<p class="article-intro">Kurzer Leitfaden für die strukturelle Herangehensweise an die Behandlung des Parkinsonpatienten mit Rückenproblemen. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Rückenprobleme bei Parkinsonpatienten müssen strukturell und multidisziplinär angegangen werden.</li> <li>Die Behandlung beginnt mit der Optimierung des Allgemeinzustands des Patienten.</li> <li>Abhängig von der Pathologie und dem Behandlungswunsch des Patienten kann eine weitere konservative oder chirurgische Behandlung durchgeführt werden.</li> <li>Das Gleichgewicht der Wirbelsäule muss bei der chirurgischen Behandlung mehr denn je berücksichtigt werden.</li> </ul> </div> <p>Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die weltweit rund 4,1 Millionen Menschen betrifft. Allein in Deutschland leiden ca. 250 000–280 000 Menschen an der Parkinsonkrankheit. Dabei ist anzunehmen, dass sich die Zahl der Betroffenen in Anbetracht des schnell fortschreitenden demografischen Wandels bis zum Jahr 2030 verdoppeln wird.<sup>1</sup> Eine besondere medizinische Herausforderung steht bevor. <br /> Patienten mit Morbus Parkinson leiden häufig an einer gestörten Körperhaltung, welche auf eine Störung der für die aufrechte Haltung erforderlichen Reflexe sowie auf altersabhängige Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen ist.<sup>2, 3</sup> Myofasziale Überlastung und konsekutive Muskelatrophie führen oft zu einer progressiven Haltungsinstabilität, die mit der Dauer und Schwere der Erkrankung zunimmt.<sup>4, 5</sup> Zusammen mit der für die Parkinsonkrankheit typischen Gang- und Gleichgewichtsstörung mit damit in Zusammenhang stehenden Stürzen und sturzbedingten Verletzungen kommt es häufig zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität.<sup>6–8</sup><br /> Für Wirbelsäulenchirurgen stellt sich die Parkinsonkrankheit in der Regel als neuromuskuläre Störung bei älteren Patienten dar, die eine leichte bis schwere Haltungsstörung aufweisen. Beschwerden infolge einer oft kombiniert vorliegenden sagittalen und koronaren Imbalance, gepaart mit den durch degenerative Instabilität und Grundtremor akzelerierten Diskopathien und Spondylarthrosen, führen nicht selten zu einem hohen Leidensdruck bei den betroffenen Patienten. Neurologische Defizite als Folge einer degenerativen Vertebrostenose komplettieren das Gesamtbild des Wirbelsäulenleidens beim Parkinsonpatienten.<sup>6, 8</sup><br /> Ein Drittel aller Parkinsonpatienten zeigt das Bild einer Deformität. Ein signifikanter Anteil davon weist eine schwerere spinale Deformität auf, welche mit negativen Folgen für die Lebensqualität einhergeht.<sup>2, 6</sup> Die häufigste Deformität ist die klassische gebeugte Simian-Haltung. Andere häufige Arten von Deformitäten sind Kamptokormie, Antecollis, Pisa-Syndrom (eine Rumpfdeviation in der koronaren Ebene) und Skoliose, vornehmlich der Lendenwirbelsäule. Dabei können Deformitäten struktureller oder nichtstruktureller Art unterschieden werden. Bei einer nicht-strukturellen Deformität kann sich der Patienten auf Aufforderung im Stand aktiv aufrichten oder korrigiert sich in Rückenlage (Abb. 1). Darüber hinaus kann es zu spinalen Kompressionssyndromen kommen, wobei anzumerken ist, dass diese beim Parkinsonpatienten ebenso ohne eine spinale Deformität häufig auftreten können (Abb. 2).<sup>3</sup><br /> Aufgrund der Komplexität der Erkrankung, ihrer Nebenerscheinungen und Folgen für die Integrität der Wirbelsäule erfordern Rückenprobleme bei Parkinsonpatienten immer einen krankheitsspezifischen Ansatz. Leider ist die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema knapp, was bedeutet, dass eine strukturelle Herangehensweise an diese Patienten eine zusätzliche Herausforderung für den Arzt darstellt. Dieser Artikel dient darum als kurzer Leitfaden für die strukturelle Herangehensweise an den Parkinsonpatienten mit Rückenproblemen.<br /> Bei einer strukturellen Analyse der Rückenprobleme bei Parkinsonpatienten müssen Aspekte der Neurologie, Rehabilitationsmedizin sowie Wirbelsäulenchirurgie betrachtet werden. Essenziell sind die spezifische Diagnose der Wirbelsäulenerkrankung und zudem die optimale pharmakologische Einstellung des Parkinsonpatienten. Hierauf aufbauend können eine konzentrische Behandlung aus konservativ-orthopädischer Medizin, physikalischer Rehabilitation, neurologisch-medikamentöser Therapie und Wirbelsäulenchirurgie in einem personenbezogenen Behandlungsplan miteinbezogen und wenn möglich miteinander verknüpft werden. Denn obwohl das Komplikationsrisiko einer Wirbelsäulenoperation in dieser Gruppe hoch ist, ist auch die Patientenzufriedenheit bei erfolgreicher Adressierung der Hauptprobleme der Patienten in dieser Population hoch.<sup>3, 8–10</sup> Dies kann sicherlich damit zusammenhängen, dass Rückenprobleme und Deformitäten in dieser Patientengruppe mit grossem Leid verbunden sind.<sup>6</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s20_abb1_bilsen.jpg" alt="" width="550" height="365" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s21_abb2_bilsen.jpg" alt="" width="250" height="342" /></p> <h2>Diagnostik und Beurteilung</h2> <p>Die Diagnosestellung bei Parkinsonpatienten mit Rückenproblemen beginnt mit einer gründlichen Anamnese, welche sich in erster Linie auf die Symptome konzentriert, aber zugleich auch die Bedürfnisse und Erwartungen des Patienten mit einbezieht. Dies kann als Baustein für die weitere Diagnose und Entscheidungsfindung dienen. Anschliessend sollte eine gründliche neurologische Untersuchung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf ein Kompressionssyndrom im Rücken sollte eine gezielte MRT gemacht werden. Im Falle einer klinisch signifikanten Deformität muss sich die körperliche Untersuchung auch auf die Starrheit der Deformität konzentrieren.<sup>3</sup> Hierbei ist zu beachten, dass sowohl eine Deformität als auch gleichzeitig ein Kompressionssyndrom vorliegen kann.<sup>3</sup></p> <h2>Konservative und neurologische Behandlung</h2> <p>Der erste Schritt im Behandlungsprozess ist die optimale pharmakologische Einstellung des Parkinsonpatienten. Hierzu gehört nicht nur die neurologische Behandlung des Morbus Parkinson, sondern ebenso eine adäquate Schmerztherapie zur Linderung von Schmerzen infolge von sagittaler Imbalance, Spondylarthrosen, Diskopathie und Vertebrostenose. Allein hierdurch kann es zu einer deutlichen Verbesserung der Mobilität kommen.<br /> In den wenigen bisher publizierten Studien zu diesem Thema wurde jedoch kein Effekt einer optimalen pharmakologischen Einstellung auf eine bereits vorliegende Deformität nachgewiesen.<sup>11–13</sup> Die Erfahrungen im Umgang mit Parkinsonpatienten widersprechen hier der älteren publizierten Datenlage: Sehr wohl können durch eine optimierte pharmakologische Einstellung des Morbus Parkinson sowie eine gute Schmerztherapie eine Haltungsbesserung, verbesserte Mobilität und somit bereits eine Reduktion des Leidensdrucks der Patienten erreicht werden. Die ganzheitliche Behandlung beginnt daher allzeit mit der Optimierung der medikamentösen Einstellung, da bereits hierdurch die Lebensqualität verbessert werden kann. <br /> Eine weitere konservative Behandlung kann angewendet werden, wenn eine Deformität nicht starr ist und von einem myelopathischen Bild keine Rede ist. Eine Optimierung der Medikation ist auch beim Pisa­-Syndrom obligatorisch, da dieses vermehrt mit dem Einsatz von Neuroleptika, Antiemetika und/oder Cholinesterasehemmern verbunden ist. Die Erstbehandlung in diesem Fall besteht daher auch in einer medizinischen Anpassung.<sup>11</sup><br /> Eine andere konservative Behandlungsoption kann die Verabreichung von Botulinumtoxin-Injektionen in die Bauchmuskulatur sein. Die in der begrenzten Literatur beschriebene Wirkung ist variabel und nicht optimal reproduzierbar.<sup>13</sup> Die Verabreichung von Botulinumtoxin in die Iliopsoas-Muskulatur erscheint nicht sinnvoll.<sup>14</sup><br /> Bevor eine Operation in Erwägung gezogen wird, sollte der Parkinsonpatient auch eine Überweisung für eine intensivierte Physiotherapie und idealerweise eine stationäre Rehabilitation erhalten. Dies dient auch im Sinne einer präoperativen Konditionierung (Stichwort «präoperative Rehabilitation») der Optimierung von Stand- und Gangkoordination, der Aufdehnung von bereits progredienten Kontrakturen, der Steigerung der kardiologischen Belastungsreserve und dem Erlernen von Bewegungs-, Übungs- und Trainingsmustern, welche dem Patienten dann auch nach einer grossen Korrekturoperation nicht mehr fremd sind. Das präoperative Anpassen von Ganghilfen und die Gewöhnung daran gehören ebenso zu den Grundlagen einer vernünftigen präoperativen Planung beim Patienten mit Morbus Parkinson und fortgeschrittener Deformität der Wirbelsäule.<sup>15</sup><br /> Im Falle eines radikulären Syndroms oder einer neurogenen Claudicatio kann, wie auch bei Patienten ohne Mb. Parkinson, eine gezielte Schmerztherapie in Betracht gezogen werden. Bei einem myelopathischen Bild ist eine konservative Therapie nicht angezeigt. Bei einer unzureichenden Wirkung konservativer Behandlungen sollte der Patient an einen spezialisierten Wirbelsäulenchirurgen überwiesen werden, welcher nebst spinaler Erfahrung in der Deformitätenchirurgie auch die notwendige Infrastruktur zur Behandlung perioperativer Herausforderungen und Komplikationen bei Mb. Parkinson anbieten kann.</p> <h2>Chirurgische Behandlung</h2> <p><strong>Indikation zur chirurgischen Behandlung </strong><br /> Ein Parkinsonpatient kann wegen begrenzter Haltungsveränderungen, Stenosen der Wirbelsäule, die zu Kompressionssyndromen führen, oder einer Kombination aus beidem für eine chirurgische Behandlung in Betracht kommen. Es ist jedoch wichtig, zu erkennen dass diese Patientenkategorie medizinisch sehr komplex ist und dass Rückenprobleme in dieser Gruppe multifaktorieller Genese sein können.<sup>2, 3</sup> Dies erfordert einen krankheitsspezifischen Ansatz und eine gute Patientenauswahl.<sup>8</sup><br /> Der Chirurg und der Patient müssen bei der Indikation erkennen, dass eine Wirbelsäulenoperation bei Parkinsonpatienten mit einer höheren Komplikationsrate verbunden ist als eine Wirbelsäulenoperation bei Patienten ohne Parkinson.<sup>16</sup> Die Parkinsonkrankheit führt zu einem erhöhten Risiko für postoperative Komplikationen, einschliesslich kardialer, urogenitaler und neurologischer Komplikationen, akuten Blutverlusts, Blutarmut und des damit verbundenen Bedarfs an Bluttransfusionsprodukten. Es gibt auch ein erhöhtes Risiko für Reoperationen.<sup>16–18</sup> Diese Komplikationsraten sind in Tabelle 1 aufgeführt.<sup>8–10, 16, 18, 19</sup> <br /> Der Eckpfeiler der chirurgischen Indikation sollte eine Kombination aus Therapiewunsch seitens des Patienten und den zu erwartenden Ergebnissen und Komplikationen sein. Das Ziel der Behandlung ist die Linderung der Symptome und kann darin bestehen, die Mobilität zu erhöhen und die Schmerzen zu lindern. <br /> Die Deformität bei der Parkinson-Krankheit ist progressiv, auch gibt es in der Literatur immer mehr Hinweise darauf, dass ein Parkinsonpatient seiner zunehmenden Deformität weniger Kompensationsmechanismen entgegensetzen kann, als dies bei Patienten mit adulter spinaler Deformität ohne Mb. Parkinson der Fall ist.<sup>3</sup> Daher ist die Analyse des sagittalen Gleichgewichts und seiner Kompensationsmechanismen für einen chirurgischen Behandlungsplan unerlässlich.<sup>8</sup> Wenn der Patient eine normale sagittale Balance aufweist, dann reicht eine kurzstreckige und gezielte Operation aus (Abb. 2). Wenn jedoch ein sagittales Ungleichgewicht und eine Deformität vorliegen, ist eine kurzstreckige Behandlung oder Instrumentierung kontraindiziert. Die Ergebnisse der Literatur haben gezeigt, dass bei kurzstreckiger chirurgischer Intervention beim Patienten mit sagittaler und/oder koronarer Imbalance die Komplikationsraten erhöht sind.<sup>8–10</sup> Eine Korrektur zur Wiederherstellung der Bilanz ist dann obligatorisch (Abb. 3 und 5).<br /> Die Einteilung der Symptomschwere beim Mb. Parkinson nach dem Hoehn- Yahr-Score korreliert nicht nur mit dem Grad der Deformität, sondern auch mit dem Erfolg der Operation. Je höher der Hoehn-Yahr-Score präoperativ ist, desto grösser ist jedoch auch das Risiko für postoperative Komplikationen.<sup>5, 19</sup> Die präoperative Erfassung des Scores ist als Bezugspunkt im Rahmen einer Langzeitbehandlung der Parkinsonpatienten sinnvoll. So kann auch bei Mb. Parkinson und geringer Symptomschwere einer adulten spinalen Deformität strategisch geplant und operativ korrigiert werden wie bei Patienten ohne Mb. Parkinson (Abb. 6). <br /> Die operative Wiederherstellung der sagittalen und frontalen Statik ist erforderlich, um ein gutes und nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Vor diesem Hintergrund muss eine Bewertung vorgenommen werden, die Erwartungen an die Patienten festgelegt und ein Behandlungsplan erstellt werden, der nicht nur den Operationsplan, sondern auch den prä- und postoperativen Verlauf umfasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s21_abb3_bilsen.jpg" alt="" width="550" height="444" /> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s22_abb4_bilsen.jpg" alt="" width="800" height="333" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s23_abb5_bilsen.jpg" alt="" width="550" height="396" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s24_abb6_bilsen.jpg" alt="" width="800" height="305" /></p> <p><strong>Präoperative Planung</strong><br /> Freilich muss vor der Operation eine umfangreiche Diagnostik durchgeführt werden. Diese besteht aus Röntgenaufnahmen der gesamten Wirbelsäule in aufrechter Position von lateral und ap. Darüber hinaus erfolgt eine MRT-Untersuchung der spinalen Achse von C0 bis S1. Skip-Stenosen, kombiniert thorakolumbal und zervikal, liegen beim Patienten mit adulter spinaler Deformität in einem Drittel der Fälle vor.<sup>2</sup> Diese Rate ist bei den Parkinsonpatienten erhöht. Insbesondere bei anstehenden langen thorakolumbosakralen Operationen sollte daher das Vorliegen einer gegebenenfalls noch asymptomatischen zervikalen Stenosesituation erkannt und in Abhängigkeit vom Schweregrad diese ggf. sogar operativ saniert werden. Eine CT-Diagnostik definiert das Ausmass der knöchernen Stenose-Anteile sowie die Rigidität der Gelenke und der ventralen Säule. Dies dient der Beurteilung des notwendigen Ausmasses des intraoperativen Re lease mit dem Ziel, eine Flexibilität der knöchernen Elemente herzustellen, aber auch zur Beurteilung der Fusionschance in jedem Segment. Es ist wichtig zu wissen, dass Parkinsonpatienten – aufgrund von Unbeweglichkeit, Bewegungsmangel, Vitaminmangel, reduzierter Muskelkraft und geringem Körpergewicht – eine geringere Knochendichte haben als gesunde Gleichaltrige. Zudem kann Levodopa eine Hyperhomocysteinämie auslösen, die ein unabhängiger Risikofaktor für Osteoporose ist.<sup>3, 20, 21</sup> Daher sollte bei geplanter Instrumentierung eine quantitative Computertomografie (Q-CT) durchgeführt und die operative Therapie erst geplant werden, wenn eine adäquate Knochentherapie für mindestens 3 Monate eingeleitet ist. Der Autor empfiehlt hierbei ein eher aggressives medizinisches Vorgehen, da eine Verbesserung der Knochenqualität präoperativ eine deutliche Stütze in der Vermeidung postoperativer mechanischer Komplikationen darstellen kann.<br /> Parkinsonpatienten haben häufig mehrere Risikofaktoren für die Entwicklung eines Delirs. Daher wird empfohlen, vorbeugend und beratend einen Geriater, Neurologen oder Psychiater zu konsultieren.<sup>22</sup> Zur präoperativen Vorbereitung gehört auch die Verbesserung des Gesamtzustands des Parkinsonpatienten, wie oben bereits beschrieben. Die Patienten sollten optimal an die Medikation angepasst sein, eine diätetische Reduktion von Risikofaktoren sollte erreicht sein (z. B. HbA<sub>1</sub>-Reduktion, BMI-Reduktion) und der Allgemeinzustand, die Muskelkraft und die Gehstrecke im Rahmen einer Rehabilitation sollen optimiert werden.<br /> In Abhängigkeit von der Schwere neurologischer Symptome des Mb. Parkinson sollte eine «deep brain stimulation» (DBS) als eine präoperative Therapieoption mit nachweislich geringerer Komplikationsrate im Rahmen der chirurgischen Behandlung von Wirbelsäulenproblemen bei Parkinsonpatienten erwähnt werden. DBS ist eine Option im Fall einer nicht starren Deformität ohne das Auftreten einer neuralen Kompression. Nach bilateraler Stimulation des Nucleus subthalamicus ist eine gewisse Besserung zu erwarten, eine vollständige Wiederherstellung des Gleichgewichts ist jedoch in der Literatur nicht beschrieben.<sup>6, 23</sup> Bei Einlage von DBS gilt es, intraoperativ den Einsatz z.B. von elektrischen Geräten am Patienten (monopolare Koagulation) mit der individuellen Gerätecharakteristik der DBS abzustimmen. Alternativen zur Weichteildissektion sind auf dem Medizinmarkt erhältlich.</p> <p><strong>Chirurgische Behandlung</strong><br /> Die wirbelsäulenchirurgischen Möglichkeiten hängen vom Gleichgewicht der Wirbelsäule eines Patienten ab. Bei Parkin sonpatienten ist es wichtig, eine für den Patienten individualisierte korrekte sagittale Balance und eine optimale koronare Balance einzustellen. Eine sagittale Überkorrektur sollte tunlichst vermieden werden (Abb. 4).<br /> Bei Vorliegen eines fokalen Problems, z.B. Vertebrostenose (Abb. 2), und erhaltener Statik in der sagittalen und koronaren Ebene kann eine kurze fokale Operation ausreichen sein.<sup>19</sup> Wenn bereits eine erhebliche Deformität und Imbalance bestehen, ist es notwendig, diese zu beseitigen. Moon et al. zeigten in ihrer Serie, dass eine kurze lumbale Fusion enttäuschende Ergebnisse liefert, teilweise aufgrund des Fortschreitens der sagittalen Imbalance, mechanischer Komplikationen postoperativ und der damit verbundenen Beschwerdesymptomatik (Abb. 4).<sup>24</sup> Andere Studien haben gezeigt, wie wichtig es ist, einer kombinierte sagittale und koronare Balance beim Parkinsonpatienten im Rahmen einer langstreckigen Korrekturspondylodese wiederherzustellen – dies im Hinblick auf Vermeidung kurz- und langfristiger Komplikationsraten sowie auf eine erreichbare hohe Patientenzufriedenheit in bis ca. 75 % der Fälle.<sup>3, 8–10</sup><br /> Ein Versuch, die perioperative Komplikationsrate so niedrig wie möglich zu halten, sollte immer unternommen werden. Die Erfahrung der Autoren zeigt, dass eine gute präoperative Vorbereitung die Komplikationsrate und die Erfolgschance positiv beeinflusst. Anzumerken bleibt, dass die intra- und postoperative Expertise der anästhesiologischen Behandlungsteams insbesondere beim Parkinsonpatienten einen signifikanten Einfluss auf das individuelle Outcome nehmen kann. Empirisch besteht bei Anästhesisten und Chirurgen Konsensus, dass Narkoseführung sowie Blut-, Gerinnungs- und Fluid-Management beim betagten und medizinisch vorbelasteten Parkinsonpatienten eine besondere Herausforderung darstellen können. Eine entsprechende Teamausrichtung vor einer geplanten Parkinsonoperation kann daher einen wichtigen Behandlungsschritt darstellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1904_Weblinks_lo_ortho_1904_s22_abb4_bilsen.jpg" alt="" width="700" height="291" /></p> <h2>Postoperative Behandlung</h2> <p>Neben der üblichen postoperativen Versorgung von Patienten nach Wirbelsäulen- und Deformitätsoperationen muss bei diesen Patienten ein besonderes Augenmerk auf die medikamentöse Behandlung und Delirprävention gelegt werden. Fehlt es an umfangreicher Erfahrung in der chirurgischen Abteilung, dann sollten Geriater und/oder Neurologen in die postoperative Behandlung einbezogen werden. Mobilisierung und Rehabilitation müssen so schnell wie möglich eingeleitet werden.</p> <h2>Schlussfolgerungen</h2> <p>Wirbelsäulenprobleme bei Parkinsonpatienten sind häufig und gehen mit einem hohen Leidensdruck sowie einem Verlust an Lebensqualität einher. Ein systematischer Ansatz ist angesichts der Komplexität dieser Patientenkategorie und des multifaktoriellen Charakters dieses Problems angezeigt. Nach einer optimalen konservativen Behandlung und Vorbereitung kann eine Wirbelsäulenchirurgie in Betracht gezogen werden, bei der es wichtig ist, eine gute sagittale Balance zu erreichen, um ein positives Ergebnis mit möglichst wenigen Komplikationen zu erzielen.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Berg D, Ebersbach G: Von der Forschung in die Klinik: Die Deutsche Parkinson Gesellschaft mit neuer Präsenz im Web. https://www.parkinson-gesellschaft.de/ aktuelles/36-von-der-forschung-in-die-klinik-die-deutsche-parkinson-gesellschaft-mit-neuer-praesenz-im-web. html (October 13, 2019) <strong>2</strong> Doherty KM et al.: Postural deformities in Parkinson’s disease. Lancet Neurology 2011; 10(6): 538-49 <strong>3</strong> Galbusera F et al.: Surgical treatment of spinal disorders in Parkinson’s disease. Eur Spine J 2018; 27(Suppl 1): 101-8 <strong>4</strong> Oh JK et al.: Sagittal spinopelvic malalignment in Parkinson disease: prevalence and associations with disease severity. Spine 2014; 39(14): 833-41 <strong>5</strong> Bissolotti L et al.: Sagittal balance is correlated with Parkinson’s disease clinical parameters: an overview of spinopelvic alignment on 175 consecutive cases. Eur Spine J 2017; 26: 471-8 <strong>6</strong> Benatru I et al.: Postural disorders in Parkinson’s disease. Neurophysiologie Clinique 2008; 38(6): 459-65<strong> 7</strong> Boonstra TA et al.: Gait disorders and balance disturbances in Parkinson‘s disease: clinical update and pathophysiology. Curr Opin Neurol 2008; 21(4): 461-71 <strong>8</strong> Koller H et al.: Spinal surgery in patients with Parkinson‘s disease: experiences with the challenges posed by sagittal imbalance and the Parkinson‘s spine. Eur Spine J 2010; 19(10): 1785-94 <strong>9</strong> Bouyer B et al.: Evolution and complications after surgery for spine deformation in patients with Parkinson‘s disease. Orthop Traumatol Surg Res 2017; 103(4): 517-22 <strong>10</strong> Bourghli A et al.: Posterior spinal fusion from T2 to the sacrum for the management of major deformities in patients with Parkinson disease: a retrospective review with analysis of complications. J Spinal Disord Tech. 2012; 25(3): E53-60 <strong>11</strong> Upadhyaya CD et al.: Spinal deformity and Parkinson disease: a treatment algorithm. Neurosurg Focus 2010; 28(3): 17<strong> 12</strong> Bloch F et al.: Parkinson’s disease with camptocormia. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2006; 77(11): 1223-8 <strong>13</strong> Azher SN, Jankovic J: Camptocormia: pathogenesis, classification, and response to therapy. Neurology 2005; 65(3): 355-9 <strong>14</strong> Zaman Q, Khan M: The role of botulinum injection in Parkinson’s disease. 2019; 10.10.19080/OAJNN.2019.10.555792 <strong>15</strong> Schenkman M et al.: Exercise to improve spinal flexibility and function for people with Parkinson‘s dise ase: a randomized, controlled trial. J Am Geriatr Soc 1998; 46(10): 1207-16 <strong>16</strong> Baker JF et al.: In-hospital complications and resource utilization following lumbar spine surgery in patients with Parkinson disease: evaluation of the national inpatient sample database. World Neurosurg 2017; 106: 470-6 <strong>17</strong> Babat LB et al.: Spinal surgery in patients with Parkinson‘s disease: construct failure and progressive deformity. Spine 2004; 29(18): 2006-12 <strong>18</strong> Kimura H et al.: Lumbar spinal surgery in patients with Parkinson disease. Clin Spine Surg 2017; 30(6): E809-18 <strong>19</strong> Schroed er JE et al.: Lumbar spine surgery in patients with Parkinson disease. J Bone Joint Surg 2015; 97(20): 1661-6 <strong>20</strong> Pang MY, Mak MK: Trunk muscle strength, but not trunk rigidity, is independently associated with bone mineral density of the lumbar spine in patients with Parkinson‘s disease. Mov Disord 2009; 24(8): 1176-82<strong> 21</strong> van den Bos F et al.: Parkinson’s disease and osteoporosis. Age Ageing 2013; 42(2): 156-62 <strong>22</strong> Akbar U et al.: Perioperative management of Parkinson’s disease. Expert Rev Neurother 2017; 17(3): 301-8 <strong>23</strong> Chieng LO et al.: Deep brain stimulation as a treatment for Parkinson‘s disease related camptocormia. J Clin Neurosci 2015; 22(10): 1555-61 <strong>24</strong> Moon BJ et al.: Prevalence and type of cervical deformities among adults with Parkinson‘s disease: a cross-sectional study. J Neurosurg Spine 2016; 24(4): 527-34</p>
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