Impfungen gegen SARS-CoV-2 – ein gewaltiges Spektrum
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Zum Redaktionsschluss, Mitte März 2021, ist die Situation in Europa mit drei zugelassenen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 noch relativ überschaubar. Der Impfexperte Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Wien, gibt einen Überblick zu diesen drei Vakzinen und beantwortet wichtige Fragen dazu. Darüber hinaus sind aber buchstäblich Hunderte weitere Covid-19-Impfstoffe in Entwicklung. Der Pädiater Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, St. Pölten, hat sich die wichtigsten dieser neuen Vakzinen, die teilweise außerhalb der EU zugelassen sind, angeschaut.
In mehreren hochkarätig besetzten Webinaren der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT) wurden wesentliche Aspekte der Impfoptionen gegen Covid-19 besprochen, sowohl was die derzeit (per Anfang März 2021) zugelassenen Impfungen angeht, als auch im Hinblick auf die vielen weiteren Impfstoffe, die entweder anderswo schon zugelassen sind oder sich in der Pipeline befinden.
Die aktuellen drei Covid-19-Impfungen im Überblick
„Die derzeit zugelassenen Impfstoffe gegen Covid-19 sind wirksam in der Verhinderung klinischer Erkrankungen in allen Altersgruppen, während sie die Übertragung von SARS-CoV-2 wohl einschränken, aber nicht vollständig verhindern“, so der Impfexperte Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Facharzt für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin sowie Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, in seinem Vortrag.
Technologien
Grundsätzlich lassen sich für Impfungen allgemein derzeit vier Haupttypen unterscheiden: Ganz-Pathogen-Vakzinen (entweder als attenuierter lebender Erreger oder als Totimpfstoff), Subunitvakzinen (dies können rekombinante Proteine sein oder mit Polysacchariden konjugierte Vakzinen oder auch Toxoid-Impfstoffe), virale Vektorvakzinen (entweder mit lebenden, attenuierten, aber vermehrungsfähigen Virusvektoren oder mit nicht replikationsfähigen Vektoren) und schließlich Nukleinsäure-basierte Impfungen (auf DNA- oder RNA-Basis).
Coronaviren haben drei große Gruppen von Proteinen: Spike-Proteine, N-Strukturproteine und enzymatisch aktive Proteine (Abb. 1). Das Spike-Protein ist Clade-spezifisch und hat zwei Hauptanteile: S1 und S2. Beide sind gut immunogen; S1 ist die Rezeptorbindungsdomäne (RBD), S2 mediiert den Eintritt in die Zelle. S1 ist variabel, während S2 konserviert ist. N-Strukturproteine sind das Nukleokapsid (N), das Matrix- (M)und das Envelope-Protein (E). N ist hochimmunogen und erzeugt eine gute T-Zell-Antwort. Zu den enzymatisch aktiven Proteinen gehören nsp14 und nsp16; beide Gruppen sind hochkonserviert, wenngleich geringe Mutationen möglich sind.
Abb. 1: Aufbau eines Coronavirus
mRNA-Impfstoffe
Bekanntlich sind derzeit zwei mRNA-Impfstoffe zugelassen, jener von Pfizer/Biontech, BNT 162b2, und jener von Moderna, mRNA-1273.
Das Wirkprinzip ist im Grunde leicht verständlich: Mit der Impfung wird kein fertiges Impfantigen verabreicht, sondern der genetische Bauplan für ein solches, eben in Form einer Messenger-RNA (mRNA). Diese wird in Körperzellen geschleust, was dazu führt, dass diese Zellen das Impfantigen (in der Regel ein Spike-Protein von SARS-CoV-2) exprimieren. „Da es sich hier um einen Prozess handelt, der nahe an natürlichen Vorgängen im Körper liegt, ist auch die daraus resultierende Immunantwort besonders hochwertig“, betonte Kollaritsch. Wichtig ist, dass bei den derzeitigen mRNA-Vakzinen ausschließlich nichtreplizierende bzw. nichtamplifizierende RNA verwendet wird.
Die Vorteile dieses Prinzips: Die mRNA kann für beliebige Antigene codieren, je nach Sequenz (dies bedeutet auch, dass eine Anpassung der mRNA an neue SARS-CoV-2-Mutationen technisch innerhalb weniger Tage möglich wäre). Es muss nur die Zellmembran passiert werden, aber nicht der Zellkern, weil die Translation – das Umschreiben der mRNA in einen Aminosäurenstrang – im Zytoplasma erfolgt. Es werden keine infektiösen Partikel verabreicht und es ist auch kein Vektor im Spiel, gegen den eine Immunität entstehen könnte (daher kann eine solche Impfung oft verabreicht werden). Auch besitzen solche Impfstoffe intrinsische Adjuvanseigenschaften und die gesamte Produktion kann in einer Produktionsstätte erfolgen.
Es gibt allerdings auch Hürden, vor allem deshalb, weil „nackte“ mRNA sehr instabil ist und von Nukleasen schnell abgebaut wird. Deshalb war es notwendig, die Impf-mRNA in Lipid-Nanopartikel oder Ähnliches einzupacken, was z.B. auch die niedrigen Temperaturen erklärt, bei denen BNT 162b2 gelagert werden muss. Auch ist die hochkomplexe Rolle, welche die angeborene Immunantwort bei diesem Impfprinzip spielt, noch nicht restlos geklärt. Wichtig ist, dass die Typ-1-Interferon-Antwort ausgewogen ist, um eine starke adaptive Immunantwort zu erzielen. Auch sind mRNA-Impfungen starke Induktoren einer Zytokin- und Chemokinaktivität, was den Grund für die mitunter etwas heftigeren Impfreaktionen darstellt.
Vektorvakzinen
Bei der Vektorvakzine wird ein nichtpathogenes, jedoch beim Menschen infektionsfähiges Virus als Träger für die codierende Sequenz eines hochpathogenen Antigens verwendet. Zu unterscheiden sind hier zwei Typen von Vektoren: nämlich replikationsfähige und nicht replikationsfähige.
„Eine Impfung mit einem replikationsfähigen Vektor würde im Prinzip einer viralen Lebendimpfung entsprechen und damit naturgemäß für viele Personen nicht infrage kommen, wie z.B. Immunsupprimierte“, erklärte der Impfexperte.
Mit Stand Anfang März ist, als dritter zugelassener Impfstoff, die Vektorvakzine von AstraZeneca, AZD 1222, verfügbar. Bei deren Vektor handelt es sich um ein nicht replizierendes, für den Menschen apathogenes Schimpansen-Adenovirus. Dies ist deshalb wichtig, weil Menschen gegen dieses Vektorvirus keine natürliche Immunität haben. Bei der Nukleinsäure, die diesem Vektor eingefügt wurde, handelt es sich um die komplette DNA des Spike-Proteins von SARS-CoV-2.
Vergleich der drei Impfstoffe
Die Zulassungsstudien aller drei zugelassenen Vakzinen umfassten mehr als 20000 Probanden, bei den mRNA-Impfstoffen sogar mehr als 30000. Bei beiden mRNA-Impfstoffen liegt die Gesamteffektivität bei ca. 95%, wobei je nach Subgruppe gewisse Schwankungen vorkamen.
Bei AZD 1222 lag die Gesamteffektivität bei 70%, allerdings wurde bei jenen Personen, die zunächst die halbe Standarddosis erhalten hatten und dann mit einer vollen Dosis aufgefrischt wurden, eine Effektivität von 90% erzielt. Dieses Phänomen ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass nach der ersten vollen Dosis Antikörper gegen den Virusvektor gebildet werden, die dann die Wirksamkeit der zweiten Dosis einschränken könnten. „Dennoch sind zwei Impfungen erforderlich, weil sonst abklingende Antikörpertiter eventuell zur Selektion weniger empfindlicher Virusvarianten und zu einem frühzeitigen Schutzverlust führen könnten“, warnte Kollaritsch.
Die Verträglichkeit der beiden mRNA-Vakzinen ist ziemlich vergleichbar, wobei es sich um klassische lokale (Schmerzen an der Injektionsstelle) und systemische Impfreaktionen (Kopf-, Muskel-, Gelenksschmerzen, Schüttelfrost, Fieber) handelt.
Generell vertragen ältere Menschen die Covid-19-Vakzinen besser als jüngere. Für alle drei Impfstoffe gilt, dass – mit Ausnahme einiger weniger anaphylaktischer Reaktionen – keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zu beobachten waren.
Die Dauer von Impfnebenwirkungen beträgt in aller Regel nur einen Tag. Paracetamol wird als Therapie gegen die üblichen Nebenwirkungen empfohlen, während sein Einsatz als Prophylaxe (wie es zum Teil in den AZD-1222-Studien gemacht wurde) nicht generell empfohlen wird.
Häufig gestellte Fragen
Allergie
Unter BNT 162b2 lag die Rate anaphylaktischer Reaktionen bei 11,1/Million und damit fünf- bis siebenmal höher als bei Standardimpfungen.„Hier dürfte es jedoch einen Bias geben, weil Nebenwirkungen neuer Impfstoffe besonders genau monitiert werden“, schränkte der Experte ein. Beim Moderna-Impfstoff entspricht die Anaphylaxierate jener bei Standardimpfungen (2,5/Million).
Als mögliches Allergen wird Polyethylenglykol (PEG) diskutiert, das in beiden genannten Impfstoffen (aber auch in vielen anderen Produkten, die im Alltag und in der Medizin verwendet werden) enthalten ist, obwohl PEG nur sehr selten Typ-1-Allergien auslöst.
Geimpfte sollten deshalb eine halbe Stunde nach Impfung beobachtet werden. Alle anaphylaktischen Reaktionen waren medizinisch beherrschbar; es gab keine Todesfälle.
Fertilität, Gravidität, Stillzeit
Impfungen gegen SARS-CoV-2 haben keinerlei Einfluss auf die Fertilität. Es gibt aus tierexperimentellen Daten keine Hinweise auf direkte oder indirekte reproduktionsschädliche Wirkungen. Zwar sollte eine Impfung von Schwangeren aus prinzipiellen Gründen vermieden werden; es gibt jedoch keinen Hinweis auf teratogene Wirkungen der SARS-CoV-2-Vakzinen. „Umgekehrt wissen wir, dass schwangere Frauen schwerere Verläufe von Covid-19 haben können; da sollte man sich eine Impfung dann doch überlegen und eine Nutzen-Risiko-Abwägung machen“, sagte Kollaritsch.
In der Stillzeit kann ohne Einschränkung gegen Covid-19 geimpft werden. Es gibt keine Hinweise auf ein Übergehen des Impfstoffs in die Muttermilch.
Immunsuppression, Autoimmunerkrankungen
Zwar sind bis jetzt auf diesen Gebieten nur Teilerfahrungen dokumentiert, diese zeigten aber keinerlei Probleme hinsichtlich Verträglichkeit und Wirksamkeit der Covid-19-Impfungen. Dies gilt für HIV-Infektionen mit CD4-Zell-Zahlen >500/µl, stabile Autoimmunerkrankungen ohne Immunsuppression, Malignome ohne rezente Chemo- und/oder Strahlentherapie, Diabetes mellitus und chronische kompensierte Organerkrankungen, wie etwa von Herz oder Lunge.
Etwas anders ist die Situation bei Patienten mit instabilen immunologischen Erkrankungen und immunmodulierenden Therapien. Hier sind Einzelfallentscheidungen erforderlich; gegebenenfalls sollte eine Kontrolle des Impferfolgs erwogen werden.
Mutagenese
Die gelegentlich befürchtete Möglichkeit eines Einbaus der verimpften mRNA in das menschliche Genom und damit einer Insertionsmutagenese ist de facto ausgeschlossen, weil weder der Mensch noch SARS-CoV-2 eine reverse Transkriptase besitzen. Diese wäre aber Grundvoraussetzung für den Einbau der mRNA in das Genom. Andere Viren, wie HIV oder HBV, besitzen zwar eine reverse Transkriptase, jedoch mit einem virusspezifischen Primer, sodass eine Insertionsmutagenese ausgeschlossen ist. Zudem findet die Translation der mRNA nicht im Zellkern statt, der von der mRNA gar nicht erreicht wird, sondern im Zytoplasma.
Bei Vektorvakzinen, bei denen replikationsdefiziente Virusvektoren, vor allem Adenoviren, eingesetzt werden, ist ebenfalls keine Insertionsmutagenese zu befürchten, da bekannt ist, dass es auch bei natürlicher Infektion mit Adenoviren zwar zur Replikation, nicht aber zur Integration des viralen Genoms in die menschliche DNA kommt, weil die DNA-Replikation ausschließlich extrachromosomal erfolgt.
Langzeitnebenwirkungen, Impfschäden
Echte Impfnebenwirkungen treten fast ausschließlich innerhalb der ersten beiden Monate nach Impfung auf (mit zeitlich abnehmender Häufigkeit). Späte Impffolgen sind fast immer Residuen primär frühzeitig aufgetretener Impffolgen.
Die Kriterien der WHO zur Kausalitätsbeurteilung müssen erfüllt sein; dabei ist die Hintergrundinzidenz zu berücksichtigen (nicht jede zeitliche Aufeinanderfolge bedeutet auch Kausalität!). Jeder Verdacht auf eine Impfnebenwirkung muss gemeldet werden.
Die Hintergrundinzidenz gilt natürlich auch für Todesfälle, insbesondere ist dies bei den hochbetagten Personen zu berücksichtigen, die ja prioritär gegen Covid-19 geimpft werden. So stirbt innerhalb einer Woche in Österreich in der Altersgruppe ≥80 Jahre 1/290–450 Personen, bei den ≥70-Jährigen eine von 1000 – und dies noch ohne Berücksichtigung von Komorbiditäten.
Immunitätsdauer
Nach natürlicher Infektion mit SARS-CoV-2 haben mehr als 90% nach sechs Monaten noch eine ausreichende Immunität. Ein Immungedächtnis ist mindestens acht Monate nach Infektion nachweisbar. Die bisher vorhandenen Vakzinen induzieren ähnlich hohe oder sogar höhere Titer an neutralisierenden Antikörpern, als sie im Rekonvaleszentenplasma zu finden sind, es gilt daher als höchstwahrscheinlich, dass die Immunität zumindest gleich lang wie bei Post-Covid-Patienten anhält.
Transmissionsunterbrechung, Herdenschutz
Bisherige Daten zeigen, dass die zugelassenen Covid-19-Impfstoffe die Transmission von SARS-CoV-2 wenigstens reduzieren, wenn schon nicht gänzlich unterbinden. Ein Herdenschutz ist jedoch ohnehin so lang nicht erreichbar, als die gesamte Gruppe der unter16-Jährigen nicht geimpft wird und somit Reservoir bleibt.
Abstand zu anderen Impfungen
Gemäß allgemein gültigen Kriterien besteht keine Abstandspflicht zu anderen Impfungen. Um jedoch Reaktionen auf die Covid-19-Impfung von anderen Impfreaktionen sicher unterscheiden zu können, wird ein Abstand von 14 Tagen zu inaktivierten Impfstoffen und von 28 Tagen zu Lebendimpfungen empfohlen. Dies gilt für jede der Teilimpfungen gegen SARS-CoV-2.
Number needed to vaccinate
Wenn man folgende Annahmen zugrundelegt: Wirksamkeit der Impfung 90%, Wirkdauer ein Jahr, Infektionsrate in der Bevölkerung in einem Jahr 25% und durchschnittliche Letalitätsrate 1%, so kommt man zu einer „number needed to vaccinate“ (NNV) von 4,4, um einen Covid-19-Fall zu verhindern. Die NNV, um einen Todesfall zu verhindern, wäre somit 440. Allerdings ist dies stark altersabhängig, sodass man bei Jungen wahrscheinlich eine NNV von ca. 4500 benötigt, um einen Todesfall zu verhindern, bei alten Menschen jedoch nur von 56. „Wir hatten, das muss man sagen, noch nie eine Impfung, die im Bezug auf ihren Nutzen so gut war wie die Impfung gegen SARS-CoV-2!“, betonte Kollaritsch abschließend.
Covid-19-Impfungen in der Pipeline
„Per 2. März 2021 wurden weltweit bereits über 268 Millionen Covid-19-Impfungen verabreicht“, sagte Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, einleitend. „Das sind aber dennoch erst 3,67% der Weltbevölkerung“, schränkte der Pädiater ein.
Einen jeweils aktuellen Überblick über in Entwicklung befindliche Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 gibt die „Landscape“-Darstellung der WHO. Per 2. März 2021 waren dort 76 Impfstoffe in klinischer und 182 in präklinischer Entwicklung aufgeführt. Von den 76 Vakzinen in klinischer Entwicklung sind 32% Protein-Subunit-Impfstoffe, jeweils 14% Vektorimpfstoffe mit nicht replizierenden Vektoren bzw. DNA-Impfstoffe, 13% virale Totimpfstoffe, 12% RNA-Impfstoffe – der Rest verteilt sich auf Abwandlungen dieser Prinzipien. Auch die Dosisschemata für die Grundimmunisierung sind verschieden, die Zahl der Dosen schwankt zwischen eins und drei.
„Diese Vielfalt ist grundsätzlich gut, weil wir sie in Zukunft wohl auch brauchen werden“, kommentierte Zwiauer.
Außerhalb der EU zugelassene Impfstoffe
Eine Reihe von SARS-CoV-2-Impfungen wurde in China entwickelt und auch dort zugelassen, z.B. Sinopharm-BBIP-CorV. Dabei handelt es sich um einen Totimpfstoff, der auf einer Verozelllinie gezüchtet wird und Aluminiumhydroxid als Adjuvans enthält.
„Zu diesen Impfstoffen finden sich einige publizierte Daten aus Phase-I- und -II-, kaum aber aus Phase-III-Studien“, so Zwiauer. Laut den vorhandenen Daten verbinden diese Impfungen eine sehr niedrige Reaktogenität mit einer hohen Immunogenität. Aber zur oben genannten Sinopharm-Vakzine fehlt eine publizierte Phase-III-Studie. „In Pressemeldungen wurde für diese Impfung eine Effektivität von 79% verkündet, aber diese Daten bleiben eben unzugänglich“, kritisierte der Kinderarzt. Dennoch ist dieser Impfstoff in China und einigen anderen Ländern, darunter Ägypten, Pakistan, Bahrain, aber auch Ungarn und Serbien, bereits zugelassen (zumindest im Sinne einer Notfallzulassung).
Der Impfstoff von Sinovac ähnelt dem soeben erwähnten. Auch hier sind gute Verträglichkeitsdaten publiziert, wie sie von inaktivierten Impfstoffen auch zu erwarten sind. Auch hier sind jedoch noch keine Phase-III-Daten publiziert, obwohl solche Studien angeblich laufen, und zwar außerhalb Chinas (Brasilien, Türkei, Saudi-Arabien und einige andere). Die über Pressemeldungen mitgeteilten Wirksamkeitsraten differieren zwischen 50% und über 90%. Neben China ist dieser Impfstoff in Brasilien, Chile, der Türkei, Laos und Indonesien zugelassen.
Auch Covaxin® ist ein Totimpfstoff mit guter Immunogenität und – soweit bekannt – sehr guter Verträglichkeit. Diese Vakzine wurde in Indien entwickelt und dort auch zugelassen.
Der russische Sputnik-Impfstoff ist eine nichtreplizierende Vektorvakzine, die sich dadurch auszeichnet, dass für die erste Teilimpfung ein anderes Adenovirus verwendet wird als für die zweite. „Das ist ein durchaus intelligentes Prinzip, und das Institut, das diese Vakzine entwickelt hat, ist auch sehr renommiert“, sagte Zwiauer. Aufsehen erregte allerdings die Tatsache, dass dieser Impfstoff in Russland bereits zugelassen wurde, bevor überhaupt eine Phase-III-Studie begonnen hatte. „Zudem hat es in den publizierten Daten doch einige Ungereimtheiten gegeben“, fuhr der Pädiater fort. „Hier wurden weltweit von sehr renommierten Fachleuten durchaus kritische Kommentare abgegeben, etwa von Anthony Fauci in den USA.“
Anfang Februar 2021 wurde dann eine Phase-III-Studie publiziert, die ausschließlich in Moskau durchgeführt wurde und in der eine Wirksamkeit von 92% angegeben war. Die Raten der Impfreaktionen sollen sehr niedrig gewesen sein. „Angeblich wurden jedoch die Nebenwirkungen nicht aktiv abgefragt, sondern sie beruhten auf freiwilligen Meldungen“, merkte Zwiauer kritisch an. „Insgesamt gibt es hier doch zahlreiche Sicherheitsbedenken, die bisher nicht ausgeräumt werden konnten. So gab es etwa drei Todesfälle, die nicht oder nicht ausreichend beschrieben wurden.“ Zudem wurden die Rohdaten nicht hinterlegt.
Derzeit ist Sputnik neben Russland auch in einigen lateinamerikanischen Ländern wie Mexiko, Venezuela und Argentinien, im Iran, in Pakistan oder in Algerien zugelassen. Inzwischen wurde bekannt, dass die EMA für den Sputnik-Impfstoff einen „rolling review“ begonnen hat.
Ebenfalls in der Pipeline findet sich ein nichtreplizierender Vektorimpfstoff (Ad5-nCoV) aus China, der interessanterweise nur einmal verabreicht werden muss. Eine Phase-III-Studie in Pakistan, Russland, Mexiko und Chile soll stattgefunden haben; auch hier fehlen publizierte Daten.
Für diesen Impfstoff soll es in Zukunft auch eine mukosale Applikationsform geben.
Per Ende Februar wurde der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson (Ad26.CoV2.S) in den USA zugelassen, die Zulassung in Europa läuft noch („rolling review“). Seine Wirksamkeit in der Prävention von Covid-19-Erkrankungen soll insgesamt 66% betragen, in den USA waren es 72%, in Lateinamerika 66% und in Südafrika 57%. Die Wirksamkeit gegen schwere Covid-19-Verläufe betrug nach 28 Tagen 85%. Die EU hat bereits 200 Millionen Dosen dieser Vakzine geordert.
(Noch) nicht zugelassene Impfstoffe
Von Valneva gibt es eine inaktivierte, Verozell-basierte SARS-CoV-2-Ganzvirus-Impfung, welche die Phasen I und II mit guten Daten bereits abgeschlossen hat. Die EU hat immerhin bereits 60 Millionen Dosen dieses Impfstoffs bestellt.
NVX-CoV2373 ist ein Subunit-Impfstoff von Novavax, bei dem durch ein Baculovirus hergestelltes Spike-Protein auf rekombinante Nanopartikel aufgebracht wird und der als Adjuvans Saponin enthält. Diese Vakzine war die erste Subunit-Impfung gegen SARS-CoV-2, die eine Phase-III-Studie begonnen hatte.
Eine Interimsanalyse der Phase-III-Studie aus Großbritannien zeigte eine Wirksamkeit dieses Impfstoffs von 95,6% gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 und von 85,6% gegen die „britische Variante“ B.1.1.7. Gegen die südafrikanische Variante zeigten Daten aus Phase IIb eine Wirksamkeit von 60%. Auch hier hat die EMA einen „rolling review“ eingeleitet.
Ein weiterer mRNA-Impfstoff, von Curevac, ist ebenfalls in der Pipeline. Derzeit läuft eine Phase-IIb/III-Studie mit über 36000 Teilnehmern in der EU und Lateinamerika. Eine Zulassung wird möglicherweise noch im zweiten Quartal 2021 erfolgen.
SARS-CoV-2-Impfungen für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche sind zwar keine primäre Zielgruppe für eine Covid-19-Impfung, aber es gibt auch bei Kindern sehr schwere und lange Verläufe, und zudem wird eine Herdenimmunität durch Impfung nur dann zu erreichen sein, wenn auch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geimpft werden. Die EMA verlangt außerdem von allen Herstellern, die bisher bedingte Zulassungen für ihre Impfstoffe erhalten haben, die Vorlage von Kinderstudien bis spätestens Ende 2024.
Für den Impfstoff von Biontech/Pfizer ist eine solche Studie geplant, mit dem Moderna-Impfstoff läuft bereits eine. Auch mit AZD 1222 ist eine Kinderstudie geplant, und mit der Vakzine von Johnson & Johnson ist seit August 2020 eine Phase-II-Studie mit Kindern über zwölf Jahre im Laufen. Auch Sinopharm hat eine Kinderstudie angekündigt.
Quellen:
„Impfungen – von der Wirkung bis zur Nebenwirkung“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch im Rahmen des ÖGIT-Webinars „Impfungen gegen Covid-19“, 12. Jänner 2021
„Impfungen in der Pipeline“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer im Rahmen des ÖGIT-Webinars „Covid-19-Mutationen und Impf-Update“, 11. Februar 2021
Literatur:
bei den Vortragenden
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