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Dynamische Hüftschraube versus intramedulläre Versorgung bei einfachen pertrochantären Frakturen
Jatros
Autor:
Dr. Dominik Roider
Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler, Wien E-Mail: dominik.roider@auva.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">In der Versorgung einfacher pertrochantärer Frakturen ist die Platzierung des Schenkelhalskraftträgers von entscheidender Bedeutung. Eine korrekte Lage im Femurkopf geht mit dem geringsten Risiko eines Cut-out einher. Diese Implantatposition ist jedoch nur durch eine vorhergehende adäquate Reposition erreichbar. Bisher konnte für keines der intramedullären Implantate eine Überlegenheit gegenüber der dynamischen Hüftschraube in der Versorgung von einfachen pertrochantären Frakturen bewiesen werden. Bei AO31A1.2-Frakturen bietet ein intramedulläres Implantat wahrscheinlich einen Vorteil, da die intramedulläre Lage der vermehrten mediolateralen Instabilität entgegenwirkt und aufgrund des kürzeren Tragarmes eine höhere Primärstabilität erreicht wird. Bei korrekter Durchführung des Operationszuganges ist die Morbidität sowohl für intramedulläre als auch für extramedulläre Implantate gering.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die pertrochantäre Fraktur des proximalen Femurs gehört mit einer Inzidenz von 100 bis 110/100.000 zu den häufigsten Frakturen des alten Menschen. Dies ergibt für Österreich jährlich etwa 8.800 zu versorgende Patienten. Bei einer durchschnittlichen stationären Behandlung von zwei Wochen stellt dies für das Gesundheitssystem eine gewaltige sozioökonomische Belastung dar. <br />Zur Versorgung von pertrochantären Frakturen wurden bereits Ende der 1930er-Jahre intramedulläre Implantate wie etwa der Y-Nagel von Küntscher entwickelt. Ab 1950 konnte mit der Entwicklung der dynamischen Hüftschraube (DHS), entstanden aus der Gleitlasche von Pohl, erstmalig eine mediolaterale Dynamik in der Versorgung pertrochantärer Frakturen berücksichtigt werden. Seit der Markteinführung von moderneren Implantaten wurden vielfach Studien durchgeführt, um eine Überlegenheit intramedullärer oder extramedullärer Implantate darzulegen. Obwohl für die intramedullären Implantate im Rahmen von biomechanischen Studien Vorteile im Modell gezeigt wurden, konnten diese Ergebnisse klinisch bisher nicht bestätigt werden.</p> <h2>Frakturen und Biomechanik</h2> <p>Pertrochantäre Frakturen werden im angloamerikanischen Raum mithilfe der Klassifikation nach Evans unterteilt. Im europäischen Raum ist die AO/OTA-Klassifikation nach Müller gebräuchlicher, welche diese Frakturen in drei Untergruppen einteilt: Die einfache AO31A1.1-Fraktur entspricht einer stabilen 2-Fragment-Fraktur mit einem proximalem Kopf-/Hals-Fragment und dem Oberschenkelschaftfragment. Bei der AO31A1.2-Fraktur kommt es zusätzlich zu einer Impaktierung des proximalen Kopf-/Hals-Fragmentes mit einer Medialisierung des Schaftes. Eine 2-Fragment-Fraktur mit Beteiligung des Trochanter minor wird als AO31A1.3 klassifiziert.<br /> Während bei der AO31A1.1-Fraktur eine alleinige mediolaterale Instabilität vorliegt, muss bei der AO31A1.2-Fraktur eine zusätzliche Varustendenz berücksichtigt werden. Die AO31A1.3-Fraktur ist aufgrund der Mitbeteiligung der medialen Abstützung (Trochanter minor) als instabil zu werten.<br /> Die laterale Wand ist bei den AO31A1-Frakturen definitionsgemäß nicht betroffen und bildet bei den bestehenden Kräfteverhältnissen am proximalen Oberschenkel eine zusätzliche Abstützung, die bei der Versorgung geschont werden muss. <br />Aufgrund dieser biomechanischen Voraussetzungen ist bei den nicht impaktierten Frakturen (AO31A1.1 und AO31A1.3) eine Stabilisierung in der Schenkelhals­achse ausreichend, während bei den AO31A1.2-Frakturen die Varustendenz mitbeachtet werden muss.</p> <h2>Versorgungsmöglichkeiten</h2> <p>Mit den am Markt erhältlichen extramedullären und intramedullären Implantaten ist eine Versorgung der 2-Fragment-Frakturen nach aktueller Studienlage sicher möglich. Was die Implantatauswahl betrifft, ist eine differenzierte präoperative Planung notwendig und eine genaue Kenntnis der Operationstechnik entscheidend, um ein optimales Behandlungsergebnis für den Patienten zu erreichen und implantatbezogene Fehler zu vermeiden. Zusätzlich sind eine präoperative klinische Begutachtung des Patienten sowie die Durchführung eines Beckenübersichtsröntgens Grundvoraussetzung, um Probleme beim Zugang zu erkennen. Bei sehr adipösen Patienten oder Patienten mit ausladendem Os ilium kann sich das Einbringen eines intramedullären Implantates kompliziert gestalten.<br />Für alle Implantate mit einem Schenkelhalskraftträger gilt, dass eine Frakturheilung nur bei korrekter Platzierung im Oberschenkelkopf möglich ist. Auch bei stabilen Frakturen kann es bei zyklischer Belastung bei dezentraler Lage im Oberschenkelkopf zum Cut-out kommen. Für eine zentrale Lage im Femurkopf – entsprechend einer „tip-apex distance“ (TAD) von <25mm – konnten im Rahmen von Studien die geringsten Cut-out-Raten gezeigt werden (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s62.jpg" alt="Abb. 1" width="2151" height="2921" /></p> <h2>Dynamische Hüftschraube (DHS)</h2> <p>Die DHS unterscheidet sich vom intramedullären Implantat für den Anwender vor allem durch den Zugangsweg zum proximalen Femur. Um eine niedrige Komplikationsrate zu erreichen, ist eine korrekte und weichteilschonende Präparation des Operationszuganges wichtig. Schonendes Splitting des Musculus vastus lateralis und exakte Blutstillung sind notwendig, um das Risiko einer postoperativen Hämatombildung zu minimieren. Durch die primäre Platzierung der Schenkelhalsschraube der DHS kann eine optimale Position im Oberschenkelkopf erreicht werden. Die Auswahl des richtigen CCD-Winkels des Zielgerätes und ein korrektes Anlegen desselben müssen hier beachtet werden, da sonst eine stabile Lage nicht erreicht werden kann oder es nach Anlegen der Platte zu einer distalen Lockerung kommen kann.</p> <h2>Intramedulläre Implantate</h2> <p>Bei den intramedullären Implantaten ergibt sich aufgrund des kleineren Zuganges ein geringeres Weichteiltrauma. Bei der primären Platzierung des Nagels ist auf eine genaue Positionierung des Eintrittspunktes zu achten, da ein zu weit lateral liegender Eintrittspunkt zu einer Verdrängung des medialen Kopf-/Hals-Fragmentes und zur varischen Verkippung führen kann (Abb. 2). Eine Beurteilung des Eintrittspunktes in der axialen Röntgenaufnahme ist ebenfalls relevant, da ein zu weit dorsal liegender Nagel nur einen nach ventral ansteigenden Schenkelhalsträger mit erhöhtem Cut-out-Risiko zulässt. Ein Ausbrechen des Trochanter major sollte nach Möglichkeit vermieden werden, um die laterale Abstützung und wichtige muskuläre Stabilisatoren zu erhalten.</p> <h2>Retrospektive Datenanalyse des UKH Lorenz Böhler</h2> <p>Bei einer retrospektiven Analyse von 240 Patienten der Jahre 2010 bis 2015 (171 Frauen, 69 Männer, medianes Alter 79,5 Jahre), bei denen im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus einfache pertrochantäre Frakturen (AO31A1) versorgt wurden, ergab sich eine Reoperationsrate von 5,4 % bei der DHS sowie von 4,2 % bei intramedullären Implantaten (Tab. 1). <br />Postoperative Hämatome traten bei der DHS und bei intramedullären Implantaten gleich häufig auf (insgesamt n=4). Die häufigste Komplikation war ein kraniales Cut-out bei falscher Positionierung des Schenkelhalsimplantates (insgesamt n=5). Bei einer Osteosynthese mit einem intramedullären Implantat kam es postoperativ zu einer distalen Schaftfraktur nach Problemen bei der distalen Verriegelung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s61.jpg" alt="Tab. 1" width="2151" height="2921" /></p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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