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Die Instabilität des Metatarsophalangealgelenks der Kleinzehe

<p class="article-intro">Das instabile Metatarsophalangealgelenk stellt ein häufiges Krankheitsbild dar, das in unterschiedlicher Ausprägung auftreten kann. Die operative Therapie orientiert sich am Ausmaß der Instabilität/Deformität. Es finden sowohl Weichteil- als auch ossäre Eingriffe Anwendung. Durch die Weiterentwicklung von Instrumenten und Operationstechniken werden vermehrt direkte Rekonstruktionsverfahren der im Rahmen des Krankheitsbildes betroffenen Strukturen angewandt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Obwohl die Instabilit&auml;t des Metatarsophalangealgelenks (MTP) der Kleinzehen bereits Ende des 19. Jahrhunderts erstmalig beschrieben wurde, wird diesen Pathologien und der differenzierten Therapie erst im Laufe der letzten Jahre zunehmend Beachtung geschenkt. Nicht zuletzt erweiterte Kenntnis der pathoanatomischen und -mechanischen Ver&auml;nderungen, die zu diesem Krankheitsbild f&uuml;hren, erm&ouml;glichten eine diversifizierte Betrachtungsweise.<br /> Das klinische Erscheinungsbild beinhaltet neben der Schmerzhaftigkeit im MTP die &bdquo;crossover toe&ldquo; als Ausdruck der Endstrecke der Instabilit&auml;t mit kombinierter koronarer und sagittaler Instabilit&auml;t.</p> <h2>Anatomie</h2> <p>Die Zehengrundgelenke werden durch die intrinsische und extrinsische Muskulatur des Vorfu&szlig;es sowie durch die plantare Platte und die Kollateralb&auml;nder stabilisiert. Dabei stellt die plantare Platte den wesentlichen Stabilisationsfaktor dar. Ihr Ursprung liegt am metadiaphys&auml;ren &Uuml;bergang des distalen Metatarsale und sie inseriert als fibrokartilagin&auml;re Struktur an der Basis der proximalen Phalanx in unmittelbarer Lagebeziehung zum phalangealen Gelenksknorpel. Sie hat eine durchschnittliche L&auml;nge von 2cm, eine Breite von 1cm und Dicke von 2&ndash;5mm. Weitere passive Stabilisatoren stellen die Seitenb&auml;nder dar, welche in das Ligamentum coll. proprius und das Ligamentum coll. accessorius unterteilt werden k&ouml;nnen, wobei Letzteres direkt in die plantare Platte &uuml;bergeht.</p> <h2>Pathophysiologie</h2> <p>Die Instabilit&auml;t des MTP kann durch eine Akutverletzung hervorgerufen werden, h&auml;ufiger ist es jedoch ein chronisch progredienter Prozess mit zunehmender Deformierung der Kleinzehe. Initial ist eine Synovitis pr&auml;sent, welche zu capsuloligament&auml;ren Affektionen f&uuml;hrt. Sie kann durch systemisch-entz&uuml;ndliche Erkrankungen oder mechanische Faktoren hervorgerufen werden. Relative &Uuml;berl&auml;nge der Metatarsalia, Insuffizienz des ersten Strahls durch Hallux valgus oder Hallux rigidus sowie Pes planovalgus k&ouml;nnen allesamt zu mechanischer &Uuml;berlastung des MTP mit resultierender Instabilit&auml;t f&uuml;hren. Diese Hypothese wird durch epidemiologische Untersuchungen gest&uuml;tzt, wonach 86 % der Patienten, die an diesem Krankheitsbild leiden, Frauen in der 6. Lebensdekade sind. Es ist davon auszugehen, dass das Tragen von Schuhen mit h&ouml;heren Abs&auml;tzen die mechanische &Uuml;berlastung bedingt.<br /> W&auml;hrend des Abdruckes in der Standphase kommt es zu einer Dorsalextensionsbewegung der proximalen Phalanx. Die plantare Platte, die Kollateralb&auml;nder und die intrinsischen Flexoren (Mm. interosseii, Mm. lumbricales) wirken dieser Kraft entgegen und ziehen die proximale Phalanx wieder in Neutralstellung. Kommt es zu einer Insuffizienz dieser Stabilisatoren, erw&auml;chst eine zunehmende dorsale oder dorsomediale Subluxationsstellung der Kleinzehe. Die aktive Dorsalextension im MTP wird durch die Streckhaube der Extensordigitorum- longus-Sehne bewirkt, da diese keine direkte Insertion an der proximalen Phalanx hat. Die aktive Plantarflexion bewirken der Flexor digitorum longus und der Flexor digitorum brevis, wobei diese relativ wenig Kraft entwickeln.</p> <h2>Klinik</h2> <p>Die Beschwerden k&ouml;nnen akut auftreten oder im Rahmen eines chronischen Geschehens. Am h&auml;ufigsten ist das MTP 2 betroffen. Das Punctum maximum der unter dem Sammelbegriff &bdquo;Metatarsalgie&ldquo; zusammengefassten Schmerzen befindet sich am plantaren Aspekt des MTP. Die Schmerzen sind belastungsassoziiert und es kann eine begleitende Schwellung der Region auftreten. In fortgeschrittenem Stadium wird auch eine Deformit&auml;t der Zehe pr&auml;sent. Typischerweise schiebt sich die betroffene Zehe &uuml;ber oder unter die benachbarten Zehen. Differenzialdiagnostisch kann es schwierig sein, zwischen L&auml;sionen der plantaren Platte und Morton-Neuromen zu unterscheiden. Bei Letzteren ist die Schmerzhaftigkeit v.a. bei dorsoplantarer Kompression des betroffenen Interspatiums zu provozieren, w&auml;hrend bei L&auml;sionen der plantaren Platte die dorsoplantare Translation des betroffenen Gelenks f&uuml;r den Patienten schmerzhaft ist.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Neben Anamnese und klinischer Untersuchung, bei welcher die dorsoplantare &bdquo;Schublade&ldquo; als Provokationstest einen wesentlichen Bestandteil darstellt, sind stehend belastete R&ouml;ntgenbilder des Fu&szlig;es in zwei Ebenen das bildgebende Verfahren der Wahl. Hierbei kann einerseits die Subluxationsstellung, andererseits die koronare Deformit&auml;t objektiviert werden. Letztere kann auch durch angul&auml;re Messmethoden quantifiziert werden. Um die Integrit&auml;t der plantaren Platte in fr&uuml;hen Stadien zu beurteilen, kann eine Magnetresonanztomografie durch erfahrene Befunder hilfreich sein. Dabei sollte allerdings eine Feldst&auml;rke von 3 Tesla zur Anwendung kommen.</p> <h2>Konservative Therapie</h2> <p>In Anfangsstadien der &bdquo;crossover toe&ldquo; k&ouml;nnen plantarisierende Tapeverb&auml;nde f&uuml;r 4&ndash;6 Wochen eine zielf&uuml;hrende Therapie darstellen (Abb. 1). Das Ziel des Verbandes ist es, eine suffiziente Narbenheilung in Neutralstellung zu gew&auml;hrleisten. Zus&auml;tzlich sollten Einlagen mit retrokapitaler Pelotte, physikalische Ma&szlig;nahmen und Physiotherapie &ndash; nach einer anf&auml;nglichen Phase der Ruhigstellung mittels Tape-Verband &ndash; Anwendung finden. Intraartikul&auml;re Injektionen mit Kortikoid und Lokalan&auml;sthetikum sollten zur&uuml;ckhaltend und keinesfalls repetitiv appliziert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s71_abb1.jpg" alt="" width="684" height="1150" /></p> <h2>Operative Therapie</h2> <p>Die M&ouml;glichkeiten aktueller operativer Therapiekonzepte inkludieren Weichteilverfahren am MTP, direkte Naht der plantaren Platte, Sehnentransfers und Metatarsalosteotomien. Sie finden je nach Stadium isoliert oder kombiniert Anwendung. Die Wahl des Verfahrens orientiert sich am Ausma&szlig; der L&auml;sion (Abb. 2), der klinischen Instabilit&auml;t sowie an Begleitpathologien im Sinne von Deformit&auml;ten. Coughlin et al haben basierend auf arthroskopischen Befunden der Rissmorphologie der plantaren Platte einen Algorithmus empfohlen, der als Orientierungshilfe gelten kann (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s71_abb2.jpg" alt="" width="684" height="1233" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s71_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="635" /></p> <h2>Weichteilverfahren</h2> <p>Das Ziel dieser Techniken ist es, die kontrakten dorsalen artikul&auml;ren und periartikul&auml;ren Weichteilstrukturen zu l&ouml;sen und damit zur Stellungskorrektur der Zehe beizutragen. Als einzelne Techniken sind in diesem Zusammenhang die Verl&auml;ngerung der Extensor-digitorum-longus- Sehne, der Release der dorsalen Gelenkskapsel des MTP zur Korrektur der sagittalen Deformit&auml;t und der Release kontrakter Kollateralb&auml;nder zur Korrektur der koronaren Deformit&auml;t zu nennen.</p> <h2>Direkte Naht der plantaren Platte</h2> <p>Bei entsprechendem L&auml;sionstyp kann eine direkte Naht der plantaren Platte durchgef&uuml;hrt werden. Die traditionelle Technik ist die Naht &uuml;ber einen plantaren Zugang. Bei Zuhilfenahme von Spezialinstrumenten kann allerdings auch ein dorsaler Zugang angewandt werden. Dabei wird ein Spezialspreizer eingesetzt. Ferner kann zur Verbesserung der Visualisierung bei kontrakten Verh&auml;ltnissen eine Weil- Osteotomie addiert werden. Dabei wird das Kopffragment tempor&auml;r stark proximalisiert, um die plantare Platte darzustellen. Im Anschluss wird die plantare Platte an ihrem Ursprung mittels Raspatorium (z.B. McGlamry) mobilisiert. In weiterer Folge erfolgen gegebenenfalls ein komplettes Abl&ouml;sen an der Insertion im Bereich der proximalen Phalanx und das Fassen mittels Spezialinstrumenten (z.B. MiniScorpio, Fa. Arthrex; Viper, Fa. Arthrex; HATTRICK, Fa. Smith &amp; Nephew) und Armieren mittels Faden. Es werden nun im Bereich der proximalen Phalanx Bohrkan&auml;le angelegt, der Faden wird von plantar nach dorsal gef&uuml;hrt und dorsal unter Ber&uuml;cksichtigung der entsprechenden Spannungsverh&auml;ltnisse verkn&uuml;pft (Abb. 4).<br /> Die in der Literatur berichteten Ergebnisse erscheinen vielversprechend, wobei das Verfahren technisch aufwendig ist und je nach definitiver Methode aufgrund des materiellen Aufwandes die Frage nach der Kosteneffektivit&auml;t gestellt werden muss.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s71_abb4.jpg" alt="" width="684" height="1067" /></p> <h2>Sehnentransfers</h2> <p>Sehnentransfers k&ouml;nnen sowohl zur Korrektur der koronaren als auch der sagittalen Deformit&auml;t und somit auch zur dorsoplantaren Stabilisierung eingesetzt werden. Um die koronare Deformit&auml;t zu adressieren, wird die Sehne des Musculus extensor digitorum brevis 4cm proximal des Gelenkspalts abgesetzt und auf der Gegenseite der Deviationsrichtung der Zehen unter dem Ligamentum metatarsale transversum, welches als Hypermochleon dient, durchgef&uuml;hrt. Im Anschluss kann sie mit dem proximalen Stumpf vern&auml;ht oder aber transoss&auml;r fixiert werden.<br /> Zur sagittalen Stabilisation dient der Flexor-pro-Extensor-Transfer (Girdlestone- Tailor, Abb. 5). In der Originaltechnik wird hierbei die Flexor-digitorum-longus- Sehne an der Planta pedis auf H&ouml;he des MTP mobilisiert und distal des distalen Interphalangealgelenks abgesetzt. In weiterer Folge wird sie in zwei Schenkel geteilt, welche an der proximalen Phalanx nach dorsal gef&uuml;hrt und mit dem Streckapparat in Korrekturstellung vern&auml;ht werden. In modifizierter Technik kann die Sehne in toto durch einen zentralen Bohrkanal der proximalen Phalanx gef&uuml;hrt und mittels Interferenzschraube fixiert werden. Dies bietet den Vorteil einer stabileren Fixation und es wird auch eine Irritation des Lymphabflusses respektive eine Weichteilschwellung durch die Schenkel vermieden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s71_abb5.jpg" alt="" width="892" height="1481" /></p> <h2>Metatarsalosteotomien</h2> <p>Hierbei kann die traditionelle Weil- Osteotomie als isoliertes Verfahren oder als Zusatzeingriff Anwendung finden. Es ist in diesen F&auml;llen allerdings wichtig, eine Plantarisierung in jedem Fall zu vermeiden, da durch die Insuffizienz der plantaren Strukturen des MTP das Rotationszentrum des Metatarsalk&ouml;pfchens angehoben werden muss. Dies kann durch m&ouml;glichst flache Schnittf&uuml;hrung und Entnahme einer 1&ndash;2mm haltenden Scheibe gew&auml;hrleistet werden.<br /> Bei milder Auspr&auml;gung haben auch distale metaphys&auml;re Metatarsalosteotomien (DMMO) einen Stellenwert. Diese werden minimal invasiv via Stichinzision und Spezialfr&auml;sen durchgef&uuml;hrt. Es erfolgt keine Fixation der Osteotomie. Die Verk&uuml;rzung/ Hebung des Metatarsalk&ouml;pfchens erfolgt selbstadjustiert aufgrund der Ligamentotaxis. Bis zu welchem Ausma&szlig; der &bdquo;crossover toe&ldquo; diese Methode als isolierter Eingriff zu ad&auml;quaten Ergebnissen f&uuml;hrt, ist aktuell bei geringer Datenlage noch nicht gekl&auml;rt.</p> <h2>Eigener Algorithmus</h2> <p>Das eigene Vorgehen zur operativen Therapie dieser Krankheitsbilder orientiert sich am Ausma&szlig; von Deformit&auml;t und Instabilit&auml;t. In Anfangsstadien bei geringer Deviation wird der Deformit&auml;t mit minimal invasiven DMMO begegnet. In fortgeschrittenen Stadien erfolgt eine direkte Naht der plantaren Platte beziehungsweise, wenn dies nicht mehr m&ouml;glich, ein Flexor-pro-Extensor-Transfer mit Interferenzschraubenfixation. Zu den offenen Verfahren kommen eine Weil-Osteotomie und ein dorsales Release. Die Nachbehandlung umfasst die Versorgung mittels Hallux-valgus-Schuh f&uuml;r 4&ndash;6 Wochen und plantarisierender Tapeverb&auml;nde.</p></p>
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