Impfung von Kindern und Jugendlichen: Die Daten sprechen klar dafür
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Zwar können Kinder mit einer SARS-CoV-2-Infektion offenbar besser umgehen als Erwachsene, dennoch gibt es viele gute Argumente für die Impfung von Kindern und Jugendlichen. Derzeit können und sollen Personen ab zwölf Jahren mit einer der mRNA-Vakzinen geimpft werden.
Keypoints
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Derzeit bestehen in der EU Zulassungen für die Impfung von Kindern/Jugendlichen ab zwölf Jahren für die beiden mRNA-Impfstoffe. Dies wird auch vom österreichischen Nationalen Impfgremium empfohlen.
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Studien laufen auch für Kinder unter zwölf Jahren.
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Seltene Fälle von Myokarditiden sind beschrieben, ändern aber nichts am Nutzen-Risiko-Verhältnis insgesamt.
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Weltweit wurden allein von Comirnaty® über 100 Millionen Dosen, davon 8 Millionen an 12- bis 16-Jährige verimpft. Die Erfahrung zur Effektivität und Sicherheit von SARS-CoV-2-Impfstoffen ist also durchaus gegeben und zum Teil bereits größer als für andere Vakzinen.
Über die Frage, ob Kinder gegen SARS-CoV-2 geimpft werden sollen, gab und gibt es ja heftige Diskussionen“, begann Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, St. Pölten, seinen Vortrag. Dann zählte der Experte einige Fakten auf:
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Kinder und Jugendliche haben meist leichtere Verläufe von Covid-19 als Erwachsene, schwere Verläufe sind bei ihnen selten, aber sie kommen vor.
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Kinder und Jugendliche spielen zwar per se keine große Rolle bei der Übertragung des Virus, mit der zunehmenden Durchimpfungsrate bei Erwachsenen gewinnen sie jedoch an Bedeutung für die Transmission.
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Und schließlich gehören Kinder und Jugendliche zu jenen Gruppen, die durch die Pandemiemaßnahmen schwer in ihrem Leben beeinträchtigt wurden; das betrifft die Ausbildung und das geistige, soziale und emotionale Leben.
Impfung als Game-Changer
„Die Impfung gegen SARS-CoV-2 ist ohne Zweifel ein Game-Changer“, betonte Zwiauer. Man sehe dies etwa am Beispiel Israels, wo die dritte Welle zunächst mit dramatischen Anstiegen der Fallzahlen begonnen hat; mit steigender Impfrate sind diese bis Mitte Juni 2021 fast auf null abgesunken. Aus anderen Ländern, wie Großbritannien, gibt es ähnliche Zahlen.
„Wir dürfen uns aber auf diesen Erfolgen nicht ausruhen, denn die nächste Welle kommt bestimmt“, so der Pädiater. „Wir sehen ja schon durch die Delta-Variante bedingt ansteigende Fallzahlen. Man kann allerdings hoffen, dass die nächste Welle aufgrund der Durchimpfungsraten nicht mehr so dramatisch verlaufen wird wie die vorigen.“
Stand der Zulassungen und Zulassungsstudien
Per Anfang August 2021 sind in der EU nur die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und von Moderna (Spikevax®) jeweils für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Andere Zulassungen wurden zum Teil schon beantragt, einige weitere diesbezügliche Studien laufen noch.
Zulassungsstudie Comirnaty®
Bei der Zulassungsstudie für Comirnaty® wurden Sicherheit und Immunogenität des Impfstoffs in der Altersgruppe von 12 bis 15 Jahren evaluiert und mit den Ergebnissen für 16- bis 25-Jährige verglichen.1 Insgesamt 2260 Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren sowie weitere 1098 Probanden im Alter von 16 bis 25 Jahren nahmen daran teil und erhielten im Verhältnis 1:1 randomisiert entweder zweimal Comirnaty® im Abstand von drei Wochen oder Placebo. Die Impfreaktionen waren zumeist leicht bis mittelschwer. Es traten vor allem Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen auf – schwere impfbezogene Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
„Bei einem Probanden ist nach der Erstimpfung Fieber über 40°C aufgetreten, das zwei Tage gedauert hat. Dieser 14-jährige Bub hat dann keine zweite Impfung bekommen“, berichtete Zwiauer. „Und auch eine Lymphadenopathie scheint unter Comirnaty® bei den Jugendlichen etwas häufiger aufzutreten als bei Erwachsenen, wenn auch immer noch selten.“ Die Immunogenität bei den 12- bis 15-Jährigen erreichtedie Nichtunterlegenheit gegenüber der älteren Vergleichsgruppe. „Tatsächlich waren die Titer der neutralisierenden Antikörper bei den Jugendlichen um 76% höher als bei den jungen Erwachsenen“, kommentierte der Pädiater. Die beobachtete Impfeffektivität lag bei 100%.1 „Man muss hier einschränkend erwähnen, dass die Gruppe für eine Impfstudie relativ klein und die Beobachtungszeit kurz war“, so Zwiauer.
Zulassungsstudie Spikevax®
Am 23. Juli 2021 gab die EMA auch die Zulassung des Moderna-Impfstoffs, der inzwischen den Namen Spikevax® erhalten hat, bekannt.2 Die diesbezügliche Studie ist noch im Laufen, sie soll 3732 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren umfassen, die im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder Spikevax® (zwei Injektionen im Abstand von vier Wochen) oder Placebo erhielten. Die bisherige Effektivität der Impfung soll 100% betragen, das Nebenwirkungsspektrum scheint sich nicht von jenem der Population ab 18 Jahren zu unterscheiden. Die Impfreaktionen sind zumeist leicht bis mittelschwer und umfassen Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Fieber, Lymphadenopathien und gastrointestinale Beschwerden.2
In beiden Fällen wurde die Erwachsenendosierung verwendet.
Impfungen in der Pipeline
Mit Comirnaty® sind derzeit auch Studien für Kinder ab sechs Monaten im Laufen, wobei hier zunächst Dosisfindungsstudien durchgeführt werden. „Das hat damit zu tun, dass die Reaktogenität der Impfung direkt mit der Menge der zugeführten mRNA korreliert“, erklärte Zwiauer. „Das primäre Zielder Impfstudien in dieser Gruppe ist sicherlich die Verminderung der Transmission.“
Auch Moderna hat bereits mit Studien bei Kindern unter zwölf Jahren begonnen. „Auch hier gibt es zuerst eine Dosiseskalationsstudie, darauf folgen dann die randomisierten, Beobachter-blinden, placebokontrollierten Expansionsstudien“, führte der Pädiater aus.
„Das Ziel aller dieser Studienprogramme sind immer Sicherheit, Reaktogenität und Immunogenität, jedoch nicht Wirksamkeit, was auch Sinn ergibt“, so Zwiauer weiter. Im Gegensatz zu den mRNA-Impfstoffen haben die Hersteller der Vektorimpfstoffe (für Europa AstraZeneca und Janssen) ihre Studien bei Kindern und Jugendlichen derzeit gestoppt, um das Risiko für thromboembolische Ereignisse zu klären. Außerhalb Europas gibt es ebenfalls Studien bei Kindern und Jugendlichen, etwa in China (Sinopharm) oder Indien (Covaxin).
Warum Kinder und Jugendliche impfen?
„Generell ist zu sagen, dass Kinder mit SARS-CoV-2 besser umgehen können, weil ihr angeborenes Immunsystem anscheinend potenter ist als bei Erwachsenen. So ist es z.B. interessant, dass manche Kinder neutralisierende Antikörper gegen das Virus entwickeln, ohne jemals einen positiven PCR-Test gehabt zu haben“, berichtete Zwiauer. Auch die Antikörperantworten von Kindern unterscheiden sich von jenen von Erwachsenen. So bilden Kinder nach Infektion keine Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein (N). „Diese Antikörper werden typischerweise dann gebildet, wenn große Virusmengen im Organismus vorhanden sind. Offenbar ist das bei Kindern nicht der Fall, da sie das Virus besser kontrollieren können“, so der Kinderarzt.
Die Studienlage zu den Infektionsraten bei Kindern ist nicht eindeutig – manche Studien sprechen von ähnlichen Infektionsraten, andere von niedrigeren Raten bei Kindern. Jugendliche infizieren sich wahrscheinlich leichter als Kinder unter zehn Jahren. „Clusterstudien zeigten aber, dass es eine effektive Übertragung unter Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt“, warnte Zwiauer.
Laut dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) gibt es für Kinder und Jugendliche eine klare Impfstrategie, deren primäres Ziel der direkte Schutz für Geimpfte und der indirekte Schutz der Gesellschaft durch Verminderung der Virustransmission, der Krankheitslast und der Covid-19-Inzidenz darstellt. Sekundäre Ziele sind die Verminderung der Viruszirkulation, die Rücknahme der Schutzmaßnahmen und damit letztlich die Normalisierung des beruflichen, sozialen und edukativen Lebens.
Auf der Negativseite stehen (seltene) beschriebene Fälle von Myo- bzw. Perikarditis nach mRNA-Impfung, die vor allem junge Männer bzw. Burschen betreffen. Dies entspricht auch der Hintergrundinzidenz der Myokarditis, die in diesen Gruppen per se am häufigsten vorkommt. Laut Zahlen des israelischen Gesundheitsministeriums lag die Myokarditisinzidenz innerhalb von 30 Tagen nach Impfung bei 27 pro 5,4 Millionen Erstimpfungen und 121 pro 5 Millionen Zweitimpfungen. Betroffen waren vor allem Männer von 19 bis 30 Jahren, wobei es sich bei 95% um leichte Fälle handelte. „Diese Erkrankungen sprachen gut auf Behandlung an und besserten sich rasch“, betonte Zwiauer.
Das Nationale Impfgremium in Österreich empfiehlt derzeit die Impfung aller Kinder/Jugendlichen ab 12 Jahren gemäß der Priorisierungsliste und entsprechend den Zulassungen.
Quelle:
„Endlich? – Impfungen für Kinder. Status quo“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, St. Pölten, im Rahmen des Giftigen Live-Streams „Covid-19-Impfung von Kindern – dürfen, sollen oder müssen?“ am 24. Juni 2021; verfügbar unter www.infektiologie.co.at/e-learning.
Literatur:
1 Frenck RW Jr et al.: Safety, immunogenicity, and efficacy of the BNT162b2 Covid-19 vaccine in adolescents. N Engl J Med 2021; 385(3): 239-50 2 European Medicines Agency (EMA): COVID-19 vaccine Spikevax approved for children aged 12 to 17 in EU. https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-vaccine-spikevax-approved-children-aged-12-17-eu ; zuletzt aufgerufen am 4.8.2021
Weitere Literatur beim Vortragenden
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