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Augmentation der Rotatorenmanschette mit resorbierbaren Patches
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Eduard Buess
Praxis Shoulder-Care, Bern
Autor:
Dr. med. Amir Steinitz
Praxis Shoulder-Care, Bern<br> E-Mail: amir.steinitz@lindenhofgruppe.ch
30
Min. Lesezeit
28.09.2017
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<p class="article-intro">Die hier beschriebene standardisierte Technik ermöglicht dem geübten Operateur ein reproduzierbares Vorgehen bei Rerupturen der Rotatorenmanschette sowie bei der Primärversorgung von Massenrupturen. Das von uns präferierte Implantat ist relativ kostengünstig und wird, so der Hersteller, ohne Rückstände langsam abgebaut. Es bietet eine ausreichende mechanische Festigkeit, gute biologische Eigenschaften und integriert sich komplett in das vorhandene Gewebe.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints" class="Kasten-umflie-end"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Hauptaugenmerk bei jeder Reoperation sollte neben der sicheren Verankerung der Rotatorenmanschette auch auf dem mechanischen Schutz derselben sowie auf der Förderung biologischer Faktoren, die für den Heilungsprozess essen­ziell sind, liegen.</li> <li>Biologische Grafts bestehen aus extrazellulärer Matrix (Allo-, Xenograft). Synthetische Grafts stehen resorbierbar und nicht resorbierbar zur Verfügung.</li> <li>Biologische Patches unterstützen die Heilung durch ihren positiven Effekt auf Zellmigration, -proliferation und Produktion von extrazellulärer Matrix. Synthetische Patches ermöglichen primär eine mechanisch belastbare Rekonstruktion.</li> <li>Das von uns präferierte synthetische Implantat wird ohne Rückstände langsam im Rahmen des Zitratzyklus abgebaut. Es bietet eine ausreichende mechanische Festigkeit, gute biologische Eigenschaften und integriert sich in das vorhandene Gewebe.</li> </ul> </div> <h2>Warum ein Patch?</h2> <p>Die arthroskopische Rotatorenmanschettennaht gehört mittlerweile zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in der orthopädischen Chirurgie, mit stetig steigender Inzidenz. In den letzten 20 Jahren haben ein rasanter Fortschritt der Operationstechnik sowie die fortwährende technische Weiterentwicklung des Equipments die arthroskopische Rotatorenmanschettennaht revolutioniert. Mit den modernen Rekonstruktionstechniken ist es aktuell möglich, die mechanische Belastbarkeit der Supraspinatussehne annähernd zu verdoppeln.<sup>1</sup> Trotzdem werden in der Literatur Rerupturraten von 5–50 % beschrieben,<sup>2</sup> sodass die Schlussfolgerung naheliegt, dass die Ursache hierfür multifaktorieller Natur ist und ihr nicht lediglich eine unzulängliche Rekonstruktionstechnik zugrunde liegt. <br /> Viele Faktoren, wie Grösse der Ruptur, Patientenalter, Sehnenbiologie, Muskelqualität, Rekonstruktionstechnik und nicht zuletzt die postoperative Rehabilitation, beeinflussen den Erfolg der Operation. Dies gilt für Primär- und besonders für Revisionseingriffe.<br /> Grosse Rupturen sowie Massenrupturen der Rotatorenmanschette, vor allem beim älteren Patienten, stellen in diesem Zusammenhang noch immer eine Herausforderung für den Chirurgen und das verwendete Material dar. Bei diesem Patientenkollektiv liegen die Rerupturraten nach primärer Versorgung auf einem noch deutlich höheren Niveau von bis zu 70 % .<sup>3</sup> <br /> Klassischerweise zeigen sich die Rerupturen zum einen ansatznah über dem Interface Knochen/Sehne und zum anderen weiter medial am muskulotendinösen Übergang, als sogenannte «medial cuff failures».<sup>4</sup> Während beim klassischen Single-Row-Repair die Rerupturen meist lateral am Footprint auftreten, präsentieren sich die Rezidive nach Double-Row-Technik eher medial.<sup>5</sup> Aufgrund der mittlerweile weit verbreiteten Anwendung der Double-Row-Technik zur Refixierung der Supraspinatussehne hat die Häufigkeit der «medial cuff failures» zugenommen. Gerade diese Risskonfiguration geht mit einem Substanzverlust der Sehne einher, der eine spannungsfreie Rekonstruktion erschwert bzw. sogar unmöglich machen kann. Eine Heilung des Gewebes, basierend auf einer suffizienten Zelldifferenzierung und -mi­gration, ist jedoch nur bei spannungsfrei adaptierten Sehnenrändern möglich. Bei jeder Reoperation sollte daher der Fokus neben der sicheren Verankerung der Rotatorenmanschette auch auf dem mechanischen Schutz derselben und somit auf der Förderung biologischer Faktoren, die für den Heilungsprozess essenziell sind, liegen. Nur durch eine umschriebene regenerative Zellproliferation und -differenzierung kann es zu einer suffizienten Integrität des Neo-Sehnengewebes kommen. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte sich das Konzept der Patch-Augmentation.</p> <h2>Welche Patches gibt es?</h2> <p>Zahlreiche Materialien wurden zu diesem Zweck in den letzten Jahren eingesetzt. Prinzipiell lassen sich dabei zwei verschiedene Gruppen unterscheiden:</p> <ul> <li>biologische Patches, bestehend aus extrazellulärer Matrix (Auto-, Allo-, Xenograft)</li> <li>synthetische Patches (resorbierbar/nicht resorbierbar)</li> </ul> <p>Bei den biologischen Scaffolds kommen primär Gewebeinterponate verschiedener Säugetiere (Schwein, Rind, Pferd), aber auch menschlichen Ursprungs zum Einsatz («human dermis allograft»). Autografts werden in diesem Zusammenhang selten verwendet, prinzipiell möglich ist jedoch der Gebrauch der langen Bizepssehne und der Fascia lata. Die Matrizes der biologischen Patches bestehen hauptsächlich aus Kollagen-I-Gerüsten, welche fast gänzlich von zellulären Bestandteilen und DNA-Resten befreit sind. Durch vermehrte Zellmigration und Produktion extrazellulärer Matrix soll die natürliche Heilung des Gewebes unterstützt werden.<br /> Synthetische Scaffolds, resorbierbare und nicht resorbierbare, kommen seit Längerem erfolgreich in der Inguinal- sowie Kardiovaskularchirurgie zum Einsatz und sind seit Jahren klinisch erprobt. Die mechanische Verstärkung des Gewebes steht hier im Vordergrund. Die Integration der Matrix in das Regenerationsgewebe soll zu einem reissfesteren, mechanisch robusten Regenerat führen. Eine verbesserte Grenzlast und Festigkeit des Regenerationsgewebes konnten in biomechanischen Studien nachgewiesen werden.<sup>6</sup> Zum Einsatz kommen vor allem stabile Polymere und Polyurethan.<br /> Insgesamt zeigt sich, dass sich sowohl mit biologischen als auch mit synthetischen Scaffolds eine Verbesserung der Stabilität der Rotatorenmanschettenrekonstruktion erzielen lässt.<sup>7</sup> Biologische Patches sollen die Heilung durch ihren positiven Effekt auf Zellmigration, -proliferation und Produktion von extrazellulärer Matrix (insbesondere Kollagenproduktion) unterstützen. Synthetische Patches sollen primär eine mechanisch belastbare Rekonstruktion ermöglichen.<br /> In unserer täglichen Praxis verwenden wir einen langsam resorbierbaren synthetischen Patch aus Poly-4-Hydroxy-Butyrat (BioFiber<sup>©</sup>, Wright). Im Zuge des Citratzyklus soll das Material binnen 18 Monaten in natürlich vorkommende Metabolite abgebaut werden. DNA-Residuen sind nicht vorhanden. Der Patch besitzt – so weit unsere Erfahrung – gute mechanische Eigenschaften und ist, im Vergleich zu ähnlichen Produkten, relativ kostengünstig.</p> <h2>Eigene Erfahrungen</h2> <p>Die arthroskopische Patch-Implantation erfolgt in unserer operativen Routine nach einem standardisierten Ablauf.<sup>8</sup> Begonnen wird mit dem diagnostischen Rundgang zur Bestätigung des MRI-Befunds; intraartikulär vorhandenes Fremdmaterial kann im selben Arbeitsgang entfernt werden. Es folgen das subakromiale Eingehen und die ausgedehnte Bursektomie. Nach Anfrischung und «microfracturing» einer kleinen Facette am Tuberculum majus wird ein dreifach armierter Schraubanker zentral im präparierten Areal platziert. Im Sinne einer «margin convergence»<sup>1</sup> werden 2–3 Raffnähte vorgelegt, vom Apex der Ruptur beginnend. Es erfolgt nun, je nach Risskonfiguration, der Fadendurchzug, wobei es uns wichtig erscheint, dorsal das tiefe Blatt der Infraspinatussehne mitzufassen. Nach dem Knoten der drei Matratzennähte erfolgt das gekreuzte, laterale Abspannen mit zwei Push-Lock-Ankern im Abstand von ca. 2,5cm. Zwei Fäden pro Anker werden nicht abgeschnitten und zur späteren lateralen Fixierung des Patches verwendet. Am muskulotendinösen Übergang werden eine ventrale und dorsale Ecknaht zur medialen Befestigung mit teilresorbierbaren, polyfilen Fäden (Orthocord<sup>©</sup>, Depuy) angebracht. Der 2x3cm grosse Patch wird extrakorporal mit zwei PDS-Fäden armiert, mittels der vorgelegten Ecknähte eingezogen und primär medial fixiert (Abb. 1).<br /> Lateral wird das Graft mit den zuvor lang gelassenen Fäden des Push-Lock-Ankers befestigt. Es wird abschliessend zur zusätzlichen Stabilisierung jeweils eine PDS-Naht an den Längsseiten angebracht. Der gut entfaltete und leicht angespannte Patch kommt so über der Schwachstelle bzw. dem Substanzverlust der rekonstruierten Rotatorenmanschette zu liegen (Abb. 2).<br /> Die Nachbehandlung erfolgt wie bei Massenrupturen mit relativer Immobilisierung der Extremität in leichter Abduktion für 8 Wochen. Nach Abnahme des Slings werden primär die Beweglichkeit und in einer dritten Phase ab der 12. postoperativen Woche der Kraftaufbau trainiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_1.jpg" alt="" width="684" height="747" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_2.jpg" alt="" width="684" height="1022" /></p> <h2>Eigene Ergebnisse</h2> <p>Derzeit werden von uns 54 Fälle prospektiv nachverfolgt, die seit März 2014 eine Patch-Augmentation in der oben erläuterten Technik erhielten. Bei 38 Patienten lag ein «medial cuff failure» vor. 16 Patienten wurden aufgrund einer Massenruptur primär mittels Patch versorgt. In allen Fällen wurde derselbe synthetische Patch verwendet (BioFiber<sup>©</sup>, Wright). 14 Patienten haben das 24-Monats-Follow-up bis dato erreicht. Im Rahmen des Follow-ups wurden der Constant Score (CS) und der Subjective Shoulder Value (SSV) erhoben sowie ein Nativ-MRI durchgeführt. Es zeigte sich bei den Resultaten nach 24 Monaten eine Verbesserung des CS von durchschnittlich 46 auf 85 Punkte sowie des SSV von 43 % auf 89 % . In 12 von 14 Fällen (86 % ) zeigte sich im MRI eine intakte Rotatorenmanschette (meist Sugaya Typ III). Insgesamt waren 4 der 54 Patienten revisionspflichtig. In 2 Fällen wurden im MRI dorsale Rerupturen diagnostiziert, in einem Fall lag eine postoperative Infektion vor und bei einem Patienten wurde aufgrund des klinischen Ergebnisses in der Folge eine inverse Prothese implantiert. 10 der 16 Patienten mit Massenrupturen konnten die präoperativ bestehende Pseudoparese überwinden (63 % ). Die Patch-Integration in die vorhandene Supraspinatussehne war gut und konnte im Rahmen von Revisionsarthroskopien bestätigt werden (Abb. 3). Negative Reaktionen auf den Patch wurden bis jetzt nicht beobachtet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_3.jpg" alt="" width="684" height="583" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Unsere Ergebnisse machen Mut, dass ein verbessertes klinisches und morphologisches Ergebnis mit höheren Heilungsraten bei Rerupturen sowie bei der Primärversorgung von Massenrupturen mithilfe kostengünstiger, resorbierbarer Patches erzielt werden kann.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Burkhart SS et al.: Biomechanical validation of load-sharing rip-stop fixation for the repair of tissue-deficient rotator cuff tears. Am J Sports Med 2014; 42(2): 457-62 <strong>2</strong> Parnes N et al.: Complications after arthroscopic revision rotator cuff repair. Arthroscopy 2013; 29(9): 1479-86 <strong>3</strong> Neyton L et al.: Arthroscopic suture-bridge repair for small to medium size supraspinatus tear: healing rate and retear pattern. Arthroscopy 2013; 29(1): 10-7 <strong>4</strong> Trantalis JN et al.: Medial rotator cuff failure after arthroscopic double-row rotator cuff repair. Arthroscopy 2008; 24(6): 727-31 <strong>5</strong> Cho NS et al.: Retear patterns after arthroscopic rotator cuff repair: single-row versus suture bridge technique. Am J Sports Med 2010; 38(4): 664-71 <strong>6</strong> Santoni BG et al.: Biomechanical analysis of an ovine rotator cuff repair via porous patch augmentation in a chronic rupture model. Am J Sports Med 2010; 38(4): 679-86 <strong>7</strong> McCarron JA et al.: Reinforced fascia patch limits cyclic gapping of rotator cuff repairs in a human cadaveric model. J Shoulder Elbow Surg 2012; 21(12): 1680-6 <strong>8</strong> Buess E, Hackl M, Buxbaumer P: Arthroscopic revision of medial rotator cuff failure augmented with a bioabsorbable patch. Arthroscopy techniques 2017; in press</p>
</div>
</p>
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