Covid-19-Therapie bei Kindern
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Diagnostik und Therapie von Covid-19 bei Kindern sind durchaus ein Thema – immerhin mussten allein in Österreich während der Pandemie über 1000 Kinder und Jugendliche mit der Hauptdiagnose Covid-19 stationär aufgenommen werden. Schwere Verläufe sind selten, aber es gibt sie, wie der Wiener Kinderinfektiologe Dr. Florian Götzinger am 14. Österreichischen Infektionskongress in Saalfelden berichtete.
Kinder erkranken zum Glück selten schwer an Covid-19“, so Dr. Florian Götzinger, Kinderarzt an der Klinik Ottakring, Wien. „Das birgt allerdings das Problem, dass es prinzipiell wenige Daten zum Thema Kinder mit schweren Verläufen gibt.“
Hunderte Hospitalisierungen
„Es gibt unterschiedliche Theorien, warum Kinder weniger schwere Verläufe haben“, so der Kinderarzt. Dass Kinder sich nicht mit SARS-CoV-2 anstecken, stimmt jedenfalls nicht. So zeigte eine Statistik der GÖG, dass zwischen März 2020 und November 2021 in Österreich 1185 Personen zwischen 0 und 19 Jahren mit der Hauptdiagnose Covid-19 stationär aufgenommen wurden, dazu noch 668, bei denen Covid-19 die Nebendiagnose war. Von jenen mit der Hauptdiagnose Covid-19 waren 48,2% zwischen 0 und 4 Jahren alt, 10% zwischen 5 und 9 Jahren, 12,6% zwischen 10 und 14 und 29,2% zwischen 15 und 19.
„Das heißt jetzt nicht, dass kleine Kinder, insbesondere wenn sie weniger als ein Jahr alt sind, notwendigerweise schwerer erkranken als größere, aber in dieser Altersgruppe ist man eben besonders vorsichtig“, so Götzinger. „Wir schätzen, dass ein bis zwei Prozent der Kinder mit Covid-19 hospitalisiert werden, genaue Zahlen dazu gibt es nicht“, fuhr der Pädiater fort.
Klinische Präsentation
„Nach den Erfahrungen, die wir an der Kinderambulanz der Klinik Ottakring gemacht haben, sind zwischen 30 und 40% der Covid-19-Kinder asymptomatisch. Von jenen, die Symptome haben, weisen etwa 50% Fieber auf, 70% Symptome des oberen Respirationstrakts, 29% haben auch Symptome der unteren Atemwege, 28% Kopfschmerzen und immerhin 26% gastrointestinale Symptome“, berichtete Götzinger. Dabei bleibt oft unklar, wie viele dieser Kinder eine Koinfektion mit einem zweiten Virus haben. „Es gibt auch Unterschiede in der Präsentation, je nach SARS-CoV-2-Variante“, fuhr der Kinderarzt fort. „Bei Delta hat das oft wie eine schwere Influenza ausgesehen, während bei Omikron die Symptome der oberen Atemwege, einschließlich Laryngitis, im Vordergrund standen.“
Ein höheres Risiko für eine ICU-Aufnahme haben Kinder mit Grunderkrankungen (z.B. kardial, respiratorisch, neurologisch, schwere Adipositas und an Krebs erkrankte Kinder, die sich vor Kurzem einer Chemotherapie unterzogen haben). „Soweit wir es bisher wissen, scheint Covid-19 bei Neugeborenen, im Gegensatz zu früheren Annahmen, keinen schwereren Verlauf zu nehmen als in anderen pädiatrischen Altersgruppen“, erklärte Götzinger.
Behandlungsprinzipien und Diagnostik
„Grundsätzlich sollte man die Eltern zunächst beruhigen, da schwere Verläufe bei Kindern eben sehr selten sind. Es gibt allerdings auch Eltern, die Covid-19 völlig bagatellisieren.Die muss man dann eher bremsen und dazu bringen, das Kind nicht sofort auf den Spielplatz zu schicken. Vor allem sollte man andere Erkrankungen die für die Präsentation des kranken Kindes ebenfalls ursächlich sein könnten, wie z.B. eine Sepsis oder eine diabetische Ketoazidose, nicht übersehen. Schließlich kann ein Patient mit positivem SARS-CoV-2-Befund auch ein anderes zugrunde liegendes Problem haben. Als Prinzip kann gelten: Aufnahmen sollen nur erfolgen, wenn sie klinisch indiziert sind“, forderte der Pädiater.
Tabelle 1 fasst sinnvolle diagnostische Maßnahmen zusammen.
„Die Multiplex-PCR kann sehr hilfreich sein, weil sie Hinweise auf andere Virusinfektionen gibt. Wir hatten einige Kinder, die Omikron und gleichzeitig Influenza oder eine RSV-Infektion aufwiesen“, erklärte Götzinger.
Wichtig ist bei Kindern die Antipyrese, wobei Paracetamol das Medikament der Wahl ist. Allerdings: „Es gab zu Beginn der Pandemie Berichte, dass die Verabreichung von Ibuprofen bei Patienten mit Covid-19 vermieden werden soll.“ Das hat sich aber als haltlos erwiesen, wie der Kinderarzt betonte. Von Bedeutung ist natürlich generell auch der Flüssigkeitsausgleich, wie bei jeder Infektionserkrankung mit Fieber, speziell falls Erbrechen oder Durchfall hinzukommen, was bei Kindern mit Covid-19 keine Seltenheit ist.
Therapieoptionen
Hier ist zunächst zu sagen, dass kaum eines der im Folgenden erwähnten Medikamente für Kinder zugelassen ist – was allerdings in der Kinderheilkunde ein generelles Problem darstellt.
An antiviralen Medikamenten ist zunächst Remdesivir zu erwähnen, das allerdings i.v. verabreicht werden muss. Bei schweren Verläufen kann man auch Kortikosteroide geben. „Hier muss man aber bedenken, dass Kortikosteroide, wenn zu früh in der Erkrankung eingesetzt, den Verlauf protrahieren können“, so Götzinger. Bei weiterer Verschlechterung – um das Ende der Replikationsphase, meist um die Tage 7–10 herum – könnte man Anakinra oder Tocilizumab als Immunmodulatoren verabreichen. Auch JAK-Inhibitoren stellen eine Therapieoption zu früherem Zeitpunkt dar. „Zu den letztgenannten Therapieoptionen gibt es allerdings bei Kindern bisher wenig Evidenz. Bei Tocilizumab muss man zudem aufpassen, weil es eine relativ lang wirkende Unterdrückung des Immunsystems bewirkt“, so der Kinderarzt. „Das bedeutet konkret, dass man für circa zwei bis vier Wochen das CRP und andere Entzündungsparameter schwer interpretieren kann. Das kann schon ein Problem sein.“
Unter den monoklonalen Antikörpern kommt Sotrovimab infrage, das – wenn auch wahrscheinlich mit eingeschränkter Aktivität – nach derzeitigem Wissensstand in hoher Dosierung auch gegen Omikron wirkt. „Diese Antikörperpräparate sind je nach SARS-CoV-2-Variante eine tolle Sache, aber ähnlich wie bei Antibiotika sollte man im Sinne des Stewardships auch monoklonale Antikörper richtig anwenden. In kleinen Fallserien wird von Resistenzmutationen bei SARS-CoV-2 berichtet, die womöglich durch eine Therapie mit diesen Antikörpern auslöst werden können“, so der Pädiater. „Die Frage, ob die Gabe von intravenösem Immunglobulin bereits sinnvoll ist – mit anderen Worten: ob dieses bereits hinreichend Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthält –, dürfte unter anderem vom Alter des Präparats abhängen. Es könnte inzwischen – per August 2022 – schon der Fall sein“, so Götzinger.
Antikoagulieren würde man Kinder dann, wenn sie ein hohes Risiko für ein thromboembolisches Ereignis haben. Dabei setzt man niedermolekulare Heparine in therapeutischer (1mg/kg) oder prophylaktischer Dosis (0,5mg/kg) ein.
Auch Nirmatrelvir/Ritonavir kommt zumindest ab 12 Jahren und über 40 Kilogramm Körpergewicht infrage, wobei auchhier eine Zulassung erst ab 18 Jahren besteht.
Tab. 1: Diagnostische Maßnahmen (Quelle: Götzinger)
Tab. 2: WHO-Falldefinition für MIS-C
Die Folgen von Covid-19
„Wir haben ja zunächst alle geglaubt, dass Covid-19 bei Kindern keine Folgen auslöst und einfach abheilt“, erzählte Götzinger. Dann kamen jedoch die ersten Berichte über MIS-C („multisystem inflammatory syndrome in children and adolescents temporarily related to Covid-19“). Auch Long Covid gibt es bei Kindern, wenn auch seltener als bei Erwachsenen.
MIS-C ist ein Syndrom, das circa zwei bis acht Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten kann. „Glücklicherweise ist dieses Syndrom unter Omikron seltener aufgetreten als unter den vorherigen Varianten“, schränkte Götzinger ein. Klinisch tritt MIS-C durch Fieber, Exanthem, nichtpurulente Konjunktivitis, Bauchschmerzen, Diarrhö, Erbrechen, Kopfschmerzen, aber auch Schock, Störung der Myokardfunktion, EKG-Auffälligkeiten, Koronaraneurysmen und Darmentzündung in Erscheinung. Im Labor zeigen sich niedrige Lymphozytenzahlen, erhöhte Neutrophile, hohes CRP, Erhöhung von Fibrinogen, D-Dimer, Troponin und BNP.
Tabelle 2 zeigt die WHO-Falldefinition für MIS-C. Es gibt aber noch andere Falldefinitionen. „Man muss bedenken, dass es sich hier um eine Ausschlussdiagnose handelt“, so Götzinger. „Es scheint, dass es hinsichtlich der klinischen Präsentation von MIS-C drei Gruppen von Patienten gibt“, fuhr der Kinderarzt fort. „Die erste Gruppe hat Fieber und Zeichen der Hyperinflammation, die zweite Gruppe einen Schock – ähnlich einem septischen Schock – und die dritte Kawasaki-Syndrom-ähnliche Symptome.“
Behandelt wird in der Regel mit intravenösen Immunglobulinen und Kortikosteroiden. „Nach unserem jetzigen Kenntnisstand kann man viele MIS-C-Fälle aber auch mit Glukokortikoiden allein behandeln, was eine gute Nachricht für Länder mit wenig Zugang zu intravenösen Immunglobulinen darstellt. Bei therapierefraktärem Verlauf kommen immunmodulatorische Medikamente infrage“, so Götzinger abschließend.
Quelle:
„COVID-19: Therapie bei Kindern“, Workshop 3 des ÖIK am 23. März 2022, Saalfelden
Literatur:
beim Vortragenden
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