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Abklärung und Management der Schwangerschaftscholestase
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Cora A. Vökt
FMH Gynäkologie und Geburtshilfe, SP Feto-maternale Medizin<br> Leitende Ärztin Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Spital Grabs<br> E-Mail: cora.voekt@srrws.ch
30
Min. Lesezeit
22.03.2018
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<p class="article-intro">Die Schwangerschaftscholestase oder intrahepatische Cholestase der Schwangerschaft (ICP) ist die häufigste schwangerschaftsspezifische Lebererkrankung, welche sich typischerweise im dritten Trimenon mit generalisiertem Pruritus, erhöhten Gallensäuren und/oder abnormen Leberfunktionswerten präsentiert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Epidemiologie und Pathogenese</h2> <p>In Europa tritt die Schwangerschaftscholestase (ICP) bei 0,4–1 % aller Schwangerschaften (SS) auf, in Mehrlingsschwangerschaften häufiger.<sup>1–3</sup><br /> Von einer multifaktoriellen Genese ist auszugehen, wobei eine genetische Prädisposition zur Cholestase die Basis bildet und das häufigere Vorkommen der ICP in gewissen Ethnizitäten (wie den Araucanos- Indianern in Chile) und intrafamiliär erklärt (Abb. 1). Besonders häufig sind Varianten in der Gallensalzexportpumpe BSEP (sog. «Bile salt export pump»-Polymorphismen) und Mutationen in der Phospholipidfloppase MDR3 («multidrug resistance 3»).<sup>2</sup> Die im Verlauf der Schwangerschaft ansteigenden Östrogen- und Gestagenspiegel demaskieren bzw. triggern, in Abhängigkeit von der genetischen Variante in der Gallensäureexkretion, das Auftreten der Cholestase. Mit der Geburt und dem Abfall dieser SS-Hormone bildet sich die Cholestase wieder komplett zurück. In einer neuerlichen Schwangerschaft tritt die ICP in bis zu 70 % der Fälle wieder auf.<sup>4</sup></p> <h2>Klinisches Bild</h2> <p>Auftreten eines in der Regel an den Handflächen und Fusssohlen beginnenden, zunehmend generalisierten Pruritus am Ende des 2. bzw. im 3. Trimenon (bei 80 % nach der 30. SS-Woche) bei sonst gutem Allgemeinbefinden der Frau. Sekundär kommt es zu Kratzeffloreszenzen.</p> <h2>Diagnose</h2> <p>Richtungsweisend ist der generalisierte, im Verlauf zunehmende und psychisch belastende Juckreiz ohne Exanthem. Im Labor finden sich meist erhöhte Gallensäuren (Blutentnahme nüchtern) und/ oder eine Erhöhung der Lebertransaminasen (meist <250U/l, falls >250U/l DD virale Hepatitis), welche den hepatozellulären Zellschaden durch die Cholestase widerspiegelt. In einem Teil der Fälle ist auch das Bilirubin erhöht und führt in 10 % zu einem Ikterus und einer Dunkelfärbung des Urins.<sup>5</sup> Bauchschmerzen sind untypisch, allerdings können Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen auftreten.<br /> Zu beachten ist, dass der Pruritus oft bereits Wochen vor einer nachweisbaren Gallensäureerhöhung beginnt. Die Gerinnung ist meist unbeeinflusst.<br /> Die ICP ist eine Ausschlussdiagnose (Tab. 1).</p> <h2>Risiken für den Fetus und geburtshilfliches Management</h2> <p>Die Schwangerschaftscholestase ist mit einem erhöhten Risiko für intrauterinen Fruchttod und perinatale Komplikationen wie Frühgeburtlichkeit, mekoniumhaltiges Fruchtwasser, Mekoniumaspiration, niedrige Apgar-Werte, Asphyxie und neonatales Atemnotsyndrom assoziiert (Tab. 2).<sup>6</sup> Die Gallensäuren haben im fetalen Darm eine abführende Wirkung, sodass es zu vorzeitigem Mekoniumabgang ins Fruchtwasser kommt.<br /> Das Risiko für eine fetale Gefährdung korreliert mit der Höhe des Gallensäure- Serumspiegels und steigt bei mekoniumhaltigem Fruchtwasser, frühem Auftreten der ICP (vor der 28. SS-Woche) sowie bei gleichzeitigem Vorhandensein weiterer Risikofaktoren wie Präeklampsie oder Gestationsdiabetes.<sup>7–9</sup> Besonders gefürchtet ist der intrauterine Fruchttod, welcher gehäuft nach der 37. SS-Woche auftritt und sich mit keiner Methode der fetalen Überwachung vorhersagen lässt. Die Mehrheit der Totgeborenen sind normalgewichtig ohne Zeichen einer uteroplazentaren Insuffizienz, zeigen aber Zeichen einer akuten Anoxie. Es wird davon ausgegangen, dass die vermehrt zirkulierenden, pathologisch zusammengesetzten, potenziell kardiomyotoxischen Gallensäuren infolge kardialer Arrhythmie und Vasokonstriktion der Nabelvene und chorialer Gefässe in der Plazenta für den plötzlichen Tod verantwortlich sind.<sup>4</sup><br /> Bei den meisten Schwangeren wird deshalb in Abhängigkeit von den klinischen Parametern zwischen der 37. und der 39. Schwangerschaftswoche die Geburt eingeleitet, bei schwerer oder therapierefraktärer ICP u.U. auch schon früher, wobei es zu diesem Vorgehen keine randomisierten Daten gibt.<sup>1, 7</sup><br /> Neben der iatrogenen Frühgeburtlichkeit durch Geburtseinleitung besteht ein erhöhtes spontanes Frühgeburtsrisiko durch vermehrte/verfrühte Expression von Oxytocinrezeptoren im Myometrium mit konsekutiv erhöhter myometraner Kontraktilität (Tab. 2).<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1801_Weblinks_lo_gyn_1801_s40_tab1-3.jpg" alt="" width="1417" height="2052" /></p> <h2>Maternale Risiken</h2> <p>Im Verlauf der Schwangerschaft wird der Pruritus (besonders ohne Therapie) zunehmend psychisch belastend und kann zu schweren Schlafstörungen führen. Unter der Therapie mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) mindert sich die Symptomatik relativ rasch oder klingt sogar weitgehend bis vollständig ab (vor allem bei spätem Auftreten der ICP in der Schwangerschaft und nur leicht erhöhten Gallensäure-Serumspiegeln <40μmol/l). Dennoch sollte die UDCA-Therapie bis zur Geburt weitergeführt werden. In der Regel klingt der Pruritus postpartal relativ zeitnah spontan ab und die Laborwerte normalisieren sich zügig.<br /> In Schwangerschaften mit ICP ist das Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes und einer Präeklampsie erhöht.<sup>10, 11</sup><br /> In der Mehrheit der Fälle manifestiert sich die ICP in den Folgeschwangerschaften von Neuem, auch ist eine familiäre Häufung typisch. Ebenso kann im Rahmen einer Kontrazeption mit kombinierten Ovulationshemmern die Cholestase rekurrieren.<br /> Frauen mit ICP haben ein erhöhtes Lebenszeitrisiko für Gallengangserkrankungen wie Cholelithiasis, aber auch für hepatobiliäre Neoplasien, Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus und Autoimmunerkrankungen, sodass insbesondere nach sich früh in der Schwangerschaft (<28. SS-Woche) und/oder besonders schwer manifestierender ICP (Gallensäuren >100μmol/l) eine genetische Abklärung des zugrunde liegenden Gendefektes in Betracht gezogen werden sollte bzw. Verlaufsuntersuchungen zur Früherkennung assoziierter Erkrankungen angeboten werden sollten.<sup>3</sup></p> <h2>Medikamentöse Therapie</h2> <p>Die Therapie der ICP hat zum Ziel, die Symptome zu lindern und das Risiko für maternale und fetale Komplikationen zu vermindern. Als First-Line-Therapie gilt die Gabe von Ursodeoxycholsäure in einer Dosis von 15 mg/kg KG täglich (Maximaldosis 2g pro Tag, Tab.3).<sup>12-14</sup><br /> Die UDCA ist eine hydrophile Gallensäure, welche den Gallenfluss und die Gallensäurenausscheidung signifikant verbessert, dadurch den Pruritus mindert (bis hin zur Resolution, objektivierbar durch nachweisbare Senkung bis Normalisierung der Cholestaseparameter im Labor) und das fetale Outcome verbessert (Abb. 2).<br /> In den sehr seltenen Fällen einer schweren (Gallensäuren >40 bzw. >100μmol/l) oder einer unter Standarddosierung von UDCA therapierefraktären Cholestase ist eine Dosiserhöhung der UDCA bis auf 2g täglich möglich und gegebenenfalls eine additive Rifampicin- Gabe zu erwägen.<sup>15</sup> Weitere Therapeutika wie Colestyramin, S-Adenosyl Methionin, Dexamethason, Phenobarbital u.a. wurden untersucht, sind aber in ihrem therapeutischen Effekt gegenüber der UDCA signifikant unterlegen.<sup>4, 11</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1801_Weblinks_lo_gyn_1801_s39_abb1+2.jpg" alt="" width="1454" height="1440" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Williamson C, Geenes V: Intrahepatic cholestasis of pregnancy. Obstet Gynecol 2014; 124(1): 120-33 <strong>2</strong> Chacko K, Wolkoff A: Intrahepatic cholestasis of pregnancy. New diagnostic insights. Ann Hepatol 2017; 16(2): 176-178 <strong>3</strong> Pataia V et al.: Pregnancy and bile acid disorders. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol 2017; 313(1): G1-G6 <strong>4</strong> Ozkan S et al.: Review of a challenging clinical issue: Intrahepatic cholestasis of pregnancy. World J Gastroenterol 2015; 21(23): 7134-7141 <strong>5</strong> Marschall HU et al.: Intrahepatic cholestasis of pregnancy and associated hepatobiliary disease: a population-based cohort study. Hepatology 2013; 58: 1385-1391 <strong>6</strong> Zhang Y et al.: Maternal bile acid transporter deficiency promotes neonatal demise. Nature Communications 2015; 6: 8186 <strong>7</strong> Donghua Cui et al.: Bile acid levels and risk of adverse perinatal outcome in intrahepatic cholestasis of pregnancy. A meta-analysis. J Obstet Gynaecol Research 2017; 43(9): 1411-1420 <strong>8</strong> Diken et al.: A clinical approach to intrahepatic cholestasis of Pregnancy. A review of intrahepatic cholestasis of pregnancy. Am J Perinatol 2014; 31(1): 1-8 <strong>9</strong> Brouwers L et al.: lntrahepatic cholestasis of pregnancy: maternal and fetal outcomes associated with elevated bile acid levels. Am J Obstet Gynecol 2015; 212: 100e1-100e7 <strong>10</strong> Martineau MG et al.: The metabolic profile of intrahepatic cholestasis of pregnancy is associated with impaired glucose tolerance, dyslipidemia, and increased fetal growth. Diabetes Care 2015; 38(2): 243-8 <strong>11</strong> Wikström Shemer E et al.: Intrahepatic cholestasis of pregnancy and associated adverse pregnancy and fetal outcomes: a 12-year population-based cohort study. BJOG 2013; 120: 717-723 <strong>12</strong> Bacq Y et al.: Efficacy of UDCA in treating ICP. A meta-analysis. Gastroenterology 2012; 143: 1492 <strong>13</strong> Gurung V et al.: Interventions for treating ICP. Cochrane Database Syst Review 2013; CD000493 <strong>14</strong> Xiang Kong et al.: Evaluating the effectiveness and safety of UDCA in ICP. Meta-analysis. Medicine 2016; 95: 40 <strong>15</strong> Geenes V et al.: Rifampicin in the treatment of severe intrahepatic cholestasis of pregnancy. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2015; 189: 59</p>
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