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Fehlbildungen des Säuglingsfußes
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christof Radler
Teamleiter Kinderorthopädie, Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie, Orthopädisches Spital Speising, Wien<br> E-Mail: christof.radler@oss.at
30
Min. Lesezeit
30.03.2017
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<p class="article-intro">In der täglichen Praxis werden Fehlhaltungen mit Tendenz zur Spontankorrektur oft aus Unsicherheit übertherapiert. Die Versorgung mit Schienen oder orthopädischen Schuhen ist in den meisten Fällen nicht indiziert. Fehlbildungen hingegen benötigen eine spezifische Behandlung. Diese ist mit modernen Verfahren meist minimal invasiv möglich, erfordert aber viel Erfahrung mit den jeweiligen Techniken und auch eine spezifische Nachbehandlung und Verlaufskontrollen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Fußfehlbildungen sind in der Regel bei Geburt sichtbar. Zusätzlich zu angeborenen strukturellen Fehlbildungen gibt es eine Vielzahl von lagerungsbedingten Fehlstellungen, die meist mild sind und sich oft spontan korrigieren. Die Häufigkeit von Fußfehlbildungen wurde in einer konsekutiven Serie von 2.401 Patienten mit 4,2 % angegeben, wobei 87 % dieser Füße bei einer nochmaligen Untersuchung als unauffällig befundet wurden.<sup>1</sup> Die Unterscheidung zwischen milden Fehlstellungen, die sich durch Massage und entspanntes Abwarten von selbst korrigieren, und solchen, die eine spezifische Behandlung benötigen und auch rezidivieren können, ist nicht immer einfach.</p> <p>Am Säuglingsfuß können alle Deformitäten klinisch und durch Inspektion und Palpation diagnostiziert werden. Das obere und untere Sprunggelenk, der Rück-, Mittel- und Vorfuß und deren Position, Beweglichkeit und Flexibilität müssen untersucht werden. Zur Dokumentation eignen sich primär Fotos und klinische Scores. Röntgenbilder sind in den ersten Lebensmonaten nie erforderlich, können jedoch manchmal im Behandlungsverlauf hilfreich sein und zusätzliche Informationen geben.<sup>2</sup></p> <p>Bei allen Säuglingen muss eine Gesamtuntersuchung inklusive einer neuroorthopädischen Evaluierung durchgeführt werden. Die Anamnese bezüglich Schwangerschaft und Geburt kann wertvolle Hinweise auf eine mögliche Ursache von Auffälligkeiten geben. Ein Hüftultraschall sollte stets durchgeführt werden, obwohl die Verbindung zwischen Hüftdysplasie und Fußdeformitäten wie Metatarsus adductus oder Klumpfuß kontrovers beschrieben ist.<sup>3, 4 </sup></p> <h2>Lagebedingte Fehlstellungen</h2> <p>Lagebedingte Fehlstellungen entstehen durch die Position und Platznot in utero. Da das Platzangebot besonders in den letzten Wochen der Schwangerschaft deutlich abnimmt, zeigen sich diese Fehlstellungen üblicherweise bei frühgeborenen Säuglingen deutlich seltener.<sup>5</sup> Dennoch ist die Ätiologie manchmal überlappend und besonders Füße, die auch eine leichte muskuläre Imbalance zeigen, sind besonders in Hinsicht auf ein noch nicht völlig ausgereiftes oder unbalanciertes neuromotorisches System hin zu beobachten.</p> <h2>Metatarsus adductus</h2> <p>Der Metatarsus adductus, besser bekannt als Sichelfuß, ist die häufigste lagebedingte Fehlstellung. Der Vorfuß ist in Relation zum Rückfuß adduziert und es zeigt sich oft eine prominente Basis des fünften Metatarsal-Knochens. Die Achillessehne ist nicht verkürzt und es ist eine volle passive Dorsalextension möglich (Abb. 1). Bei einem flexiblen Sichelfuß ist die Abduktion über die Neutrale möglich; dieser korrigiert sich in der Regel spontan. Eine Stimulation des äußeren und Dehnung des inneren Fußrandes kann von den Eltern durchgeführt werden und die Spontankorrektur eventuell beschleunigen. In rigiden Fällen, in denen der Fuß nicht abduzierbar ist, kann eine Abduktionsorthese, wie z.B. IPOS-Schühchen, bis zum 6.–9. Lebensmonat verwendet werden. <br />Besonders rigide Fälle sollten einer Gipstherapie zugeführt werden. Beim Gipsen ist eine Abduktion des Fußes mit Gegendruck auf das Calcaneocuboid-Gelenk durchzuführen. Dies entspricht der Gips-Methode nach Kite, die für die Behandlung des Klumpfußes obsolet ist, jedoch beim Sichelfuß gut korrigiert.<sup>6</sup> Es sollten gut modellierte Ober-Unterschenkel-Gipse angelegt werden; bei sehr großer Erfahrung mit Säuglingsgipsen ist auch ein alleiniger Unterschenkelgips erfolgreich.<sup>7</sup> Eine Nachbehandlung mit einer Abduktionsorthese ist aber dann meist erforderlich. Eine rezente Studie beschreibt vergleichbare Ergebnisse der Gips- und der initialen Schienenbehandlung,<sup>8</sup> wobei hier die Form der Schiene und die Compliance großen Einfluss haben.<br />Fast alle Fälle korrigieren sich gut und dauerhaft mit dem beschriebenen Behandlungsregime. Es gibt eine kleine Minderheit an Fällen, die dazu tendieren, auch nach Behandlung wieder aufzutreten, und die eine längere orthotische Nachbehandlung notwendig machen. Diese Fälle zeigen üblicherweise eine ausgeprägte Muskelimbalance mit einem Überwiegen der Tibialis-anterior-Sehne. <br />Selbst rigide Sichelfüße sind keine Indikation zur operativen Korrektur, da sie zu keiner funktionellen Beeinträchtigung oder einem Schuhkonflikt führen. In einer Langzeitstudie von Patienten mit Sichelfuß wurden keine funktionellen Probleme gesehen und kein Fuß wurde als schlecht klassifiziert.<sup>9</sup> Für extrem seltene, sehr schwere persistierende Deformitäten mit deutlichem Schuhkonflikt in der Kindheit steht eine minimal invasive Operationsmethode zur Verfügung.<sup>10</sup> Kosmetische Interessen der Eltern sollten nicht als Indikation zur Operation akzeptiert werden: Eine kosmetische Korrektur kann auch nach Wachstumsabschluss noch erfolgen.</p> <h2>Z-Fuß</h2> <p>Beim Z-Fuß handelt es sich um eine seltene Kombination aus Sichelfuß und vermehrtem Fersenvalgus mit vermehrter talokalkanearer Divergenz, wie sie auch beim Talus obliquus oder angeborenen Plattfuß zu finden ist. Diese Fehlstellung ist nach der Geburt extrem selten und wird üblicherweise später, etwa um das 4. bis 6. Lebensjahr, diagnostiziert. Nach der Geburt ist die rigide Form dieser Fehlstellung sehr schwer zu gipsen. Im Kindesalter ist eine operative Korrektur möglich. Hier werden Verfahren zur kindlichen Plattfußkorrektur, wie z.B. die Calcaneusverlängerung, mit Verfahren gegen die Vorfußadduktion wie Cuneiforme-opening-wedge-Osteotomie oder Tibialis-anterior-Transfer kombiniert.<sup>11</sup> Inwieweit es sich hier, besonders bei schweren Fällen, tatsächlich um eine lagebedingte Fehlstellung handelt, ist unklar.</p> <h2>Pes calcaneovalgus (Hackenfuß)</h2> <p>Der Hackenfuß ist eine sehr häufige lagebedingte Fehlstellung und durch eine extreme Dorsalextension des Fußes charakterisiert. Dabei liegt der Fußrücken oft am Unterschenkel an (Abb. 2). Manchmal kann zusätzlich der Vorfuß leicht abduziert sein, in Kombination mit einer Valgusstellung der Ferse. Eine klare Differenzierung vom angeborenen Talus vertikales ist sehr einfach, da sich der Rückfuß nicht im Spitzfuß befindet und die Achillessehne nicht verkürzt ist. Ein Crus recurvatum valgum (posteromedial bowing) zeigt oft eine sehr ähnliche Fußstellung, wobei hier der Fuß selbst normal ist und sich die Fehlstellung in der distalen Tibia befindet (Abb. 3). Wenn der Hackenfuß über die Neutralstellung plantarflektiert werden kann, reichen die Dehnung und Massage durch die Eltern zur Korrektur aus. In weniger flexiblen Fällen können 1 bis 2 Gipse die Korrektur beschleunigen.<sup>12</sup> Eine Schienenbehandlung ist nie erforderlich.</p> <h2>Klumpfuß-Fehlhaltung (Kletterfüßchen)</h2> <p>Die Klumpfuß-Fehlhaltung („positional clubfoot“) ist eine lagebedingte Fehlstellung, die auf den ersten Blick an einen Klumpfuß erinnert. Der Fuß ist im Spitzfuß, in Adduktion und einwärts gedreht. In ganz milder und sehr flexibler Form ist diese Fehlstellung in unseren Breiten auch als Kletterfüßchen bekannt. Sie lässt sich passiv vollständig korrigieren und in die freie Dorsalextension überführen (Abb. 4). Der Übergang zum ganz milden kongenitalen Klumpfuß ist dann gegeben, wenn sich die Fehlstellung nicht passiv vollständig korrigieren lässt. Falls ein Gips zur Korrektur erforderlich ist, sollte auch eine Fußabduktionsschiene verwendet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s57.jpg" alt="" width="1417" height="1733" /></p> <h2>Strukturelle Fehlbildungen</h2> <h2>Klumpfuß</h2> <p>Mit einer Inzidenz von 1,25 auf 1.000 Lebendgeburten ist der Klumpfuß die häufigste angeborene Deformität. In 40–50 % der Fälle besteht ein beiderseitiger Klumpfuß. Männliche Säuglinge sind 2,5-mal häufiger betroffen als weibliche. Die Ätiologie ist nach wie vor unklar; viele unterschiedliche Faktoren werden jedoch mit dem Auftreten der Fehlbildung assoziiert. Eine familiäre Häufung ist bekannt, und genetische Studien favorisieren die Theorie einer heterogenen Erkrankung mit einem polygenetischen Schwellenwert-Modell, um die Vererbung zu erklären.<sup>13</sup><br />Der Klumpfuß ist eine sehr komplexe Deformität mit unterschiedlichen Komponenten, die oft getrennt beschrieben werden, aber natürlich verbunden sind. Es zeigen sich ein Spitzfuß des Rückfußes aufgrund einer Verkürzung der Achillessehne, weiters ein Fersenvarus (Inversion) und eine Adduktion des Calcaneus, der diesen nahe an die Fibula bringt. Der Calcaneus steht parallel unter dem Talus. Der Vorfuß ist adduziert und im Cavus, und das Naviculare ist nach medial verschoben und steht nahe dem medialen Malleolus. Obwohl der Vorfuß in Relation zur Tibia supiniert ist, steht er in Relation zum Rückfuß in Pronation (Abb. 5). Zusätzlich zu diesen Fehlstellungen der Knochen zeigen sich deutliche strukturelle Veränderungen, wie eine abgeflachte Talusrolle,<sup>14</sup> die durch brüskes Gipsen noch weiter abflachen kann. Die Bänder sind fibrotisch, die Muskeln kontrakt und das Gewebe des inneren Fußrandes hat Charakteristika von Narbengewebe mit vermehrten myofibroblastischen Zellen.<sup>15, 16</sup> Sekundäre Klumpfüße, wie bei Arthrogrypose, Myelomeningozele, Spina bifida oder neurogenen Störungen sowie im Rahmen von Syndromen oder auch assoziiert mit fibularer Hemimelie müssen abgegrenzt werden.<br />Die pränatale Diagnose des Klumpfußes hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, und die meisten Mütter bevorzugen es, über den Klumpfuß ihres Säuglings vor der Geburt zu erfahren.<sup>17</sup> Pränatale Beratung ist entsprechend erforderlich und wichtig und sollte eine Aufklärung über die Behandlung und Prognose, über mögliche sekundäre Ursachen des Klumpfußes und über die Möglichkeit einer falsch positiven Ultraschalldiagnose beinhalten.</p> <p>Die Behandlung sollte innerhalb der ersten 3 Lebenswochen beginnen, wobei hier keine Eile besteht und die Therapie nicht in den ersten Lebenstagen begonnen werden soll. Wenn Mutter und Kind aus dem Krankenhaus entlassen und kräftig und gesund genug sind, soll eine Vorstellung erfolgen. Bei Erstvorstellung wird eine gründliche Untersuchung des gesamten Säuglings inklusive Fotodokumentation durchgeführt. Weiters sollte der Pirani-Score erhoben werden, der sich in Studien als reproduzierbar und valide erwiesen hat.<sup>18</sup> <br />In den letzten 10 Jahren hat sich die Ponseti-Methode als Goldstandard der Klumpfußtherapie weltweit durchgesetzt.<sup>19, 20</sup> Die Ponseti-Methode ist ein primär nicht operatives Behandlungsregime, basierend auf wöchentlicher Gipsredression und einer minimal invasiven Achillessehnen-Durchtrennung. Die beeindruckenden Ergebnisse werden dabei durch ein möglichst exaktes Einhalten der einzelnen Therapieschritte und Redressionsgriffe erzielt.<sup>21, 22</sup> Für den ersten Gips wird das erste Metatarsale gehoben, um so den Vorfuß und Rückfuß in dieselbe Ausrichtung und Ebene zu bringen. Der Fuß darf niemals proniert werden. Bei den nächsten Gipsen erfolgt eine Abduktion des Fußes mit Gegendruck am Talushals zur Stabilisierung des Talus in der Malleolengabel. Dadurch wird der Calcaneus unter dem Talus derotiert und die Fehlstellung korrigiert. Etwa 4–6 Ober-Unterschenkel-Gipse in 90° Kniebeugung sind bis zum Erreichen der vollständigen Korrektur erforderlich. Eine daran anschließende Durchtrennung der Achillessehne ist in etwa 90 % der Fälle nötig, falls eine Dorsalextension von 15° nicht erreicht werden kann. In Fällen, in denen eine Dorsalextension über 15° möglich ist, sollte ein Röntgenbild des Fußes seitlich in maximaler Dorsalextension angefertigt werden. Dieses erlaubt die Evaluierung der tatsächlichen Rückfußkorrektur durch Beurteilung des tibiokalkanearen Winkels und zeigt eine eventuelle Schaukelfuß-Tendenz.<sup>23</sup> Die Achillessehne wird perkutan durch Stich­inzision vollständig von medial nach lateral durchtrennt. Der letzte Gips bleibt für drei Wochen und sollte in maximaler Abduktion und Dorsalextension angebracht werden. Nach der Gipsentfernung muss eine Fußabduktionsschiene (Pon­seti-Schiene, Denis-Browne-Schiene) getragen werden. Der Klumpfuß wird in 60° Außenrotation fixiert, während der nicht betroffene Fuß bei einseitigem Klumpfuß auf 40° gestellt wird. Die Schiene muss in den ersten 3 Monaten für 22 Stunden und danach bis zum 4. Lebensjahr nachts und zum Schlafen getragen werden. Eine Versetzung der Tibialis-anterior-Sehne ist in etwa 20 % der Fälle, üblicherweise zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr, erforderlich. Diese Operation kompensiert die oft vorhandene signifikante Schwäche der Peronealmuskulatur. Die mittel- und langfristigen Ergebnisse der Ponseti-Methode sind sehr gut und anderen Therapieverfahren – besonders klassischen operativen Entflechtungen – deutlich überlegen.<sup>24–29</sup></p> <h2>Kongenitaler Talus verticalis</h2> <p>Der kongenitale Talus verticalis präsentiert sich als Schaukelfuß-Fehlstellung mit fixiertem Spitzfuß des Rückfußes und nach dorsal auf den Talus disloziertem Naviculare. Es ist dies die schwerste Form des angeborenen Plattfußes. Die Abgrenzung zum Talus obliquus bilden die fixierte, nicht reponierbare Dislokation des Naviculare und die fixierte Spitzfußstellung. Beides ist in seitlichen Funktionsaufnahmen ersichtlich. Flexible angeborene Plattfüße finden sich extrem selten, sind in der Regel nicht therapiebedürftig und fallweise erster Hinweis auf eine muskuläre Dysbalance bei milden Formen der Zerebralparese. <br />Der kongenitale Talus verticalis zeigt sich in 50 % der Fälle beidseits, kann jedoch auch nur einseitig vorkommen oder auch mit einem kontralateralen Klumpfuß assoziiert sein (Abb. 6). Die meisten Fälle treten in Verbindung mit Syndromen auf, wie zum Beispiel bei Arthrogrypose, Trisomie 18, sakraler Agenesie oder Larsson-Syndrom. Die Inzidenz ist mit etwa 1:10.000 Lebendgeburten etwa zehnfach niedriger als die des Klumpfußes. Die exakte Ätiologie ist unbekannt, wobei Muskeldysbalance, intrauterine Kompression – besonders in Verbindung mit Arthrogrypose – oder ein Entwicklungsarrest des Fußes diskutiert werden. Neuere Studien zeigen, dass Auffälligkeiten bei Muskelbiopsien bei Talus verticalis sehr häufig sind und besonders bei Patienten mit kongenitaler Myopathie und distaler Arthrogrypose gehäuft auftreten.<sup>30</sup> Ein isolierter Talus verticalis kann auch autosomal dominant mit variabler Expression und inkompletter Penetranz vererbt werden.<sup>31</sup> Klassifikationen beziehen sich üblicherweise auf die zugrunde liegende Ätiologie und es werden primär isolierte Formen (44 % ) von assoziierten Formen mit oder ohne neurologisches Defizit (50 % ) unterschieden.<sup>32</sup><br />Traditionellerweise waren offene Gelenksoperationen die Therapie der Wahl, wobei hier zuletzt eine offene Entflechtung über einen horizontalen Cincinnati-Zugang mit offener Achillessehnenverlängerung, Kapsulotomie und einem medialen Release mit Reposition des Naviculare und Bohrdrahtfixation durchgeführt wurde. Dobbs etablierte schließlich eine Gipsredression in Kombination mit einem minimal invasiven Eingriff,<sup>33</sup> der auch gerne als „reversed Ponseti“ beschrieben wird. Dabei wird die talonavikulare Subluxation durch Gipse mit Plantarflexion und Pronation des Vorfußes mit Gegendruck von plantar und medial auf den Taluskopf korrigiert. Danach erfolgen eine Reposition und Stabilisierung des Talonavikulargelenks über einen minimal invasiven Zugang mit Bohrdrahtfixationen und eine anschließende perkutane Achillessehnenverlängerung. Eine Schienenversorgung ist zur Rezidivprophylaxe erforderlich. Obwohl in der Literatur durchwegs gute Resultate beschrieben sind,<sup>33, 34</sup> ist besonders bei syndromalen Fehlstellungen fallweise noch eine offene Operation erforderlich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s58.jpg" alt="" width="1417" height="1733" /></p> <h2>Fehlbildungen und Duplikaturen der Zehen und Zehenstrahlen</h2> <h2>Curly toes</h2> <p>Zehenfehlstellungen sind sehr häufig. Viele Neugeborene und Kleinkinder zeigen milde Fehlstellungen und „verdrehte“ Zehen, die unter dem Begriff „curley toes“ subsumiert werden. Diese sind meist beidseitig und betreffen am häufigsten die Zehen II bis IV. In den meisten Fällen korrigieren sie sich spontan oder entwickeln sich in die Richtung der gegebenenfalls familiär gehäuften Zehenfehlstellung. Bei tatsächlichen knöchernen Deformitäten mit Fehlbildungen der Phalangen kann eine operative Korrektur erfolgen. Diese ist nur bei hartnäckigem Schuhkonflikt bei Subductus oder Superductus (Über- oder Unterschlagen der Zehe) indiziert, wo eine Lösung durch eine Tenotomie der Flexorsehne, mit oder ohne Bohrdrahtfixation, erfolgen kann.<sup>35</sup></p> <h2>Syndaktylie</h2> <p>Syndaktylie bezeichnet die häutige Überbrückung zweier oder mehrerer Zehen, wobei meist die II. und III. Zehe verbunden sind. Die Verbindung führt üblicherweise zu keiner funktionellen Beeinträchtigung und benötigt keine operative Trennung. Ausnahmen sind Fälle, in denen es durch unterschiedlich lange Zehen im Wachstum zu einer Fehlstellung kommen kann; hier sollte eine Trennung mit Hilfe einer Z-Plastik durchgeführt werden.</p> <h2>Polydaktylie</h2> <p>Die Polydaktylie am Fuß, das Vorhandensein von überzähligen Zehenstrahlen, kann den lateralen V. Strahl (fibulare oder postaxiale Polydaktylie), die mittleren Strahlen (zentrale Polydaktylie) oder den medialen ersten Strahl (präaxiale oder tibiale Polydaktylie) betreffen. Polydaktylie kann Teil eines Syndroms sein, ist jedoch häufiger eine isolierte Fehlbildung und tritt in 50 % der Fälle beidseits auf. Je nachdem, ab welchem Level der Zehenstrahl dupliziert ist, werden ein distaler phalangealer, ein mittlerer phalangealer und ein proximaler phalangealer Typ von einem metatarsalen Typ mit entsprechender Duplikatur unterschieden.<sup>36, 37</sup> Ein tarsaler Typ mit Duplikatur von Mittelfußknochen oder eine partielle Duplikatur des Rückfußes sind sehr selten. <br />Bei der fibularen Polydaktylie wird die Entfernung des überzähligen Strahles lateral meist zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat empfohlen. Röntgenbilder sind erforderlich, um den lateralsten Strahl als den hypoplastischen zu bestätigen. Die tibiale Polydaktylie zeigt sich in unterschiedlichsten Formen und ist deutlich komplexer bezüglich der chirurgischen Korrektur (Abb. 7).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s59.jpg" alt="" width="684" height="902" /></p> <h2>Strahlendefekte</h2> <p>Strahlendefekte finden sich üblicherweise in Verbindung mit anderen Deformitäten wie der fibularen oder tibialen Hemimelie mit Verkürzung des Unterschenkels. Bei der fibularen Hemimelie ist das laterale Entwicklungsfeld betroffen. Entsprechend zeigt sich neben der Verkürzung des Beines mit Hypoplasie oder Aplasie der Fibula ein Fehlen der lateralen Zehenstrahlen.<sup>38</sup> In ähnlicher Weise ist die tibiale Hemimelie mit der Polydaktylie oder Aplasie von medialen Strahlen verbunden. <br />Zentrale Strahlendefekte finden sich in Form des Spaltfußes, der mit einer Inzidenz 1 auf etwa 90.000 Geburten extrem selten ist, dafür meist beidseits vorkommt.<sup>39</sup> Die Klassifikation beruht auf der Anzahl der fehlenden Strahlen. Die operative Korrektur zielt auf die Verschmälerung des Fußes ab, um diesen im Konfektionsschuh versorgen zu können.<sup>40</sup></p></p>
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