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Augmentation der Rotatorenmanschette mit resorbierbaren Patches

<p class="article-intro">Die hier beschriebene standardisierte Technik ermöglicht dem geübten Operateur ein reproduzierbares Vorgehen bei Rerupturen der Rotatorenmanschette sowie bei der Primärversorgung von Massenrupturen. Das von uns präferierte Implantat ist relativ kostengünstig und wird, so der Hersteller, ohne Rückstände langsam abgebaut. Es bietet eine ausreichende mechanische Festigkeit, gute biologische Eigenschaften und integriert sich komplett in das vorhandene Gewebe.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints" class="Kasten-umflie-end"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Hauptaugenmerk bei jeder Reoperation sollte neben der sicheren Verankerung der Rotatorenmanschette auch auf dem mechanischen Schutz derselben sowie auf der F&ouml;rderung biologischer Faktoren, die f&uuml;r den Heilungsprozess essen&shy;ziell sind, liegen.</li> <li>Biologische Grafts bestehen aus extrazellul&auml;rer Matrix (Allo-, Xenograft). Synthetische Grafts stehen resorbierbar und nicht resorbierbar zur Verf&uuml;gung.</li> <li>Biologische Patches unterst&uuml;tzen die Heilung durch ihren positiven Effekt auf Zellmigration, -proliferation und Produktion von extrazellul&auml;rer Matrix. Synthetische Patches erm&ouml;glichen prim&auml;r eine mechanisch belastbare Rekonstruktion.</li> <li>Das von uns pr&auml;ferierte synthetische Implantat wird ohne R&uuml;ckst&auml;nde langsam im Rahmen des Zitratzyklus abgebaut. Es bietet eine ausreichende mechanische Festigkeit, gute biologische Eigenschaften und integriert sich in das vorhandene Gewebe.</li> </ul> </div> <h2>Warum ein Patch?</h2> <p>Die arthroskopische Rotatorenmanschettennaht geh&ouml;rt mittlerweile zu den am h&auml;ufigsten durchgef&uuml;hrten Operationen in der orthop&auml;dischen Chirurgie, mit stetig steigender Inzidenz. In den letzten 20 Jahren haben ein rasanter Fortschritt der Operationstechnik sowie die fortw&auml;hrende technische Weiterentwicklung des Equipments die arthroskopische Rotatorenmanschettennaht revolutioniert. Mit den modernen Rekonstruktionstechniken ist es aktuell m&ouml;glich, die mechanische Belastbarkeit der Supraspinatussehne ann&auml;hernd zu verdoppeln.<sup>1</sup> Trotzdem werden in der Literatur Rerupturraten von 5&ndash;50 % beschrieben,<sup>2</sup> sodass die Schlussfolgerung naheliegt, dass die Ursache hierf&uuml;r multifaktorieller Natur ist und ihr nicht lediglich eine unzul&auml;ngliche Rekonstruktionstechnik zugrunde liegt. <br /> Viele Faktoren, wie Gr&ouml;sse der Ruptur, Patientenalter, Sehnenbiologie, Muskelqualit&auml;t, Rekonstruktionstechnik und nicht zuletzt die postoperative Rehabilitation, beeinflussen den Erfolg der Operation. Dies gilt f&uuml;r Prim&auml;r- und besonders f&uuml;r Revisionseingriffe.<br /> Grosse Rupturen sowie Massenrupturen der Rotatorenmanschette, vor allem beim &auml;lteren Patienten, stellen in diesem Zusammenhang noch immer eine Herausforderung f&uuml;r den Chirurgen und das verwendete Material dar. Bei diesem Patientenkollektiv liegen die Rerupturraten nach prim&auml;rer Versorgung auf einem noch deutlich h&ouml;heren Niveau von bis zu 70 % .<sup>3</sup> <br /> Klassischerweise zeigen sich die Rerupturen zum einen ansatznah &uuml;ber dem Interface Knochen/Sehne und zum anderen weiter medial am muskulotendin&ouml;sen &Uuml;bergang, als sogenannte &laquo;medial cuff failures&raquo;.<sup>4</sup> W&auml;hrend beim klassischen Single-Row-Repair die Rerupturen meist lateral am Footprint auftreten, pr&auml;sentieren sich die Rezidive nach Double-Row-Technik eher medial.<sup>5</sup> Aufgrund der mittlerweile weit verbreiteten Anwendung der Double-Row-Technik zur Refixierung der Supraspinatussehne hat die H&auml;ufigkeit der &laquo;medial cuff failures&raquo; zugenommen. Gerade diese Risskonfiguration geht mit einem Substanzverlust der Sehne einher, der eine spannungsfreie Rekonstruktion erschwert bzw. sogar unm&ouml;glich machen kann. Eine Heilung des Gewebes, basierend auf einer suffizienten Zelldifferenzierung und -mi&shy;gration, ist jedoch nur bei spannungsfrei adaptierten Sehnenr&auml;ndern m&ouml;glich. Bei jeder Reoperation sollte daher der Fokus neben der sicheren Verankerung der Rotatorenmanschette auch auf dem mechanischen Schutz derselben und somit auf der F&ouml;rderung biologischer Faktoren, die f&uuml;r den Heilungsprozess essenziell sind, liegen. Nur durch eine umschriebene regenerative Zellproliferation und -differenzierung kann es zu einer suffizienten Integrit&auml;t des Neo-Sehnengewebes kommen. Aus diesen &Uuml;berlegungen heraus entwickelte sich das Konzept der Patch-Augmentation.</p> <h2>Welche Patches gibt es?</h2> <p>Zahlreiche Materialien wurden zu diesem Zweck in den letzten Jahren eingesetzt. Prinzipiell lassen sich dabei zwei verschiedene Gruppen unterscheiden:</p> <ul> <li>biologische Patches, bestehend aus extrazellul&auml;rer Matrix (Auto-, Allo-, Xenograft)</li> <li>synthetische Patches (resorbierbar/nicht resorbierbar)</li> </ul> <p>Bei den biologischen Scaffolds kommen prim&auml;r Gewebeinterponate verschiedener S&auml;ugetiere (Schwein, Rind, Pferd), aber auch menschlichen Ursprungs zum Einsatz (&laquo;human dermis allograft&raquo;). Autografts werden in diesem Zusammenhang selten verwendet, prinzipiell m&ouml;glich ist jedoch der Gebrauch der langen Bizepssehne und der Fascia lata. Die Matrizes der biologischen Patches bestehen haupts&auml;chlich aus Kollagen-I-Ger&uuml;sten, welche fast g&auml;nzlich von zellul&auml;ren Bestandteilen und DNA-Resten befreit sind. Durch vermehrte Zellmigration und Produktion extrazellul&auml;rer Matrix soll die nat&uuml;rliche Heilung des Gewebes unterst&uuml;tzt werden.<br /> Synthetische Scaffolds, resorbierbare und nicht resorbierbare, kommen seit L&auml;ngerem erfolgreich in der Inguinal- sowie Kardiovaskularchirurgie zum Einsatz und sind seit Jahren klinisch erprobt. Die mechanische Verst&auml;rkung des Gewebes steht hier im Vordergrund. Die Integration der Matrix in das Regenerationsgewebe soll zu einem reissfesteren, mechanisch robusten Regenerat f&uuml;hren. Eine verbesserte Grenzlast und Festigkeit des Regenerationsgewebes konnten in biomechanischen Studien nachgewiesen werden.<sup>6</sup> Zum Einsatz kommen vor allem stabile Polymere und Polyurethan.<br /> Insgesamt zeigt sich, dass sich sowohl mit biologischen als auch mit synthetischen Scaffolds eine Verbesserung der Stabilit&auml;t der Rotatorenmanschettenrekonstruktion erzielen l&auml;sst.<sup>7</sup> Biologische Patches sollen die Heilung durch ihren positiven Effekt auf Zellmigration, -proliferation und Produktion von extrazellul&auml;rer Matrix (insbesondere Kollagenproduktion) unterst&uuml;tzen. Synthetische Patches sollen prim&auml;r eine mechanisch belastbare Rekonstruktion erm&ouml;glichen.<br /> In unserer t&auml;glichen Praxis verwenden wir einen langsam resorbierbaren synthetischen Patch aus Poly-4-Hydroxy-Butyrat (BioFiber<sup>&copy;</sup>, Wright). Im Zuge des Citratzyklus soll das Material binnen 18 Monaten in nat&uuml;rlich vorkommende Metabolite abgebaut werden. DNA-Residuen sind nicht vorhanden. Der Patch besitzt &ndash; so weit unsere Erfahrung &ndash; gute mechanische Eigenschaften und ist, im Vergleich zu &auml;hnlichen Produkten, relativ kosteng&uuml;nstig.</p> <h2>Eigene Erfahrungen</h2> <p>Die arthroskopische Patch-Implantation erfolgt in unserer operativen Routine nach einem standardisierten Ablauf.<sup>8</sup> Begonnen wird mit dem diagnostischen Rundgang zur Best&auml;tigung des MRI-Befunds; intraartikul&auml;r vorhandenes Fremdmaterial kann im selben Arbeitsgang entfernt werden. Es folgen das subakromiale Eingehen und die ausgedehnte Bursektomie. Nach Anfrischung und &laquo;microfracturing&raquo; einer kleinen Facette am Tuberculum majus wird ein dreifach armierter Schraubanker zentral im pr&auml;parierten Areal platziert. Im Sinne einer &laquo;margin convergence&raquo;<sup>1</sup> werden 2&ndash;3 Raffn&auml;hte vorgelegt, vom Apex der Ruptur beginnend. Es erfolgt nun, je nach Risskonfiguration, der Fadendurchzug, wobei es uns wichtig erscheint, dorsal das tiefe Blatt der Infraspinatussehne mitzufassen. Nach dem Knoten der drei Matratzenn&auml;hte erfolgt das gekreuzte, laterale Abspannen mit zwei Push-Lock-Ankern im Abstand von ca. 2,5cm. Zwei F&auml;den pro Anker werden nicht abgeschnitten und zur sp&auml;teren lateralen Fixierung des Patches verwendet. Am muskulotendin&ouml;sen &Uuml;bergang werden eine ventrale und dorsale Ecknaht zur medialen Befestigung mit teilresorbierbaren, polyfilen F&auml;den (Orthocord<sup>&copy;</sup>, Depuy) angebracht. Der 2x3cm grosse Patch wird extrakorporal mit zwei PDS-F&auml;den armiert, mittels der vorgelegten Eckn&auml;hte eingezogen und prim&auml;r medial fixiert (Abb. 1).<br /> Lateral wird das Graft mit den zuvor lang gelassenen F&auml;den des Push-Lock-Ankers befestigt. Es wird abschliessend zur zus&auml;tzlichen Stabilisierung jeweils eine PDS-Naht an den L&auml;ngsseiten angebracht. Der gut entfaltete und leicht angespannte Patch kommt so &uuml;ber der Schwachstelle bzw. dem Substanzverlust der rekonstruierten Rotatorenmanschette zu liegen (Abb. 2).<br /> Die Nachbehandlung erfolgt wie bei Massenrupturen mit relativer Immobilisierung der Extremit&auml;t in leichter Abduktion f&uuml;r 8 Wochen. Nach Abnahme des Slings werden prim&auml;r die Beweglichkeit und in einer dritten Phase ab der 12. postoperativen Woche der Kraftaufbau trainiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_1.jpg" alt="" width="684" height="747" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_2.jpg" alt="" width="684" height="1022" /></p> <h2>Eigene Ergebnisse</h2> <p>Derzeit werden von uns 54 F&auml;lle prospektiv nachverfolgt, die seit M&auml;rz 2014 eine Patch-Augmentation in der oben erl&auml;uterten Technik erhielten. Bei 38 Patienten lag ein &laquo;medial cuff failure&raquo; vor. 16 Patienten wurden aufgrund einer Massenruptur prim&auml;r mittels Patch versorgt. In allen F&auml;llen wurde derselbe synthetische Patch verwendet (BioFiber<sup>&copy;</sup>, Wright). 14 Patienten haben das 24-Monats-Follow-up bis dato erreicht. Im Rahmen des Follow-ups wurden der Constant Score (CS) und der Subjective Shoulder Value (SSV) erhoben sowie ein Nativ-MRI durchgef&uuml;hrt. Es zeigte sich bei den Resultaten nach 24 Monaten eine Verbesserung des CS von durchschnittlich 46 auf 85 Punkte sowie des SSV von 43 % auf 89 % . In 12 von 14 F&auml;llen (86 % ) zeigte sich im MRI eine intakte Rotatorenmanschette (meist Sugaya Typ III). Insgesamt waren 4 der 54 Patienten revisionspflichtig. In 2 F&auml;llen wurden im MRI dorsale Rerupturen diagnostiziert, in einem Fall lag eine postoperative Infektion vor und bei einem Patienten wurde aufgrund des klinischen Ergebnisses in der Folge eine inverse Prothese implantiert. 10 der 16 Patienten mit Massenrupturen konnten die pr&auml;operativ bestehende Pseudoparese &uuml;berwinden (63 % ). Die Patch-Integration in die vorhandene Supraspinatussehne war gut und konnte im Rahmen von Revisionsarthroskopien best&auml;tigt werden (Abb. 3). Negative Reaktionen auf den Patch wurden bis jetzt nicht beobachtet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s11_3.jpg" alt="" width="684" height="583" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Unsere Ergebnisse machen Mut, dass ein verbessertes klinisches und morphologisches Ergebnis mit h&ouml;heren Heilungsraten bei Rerupturen sowie bei der Prim&auml;rversorgung von Massenrupturen mithilfe kosteng&uuml;nstiger, resorbierbarer Patches erzielt werden kann.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Burkhart SS et al.: Biomechanical validation of load-sharing rip-stop fixation for the repair of tissue-deficient rotator cuff tears. Am J Sports Med 2014; 42(2): 457-62 <strong>2</strong> Parnes N et al.: Complications after arthroscopic revision rotator cuff repair. Arthroscopy 2013; 29(9): 1479-86 <strong>3</strong> Neyton L et al.: Arthroscopic suture-bridge repair for small to medium size supraspinatus tear: healing rate and retear pattern. Arthroscopy 2013; 29(1): 10-7 <strong>4</strong> Trantalis JN et al.: Medial rotator cuff failure after arthroscopic double-row rotator cuff repair. Arthroscopy 2008; 24(6): 727-31 <strong>5</strong> Cho NS et al.: Retear patterns after arthroscopic rotator cuff repair: single-row versus suture bridge technique. Am J Sports Med 2010; 38(4): 664-71 <strong>6</strong> Santoni BG et al.: Biomechanical analysis of an ovine rotator cuff repair via porous patch augmentation in a chronic rupture model. Am J Sports Med 2010; 38(4): 679-86 <strong>7</strong> McCarron JA et al.: Reinforced fascia patch limits cyclic gapping of rotator cuff repairs in a human cadaveric model. J Shoulder Elbow Surg 2012; 21(12): 1680-6 <strong>8</strong> Buess E, Hackl M, Buxbaumer P: Arthroscopic revision of medial rotator cuff failure augmented with a bioabsorbable patch. Arthroscopy techniques 2017; in press</p> </div> </p>
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