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Ein neuer Mitspieler: Vitamin K
Jatros
Autor:
Dr. Corina Ringsell
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">In der Osteoporosebehandlung ist die Kombination verschiedener Therapieansätze wichtig für den Erfolg. Grundlage ist die ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D. Aktuelle Studien zeigen, das auch Vitamin K eine entscheidende Rolle im Knochenstoffwechsel spielt und die Therapie unterstützen kann. </p>
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<p class="article-content"><p>In Österreich leiden etwa 700 000 bis 800 000 Menschen an einer Osteoporose, erklärte Prof. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, im Rahmen einer Pressekonferenz. Die Grundlage für die Knochendichte beim Erwachsenen werde bereits in der Kindheit gelegt: Viel Bewegung im Freien und eine ausgewogene, vitamin- und kalziumreiche Ernährung sind ausschlaggebend für gesunde Knochen beim Erwachsenen. Die Realität sieht laut Widhalm leider anders aus. Viele Kinder sitzen sehr viel – in der Schule sowie zu Hause am Computer – und ernähren sich ungesund mit zucker- und phosphathaltigen Lebensmitteln und Getränken. Dies schwächt die Knochen. Kommen dann noch Krankheiten wie eine Laktoseintoleranz, chronische Darmkrankheiten oder etwa eine Anorexia nervosa hinzu, kann dies zu einer sekundären Osteoporose führen.<br />Dies bestätigte Doz. Dr. Astrid Fahrleitner-Pammer, Tagungspräsidentin des Osteoporoseforums St. Wolfgang und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Knochen- und Mineralstoffwechsel. Es werde immer von den Herz-Kreislauf-Krankheiten als großer Volkskrankheit gesprochen, dabei sei die Osteoporose die Volkskrankheit Nummer 1, sagte sie. Das Tückische daran ist, dass sie schleichend fortschreitet und oft erst nach der ersten Fraktur entdeckt wird. Auch die Diagnostik sei nicht so einfach. Der Standard, die Knochendichtemessung, sei wichtig, aber eben nur eine „Krücke“, betonte Fahrleitner-Pammer. Die Knochendichtemessung zeigt ein zweidimensionales Bild. Da der Knochen jedoch ein dreidimensionales Gebilde ist, wird der wahre Zustand nur annähernd abgebildet. Viele Frakturen treten daher bereits auf, bevor die Knochendichte den kritischen Bereich erreicht.<br />Die derzeit verfügbaren medikamentösen Therapien hemmen entweder den Knochenabbau oder fördern den Knochenaufbau. Zu Ersteren gehören etwa die Hormonersatztherapie, Bisphosphonate oder Denosumab; zu Letzteren Teriparatid. Alle werden in Kombination mit Kalzium und Vitamin D verordnet. Oft befürchteten Patienten jedoch, dass durch die Einnahme von Kalzium Verkalkungen außerhalb der Knochen zunehmen und das Risiko für Nierensteine, Herzinfarkt oder Schlaganfall steigen könnte, so Fahrleitner-Pammer. Hier komme Vitamin K ins Spiel, das ebenfalls wichtig für ein gesundes Skelett sei. Es wird benötigt, um die sogenannten Gla-Proteine zu karboxylieren. Das Matrix-Gla-Protein (MGP) wird im Knorpelgewebe und vor allem in der Gefäßwand von glatten Gefäßmuskelzellen produziert und sezerniert. Wird es karboxyliert, dann bindet es Kalzium und hemmt die Kalziumablagerung in Geweben außerhalb des Skeletts. Das „Bone-Gla-Protein“ oder Osteocalcin wird dagegen vorwiegend im Knochen durch die Osteoblasten gebildet und ist dort verantwortlich für die Mineralisation. Osteocalcin wird durch Vitamin D reguliert.</p> <h2>Die Bedeutung von Vitamin K</h2> <p>Bereits 2007 untersuchten niederländische Wissenschaftler, ob eine hohe Vitamin-K-Zufuhr die Knochenmineralisierung verbessert. Sie randomisierten mehr als 300 gesunde postmenopausale Frauen im Alter von 55 bis 75 Jahren. Diese nahmen drei Jahre lang entweder 45mg Vitamin K2 pro Tag oder Placebo ein. Indikatoren für die Knochenstärke wurden aus Messungen der Knochendichte, der Femurhalsweite und der Länge der Hüftachse errechnet. Während die Knochendichte nicht beeinflusst wurde, verbesserten sich die Knochenmineralisierung und die Dicke des Femurhalses in der Vitamin-K-Gruppe. Gleichzeitig blieb die Stärke des Hüftknochens unverändert, während sie in der Placebogruppe signifikant abnahm.<sup>1</sup><br />Die niederländischen Forscher untersuchten in einer weiteren doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie Effekte einer Vitamin-K2-Substitution nicht nur an der Hüfte, sondern auch an der Wirbelsäule. Eingeschlossen waren mehr als 200 gesunde postmenopausale Frauen im Alter zwischen 55 und 65 Jahren, die drei Jahre lang entweder Vitamin K oder Placebo erhielten. Im Abstand von einem Jahr wurden wieder die genannten Parameter für die Knochenstärke bestimmt und zusätzlich das zirkulierende nicht karboxylierte (ucOC) sowie das karboxylierte Osteocalcin (cOC) gemessen. Dabei zeigten sich Verbesserungen des Knochenmineralgehaltes am Oberschenkel, wobei erste positive Effekte nach einem Jahr (vs. Placebo) zu erkennen waren. Nach drei Jahren war die Überlegenheit signifikant (p<0,05). Außerdem wurden eine Zunahme des Durchmessers des Oberschenkelhalses und damit eine Verbesserung der Knochengeometrie sowie der Belastbarkeit gemessen. An den Lendenwirbeln kam es zu einer Zunahme der Knochendichte.<sup>2</sup><br />Dass eine Vitamin-K-Gabe auch bei bereits bestehender Osteoporose positiv wirkt, zeigte eine kleine prospektive, randomisierte, einjährige Studie. Bei 48 postmenopausalen Osteoporosepatientinnen wurden die Effekte von Vitamin-K2-Substitution zusätzlich zur Behandlung mit dem Bisphosphonat Alendronat untersucht. Bisphosphonate hemmen zwar den Abbau des Knochens, beeinträchtigen jedoch gleichzeitig dessen Aufbau und Formation. Ergebnis: In der Gruppe, die zusätzlich Vitamin K eingenommen hatte, wurde cOC stimuliert und eine Zunahme der Knochendichte beobachtet. Diese war am Oberschenkelhals signifikant.<sup>3</sup></p> <h2>Gutes Team: Vitamin D und K</h2> <p>Fahrleitner-Pammer wies auf Beobachtungen hin, die eine höhere Inzidenz von Osteoporose bei Herzpatienten und umgekehrt der kardiovaskulären Erkrankungen bei Osteoporosepatienten zeigten. In einer aktuellen Übersichtsarbeit wurde das Zusammenspiel der Vitamine D und K für den Knochen und die kardiovaskuläre Gesundheit beleuchtet. Aus den Ergebnissen der analysierten Studien an Tieren und Menschen ziehen die Autoren den Schluss, dass die optimale Versorgung mit beiden Vitaminen vorteilhaft für die Knochen- und die kardiovaskuläre Gesundheit ist. Dies werde durch genetische, molekularbiologische und zelluläre Untersuchungen gestützt, hieß es. Ein Vitamin-K-Mangel bei gleichzeitiger Kalzium- und Vitamin-D-Gabe könne langfristig zu Kalkablagerungen im Weichteilgewebe und zu kardiovaskulären Krankheiten führen. Dies gelte besonders für Patienten, die Vitamin-K-Antagonisten wie Cumarine einnehmen müssen. Die Autoren fordern weitere klinische Studien, die das Zusammenspiel der beiden Vitamine untersuchen, um valide Empfehlungen für die Supplementation geben zu können.<sup>4</sup><br />Wie eine ausreichende Zufuhr von Vitamin K gelingt, erläuterte der Gynäkologe und Endokrinologe Prof. Johannes Huber. Die Gesellschaften für Ernährung in Österreich, Deutschland und der Schweiz geben in ihrer gemeinsamen Empfehlung eine tägliche Vitamin-K-Aufnahme von 60 bis 80µg an.<sup>5</sup> Das Vitamin kommt in zwei Formen vor: Vitamin K1 ist vor allem in grünen Gemüsesorten enthalten und wird hauptsächlich in der Leber gespeichert. Es ist ein Schlüsselfaktor für die Blutgerinnung. Vitamin K2 wird dagegen größtenteils durch Darmbakterien gebildet und im Dickdarm aufgenommen. Darüber hinaus kommt es in fermentierten Sojabohnen vor. Dies erklärt auch, warum beispielsweise Japaner, deren Ernährung traditionell reich an Soja ist, seltener osteoporosebedingte Knochenbrüche erleiden.<sup>6</sup> Eine Vitamin-K-Supplementation ist laut Huber immer dann sinnvoll, wenn zu wenig funktionsfähiges Vitamin K im Körper vorhanden ist, und außerdem empfehlenswert bei Patienten, die an Osteoporose oder Arteriosklerose leiden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Aktuelle Ergebnisse der Osteoporoseforschung. Vitamin K – der neue Knochenschützer?“ Pressekonferenz des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin, unterstützt von der Firma Stada, 20. April 2018, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Knapen MH et al.: Osteoporos Int 2007; 18: 963-72 <strong>2</strong> Knapen MH et al.: Osteoporos Int 2013; 24: 2499-507 <strong>3</strong> Hirao M et al.: J Bone Miner Metab 2008; 26: 260-4 <strong>4</strong> van Ballegooijen AJ et al.: Int J Endocrinol 2017; 2017: Article ID 7454376 (doi: 10.1155/2017/7454376) <strong>5</strong> ÖGE, DGE, SGE (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 2. Auflage, 2017 <strong>6</strong> Kaneki M et al.: Nutrition 2001; 17: 315-21</p>
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