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Der einzeitige Hüftprothesenwechsel als Therapieoption bei Gelenkprotheseninfektion
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. M. Morgenstern
Klinik für Orthopädie und Traumatologie<br> Universitätsspital Basel
Autor:
PD Dr. med. M. Clauss
Klinik für Orthopädie und Traumatologie<br> Universitätsspital Basel<br>E-Mail: martin.clauss@usb.ch
30
Min. Lesezeit
26.09.2019
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<p class="article-intro">Der einzeitige Hüftprothesenwechsel ist eine attraktive Behandlungsoption für Infektionen nach künstlichem Hüftgelenksersatz. Für die erfolgreiche Durchführung sind die korrekte Indikationsstellung und präzise operative Umsetzung essenziell.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Epidemiologisch wird der einzeitige Hüftprothesenwechsel weniger häufig als DAIR und zweizeitiger Wechsel angewendet.</li> <li>Der Erreger und das Resistenzmuster sollten präoperativ bekannt sein.</li> <li>Die Indikation des einzeitigen Hüftprothesenwechsels ist unabhängig von der Verankerung der Revisionsprothese.</li> <li>Das chirurgische Débridement sollte so radikal wie möglich sein, ohne dabei vitale Strukturen für die Funktion des Gelenkes zu opfern.</li> <li>Die operative Rekonstruktion muss ein gutes «Deadspace»-Management ermöglichen.</li> </ul> </div> <p>Die implantatassoziierte Infektion ist eine der gefürchtetsten Komplikationen nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenks. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 0,5–1 % der implantierten Hüftgelenke auf.<br />Der einzeitige Wechsel wird in der Regel weniger häufig durchgeführt als «debridement and implant retention» (DAIR) und zweizeitiger Wechsel. Ein möglicher Grund ist die Epidemiologie der Infektionen und ihrer Manifestation, da Patienten sich entweder früh postoperativ, früh nach Symptombeginn oder spät nach Implantation vorstellen.<br />Obwohl der zweizeitige Wechsel in vielen Kliniken als Goldstandard für die Therapie von Gelenkprotheseninfektionen gilt, ist er mit (mindestens) zwei grossen operativen Eingriffen verbunden und entsprechenden finanziellen Belastungen für das Gesundheitssystem assoziiert. Des Weiteren ist das Ziel der Therapie nicht nur die Heilung der Infektion, sondern auch die Erhaltung der Gelenkfunktion. Diesbezüglich zeigen sich beim einzeitigen Wechsel tendenziell bessere Resultate als beim zweizeitigen.<sup>2</sup> Die Argumente verdeutlichen, dass der einzeitige Wechsel eine Option zur Therapie von Gelenkprotheseninfektionen ist, sofern die dafür notwendigen Kriterien erfüllt sind. Diese und operativ-technische Aspekte werden nachfolgend vorgestellt.</p> <h2>Mit oder ohne Zement</h2> <p>Buchholz et al. veröffentlichten ihre Serie von einzeitigen Wechseln mit zementierten Prothesen und guten Resultaten 1973.<sup>3</sup> Diese Resultate wurden später auch durch andere Institutionen bestätigt.<sup>4</sup> Die heutige Datenlage zeigt, dass auch mit zementfreien einzeitigen Wechseln hervorragende Behandlungsergebnisse erzielt werden.<sup>5</sup> Aus heutiger Sicht ist somit nicht die Fixierung der Komponenten, sondern die Patientenselektion, die operative Technik und die anschliessende antibiotische Therapie entscheidend für den Behandlungserfolg.<sup>6, 7</sup></p> <h2>Indikation und zu evaluierende Faktoren</h2> <p>Folgende Variablen sollten vor einem einzeitigen Wechsel berücksichtigt werden. Erstens: Der Erreger und sein Resistenzmuster beeinflussen das Therapieresultat. Da ein Fremdkörper in ein potenziell infiziertes Gebiet implantiert wird, muss der zu behandelnde Keim empfindlich gegenüber Biofilm-aktiven Antibiotika sein.<sup>7</sup> D. h., die mikrobiologischen Resultate sind präoperativ bekannt, und die Infektion kann zwei bis drei Wochen vorbehandelt und postoperativ fortgeführt werden.<sup>7</sup> Es versteht sich von selbst, dass das antibiotische Konzept ebenfalls präoperativ interdisziplinär mit einem Infektiologen festgelegt werden muss.<sup>4</sup> Zweitens: Die lokale Weichteilsituation muss korrekt eingestuft werden.<sup>8</sup> Nur wenn der periprothetische Weichteilmantel intakt oder maximal leicht geschädigt ist, kann ein einzeitiger Wechsel erfolgen. Sogenannte «Low-grade»-Infektionen sind ein typisches Beispiel für eine solche Konstellation. Oft ist es schwierig, zwischen dem verursachenden Erreger und der Kontamination der präoperativen Probe zu unterscheiden. «Low-grade»-Infektionen werden typischerweise durch Koagulase- negative Staphylokokken oder Cutibacterium spp. (früher Propionibacterium spp.) verursacht. Diese Erreger gehören gleichzeitig auch zum Mikrobiom der Haut. Drittens: Das Ausmass der knöchernen Defekte und der operative Aufwand der lokalen Rekonstruktion sind ein weiterer entscheidender Faktor.</p> <h2>Operativ-technische Überlegungen (modifiziert nach Zimmerli et al.)<sup>6</sup></h2> <p>Im Gegensatz zum zweizeitigen Wechsel besteht beim einzeitigen Wechsel nur bei einer einzigen Operation Gelegenheit für ein chirurgisches Débridement. Deshalb ist ein besonders präzises Vorgehen notwendig, um nach antibiotischer Vorbehandlung eine zusätzliche Reduzierung der lokalen Keimbelastung zu erzielen.<br />Grundsätzlich sollte, wenn möglich, der initiale operative Zugang für den Wechsel gewählt werden. Hierbei sollten jedoch keine Kompromisse hinsichtlich der Mög lichkeiten der Radikalität des chirurgischen Débridements gemacht werden müssen. Nach dem Ausschneiden der Narbe erfolgen als erster Schritt die Synovektomie des Gelenkes sowie die Entfernung des gesamten Granulationsgewebes (Abb. 1). Danach sollten die Implantate entfernt und zur mikrobiologischen Untersuchung (Sonikation) gesandt werden.<sup>9</sup><br />Es erfolgt dann ein zweites Débridement, bei welchem etwaige Membranen im Protheseninterface asserviert und zur bakterio logischen<sup>10</sup> und histologischen<sup>11</sup> Untersuchung abgegeben werden. Hierfür haben sich aus unserer Sicht scharfe Löffel mit Zähnchen oder Küretten bewährt.<br />Als Nächstes erfolgt teils unter Durchleuchtung die Entfernung sämtlicher noch verbliebener Fremdkörper (abgebrochene Schrauben, Drähte, nicht resorbierbare Fäden, Knochenersatz-/sequester und Knochenzementreste, Abb. 1). Osteomyelitisch veränderter Knochen, welcher gut durchblutet ist, sollte hierbei aus unserer Sicht nicht entfernt werden. Aufgrund der lokalen Hyperämie ist hier mit einer guten Antibiotikapenetrierung zu rechnen.<br />Zum Abschluss des Débridements erfolgt eine ausgiebige Spülung des Operationssitus mit 3–5 Litern Flüssigkeit. Wir benutzen hierfür Polyhexanid (Lavasept™). Die Benutzung einer «Low-pressure»-Jet-Lavage verkürzt den Spülvorgang und somit die lokale Einwirkzeit des Polyhexanids; für die immer wieder diskutierte Keimverschleppung in tiefere Areale existieren in Bezug auf die Prothetik jedoch keine belastbaren Daten. Wir spülen den Situs mit 2 Blasenspritzen. Der femorale Markraum wird mittels eines Absaugkatheters ausgiebig retrograd gespült (Abb. 3). Nach einer erneuten Kontrolle des Débridements (Abb. 4) erfolgt der Wiedereinbau der Prothese. Da zu diesem Zeitpunkt der Situs weiterhin infiziert und kontaminiert ist, macht aus unserer Sicht ein Austausch von Abdeckung und Instrumenten keinen Sinn.<br />Der Wiedereinbau folgt dann den gewohnten Regeln der Revisionsprothetik. Die operative Rekonstruktion grosser knöcherner Defekte ist zeitaufwendig und eine lange OP-Dauer erhöht per se das Infektrisiko. Ob Patienten mit solchen Defekten für einen einzeitigen Wechsel geeignet sind, ist daher aus unserer Sicht individuell abzuwägen.<br />Die antibiotische Nachbehandlung der Patienten erfolgt in enger Absprache mit den behandelnden Infektiologen. Mit einer Therapiedauer von 3 Monaten ist auch das postoperative antibiotische Intervall ausreichend lang, um ein Ausheilen der Osteomyelitis zu erzielen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1903_Weblinks_s13_abb1.jpg" alt="" width="325" height="895" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1903_Weblinks_s13_abb2.jpg" alt="" width="1296" height="876" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1903_Weblinks_s13_abb3.jpg" alt="" width="1042" height="824" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1903_Weblinks_s13_abb4.jpg" alt="" width="1560" height="829" /></p> <p> </p> <p> </p> <p><em>Ein besonderer Dank gilt Prof. Parham Sendi für die kritische Durchsicht der Arbeit.</em></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Ilchmann T et al.: Risk of infection in primary, elective total hip arthroplasty with direct anterior approach or lateral transgluteal approach: a prospective cohort study of 1104 hips. BMC Musculoskelet Disord 2016; 17(1): 471 <strong>2</strong> De Man FH et al.: Infectiological, functional, and radiographic outcome after revision for prosthetic hip infection according to a strict algorithm. Acta Orthop 2011; 82(1): 27-34 <strong>3</strong> Buchholz HW: Proceedings: deep infections as a result of hip-joint replacement (author’s transl). Langenbecks Arch Chir 1973; 334: 547-53 <strong>4</strong> Ilchmann T et al.: One-stage revision of infected hip arthroplasty: outcome of 39 consecutive hips. Int Orthop 2016; 40(5): 913-8 <strong>5</strong> Born P et al.: Eradication of infection, survival, and radiological results of uncemented revision stems in infected total hip arthroplasties. Acta Orthop 2016; 87(6): 637-643 <strong>6</strong> Zimmerli W, Clauss M: Periprosthetic joint infection after total hip and knee arthroplasty, in bone and joint infection – from microbiology to diagnostics and treatment. Wiley Blackwell 2015; 131-50 <strong>7</strong> Zimmerli W et al.: Prosthetic-joint infections. N Engl J Med 2004; 351(16): 1645-54 <strong>8</strong> Kessler B et al.: Risk factors for periprosthetic ankle joint infection: a case-control study. J Bone Joint Surg Am 2012; 94(20): 1871-6 <strong>9</strong> Trampuz A et al.: Sonication of removed hip and knee prostheses for diagnosis of infection. N Engl J Med 2007; 357(7): 654-63 <strong>10</strong> Schafer P et al.: Prolonged bacterial culture to identify late periprosthetic joint infection: a promising strategy. Clin Infect Dis 2008; 47(11): 1403-9 <strong>11</strong> Krenn V et al.: Revised histopathological consensus classification of joint implant related pathology. Pathol Res Pract 2014; 210(12): 779-86</p>
</div>
</p>
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