder waren z.B. Alpha, Beta, Delta und jetzt eben Omikron.“
Tab. 1: Variantenverteilung in Österreich per 10.10.2022 (Quelle: https://covariants.org/ )
Betrachtet man die Phylogenese von SARS-CoV-2, so zeigt sich, dass sich Omikron ganz unabhängig von anderen Varianten entwickelt hat. Die derzeit vorherrschenden Omikron-Subvarianten BA.2, BA.4 und BA.5 werden als VOC definiert. Weitere zwei Subvarianten, nämlich BA.2+ und BA.2.75, werden im Moment als VOI angesehen. Zudem gibt es aber auch sogenannte deeskalierte Varianten – das sind einerseits solche, die einmal relevant waren, aber inzwischen fast verschwunden sind, wie etwa Alpha, andererseits aber auch solche, die sich nie durchgesetzt haben. Tabelle 1 zeigt die Variantenverteilung aus Österreich per 10. Oktober 2022.
Die Variante BA.2.75 wies Ende August in Österreich noch einen Anteil von knapp über 6% auf, hat sich aber inzwischen mit 18% zur zweithäufigsten Variante gesteigert. Und inzwischen (per Ende Oktober) sind auch drei neue Omikron-Subvarianten aufgetaucht – BQ.1, BQ.1.1 und XBB. Die ersteren beiden sind aus BA.5 entstanden, XBB hingegen aus BA.2 (als Rekombinante aus BA.2.75 und BJ.1). Eine dieser Varianten könnte schon seit November dominant sein, wie dies in einigen Ländern bereits der Fall ist.
Die Bedeutung der Mutationen, die zu verschiedenen Varianten führen, liegt in der Veränderung von wichtigen Eigenschaften des Virus. So ist etwa die Infektiosität, ausgedrückt durch die Basisreproduktionszahl R0, beim ursprünglichen Wuhan-Virus noch bei 2,5 gelegen, während sie bei verschiedenen Omikron-Varianten Berechnungen zufolge bereits über 8 beträgt. Die Inkubationszeit ist kürzer geworden: Waren es bei Alpha noch 4,5 Tage, so sind es bei BA.1 nur noch 2,8 Tage. Und leider haben diverse Mutationen auch dazu geführt, dass – im Gegensatz zu den oralen Medikamenten – die meisten monoklonalen Antikörper gegen Omikron-Varianten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wirken.
Eine vorteilhafte Veränderung besteht allerdings darin, dass sich mit Omikron auch der Zelltropismus des Virus geändert hat – weg von den unteren und hin zu den oberen Atemwegen, was wohl ein Grund dafür ist, dass es mit Omikron weniger schwere Verläufe gibt. „Dies gilt zumindest für geimpfte Personen“, schränkte Strassl ein.
Jedenfalls traten in der aktuellen Welle deutlich weniger Todesfälle und ICU-Aufnahmen auf als in früheren Wellen. Und es hat – ebenfalls nicht unbedeutend – auch das Risiko für Long Covid abgenommen. „Ob sich allerdings zukünftige Varianten von Omikron oder anderen Linien ableiten werden und wie virulent sie sein werden, ist leider derzeit nicht abzusehen“, so der Experte abschließend.
Neue Impfstoffe
Neu und bereits in Europa zugelassen ist ein rekombinanter Proteinimpfstoff von Novavax, wie Prof. Dr. Florian Krammer, Vakzinologe an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, erklärte. Verwendet wird ein rekombinant in Insektenzellen hergestelltes Spikeprotein. Gegen das ursprüngliche SARS-CoV-2 hatte dieser Impfstoff eine ähnlich hohe Effektivität wie mRNA-Vakzinen.
Ein zweiter bereits verfügbarer neuer Impfstoff ist die inaktivierte Vakzine von Valneva. Der Impfstoff wurde aufgrund von Immunobridging zugelassen, d.h., er induzierte höhere Antikörpertiter als der Vergleichsimpfstoff von AstraZeneca. „Es gibt dazu auch positive Boosterdaten für diesen Impfstoff“, so Krammer.
Weitere, außerhalb Europas (konkret in Indien) zugelassene Technologien sind ein rekombinanter RBD-Impfstoff (hier wird nicht das ganze Spikeprotein verwendet, sondern nur die Rezeptorbindungsdomäne) und ein DNA-Impfstoff. In Kuba wurde eine Vakzine entwickelt, bei der die RBD mit Tetanus-Toxoid gekoppelt wurde.
Intranasale Impfstoffe werden weltweit entwickelt, zum Teil schon in Phase III; ein solcher Impfstoff wurde in China und Indien bereits zugelassen.
Gedanken zu Impfschemata
„Impfungen gegen Covid-19 haben schon im ersten Jahr ihrer Anwendung ca. 20 Millionen Todesfälle weltweit verhindert“, betonte em. Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch,allseits bekannter Impfexperte und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Die Impfsituation in Österreich ist allerdings verbesserungswürdig. Per Ende August 2022 waren 56,11% der Österreicher dreimal und nur 5,11% viermal geimpft. Je jünger die Menschen, desto schlechter die Durchimpfungsrate. Und die meisten Grundimmunisierungen liegen länger als sechs Monate zurück.
Derzeit wird empfohlen, dass Personen, die bisher keine oder nur eine Impfung erhalten haben, sofort eine bzw. zwei Impfungen für einen ersten Schutz gegen schwere Erkrankungen bekommen. Wurden bereits zwei Impfungen verabreicht, sollte ab sechs Monaten (für die Altersgruppe 5–17 Jahre), ab vier bis sechs Monaten (18–59 Jahre) bzw. ab vier Monaten nach der letzten Impfung eine dritte Impfung erfolgen. Für Personen, die bereits eine Grundimmunisierung, bestehend aus drei Impfungen, erhalten haben, gilt derzeit: für die Altersgruppe 5–11 Jahre keine Empfehlung zur Viertimpfung (Auffrischung), für 12–59 Jahre Auffrischung ab sechs Monaten nach Grundimmunisierung, ab 60 Jahren und für Risikopersonen Auffrischung schon ab vier Monaten. Hat jemand bereits vier Impfungen erhalten, so gilt eine Auffrischungsempfehlung (ab vier Monaten) nur ab 60 Jahren und für Risikopersonen.
Diese Empfehlungen für den Herbstbooster bezwecken Folgendes:
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Steigerung der allgemeinen Impfbereitschaft durch einfacheres, verständlicheres und besser nachvollziehbares Schema
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Rascher Aufbau einer besseren Immunitätslage in der Bevölkerung, um Auswirkungen hoher Infektionszahlen (Hospitalisierungen, Long Covid, Todesfälle) im Herbst und Winter abzufedern
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Schließung bestehender Impflücken v.a. bei der jüngeren Bevölkerung (3. Impfung!)
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Durch Öffnung der Möglichkeit für Auffrischungsimpfungen für alle ab 12 Jahren unklare Situationen und gefühlsmäßige Ausgrenzungen zu verhindern
Personen über 60 profitieren vom Herbstbooster am meisten; er reduziert die Hospitalisierungsrate (ca. 240/100000 bei dreimal Geimpften) kurzfristig für zwei Monate um über 50%, längerfristig um ein Drittel. Für Personen unter 60 Jahren gibt es (noch) keine Daten, welche Auswirkung dieser Booster auf das Krankheitsgeschehen (symptomatische Infektion und Long Covid) und die Hospitalisierungsrate hat, ein Nutzen ist aber als sicher anzunehmen, da die Letztimpfungen (3. Impfung) in dieser Gruppe in Österreich im Schnitt bereits sehr lange zurückliegen. Ein Zuwarten, bis ausreichend Evidenz vorliegt, ist im Hinblick auf drohende Infektionswellen nicht zielführend. Auch zurückliegende Infektionen geben keine ausreichende langfristige Sicherheit. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nach (weiteren) Auffrischungsimpfungen Nebenwirkungen oder Impfreaktionen zunehmen!
Es bleibt die dringende Empfehlung, Impfmaßnahmen durch nichtpharmazeutische Maßnahmen, wie Maske, Distanz, Lüftung u.v.a., zu begleiten. Der Einsatz von Therapeutika wie Nirmatrelvir/Ritonavir oder Molnupiravir unterstützt ebenfalls die Impfung.
Quelle:
Giftiger LiveStream „Der Herbst ist da – COVID-19-Boosterimpfung für alle?“ vom 6. September 2022
Abrufbar in der Mediathek unter auf infektiologie.co.at
Literatur:
bei den Vortragenden
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